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Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Rätselraten

von Muggelchen

Den Weg vom Turm hinunter über die sich bewegenden Treppen gingen Ginny und Draco nur schleppend, was jedoch nicht an den benebelnden Aromen in Professor Trelawneys Klassenzimmer lag, sondern an dem anfangs unbegreiflichen Ereignis, eben einer Prophezeiung beigewohnt zu haben, von der die Lehrerin für Wahrsagen nichts zu wissen schien. Die kleine Pause war längst vorüber. Zur nächsten Stunde waren sie bereits viel zu spät dran, doch sie beeilten sich nicht. Stattdessen wurde Ginny erst langsamer, setzte sich dann auf die Stufen kurz vor dem Treppenabsatz des vierten Stocks. Draco hielt an und lehnte sich an das steinerne Geländer. Sie waren vollkommen allein.

„Was mag das zu bedeuten haben?“, wagte Ginny leise zu fragen.
Sein Blick huschte nachdenklich hin und her. „Etwas mit dem dunklen Mal, ganz sicher!“
„Wem erzählen wir davon?“
„Harry“, kam es von Draco wie aus der Pistole geschossen. „Wem sonst? Harry und vielleicht Hermine.“
„Und was ist mit Dumbledore?“ Ginny stand wieder auf und hielt ihre Bücher mit beiden Armen vor ihren Oberkörper, als wollte sie sich vor etwas Unsichtbarem schützen.
„Harry kann entscheiden, wer davon erfahren soll.“
Ginny nickte. „Es gibt eine Meldepflicht dafür.“ Sie hatte leise gesprochen und blickte ihm nun direkt in die Augen. „Prophezeiungen müssen beim Ministerium gemeldet werden.“
„Und wenn es gar keine war? Woher sollen wir wissen, ob Trelawney von ihren Kerzen nicht einfach nur etwas… sagen wir mal ’berauscht’ war?“

Beide konnten an nichts anderes mehr denken als daran, jemandem davon zu berichten. Harry hielt noch Unterricht, aber Hermine wäre momentan zu erreichen. Das würde bedeuten, dass einer von ihnen den Unterricht schwänzen müsste, wenn sie ihr sofort Bescheid geben wollten und das wollte zumindest Ginny.

„Was haben wir jetzt?“, wollte sie wissen.
„’Geschichte der Zauberei’, hat vor fünfzehn Minuten angefangen.“
„Ach du meine Güte.“ Ginny seufzte. Die Entscheidung, dem Unterricht fernzubleiben, fiel ihr nicht schwer. „Ich gehe zu Pomfrey. Kannst du mich bei Binns krank melden?“

Er grinste gezwungen, weil er sich selbst und auch ihr die Befangenheit nehmen wollte, die seit der letzten Stunde über sie gekommen war. Besonders Draco konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, denn er war sich sicher, dass die Prophezeiung die restlichen Todesser betreffen würde. Die von Trelawney benutzten Worte „Feuer“ und „Brand“ hatten seiner Meinung nach einen bitteren Beigeschmack. Es jagte ihm Angst ein, doch das wollte er nicht zeigen.

„Fängst du doch an zu kränkeln? Mein ’Ohnegleichen’ ist mir wohl sicher“, scherzte er halbherzig. „Gut, ich sag Bescheid. Am besten bringe ich dich hin, damit Pomfrey mir eine Bescheinigung ausstellen kann, warum ich zu spät…“
„Mr. Malfoy, Miss Weasley“, hörten beide eine wohl bekannte, zischende Stimme sagen.

Mit einem Buch unter den Arm geklemmt, welches er sich eben aus der Bibliothek geholt zu haben schien, war Severus mit wenigen Schritten bei ihnen.

„Professor Snape“, grüßte Draco Respekt zollend, doch bevor er ihre Situation erklären konnte, machte Severus ihnen bereits Vorwürfe.
„Was tun Sie hier außerhalb der Klassenzimmer? Haben Sie beide keinen Unterricht?“ Durch verengte Augenlider fixierte er Ginny, die ihren Blick senkte.
Das Wort ergriff Draco. „Es geht Miss Weasley nicht sehr gut, Professor. Wir haben eben entschieden, dass ich Sie zur Krankenstation bringe, um…“
„…den Unterricht zu schwänzen?“ Severus zog beide Augenbrauen in die Höhe, bevor er sich Ginny zuwandte und sie von oben herab musterte. „Sie sehen nicht gerade mitgenommen aus, Miss Weasley. Um welche Art Beschwerde handelt es sich denn?“
Draco wollte sich für sie einsetzen. „Sir?“
„Ich habe nicht mit Ihnen gesprochen, Mr. Malfoy. Also, Miss Weasley? Keine Lust auf ’Geschichte der Zauberei’? Möchten Sie stattdessen vielleicht lieber den Boden wischen?“
„Severus…“

Aufgrund seines von Draco verwendeten Vornamens wandte er seinen Kopf so schnell, dass ein leises Knacken zu hören war.

„Ich lege Ihnen nahe, Mr. Malfoy“, zischte er, „auf eine persönliche Anrede während der Unterrichtszeit zu verzichten.“ Wieder an Ginny gerichtet fragte er erneut: „Was für Beschwerden haben Sie?“

Es war vorherzusehen, dass Ginny und Draco dieser Situation nicht entkommen könnten und zum Unterricht gehen müssten, zudem auch noch Punkteabzug fürs Trödeln bekommen würden. Deswegen riss sich Ginny zusammen und bedeutete Severus mit einem Wink ihres Zeigefingers, dass er ihr sein Ohr leihen sollte. Er verzog den Mund, kam der Aufforderung aber zögerlich nach und beugte sich zu ihr, so dass sie ihm leise etwas mitteilen konnte.

Draco beobachtete, wie Severus’ erst angestrengt zuhörte, dann die Augen weit aufriss und das Gesicht angewidert verzog, bevor er sich aufrichtete und sagte: „Genug! Lassen Sie sich von Mr. Malfoy schon in den Krankenflügel begleiten!“

Irritiert blickte Draco seinem Patenonkel nach, der fluchtartig das Weite suchte, während Ginny sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Was hast du ihm gesagt?“
Sie setzte sich wieder in Bewegung und er folgte ihr, derweil blickte sie ihn über ihre Schulter an. „Ich habe ihm gesagt, ich würde unter Menstruationsbeschwerden leiden.“ Diesmal verzog Draco das Gesicht, hörte aber weiter zu. „Ich bin davon ausgegangen, er würde aufhören nachzuhaken, weil kaum ein Mann gern über so ein Thema spricht.“
„Da muss ich dir zustimmen. Ich gehöre übrigens auch zu den Männern – nur so als Hinweis.“
„Ich habe doch aber gelogen.“
„Ich will das gar nicht wissen!“

Madam Pomfrey hatte Draco eine Bescheinigung für das Fehlen von Miss Weasley mitgegeben und eine Entschuldigung für sein Zu-Spät-Kommen zum Unterricht. Ginny würde jetzt Hermine aufsuchen, während er die Aufgabe hatte – falls sie zu dem Zeitpunkt nicht schon zurück wäre – Harry vor dem Mittagessen abzufangen.

An Hermines Tür stehend flehte sie leise: „Bitte Hermine, sei da! Bitte!“ Ihr Klopfen wurde gehört. Zaghaft öffnete sich die Tür und als Hermine ihre beste Freundin bemerkte, da schien sie erleichtert, weil sie offenbar mit jemand anderem gerechnet hatte.
„Ginny, hast du nicht noch Unterricht?“

Etwas an Hermine war anders, dachte Ginny. Ihre Stimme war monoton. Sie hörte sich an, als würde sie etwas sehr belasten, doch bevor sie darauf einging, trat sie ein und schloss die Tür hinter sich.

„Trelawney hat eine Prophezeiung gemacht!“, sprudelte es aus Ginny heraus.
Hermines Stirn schlug Falten. Sie war skeptisch und zeigte sich kein bisschen überwältigt von dieser Information. „Bist du sicher?“
„Draco hat sie auch gehört! Der Arme war am nächsten dran. Danach wusste Trelawney von nichts.“ Mit einer Mischung aus Neugier und Sorge kniff Ginny die Augen zusammen, weil Hermine einen sehr abgeschlagen Eindruck machte. „Du hast doch selbst mal gesagt, dass man sich an eine Prophezeiung, die man gemacht hat, nicht erinnert, im Gegensatz zu Visionen.“
„Ja schon, aber bei Trelawney bin ich mir da nicht so sicher. Ich halte nicht viel von Wahrsagerei.“

Hermine wandte sich von ihrer Freundin ab und ließ sich antriebslos auf die Couch sinken. Ihre Mimik verriet nur eines, nämlich dass sie besorgt zu sein schien, aber nicht wegen der Prophezeiung. Es musste ernst sein, dachte Ginny, wenn Hermine nicht einmal fragte, wie der Wortlaut der Prophezeiung war.

„Hermine, was ist nur los?“, fragte Ginny vorsichtig und erntete damit einen Blick von ihrer Freundin, der so viel Verzweiflung innehatte, dass sie hinüberging und sich neben sie setzte. „Hermine.“ Der Klang ihrer tröstenden Stimme ließ Hermines Unterlippe einen Augenblick beben. „Hermine?“

Die zuvor sachte bebende Unterlippe begann nun zu zittern. Hermine hielt sich beide Hände vors Gesicht und holte kräftig Luft. Nun zitterten auch ihre Hände und ihr Oberkörper schüttelte sich. In weiser Voraussicht legte Ginny einen Arm um Hermines Schultern, unterließ es jedoch, ein weiteres Mal nachzufragen, was sie so belasten würde.

„Ich…“ Hermine schluckte, um ihre Stimme unter Kontrolle zu bekommen. „Ich kann mich jetzt nicht auch noch um eine Prophezeiung kümmern. Ich kann nicht!“

Ginny strich ihr in kreisenden Bewegungen ĂĽber den RĂĽcken und machte damit deutlich, dass Hermine sich nicht kĂĽmmern mĂĽsste.

„Ich dachte nur“, begann Ginny mit ruhiger Stimme, „die Prophezeiung könnte mit Todessern zu tun haben, das glaubt jedenfalls Draco.“

Hier blickte Hermine interessiert auf. Es war ihr unangenehm, sich von ihrer schwachen Seite gezeigt zu haben, doch Ginny hatte sie in Kriegszeiten noch ganz anders erlebt.

„Warum mit Todessern?“
Mit warmer Stimme gab Ginny den Anfang wider: „’Ein jettschwarzes Symbol auf schneeweißem Grund…’, das kann nur eines bedeuten, oder?“

Nach vorn blickend ließ sich Hermine diese Worte durch den Kopf gehen. Ihre Gedanken wirbelten so schnell umher, dass jeder Tornado vor Neid erblassen würde. Innerlich stöhnte sie. Momentan war ihr alles zu viel. Sie wollte endlich Lösungen und Erklärungen, ohne dafür auch nur ein einziges Mal noch den kleinen Finger krümmen zu müssen, doch das blieb ihr verwehrt. Unerwartet nickte sie Ginny zu und rang sich ein Lächeln ab.

„Hast du dir alles gemerkt?“
„Ich denke schon, ansonsten zeige ich’s dir im Denkarium.“
Zustimmend machte Hermine den Vorschlag: „Jetzt gleich?“
„Okay!“

Während Hermine und Ginny bereits ins Erdgeschoss gingen, um die Erinnerung an die Prophezeiung anzuschauen, saß Draco hin und her rutschend auf seinem Stuhl, ignorierte die eintönige Stimme von Professor Binns und wartete auf den Unterrichtsschluss.

Von links hörte er jemanden flüstern: „Sag mal, was ist denn los?“ Es war Gordian gewesen, der Draco ungläubig anblickte.
„Nichts“, log Draco.

Weitere Fragen wurden vereitelt, denn der Unterrichtsschluss wurde eingeläutet und Draco war der Erste, der Professor Binns Räume verlassen hatte.

Durch die Flügeltür der großen Halle spähend schaute Draco nach, ob Harry schon am Lehrertisch saß, doch sein Platz war leer. Er kam nie durch den Hintereingang, so dass Draco vorn wartete. Vereinzelt gingen Lehrer und Schüler an ihm vorüber, doch von Harry oder Ginny war weit und breit nichts zu sehen.

„Mr. Malfoy, warten Sie auf jemanden?“ Es war Remus gewesen, der ihn so verloren an der Tür hatte stehen sehen. Gleich hinter Remus stand Neville.
„Ja, Sir. Ich warte auf Harr… auf Professor Potter.“
„Oh, den habe ich nicht gesehen. Sollte er hinten reinkommen, werde ich ihm Bescheid geben, dass Sie draußen auf ihn warten.“
„Danke, Sir.“

Nur kurz blickte Draco den beiden hinterher, die den Weg zum Lehrertisch eingeschlagen hatten, bevor er wieder diejenigen im Auge behielt, die in die groĂźe Halle stĂĽrmten, um zu Mittag zu essen.

Ein paar Gänge weiter schlenderte Harry frohen Herzens zur großen Halle. Noch immer war sein Gesicht mit einem breiten Lächeln versehen, denn die letzte Unterrichtsstunde hatte ihm sehr gefallen. Es war lustig gewesen und die Schüler – alle Schüler – hatten das Thema beim ersten Mal begriffen, was ein befriedigendes Gefühl in ihm ausgelöst hatte. Er war zufrieden, auch mit sich selbst.

Geistesabwesend passierte er einen abzweigenden Gang, in welchem er nur aus den Augenwinkeln zwei Personen sah, die dicht nebeneinanderstanden und sich zu küssen schienen. Harry stutze und blieb stehen, bevor er mit in Falten gelegter Stirn zurückging, um in den Gang zu schauen. Seine Stirn glättete sich wieder, aber nur kurz, denn seine Augenbrauen schossen in die Höhe. Im Anschluss bemerkte er, wie sich ein freches Grinsen in seinem Gesicht niederschlug und er konnte nichts dagegen unternehmen. Er ging ein paar Schritte auf die beiden zu, baute sich vor ihnen auf und wartete, bis sie voneinander lassen und ihn bemerken würden – lange brauchte er nicht zu warten. Minervas seliges Lächeln, das sie eben erst noch ihrem Gatten geschenkt hatte, wurde von der Erkenntnis aus dem Gesicht gefegt, einen Beobachter gehabt zu haben. Albus folgte ihrem Blick und betrachtete Harry, dessen albernes Grinsen und das freche Funkeln in den Augen den Direktor anzustecken schienen.

„Aber Professor McGonagall“, sagte Harry übertrieben vorwurfsvoll, bevor er zweimal langsam den Kopf schüttelte.

Auch wenn er sich einen Scherz erlaubte, so spielte er seine Rolle offenbar sehr gut, denn eine gesunde Röte schlug sich auf ihren Wangen nieder.

„Und Professor Dumbledore, gerade Sie.“ Rügend schnalzte er ein paar Mal mit der Zunge. „Sie wissen doch über das ’Küssen auf dem Gang’ Bescheid. Aber ich werde mal ein Auge zudrücken.“ Minerva hatte sich wieder gefangen und blickte Harry mit ernster Miene an, doch der hielt nicht zurück. „Ich werde von einem Punkteabzug absehen“, flunkerte er.
„Wie großzügig, Harry“, kam es von Minerva mit gewohnt ernster Stimme.
„Trotzdem denke ich, dass eine Strafarbeit angemessen wäre.“ Während Albus sich alles in Ruhe anhörte und die ganze Zeit über sehr amüsiert schien, wirkte Minerva nun ein wenig erbost, was Harry nicht davon abhielt anzufügen: „Ich denke, Mr. Filch würde sich sehr über ein wenig Hilfe am Abend freuen.“ Der jetzige Blick, den Minerva ihm zuwarf, ging ihm durch Mark und Bein, so dass er die Situation schnell wieder entschärfte. „Natürlich auf freiwilliger Basis.“

Breit grinsend wandte Harry sich wieder ab, um erneut den Weg in die groĂźe Halle anzutreten, da drehte er sich noch einmal um und zwinkerte den beiden zu.

Vor der großen Halle war jetzt großer Trubel, denn der größte Schwung Schüler zwängte sich zum Mittagessen in den riesigen Saal. Draco bemerkte gar nicht, dass jemand vor ihm stand, bis man ihn am Ärmel zupfte. Erschrocken blickte Draco nach unten.

„Wer bist du denn?“, fragte er den schmächtigen kleinen Jungen.
„Ich bin Linus Korrelian und wollte wissen, ob ihr noch einen Treiber braucht.“
Ungläubig verzog Draco sein Gesicht, was ihn für einen Moment hässlich machte. „Du willst Quidditch spielen?“ Der Junge nickte heftig. „Aus welcher Klasse stammst du?“
„Ravenclaw, erste Klasse!“
„Erste Klasse? Dann hast du hast ja nicht mal einen eigenen Besen.“
Der Junge kniff beleidigt die Augen zusammen. „Ich habe einen, den durfte ich nur nicht mitbringen!“
„Dann hast du schon oft auf einem Besen gesessen?“, fragte Draco, bevor er aufblickte, um die Menschenmenge im Auge zu behalten, falls Harry auftauchen würde.
„Sonst würde ich ja wohl nicht fragen oder? Braucht ihr nun einen Treiber oder bin ich euch auch zu klein?“

Deutlich war herauszuhören, dass Linus bereits beim Kapitän der eigenen Quidditch-Mannschaft nachgefragt haben musste.

„Mann, Linus…“ Er legte eine Hand auf die Schulter des zierlichen Mitschülers. „Ehrlich gesagt habe ich Angst, dass du auf einem Besen Schlagseite bekommst, wenn du den Schläger in der Hand hältst.“
„Willst du mich veräppeln?“ Missgestimmt stieß Linus die Hand weg, die auf seiner Schulter ruhte. „Nur damit du es weißt: Ich spiele seit meinem sechsten Lebensjahr Cricket und ich habe als Batsman noch jeden Ball getroffen!“

Gekränkt ließ der Ravenclaw Draco stehen, der ihm verdutzt hinterherschaute, weil ihm wagemutige Gedanken durch den Kopf gingen, obwohl er mit den Begriff „Cricket“ nichts anzufangen wusste, aber „spiele seit meinem sechsten Lebensjahr“ und „jeden Ball getroffen“ hörte sich sehr vielversprechend an. Linus überholte in der großen Halle einen Erwachsenen und plötzlich bemerkte Draco einen Kopf mit strubbeligen Haaren. Harry muss längst an ihm vorbeigegangen sein und war schon auf dem Weg zum Lehrertisch.

„Har..“ Nein, er durfte ihn nicht beim Vornamen nennen. „Professor Potter?“ Harry blickte sich um und versuchte denjenigen ausfindig zu machen, der nach ihm gerufen hatte. Als er Draco erkannte, ging er zurück auf den Flur.
„Dra… ähm, Mr. Malfoy?“
„Ich muss mit Ihnen reden.“

Weil Draco so ernst geklungen hatte, ließ Harry sich von ihm ein paar Schritte wegführen, so dass sie nicht nur ungestört reden, sondern vor allem auf die höfliche Anrede verzichten konnten.

Während Draco in Stichpunkten das Erlebte nach dem Unterricht bei Trelawney wiedergab, betrachtete Hermine die Prophezeiung mit eigenen Augen, denn zusammen mit Ginny war sie in deren Erinnerung eingetaucht. Sie sah, wie ein verschreckter Draco von einer sich in Trance befindenden Wahrsagelehrerin gegen die Wand gedrückt wurde. Trelawneys Stimme klang ungewohnt, fast unirdisch.

„Ein jettschwarzes Symbol auf schneeweißem Grund kann nicht allein durch die Geheimnisse des Willens und seiner Gewalt schwinden. Feuer verzehrt, ein Brand erneuert. Erst nach dieser Reinigung wird seine Flamme es finden, das tränende Herz, um damit seine Wunden zu heilen.“

Kaum war Hermine aus der Erinnerung aufgetaucht, zückte sie aus ihrer Tasche das magische Schreibfederset und diktierte – gab Wort für Wort Trelawneys Vorhersage wider. Ginny atmete auf, als sie die Prophezeiung in Hermines wohlklingendem Tonfall hörte.

„Was glaubst du hat das zu bedeuten?“
Nachdem die Feder fertig geschrieben hatte, las Hermine die paar Zeilen noch mindestens drei Mal, bevor sie antwortete: „Ich habe keinen blassen Schimmer.“

Unerwartet trat Harry ins Wohnzimmer, der Draco im Schlepptau hatte.

„Also? Ich habe einen kurzen Abriss erhalten. Darf ich es sehen?“

Im Gegensatz zu Hermine nahm Harry Prophezeiungen etwas ernster, wusste aber durchaus, dass man diesen Dingen nicht zu viel Bedeutung beimessen durfte. Er blickte Ginny an, die daraufhin zum Denkarium hinĂĽberschaute.

„Wir könnten es zu viert ansehen“, schlug Hermine vor. „Ich würde mich gern vergewissern, ob ich auch alles richtig behalten habe.“

So kam es, dass vier zierliche Nasen im Becken des Denkariums untertauchten. Die Prophezeiung war nicht lang. Die vier benötigten weniger als dreißig Sekunden, um sie gesehen zu haben, doch dreißig Sekunden reichten aus, um den Herzschlag zu erhöhen, um sich Gedanken zu machen und um ein seltsames Gefühl in der Magengegend nicht mehr ignorieren zu können.

Draco warf seinen Umhang über die Rückenlehne der Couch. Mit einer Hand öffnete er die Knöpfe der Schuluniform und auch die beiden obersten seines Hemdes, denn er schien schwer Luft zu bekommen.

„Alles okay?“, fragte Harry ihn, weswegen er nickte, doch nichts war „okay“. „Hermine?“ Harry drehte sich, um sie ansehen zu können. „Was denkst du?“
„Lass mich das noch ein paar Mal lesen, bevor ich irgendwas dazu sage!“

Sie hatte recht giftig geklungen, doch er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie nicht seinetwegen verärgert war, sondern deswegen, weil sie die Antwort noch nicht kannte.

Mit seinen Vermutungen hielt Draco sich nicht mehr zurück: „Ich bitte euch: „schwarzes Symbol“ – was kann das schon bedeuten? Das ist das dunkle Mal!“

Er öffnete den Manschettenknopf seines linken Ärmels und entblößte seinen Unterarm. Das Zeichen Voldemorts war nicht mehr schwarz, weil es verblasst war, aber es war einst schwarz gewesen und noch immer konnte man es sehen.

„Was sonst?“, murmelte Draco zu sich selbst.
„Was bedeutet ’jettschwarz’?“ Harry hatte keine Probleme damit zuzugeben, wenn er etwas nicht wusste.
Noch immer mit ihren Augen über die Zeilen huschend erklärte Hermine nebenbei: „’Jett’ ist eine alte Bezeichnung für Kohle. Schwarz ist Schwarz, ob nun jett- oder pechschwarz.“
„Okay“, murmelte er und klopfte sich nervös auf den Oberschenkel, bevor er sich neben Draco setzte und seine grauen Zellen anstrengte. Er runzelte die Stirn. „Schneeweißer Grund?“
Ihn anblickend erklärte Draco: „Keiner der Todesser hatte eine ’gesunde Hautfarbe’. Sie waren allesamt sehr hellhäutig; ’vornehme Blässe’, du verstehst?“
„Und wenn ein Pergament gemeint ist, auf welchem etwas in schwarzer Schrift geschrieben steht? Oder gemalt, wenn es ein Emblem sein sollte, vielleicht ein Wappen?“, warf Ginny in den Raum.
Durch Ginnys Gedankengänge angeregt bewegte auch Harry sich in eine andere Richtung. „Und wenn Severus’ Augen damit gemeint sind? Die sind…“
„…nicht mehr schwarz“, hatte Hermine vorweggenommen.
„Aber sie waren es, genau wie das dunkle Mal“, hielt Harry dagegen sowie er ihr auch gedankenverloren Dracos Unterarm entgegenhielt, was der Blonde sich nur ein paar Sekunden lang gefallen ließ, bevor er seinen Arm aus Harrys Griff befreite, um den Ärmel wieder hinunterzukrempeln.

Endlich blickte Hermine auf und schaute ihren Freunden einmal in die Augen.

„Mir macht das mit dem Feuer und dem Brand ein wenig Sorgen, wenn ich ehrlich bin. Und was für eine Flamme soll gemeint sein und wie soll eine Flamme etwas finden?“
„Schneeweiß“, murmelte Ginny vor sich hin.
Die schriftlich festgehaltene Prophezeiung auf den Tisch legend stellte Hermine klar: „Mit ’schneeweiß’ ist bestimmt nur weiß oder hell gemeint. Es ist genauso theatralisch ausgedrückt wie ’jettschwarz’.“
„Die Prophezeiung im dritten Schuljahr war aber wesentlich deutlicher“, nörgelte Harry.
Hier machte Draco große Augen. „Du hast so etwas auch schon mal erlebt?“
„Eine Prophezeiung von Trelawney? Ja!“
„Und was war es gewesen?“
„Jungs“, warf Hermine ein, „bitte keine alten Prophezeiungen aufbrühen. Die ist längst verjährt. Kümmern wir uns um die neue. Vielleicht ist sie nicht deutlich, weil Trelawney es nicht sehr klar gesehen hat?“
Direkt neben Harry nahm Ginny Platz. „Ich wollte für alle nochmal zu Bedenken geben, dass es eine Meldepflicht für Prophezeiungen gibt. Was glaubt ihr, warum in der Mysteriumsabteilung so viele Glaskugeln lagern? Dort bewahrt man immer eine Kopie auf!“
Dazu gab Hermine ihre Meinung von sich. „Von mir aus meldet es. Ich hab es nicht miterlebt; es liegt nicht an mir.“

An der Unterhaltung hatte sich Harry nicht beteiligt, denn er überlegte konzentriert, grübelte über die möglichen Deutungen und die Bedeutung der Prophezeiung nach.

„Wie deutet man so was überhaupt?“, wollte Harry wissen.
Hermine hob und senkte einmal die Schultern und erwiderte: „Ich hab keine Ahnung. Ist mein erstes Mal, Harry. Ich denke, wenn man sich alles notiert, was gemeint sein könnte, dann kann man am Ende ein einleuchtendes Ergebnis erlangen. Also“, sie beugte sich nach vorn, „eure Vorschläge zum ’jettschwarzen Symbol’. Ich werde alles aufschreiben.“
Nochmals wiederholte Draco: „Das schwarze Mal.“ Hermine kritzelte es aufs Pergament.
„Severus’ Augen! Es könnte doch sein, Hermine.“ Seinen Gedanken fand Harry nun wirklich nicht gerade abwegig.
Zu Ginny schauend erwartete Hermine einen Vorschlag, so dass die Rothaarige sagte: „Ich denke, es handelt sich vielleicht um etwas Geschriebenes; ein Buch, ein Stück Papier, ein Symbol auf Marmor oder was auch immer weiß sein könnte.“
Hermine runzelte die Stirn. „Wie soll Marmor brennen können?“
„Was?“ Ginny schien nicht folgen zu können.
Den Kopf schüttelnd erklärte Hermine: „Das Ausschlussverfahren kommt eigentlich später dran, aber genau genommen sagt die Prophezeiung, dass das schwarze Symbol nicht durch Gedanken- oder Willenskraft verschwinden kann – nein, es muss brennen. Marmor kann nicht brennen, er wird unter der Einwirkung von Flammen einfach zu Kalk und scheidet daher von vornherein aus.“
„Augen können brennen!“, warf Harry überzeugt ein.
Hermine nickte. „Ja, Augen oder ’Fleisch’ – ein Körper – können gleichermaßen im übertragenen Sinne brennen wie auch im eigentlichen.“
Draco verzog das Gesicht. „Der übertragene Sinn gefällt mir besser.“ Den Gedanken an einen brennenden Körper fand er abstoßend. „Ich bin der Meinung, das ’dunkle Mal auf weißer Haut’ passt wie die Faust aufs Auge! Voldemort hatte keinen einzigen farbigen Anhänger, nur falls jemand einwerfen möchte, dass Menschen verschiedene Hautfarben haben.“
Eine Augenbraue hebend warf Harry ein: „Er war wohl nicht nur in Hinsicht auf Muggel sehr rassistisch oder?“
„Was weiß ich…?“ Draco zuckte mit den Schultern. Mit einem Male überkam ihn der Drang, sich zu rechtfertigen. „Ich bin keiner!“
„Was?“ Harry stutze.
„Ein Rassist. Ich bin keiner!“
„Das hat doch auch niemand behaup…“
In die Unterhaltung mischte sich Hermine ein. „Leute, wenn ihr alleine weitermachen wollt, dann sagt es nur. Wir sollten uns auf die wichtigen Dinge konzentrieren. Ich muss bald weg und ich hätte vorher gern noch ein paar Ergebnisse, also strengt euch an!“

Mit Severus war sie um 14 Uhr verabredet. Ein wenig Zeit hatten sie noch, aber nicht mehr viel. Hermine wollte dieses unerwartete Rätsel vorher am liebsten noch komplett lösen, wenigstens aber logische Lösungsansätze finden, denn das lenkte sie von der Tatsache ab, Severus in weniger als einer Stunde gegenüberstehen zu müssen. Sie machte sich Gedanken darüber, wie er reagieren könnte. Innig hoffte sie, dass sich nichts zwischen ihnen geändert hatte, nachdem sie ihm gestern auf den Dachboden gefolgt war. Ihr Herz fing plötzlich an, ganz aufgeregt zu pochen.

„Gut“, sagte sie, „das ’dunkle Mal auf heller Haut’ sehe ich als sehr wahrscheinlich. Was ist mit ’Feuer verzehrt, ein Brand erneuert.’? Hat jemand einen Vorschlag?“
„Die Stelle mag ich am wenigsten“, sagte Draco vor sich hin, während er seinen Kopf senkte.
Harry konnte das gut nachvollziehen. „Ja, das hört sich fies an. Warum soll das dunkle Mal brennen?“

Draco musste so kräftig schlucken, dass alle drei es hören konnten. Zögerlich blickte er auf.

„Das dunkle Mal…“ Er musste erneut schlucken, aber der Kloß in seinem Hals wollte einfach nicht verschwinden. „Das dunkle Mal hat gebrannt, wenn er gerufen hat.“ Seine Stimme wollte versagen, doch er zwang sich, nicht schwach zu klingen. „Es wurde glühend heiß; sah aus, wie glimmende Kohle.“
„Aber…“ Harry hatte Draco mitleidig angesehen und musste erst seinen Blick von ihm abwenden, um seinen Satz vervollständigen zu können. „Wie soll das dunkle Mal brennen? Voldemort kann nicht zurückkehren und er kann die Todesser nicht rufen!“ Allein der Gedanke daran wühlte ihn auf.
Ginny legte besänftigend einen Arm um seine Schultern. „Harry, beruhig dich. Voldemort ist tot – endgültig!“
„Daran gibt es nichts zu rütteln“, bestätigte Hermine. „Da macht euch keine Gedanken. Alle Horkruxe haben wir gefunden und zerstört. Es hieß in der Prophezeiung ja auch, dass das dunkle Mal nicht anders schwinden kann. Der Schwerpunkt liegt auf ’schwinden’ und nicht auf ’Brand’! Vielleicht ist damit gemeint, dass das Mal durch Feuer vernichten werden kann, so dass sich der Untergrund – die Haut – erneuert.“
„Schön gesagt“, warf Draco ungläubig ein, „aber wie soll das gehen?“
Zu Wort meldete sich Ginny. „Vielleicht ist das ’Feuer’ ebenfalls nur sinnbildlich gemeint? Ich hab allerdings keine Ahnung, wofür.“
Die Idee fand Hermine nicht abwegig und sie hatte in dieser Hinsicht auch gleich noch einen eigenen Einwurf. „Die ’Flamme’ ist auf jeden Fall nur metaphorisch gemeint, denn es scheint mir so, als stünde sie für ein lebendes Wesen.“

Wie zuvor schon ging sie im Kopf sämtliche Synonyme für das Wort ’Flamme’ durch und eines der gefundenen Worte ließ erneut ihr Herz schneller schlagen. Sie hatte eine vage Ahnung.

„Vielleicht…“ Alle blickten Harry an, der dadurch verunsichert wirkte. „Starrt mich nicht so an, nur weil ich den Mund aufmache“, scherzte er. „Was ich sagen wollte: Die Flamme…“

Er zog beide Augenbrauen in die Höhe, bevor zur Seite schaute. Die anderen folgten seinem Blick und ließen ihn auf einem ramponiert aussehenden, scharlachroten Vogel ruhen, der gerade sein ausgefranstes Gefieder putzte.

Ginny riss ihre Augen weit auf. „Du meinst doch nicht etwa…“
„Was sonst?“, erwiderte Harry und hob einmal die Schultern, bevor er sie wieder locker fallen ließ.
Draco nahm Hermine das Stück Pergament aus der Hand und las den letzten Satz: „Erst nach dieser Reinigung wird seine Flamme es finden, das tränende Herz, um damit seine Wunden zu heilen.“ Er spitzte die Lippen. „Das würde aber bedeuten, Harry, dass die Prophezeiung mit dir zu tun hätte, denn der Phönix ist dein Begleiter!“

Man konnte ihm ansehen, dass er sich sehr anstrengte, eine einleuchtende VerknĂĽpfung zu finden, doch Harry schĂĽttelte nach einem Moment ratlos den Kopf.

Draco wiederholte zum besseren Verständnis: „Es heißt ’seine’ Flamme, Harry.“ Er wandte sich dem Schwarzhaarigen zu. „Wenn die Flamme Fawkes wäre, bist definitiv du mit dem ersten ’seine’ gemeint. Aber ’seine Wunden zu heilen’ macht dann keinen Sinn. Hast du Wunden?“
„Mit dem zweiten ’seine’ könnte jemand anderes gemeint sein, zum Beispiel du“, machte Harry deutlich. „Wenn meine Flamme, nennen wir sie vorläufig ’Fawkes’, das tränende Herz findet, kann ich deine Wunden heilen.“
„Aber ich hab keine“, hielt Draco verblüfft dagegen.
„Doch, hast du.“ Harry tippte auf Dracos linken Unterarm.

Ginny seufzte. Ihrer Meinung nach hatten sie sich gerade festgefahren.

„Versteift euch mal nicht so auf Fawkes, vielleicht hat der Arme rein gar nichts mit der Prophezeiung zu tun.“
„Ich stimme Ginny zu“, sagte Hermine nickend. „Außerdem ist das unlogisch, denn es heißt ja, ’erst nach dieser Reinigung wird seine Flamme es finden’. Das jettschwarze Zeichen beziehungsweise das dunkle Mal muss vorab ’schwinden’ und erst DANN können ’seine’ Wunden geheilt werden.“
Harry kniff die Augen zusammen und sagte gespielt eingeschnappt: „Mach mir doch nicht meine Theorie kaputt, vor allem nicht so schnell!“

Damit hatte er Hermine zu seiner Erleichterung ein Lächeln abgerungen, denn sie war die ganze Zeit über so ernst gewesen.

Direkt neben Hermine nahm Ginny Platz, bevor sie sagte: „Fragt sich jetzt nur, wer mit ’seine’ gemeint ist. Jemand, der Wunden hat, die geheilt werden müssen.’’
„Leute“, sagte Harry, um auf sich aufmerksam zu machen. „Geht es nur mir so? Bin ich wirklich der Einzige, der an Severus denken muss?“
„Ich wollt’s nicht sagen“, gab Draco zu, „aber ich denke wirklich, dass er damit gemeint sein könnte.“
Ginny blickte verdutzt drein. „Ehrlich? Wenn Snape gemeint ist, wer ist dann seine Flamme.“
Bevor irgendjemand sich dazu äußern konnte, ergriff Hermine das Wort. „Vielleicht Linda, möglicherweise Lily, Brenda wohl weniger.“ Innerlich aufgeschreckt blickte sie auf die Uhr, die an der Wand neben der Tür hing. „Ich muss los, sonst gibt es Ärger.“

In Windeseile packte sie ihre Tasche, lieĂź jedoch das Pergament mit der notierten Prophezeiung bei den dreien, die ihr irritiert nachschauten, zurĂĽck.

Nachdem Hermine die Tür hinter sich geschlossen hatte, schaute Harry zur Uhr hinüber. „Es ist kurz nach halb zwei, sie fängt doch erst um vierzehn Uhr an oder? Warum ist sie denn jetzt schon weg?“

Als würde es die Antwort darstellen dachte Draco mit einem Male plötzlich an das Gerücht, welches Gordian ihm um die Weihnachtszeit herum erzählt hatte. Harry hingegen wiederholte in Gedanken Hermines erst gestern gesagten Worte, dass sie nicht wüsste, ob sie mit der Entwicklung zufrieden wäre und Ginny dachte sich ihren Teil, denn sie kannte ihre beste Freundin und wusste, dass sie erst dazu fähig war, über Dinge zu reden, wenn sie sie auch beim Namen nennen konnte.

Fast genau unter Harrys Räumen stand Hermine in dem nur durch Fackeln erhellten Gang, in welchem sich die Tür zu Severus’ Büro befand. Die Prophezeiung hatte sie aufgewühlt, denn sie versprach Heilung für ihn und Erfolg für sie, doch trotzdem war sie innerlich zerrissen.

Sie seufzte müde. Um diese Zeit wäre Severus noch im Unterricht, wusste sie, weswegen sie die Tür ohne anzuklopfen öffnete. Als sie drinnen eine schwarz gekleidete Person erblickte, rutschte ihr das Herz in die Hose. Blitzschnell drehte sich Severus wegen des Geräuschs der sich öffnenden Tür um.

„Da sind Sie ja endlich!“, keifte er.

’Endlich’, wiederholte Hermine verärgert in Gedanken. Gern hätte sie gekontert, dass sie immerhin zwanzig Minuten zu früh wäre, doch sein Gesichtsausdruck riet ihr, sich zurückzuhalten. Die Adern an seinen Schläfen waren ein wenig hervorgetreten, was nur geschah, wenn er wütend war – sehr wütend. Sie hoffte von tiefstem Herzen, dass nicht sie der Anlass für seine schlechte Laune war. Nicht ein Wort kam über ihre Lippen, denn es war angemessen, die Situation zunächst in Ruhe einzuschätzen – zu prüfen, wie wütend er war und vor allem warum.

Er stürmte auf sie zu. Durch seinen wehenden Umhang sah er so aufgeplustert aus wie ein Raubtier, das sich auf furchteinflössende Art größer machen wollte als es eigentlich war. Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte dieses Benehmen sie manchmal eingeschüchtert und so auch heute, nach etlichen Jahren.

Es war ein Brief, den er ihr unter die Nase hielt.

„Lesen Sie!“, befahl er grantig.

Noch immer hatte sie keinen Mucks von sich gegeben, blickte ihn nur mit groĂźen Augen an. Den Brief hatte sie schnell ĂĽberflogen, dann einmal gelesen. Er war vom Mungos.

„Aber…“ Sie hielt inne und schüttelte den Kopf.

Sein Gesicht verzog sich vor Zorn, als er sie anblickte und auf eine Äußerung wartete, doch es kam keine, weswegen er zu seinem Schreibtisch hinüberging. Die vielen Unterlagen, die dort verteilt lagen, stapelte er, bevor er sich ihr damit in einem Tempo näherte, der sie verunsichert einen Schritt zurückweichen ließ, was er bemerkte. Er blieb stehen, betrachtete sie einen kurzen Augenblick und atmete einmal tief durch, um sich zu beruhigen. Wesentlich langsamer legte er die letzten drei Schritte zurück, um sie nicht noch mehr zu verschrecken. Ihr Blick fiel auf die vielen Unterlagen, die er ihr entgegenhielt.

„Hier, rechnen Sie das bitte nach.“
„Was ist das?“
„Dem Schreiben von Professor Puddle und Professor Junot konnten Sie bereits entnehmen, dass das Gegenmittel nicht geholfen hat. Miss Parkinsons Zustand ist unverändert.“

Hermine wusste nun, warum er so aufgebracht war. Dass seine Arbeit nutzlos gewesen sein soll, war für ihn ein Schlag ins Gesicht; eine Kränkung seines Stolzes.

„Ich kann mir das nicht vorstellen, Severus. Ich…“
Er unterbrach. „Ich bin nicht unfehlbar. Tun Sie mir den Gefallen und rechnen Sie das nach. Sie finden in den Unterlagen alle benötigten Angaben wie Körpergewicht und –größe, sämtliche Informationen über ’Schlafes Bruder’ und die enthaltene Menge Basiliskengift, Forschungsergebnisse von Mr. Callidita und was sonst noch hilfreich wäre, um ein Gegengift herstellen zu können. Mir muss ein Fehler unterlaufen sein. Finden Sie ihn!“

Hermine musste ihre Augen schließen. Sie war so froh gewesen, diese Sache längst zu den Akten gelegt zu haben. Auch ohne den Fall Pansy hatte sie viel um die Ohren, für ihren Geschmack zu viel. Ihre Belastungsgrenze war hoch angesetzt, wie sie damals in Kriegszeiten erfahren hatte, aber sie bemerkte, dass mittlerweile der Stress auf ihr eigenes Gemüt schlug.

Als hätte Severus ihre Gedanken gelesen, sagte er, nachdem er sich zuvor peinlich berührt geräuspert hatte: „Die…“ Er räusperte sich erneut. „Die Pastillen…“
Ein zaghaftes Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Helfen Sie?“ Sie wusste, dass sie helfen mussten. Jeder, der sie einmal eingenommen hatte, konnte dies bestätigen.
Severus’ Bestätigung bestand aus einem knappen Nicken. „Ich wollte Sie darüber in Kenntnis setzen, dass sie langsam zur Neige gehen.“

Hermines Lächeln verblasste, als seine Worte ihr die Gewissheit über seinen Zustand vor Augen hielten.

„Severus“, flüsterte sie besorgt. „Das waren 200 Stück!“
„Und Sie gehen zur Neige. Es ist mir gleich, was Sie tun werden, Hermine. Bitten werde ich nicht darum.“
„Eine am Tag reicht vollkommen. Severus, wie viele haben Sie täglich genommen?“
Sie hörte ihn kräftig schlucken, bevor er sich abwandte. „Viele, und jetzt gehen Sie bitte und rechnen Sie nach.“
„Sagen Sie mir, wie viele Sie genommen haben!“
Er spritzte die Lippen und wollte die Angelegenheit hinunterspielen. „Fünf im Durchschnitt, nicht selten auch mal zwanzig.“

Ihr war zum Heulen zumute. Jeder andere, der zwanzig Stück auf einmal genommen hätte, würde völlig euphorisch auf den Gängen umhertanzen und sich des Lebens freuen, doch bei ihm schienen die Pastillen gerade mal den Stimmungslevel so konstant zu halten, damit er seines Lebens nicht überdrüssig wurde.

„Severus?“
„Wenn Sie der Meinung sind, Sie dürften sich nun herausnehmen, mir die Leviten zu lesen…“
Sie schüttelte den Kopf und unterbrach kleinlaut. „Nein, ich wollte Sie nur bitten, meine Vorstellung bei der ’Körperschaft der Zaubertränkemeister’ abzusagen. Wir könnten aufs nächste Jahr ver…“
Diesmal fiel er ihr ins Wort: „Wie bitte? Warum sollte ich das tun?“
„Weil es mir zu viel wird!“
„Was für ein Unfug ist das denn?“, meckerte er missgelaunt.
„Ich habe so viel um die Ohren, das wächst mir alles über den Kopf.“
„Sie müssen nur für ein, zwei Stunden an einem Podium stehen und Ihren Trank beweihräuchern. Was in Merlins Namen ist daran so einnehmend?“
„Vielleicht“, konterte sie mutlos, „weil es viele zeitraubende Vorbereitungen mit sich bringt. Die Versammlung ist schon im Februar und dann muss ich Ende des Monats auch noch meine Prüfung beim Ministerium ablegen.“
„Und was soll daran so schwer sein? Es handelt sich bei der Prüfung nur um einen einzigen Tag, Hermine! Sie gehen hin, beantworten ein paar Fragen schriftlich und mündlich, panschen vor Publikum einen Standardtrank zusammen und nehmen am Ende Ihr Zertifikat entgegen. Ich verstehe nicht, warum Ihnen das ’zu viel’ sein sollte?“

Mit großen Augen blickte sie ihn an und wägte ab, ob sie weiterhin dagegenhalten sollte, doch sie entschied sich dazu, jedes Wort, das ihre Kehle hinaufklettern wollte, sofort wieder hinunterzuschlucken.

„Schon gut.“ Sie hatte nicht verbergen können, dass sie kraftlos klang. „Wie viele Pastillen haben Sie noch?“
„Warum fragen Sie? Damit Sie mir doch noch Vorhaltungen machen können?“

Erneut musste sie ihre Augen schließen. Am liebsten würde sie die Unterlagen auf seinen Tisch legen und gehen, irgendwo hin: ein Spaziergang mit dem Hund zum See oder einen Kurztrip nach Japan. Überall dorthin, wo sie ihren Kopf freibekommen könnte.

„Nein, ich möchte nur wissen, ob ich die Pastillen herstellen soll, bevor ich mich an die Berechnungen für das Gegengift mache.“
„Sie werden erst nachrechnen. Die Pastillen sind zweitrangig!“
„Aber wenn…“
„Kein ’aber wenn’! Das Basiliskengift, das in dem Gegenmittel enthalten war, stimuliert die Nerven, Hermine. Wenn der Trank keine Heilung gebracht hat, dann muss ich davon ausgehen, dass Miss Parkinson eventuell unter Nervenschmerzen leidet, was sie niemandem mitteilen kann – Höllenqualen, Hermine! Könnten Sie mit dieser Vorstellung leben?“

Sie war so schockiert, dass ihr die Worte fehlten.

„Gehen Sie und nehmen Sie sich die Zeit, die Sie benötigen, aber nichtsdestotrotz erwarte ich, dass Sie nicht trödeln. Das hier“, er tippte auf die Unterlagen in ihren Händen, „hat absolute Priorität, verstehen Sie?“

Ihr blieb nichts anderes ĂĽbrig als zu nicken.

Mit einem mulmigen Gefühl begab sie sich in den vierten Stock, breitete ohne Umschweife die Unterlagen auf ihrem Tisch aus und machte sich daran, mit den vielen Anhaltspunkten eine Formel zu erstellen, während sie die Berechnungen von Severus weit weg legte, denn sie wollte sich nicht von ihnen beeinflussen lassen – wollte nicht riskieren, dass sein vermeintlicher Denkfehler auf sie überging.

Dem Abendessen blieb sie fern und auch Severus wurde vermisst, als Harry am Lehrertisch zwischen Remus und Neville Platz genommen hatte. Mit seinem alten Schulfreund unterhielt er sich über alles Mögliche, aber vor allem prächtig.

Neben sich vernahm Harry, wie Remus jemanden fragte: „Wo ist Albus?“
Minervas Stimme antwortete mit hörbarer Verbissenheit: „Der ist bei Mr. Filch und hilft ihm bei seiner Arbeit.“

Harry verschluckte sich an seinem Grünkohl. Sein Hals kratzte fürchterlich, doch ein Schluck Kürbissaft schaffte Abhilfe. Er wagte es nicht, seinen Kopf zu drehen, denn er spürte jetzt schon den bohrenden Blick Minervas, die sich darüber ärgerte, dass Albus die spaßig gemeinte Strafarbeit vor vorhin ernst genommen hatte.

„Remus?“ Der Angesprochene beugte sich nach hinten, damit er über Harrys Rücken hinweg Neville ansehen konnte, der ihn darüber unterrichtete: „Pomona hat gesagt, du kannst das Buch heute Abend noch abholen. Sie selbst hat noch zu tun, aber so gegen 21 Uhr erwartet sie dich.“
„Oh, vielen Dank. Ich werde pünktlich da sein.“
Harry lehnte sich zurück. „Was für ein Buch?“
„Na ja“, begann Remus ausweichend, „du weißt schon. Hat mit der fehlenden Zutat zu tun.“
„Ihr habt sie gefunden?“, wollte Harry wissen.
Remus schüttelte den Kopf. „Noch nicht, aber das Buch kann sehr hilfreich sein. Da soll beschrieben stehen, wo man die Pflanze findet. Sie wächst hier in Schottland.“ Neville nickte bestätigend, als er von Remus angesehen wurde.
„Ich drück die Daumen. Im Moment…“ Harry verbat sich selbst den Mund, denn er konnte hier schlecht über die Prophezeiung sprechen.
„Im Moment…“, wiederholte Remus neugierig.
„Nicht hier. Ich weiß nicht, ob du davon überhaupt erfahren solltest, aber andererseits…“ Er legte den Kopf schräg und dachte einen Augenblick nach. „Warum eigentlich nicht? Mehr Köpfe könnten das Rätsel schneller lösen.“
Neville wurde hellhörig. „Rätsel?“
Ein Seufzer entwich Harry. „Ja, ein Rätsel, zumindest etwas Ähnliches.“
„Luna ist gut in so was!“
„Ich weiß, Neville, aber das würde wirklich den Rahmen sprengen, auch noch sie damit zu belasten.“

Ein Moment des Schweigens trat ein, in welchem Neville ein Schälchen Karamellpudding zu sich heranzog.

„Wo sind eigentlich Hermine und Severus?“, fragte Remus, weil er vermutete, dass Harry es wissen könnte.
Mit den Schultern zuckend erwiderte Harry: „Zusammen arbeiten?“

Zwar arbeiten Severus und Hermine momentan nicht zusammen, aber jeder für sich und zwar an der gleichen Sache. Severus rechnete und blätterte, rechnete erneut und schaute in seinen Unterlagen nach, doch immer wieder kam er zum gleichen Ergebnis und das war jenes gewesen, welches bei Pansy nicht angeschlagen hatte.

„Verdammt!“ Mürrisch warf er seine Feder von sich, die entgegen seiner Erregung lautlos und sanft gen Tisch schwebte. Sein Gesicht in den Händen vergrabend wiederholte er leise: „Verdammt!“

Selbstzweifel gehörte zu den Gefühlen, die er nie wieder spüren wollte. Das war eine der wenigen Emotionen, die zu empfinden er in all den Jahren noch in der Lage gewesen war und momentan wurde er von diesem Gefühl eingenommen. Selbstzweifel, Unsicherheit, Zerrissenheit. Severus legte eine Hand auf seinen Bauch. Wie schon in den letzten Monaten zum Glück nur vereinzelt auftretend bekam er auch in dieser Situation Magenschmerzen, doch dieses Mal würde er einen der von ihm selbst gebrauten Tränke gegen Beschwerden dieser Art einnehmen müssen. Damals, gleich nach Lilys Tod, hatte sich sein Gram in die Schleimhäute seines Magens gefressen, was er mit Poppys Hilfe in den Griff bekommen hatte. Schon seit längerer Zeit – seitdem er seinen Frieden mit Harry geschlossen hatte – wusste Severus, dass diese unerwartete Fähigkeit, empfinden zu können, ihm aufs Neue auf der Seele liegen würde und genau das hatte er damals verhindern wollen. Ohne Hermines Pastillen hätte er seinen Qualen längst ein Ende bereitet.

Severus seufzte, bevor er die letzten fünf Pergamente zerknüllte und achtlos hinter sich warf. Er atmete einmal tief durch und widmete sich hartnäckig der Stöchiometrie, überprüfte im Vorfeld nochmals die Summenformeln der Ausgangsstoffe, bevor er sich an die zeitraubende Reaktionsgleichung wagte. Der Fehler, wenn es denn einen gab, konnte nur in der Berechnung für die Summenformel des Basiliskengiftes liegen, denn die Angaben von Callidita, der damals in Hogwarts als Heiler gearbeitet hatte, waren eventuell ungenau.

Auf die gleiche Vermutung kam Hermine, nachdem sie ihr sechstes Pergament nochmals ĂĽberflog, nur um zu bemerken, dass sie auf genau dieselbe Berechnung schon fĂĽnf Mal zuvor gekommen war.

„Verdammt!“, fauchte sie gereizt und Fellini fühlte sich persönlich angesprochen und suchte vorsichtshalber das Weite. Sie rieb sich das Gesicht mit beiden Händen, stöhnte weinerlich und fluchte aufgebracht, doch das half ihr auch nicht weiter. Niemanden könnte sie in dieser Angelegenheit um Hilfe bitten, denn sie war sich sicher, dass Rechnen in Bezug auf Zaubertränke weder Harrys heimliches Steckenpferd darstellte noch das von Remus. Ihr fiel bis auf Albus niemand ein, den sie um Hilfe bitten könnte, doch Severus hätte den Direktor sicherlich längst gefragt, würde er sich etwas davon versprechen.

„Blöder Basilisk!“

Von diesen Kreaturen wusste man viel zu wenig, über ihr Gift noch weniger. Dass diese Wesen einzigartig waren zeigte allein schon die Tatsache, dass ihr Toxin nicht lähmte, wofür Schlangengift in der Regel bekannt war, sondern das vegetatives Nervensystem anregte. Tödlich war es trotzdem, zumindest bei Abraxanern. Den Grund konnte man nur erahnen. Hermine konnte nicht einmal mit Sicherheit sagen, warum ein Basilisk überhaupt über Giftdrüsen verfügte, wo er doch seine Opfer mit einem einzigen Blick töten konnte – also wozu das Gift?

Die ganze Zeit ĂĽber hatte sie einen Namen im Hinterkopf.

„Wer weiß am meisten über Basilisken Bescheid?“ Mit strengem Lehrerblick betrachtete sie ihren Kater.
„Mau?“, machte Fellini vorsichtig.
„Richtig, Corvinus Callidita! Mal sehen, ob ich seinem Gemälde in Poppys Büro ein paar Worte entlocken kann.“

Zuversichtlich sprang sie von der Couch, um sich etwas Schickeres anzuziehen, denn auch wenn es – sie stutzte, denn offenbar hatte sie die Zeit vergessen – bereits halb zwei war, war sie fest entschlossen, ihr Vorhaben nicht zu verschieben.

Hogwarts’ Gänge waren kalt. Die meisten Herren und Damen in den Gemälden schnarchten, als Hermine leise die sich bewegenden Treppen hinunterging, um im ersten Stock den Krankenflügel aufzusuchen. Callidita war ein magisches Gemälde, würde aber nicht sprechen; das hatte zumindest Severus von Remus erfahren und der wusste es von Poppy selbst.

Der Zutritt zum KrankenflĂĽgel lief problemlos vonstatten, aber dass sie auch mit Leichtigkeit in Poppys BĂĽro eintreten konnte, machte sie skeptisch.

„Was tun Sie hier?“, hörte man eine Frauenstimme im Dunkeln sagen. Erschrocken drehte sich Hermine um, eine Hand auf der Brust sollte ihr Herz beruhigen. Poppy entzündete mit einem Incendio alle Lichter. „Miss Granger? Hermine, was tun Sie hier?“ Sie musste gerade dem Bett entstiegen sein, denn sie war in einen Morgenmantel mit üppig fallenden Stoffen gehüllt, auf dem Kopf trug sie eine altmodische Schlafhaube.
„Ich… Ich… Ich bin momentan um Worte verlegen.“ Ein gequältes Lächeln lag auf Hermines Lippen. „Ich wollte nichts stehlen, falls Sie das vermuten, Poppy.“
„Nein, das würde ich auch nicht von Ihnen denken. Wie kann ich Ihnen“, sie blickte zur Standuhr hinüber, „um kurz nach halb zwei behilflich sein?“
Schuldbewusst betrachtete Hermine ihre Fingernägel. „Ich hätte nicht unangemeldet kommen sollen, das tut mir Leid.“
„Sie sind Heilerin, Hermine – eine Kollegin. Ich würde Ihnen bestimmt keine Steine in den Weg legen, was Sie auch tun oder worüber Sie auch Nachforschungen anstellen, aber Sie müssen auch verstehen“, Poppy drosselte ihre aufgebrachte Stimme und fuhr sanfter fort, „dass es immer wieder ein großer Schreck ist, mitten in der Nacht von dem Alarmzauber geweckt zu werden.“
„Es tut mir so Leid.“
Wesentlich gelassener sagte Poppy: „Na ja, es kommt zum Glück sehr selten vor. Ich werde Ihre magische Signatur dem Schutzzauber zuführen, damit Sie ein- und ausgehen können.“

Einen Wutsch mit dem Zauberstab später nickte Poppy selbstzufrieden. „Das wäre erledigt.“

Erst jetzt blickte sich Hermine in Poppys gemütlich wirkendem Büro um. An drei Stellen hingen Gemälde. Eines zeigte eine hochnäsig wirkende Frau mit Schönheitsfleck über der linken Oberlippe, den sie Hermines Meinung nach wirklich nötig hatte, denn hübsch anzusehen war sie nicht. Sie wirkte wie eine Karikatur. In einem anderen Bild war ein alter Mann mit schlohweißem Haar abgebildet, der dösig in einem weichen Sessel saß und die Szenerie nur mit einem halbwachen Auge verfolgte. Das dritte Gemälde musste den Gesuchten darstellen. Vom Alter her passte es, denn Callidita war laut der Bücher gerade mal 34 Jahre alt geworden, allerdings war nicht schriftlich festgehalten worden, dass er so gut ausgesehen hatte.

„Wenn Sie nur meine Dekoration betrachten wollten, Hermine, dann hätten Sie auch am Tage kommen können.“
„Verzeihung, Poppy. Ich wollte ein Wort mit Mr. Callidita wechseln, wenn er nichts dagegen hat.“

Sie blickte zu dem jungen Mann hinüber, dessen strahlend blaue Augen vor Neugierde funkelten. Ihm gegenüber begann die Dame mit dem Schönheitsfleck hinter vorgehaltener Hand zu kichern und das Funkeln in Calliditas Augen verstarb. Er blickte zu Boden und täuschte Desinteresse vor. Als Hermine ihre Augen von ihm lösen konnte und die ältere Heilerin anblickte, da bemerkte sie, dass Poppy so erstaunt zu sein schien, dass ihre Augenbrauen unter der tief sitzenden Schlafhaube verschwunden waren.

„Sie möchten mit…“ Poppys Blick huschte zum besagten Gemälde hinüber, dann wieder zu Hermine. „Wenn Sie es schaffen, nur zu.“ Sie klang ein wenig enttäuscht. „Ich werde Sie allein lassen. Gute Nacht, Hermine. Und viel Glück!“
„Gute Nacht Poppy.“

Die Tür schloss sich hinter der Heilerin, die sich nun wieder ins Bett begeben würde. Was genau Hermine das Gemälde fragen wollte, wusste sie selbst nicht. Zudem war es zweifelhaft, ob gerade ihr gelingen würde, woran andere gescheitert waren: Mr. Callidita zum Reden zu bewegen.

„Nur zu“, drängte die Frauenstimme aus dem Gemälde hinter Hermine, doch sie schenkte der hochnäsigen Dame keinerlei Beachtung. Hermine konnte sehen, wie Callidita seinem Gegenüber einen mürrischen Blick zuwarf, dann aber seinen Kopf drehte und sie ignorierte.
„Mr. Callidita, ich bin Hermine Granger. Ich bin, wie Sie von Madam Pomfrey eben erfahren haben, Heilerin.“ Seinen Blick hatte Callidita noch immer abgewandt. „Bitte, ich möchte gern mit Ihnen über etwas reden, wovon Sie mehr verstehen als jeder andere.“ Seine Neugierde schien wieder aufzuflammen, denn er beäugte sie aus den Augenwinkeln. „Ich habe in einem Buch über Sie gelesen und über Ihre Arbeit, die ich übrigens sehr beeindruckend finde.“

Etwas zu schmeicheln, dachte Hermine, könnte nicht schaden, solang sie dabei nicht log und das tat sie nicht. Endlich schaute er sie an, was ihr ein kleines Triumphsgefühl bescherte, doch leider machte er nichts anderes.

„Sie können sich sicherlich denken, von was ich spreche.“ Ihre Stimme war sehr sanft. „Ich habe vor kurzer Zeit das Glück gehabt, einen Basilisk zu sehen.“ Seine Augen gewannen mit einem Male wieder an Lebendigkeit. Er schien kurz davor, sie mit einem Schwall an Informationen erschlagen zu wollen, doch er blieb stumm. „Es ist uns gelungen, die Giftdrüsen zu entfernen und mitzunehmen.“ Wegen seines schockierten Gesichtsausdrucks erklärte sie schnell: „Das Tier war tot, seit einigen Jahren schon.“ Erleichtert schloss er einen kurzen Moment die Augen, bevor er in die ihren blickte und auf weitere Anekdoten zu hoffen schien. „Auch ein paar Schuppen haben wir mitnehmen können.“ Der Herr, dessen Augenfarbe an einen Bergsee erinnerte, lächelte freundlich gesinnt. „Ich stehe vor einem Problem. Ich…“

Hermine blickte zu dem Gemälde mit dem alten Mann hinüber, aber der war in seinem Sessel längst wieder eingeschlafen. Die hochnäsige Dame hinter Hermine hatte jedoch ihren Hals gestreckt, um lauschen zu können, weswegen Hermine näher an Calliditas Gemälde heranging, um leiser sprechen zu können.

„Ich brauche Hilfe, sehr dringend sogar und ich bin der Überzeugung, dass es für Sie eine Leichtigkeit wäre, mir ein wenig unter die Arme zu greifen. Würden Sie mir helfen?“

Möglicherweise hatte sie ein bisschen zu flehend geklungen, doch sie hatte sich nicht verstellt. Der Hundeblick könnte gegebenenfalls zu viel sein, schalt sie sich selbst, aber bei Ron und Harry hatte der immer gewirkt. Sie war verzweifelt und das durfte er ruhig hören und auch sehen. Calliditas Mund öffneten sich ein wenig und seine Lippen bewegten sich, als würde er etwas sagen wollen, doch kein Wort war zu vernehmen.

„Bitte“, hauchte sie.

Das letzte Wort hatte sie so beschwörend ausgesprochen, dass Callidita sich endlich einen Ruck gab, doch was Hermine hörte, irritierte sie.

„Mmmm“, summte er in verschiedenen Tonlagen, als wäre das Wort, das er von sich geben wollte, so lang wie eine Gummischlange aus dem Honigtopf; es wollte einfach nicht in einem Stück über seine Lippen kommen und in diesem Augenblick verstand Hermine seine Abneigung zu sprechen.

Hinter sich hörte sie, wie die Frau aus dem Gemälde ihn auf gemeine Weise nachäffte und über ihre Imitation schrill lachte.

„M-M-Mr. C-C-Callidita kann ja nicht mal seinen Namen nennen, ohne über ihn zu stolpern!“

Blitzschnell drehte sich Hermine um und schimpfte: „Das ist wirklich unverfroren. Jetzt kann ich mir auch gut vorstellen, warum der Maler Sie karikiert hat. Ihre Garstigkeit hat er allerdings ganz wunderbar ausgearbeitet!“

Das hässliche Grinsen verschwand aus dem Gesicht der Dame und wurde durch einen erbosten Gesichtsausdruck ersetzt.

„Ich höre wohl nicht recht?“, schimpfte die Frau. „Und das von einem Weibsbild, das nie etwas von einer Bürste gehört zu haben scheint.“
„Zumindest brauche ich keinen Schönheitsfleck, der die Augen von einem grässlichen Gesicht ablenkt!“
„Das ist ja wohl…“ Die Dame war so vor den Kopf geschlagen, dass ihr sogar die Sprache wegblieb.

Mit klopfendem Herzen wandte sich Hermine wieder an Callidita, der zu ihrem Erstaunen mit gehässiger Miene zu seinem weiblichen Gegenüber starrte, bevor er seinen Blick senkte, um Hermine ansehen zu können.

„Wenn Sie gestatten, Mr. Callidita, dann würde ich Sie gern ’ausleihen’ und mit auf mein Zimmer nehmen. Ich bringe Sie wieder zurück, wann immer Sie möchten, aber ich glaube, hier kann man sich nicht ungestört unterhalten.“

Erleichterung machte sich in ihr breit, denn der hübsche Mann in dem Gemälde nickte zustimmend.


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Dass die computer- und videogeprägten Kinder in 400-Seiten-Romanen versinken, reißt deren Eltern zu Jubelstürmen hin. Ganz abgesehen davon, dass auch die Erwachsenen längst mit der "Pottermania" infiziert sind.
Elisabeth Sparrer, Abendzeitung