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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Mein Name ist Harry Potter

von Muggelchen

Selbst engagierte Tränkemeister wie der verstorbene Belby hatten niemals die Vermutung geäußert, man könnte den Werwolfsfluch komplett aufheben. Severus sah das nicht anders. Nicht mal die Schmerzen der Verwandlung konnte man den Betroffenen nehmen. Vorteil des Wolfsbanntrankes war einzig die Tatsache, dass die Personen in der tierischen Gestalt noch über ihren menschlichen Verstand verfügten. Im Fall von Hermines Trank kam noch die Erleichterung des wohligen Geschmacks hinzu, der für eine gute Verträglichkeit sorgte. Eine komplette Heilung war jedoch nicht möglich. Genauso sah Severus es bei Vampiren.

Nach dem Unterrichtsende machte sich Severus wieder auf den Weg zur Apotheke, während er an das Treffen mit Mr. Worple und Mr. Sanguini dachte, welches für Freitag angedacht war. Severus war längst aus Hogwarts verschwunden, als Harry an die Tür des verlassenen Büros in den Kerkern klopfte. Ein Schulterzucken später nahm er den Kamin in seinem eigenen Zimmer, um in die Apotheke zu flohen. Die Ankunft war alles andere als graziös, denn Harry torkelte und landete auf dem Gesäß. Der Kniesel kam sofort zu ihm gelaufen und sah nach dem Rechten, ließ sich dabei auch gern streicheln. Als Harry die Stufen hinunter ins Erdgeschoss ging, wurde er am unteren Treppenabsatz bereits von Severus erwartet.

„Ich habe den Kamin gehört.“ Hämisch grinsend fragte Severus: „Bist du gefallen?“
Ertappt presste Harry die Lippen zusammen. Die Reise über den Kamin lag ihm nach all den Jahren noch immer nicht. „Irgendwann lerne ich es noch“, versicherte er ihm. Als er bei ihm angekommen war, erinnerte Harry ihn: „Ich wollte noch etwas abholen. Du weißt schon ...“
Severus konnte damit wenig anfangen. „Du hast das Elixier, was möchtest du noch?“
„Ähm“, Harry fuhr sich durchs wirre Haar, „den Stein zurück?“
Den hatte der Tränkemeister ganz vergessen. „Oh, der muss noch im Destillierapparat befestigt sein.“

Harry folgte Severus ins Labor. An einem der Tischenden stand Hermine. Sie schnitt eine Frucht, die nach Pilzen aussah.

„Hallo Harry“, grüßte sie mit einem Winken, „komm bloß nicht näher. Die Sporen machen furchtbar viel Dreck.“
„Hi Hermine, läuft alles bestens?“
„Alles läuft ganz wunderbar“, beteuerte sie lächelnd, während sie zu Severus hinüberschaute und wortlos bestätigte, dass auch der Heiltrank keine Probleme machte.

Severus öffnete gerade den Destillierapparat. Aus der Haltevorrichtung löste er den Stein der Weisen, den er im Anschluss mit einem weißen Tuch polierte. Er ging ein paar Schritte auf Harry zu, hielt den Stein dabei zwischen Zeigefinger und Daumen. Harry hielt eine Hand auf, doch Severus ließ den Stein nicht los.

„Severus?“
Der Tränkemeister zuckte kurz zusammen, als er angesprochen wurde. „Ja hier“, Severus ließ den Stein über Harrys offener Hand schweben, doch noch immer gab er ihn nicht her.
„Fällt es schwer, davon abzulassen?“, fragte Harry mit Verständnis in der Stimme.
Severus gab sich einen Ruck und drückte den Stein in Harrys Hand. „Wozu brauchst du ihn eigentlich?“, wollte er von Harry wissen. „Dich interessieren weder Zaubertränke noch Alchemie! Außerdem ...“

Es klopfte an der Labortür. Daphne kündigte zwei Gäste an, die sie nach einem Okay von Severus hereinbitten sollte. Es waren die Herren, die er erst am Freitag erwartete. Mr. Worple und Mr. Sanguini traten ein. Worples Blick fiel sofort auf Harry.

„Ah, Mr. Potter höchst persönlich.“ Der bebrillte Zauberer freute sich sichtlich über den prominenten Gast. „Darf ich Ihnen die Hand schütteln?“
„Wenn ich sie in einem Stück zurückbekomme, gern“, scherzte Harry und reichte dem Mann die Hand. Ohne nachzudenken grüßte Harry auf gleiche Weise die andere Person, die ihm bekannt vorkam, doch auf den Namen kam er nicht. Auch ahnte er nicht, dass der Mann ein Vampir war. Noch während er dem gutaussehenden Mann die Hand schüttelte, kam ihm das Gesicht mehr und mehr bekannt vor. Erschrocken hielt Harry mit dem Gruß inne, als seine Erinnerungen endlich die Identität des Mannes klären konnten. „Wir haben uns schon einmal gesehen“, sagte Harry, bevor er einmal kräftig schlucken musste.
Sanguini nickte und erklärte völlig gelassen: „Auf einer Weihnachtsparty von Professor Slughorn.“
„Mr. Worple“, Severus verschaffte sich Gehör, „wir waren zu Freitag verabredet.“
„Ja, aber es ist uns ein Malheur unterlaufen. Die letzte Dosis wurde versehentlich verschüttet“, erklärte der Vampir-Experte reumütig.
„Diese besagte, letzte Dosis hätte schon vor einer Woche eingenommen werden müssen!“
„Das ist richtig, Professor Snape, aber es schien alles normal zu sein. Kein Verlangen, keine Nebenwirkungen. Wir haben gehofft, mein Freund würde bis Freitag ohne eine weitere Dosis auskommen, aber heute ... Na ja, es wird brenzlig.“

Severus schaute hinüber zu Sanguini, der allgemein sehr ruhig wirkte. Der Vampir hielt sich im Zaum, unterdrückte die aufkommende Lust auf Blut und wartete geduldig, bis man ihm einen Trank verabreichte. Den Gefallen tat ihm Severus. Aus einem Schrank nahm er eine Phiole, die er Sanguini reichte. Im Nu war sie geleert worden. Sanguini schloss erleichtert die Augen. Der Drang war wieder unter Kontrolle, gar nicht mehr zu spüren.

Da man Harry nicht gebeten hatte zu gehen, wartete er still. Er beobachtete das Szenario und lauschte dem Gespräch zwischen Severus und Sanguini.

„Wann haben Sie die letzte Dosis genommen?“, wollte Severus in Erfahrung bringen.
Aus seinem schwarzen Umhang zückte der Vampir eine Liste, die er kurz überflog. „Vor 24 Tagen.“
„Das ist erstaunlich“, murmelte Severus, bevor er in normaler Lautstärke erklärte, „die Wirkung des Tranks war für zwei Wochen bestimmt.“ Severus musterte den Vampir vor sich. „Wie fühlen Sie sich?“
„Jetzt wieder bestens. Ich kann feste Nahrung zu mir nehmen, ohne dass mir übel wird. Verlangen habe ich keines, wenn der Trank noch wirkt.“
„Das ist ein überraschendes Ergebnis.“
Mr. Worple knüpfte an dieser Stelle an. „Ich sagte doch, dass es großartige Neuigkeiten gibt. Das Gute ist, dass bei einer ausgelassenen Dosis der Instinkt nicht auf einen Schlag zurückkommt. Man kann sich darauf einrichten und rechtzeitig eine weitere Dosis nehmen.“

Deswegen war Sanguini so ruhig gewesen. Er fühlte zwar, dass er den Bluttrank benötigte, war er war nicht so in Bedrängnis gekommen, dass er jemanden angefallen hätte. Selbst als er Harry die Hand reichte, hatte er nicht nach dessen Puls gefühlt. Severus könnte noch einige Modifizierungen vornehmen, so dass eine Dosis für einen ganzen Monat anhalten würde. Sein Trank war so oder so ein Erfolg.

Die schriftlichen Testresultate zum Trank, die Sanguini gründlich festgehalten hatte, wechselten den Besitzer. Severus reichte ihm im Austausch die neue Variante des Bluttrankes. Vielleicht konnte diese Version den Durst bereits für ganze vier Wochen ausschalten.

Nachdem Mr. Worple und Mr. Sanguini gegangen waren, wartete Harry noch einen kurzen Moment, um das seltsame Treffen Revue passieren zu lassen. Am Ende quälte ihn eine Frage.

„Was geht denn hier ab?“ Der persönliche Empfang im Labor – ein Vampir –, der Tausch von Tränken und Informationen. Das alles kam Harry nicht ganz legal vor.
„Forschung“, erwiderte Severus knapp.
„Etwa die Blutsache, die du mal vor Ewigkeiten angesprochen hast?“ Mit einem Lächeln fügte Harry hinzu: „Der Trank, über den du mit mir nicht sprechen wolltest.“
„Und aus gutem Grund.“ Severus begann damit, die gebrauchten Glasbehälter zu spülen, die Sanguini ihm zurückgegeben hatte. „Die Forschung mit dem Trank ist, wie du erstaunlicherweise ganz von selbst bemerkt hast“, ein freundlich spottendes Lächeln extra für Harry, „nicht besonders legal, daher möchte ich so wenig Menschen wie nur möglich einweihen.“
„Ah“, machte Harry erleuchtet. „Und? Bringt es was?“
Diesmal übernahm Hermine die Antwort: „Severus wird damit berühmt werden“, trällerte sie fröhlich, während sie die geschnittenen Pilze in einen Topf mit kochendem Wasser warf.
„Das ist klasse!“, freute sich Harry, der Severus unerwartet heftig auf die Schulter schlug. „Dann verlieren die Zeitungsfritzen vielleicht mal das Interesse an mir und stürzen sich auf dich.“
Mit einem Tuch trocknete Severus die Glasphiolen, blickte dabei über seine Schulter zu Harry. „Nicht wenn ich es verhindern kann.“

Die abgetrockneten Phiolen belegte Severus mit einem Zauber, der – so vermutete Harry – desinfizierend wirkte. Gleich darauf drehte sich Severus zu Harry um. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch nichts wollte über seine Lippen kommen. Stattdessen musterte Severus den jungen Mann in Bewunderung und Schauer. Diese Augen riefen wohl behütete Erinnerung hervor, doch das Gesamtbild Harrys trübte das Schwelgen in ihnen. Vielmehr noch als an Lily musste Severus nun an die peinlichen Momente und die empfangenen Boshaftigkeiten denken, die er keinem anderen mehr zu verdanken hatte als James Potter. Hass war ein genauso gefährliches Gefühl wie die Liebe; beides konnte blind machen. Severus war blind geworden. Er sah nicht Harry, sondern James.

„Severus?“, fragte ihn sein Gegenüber. Severus quälte sich damit, dem negativen Gefühl nicht nachzugeben. Es war nicht Harry selbst, sondern die Erinnerung an dessen Vater, die ihn in Rage brachte. Um alles in der Welt wollte Severus verhindern, dass er vor den Augen von Hermine und Harry einen seiner geistigen Aussetzer bekam. Es war bereits unangenehm gewesen, dass Gordian ihn so erlebt haben musste. Bei dem Schüler waren die ausgelösten Erinnerungen jedoch schön gewesen, die von James Potter hingegen waren durchweg erniedrigend, so dass Severus arge Mühe hatte, sich ihrem Einfluss zu widersetzen. „Severus?“, fragte Harry nochmals. In Severus‘ Augen gab es nur eine Möglichkeit, einer voraussichtlich blamablen Situation zu entkommen – den Raum zu verlassen.
„Bitte entschuldigt mich“, rang sich Severus mit hörbar angeschlagener Stimme ab, bevor er das Labor verließ und nach oben flüchtete.

Hermine trat nervös auf der Stelle, blickte abwechselnd zur Tür und auf ihren Kessel. Der Drang war stark, das Gebräu unbeaufsichtigt zu lassen und Severus zu folgen. Harry bemerkte ihre plötzliche Ruhelosigkeit. ‚Dann stimmte es also!‘, dachte Harry. Severus nahm den Trank, der ihm seine Seele zurückgeben sollte.

Ihr in die Augen blickend fragte Harry geradeheraus, weil er sich der Antwort so sicher war: „Seit wann nimmt er ihn ein?“
„Gestern war es der zweite Trank“, erwiderte sie ehrlich und äußerst besorgt.
„Was meinst du, warum er gegangen ist?“
Hermine zuckte mit den Schultern. „Er sagte, er ist manchmal gedankenverloren. Das stört ihn, aber es gehört offensichtlich zum Heilprozess dazu.“
„Was gehört dazu?“
„Dass Severus all die Erinnerungen durchleben muss, die ihm gerade durch den Kopf gehen“, erklärte sie mit klangloser Stimme. „Wenn du dich an etwas erinnerst, Harry, dann hast du bestimmte Emotionen damit verknüpft. Hat man ein frommes Leben geführt, sind die wiedererlebten Gefühle vermutlich entspannend. Nichts wäre dabei, dessen man sich schämen müsste.“ Sie seufzte und fuhr mit gedämpfter Stimme fort: „Bei Severus ist das ein wenig anders. Sein Leben war kein Zuckerschlecken. Die ganzen grausamen Momente kommen wieder, die er durch den Heiltrank viel intensiver nacherlebt.“
„Und ich hab ihn erinnert“, leuchtete Harry ein. Alle Freunde seiner Eltern hatten ihm gesagt, er würde wie sein Vater aussehen. „Ich verstehe. Sag ihm später doch bitte, dass ich ihm das nicht übel nehme.“
„Das werde ich.“
Trotz des vielen Drecks, vor dem Hermine anfangs noch gewarnt hatte, kam er näher und drückte Mut machend ihre Schulter. „Das wird schon, Hermine. Mach dir nicht so viele Sorgen. Ich vertraue deiner Berechnung. Es wird bestimmt nichts geschehen, was du nicht hättest einkalkulieren können.“ Er lächelte so lange, bis sie ihn endlich nachahmte. „Ich verabschiede mich dann.“
„Du gehst schon?“ Es wäre ihr lieb gewesen, wenn sie mit jemandem über Severus und dem, was er durchmachte, reden könnte.
„Ich muss. Kingsley hat sich für heute angekündigt. Er bringt zwei Muggel mit.“
Hier wurde Hermines Sorge um Severus sofort von ihrer Neugier abgelenkt. „Was will denn Kingsley mit zwei Muggeln bei dir?“
„Er will mein Denkarium benutzen.“ Mehr wusste selbst Harry nicht. „Mit offizieller Gewährung des Ministeriums.“
„Warum benutzt Kingsley nicht eines von denen, die im Ministerium stehen? Findest du das nicht seltsam?“
Harry stutzte. „So, wie du das hinterfragst, hört sich das wirklich merkwürdig an.“
„Er hätte auch Albus fragen können, der hat auch ein Denkarium. Für mich hört sich die ganze Sache eher privat an als offiziell.“
„Mmmh“, summte Harry. Er hatte nicht einmal einen Ansatzpunkt, der ihm Kingsleys Anfrage erklären konnte. „Na, ich werde sehen, was er möchte.“
„Halt mich auf dem Laufenden. Ich möchte wissen, was daraus geworden ist.“

Harry verabschiedete sich von Hermine und ging die Treppen nach oben, weil er über den Kamin zurück nach Hogwarts flohen wollte. Er rechnete damit, dass Severus sich in sein Schlafzimmer zurückgezogen hätte, weswegen er an der angelehnten Wohnzimmertür nicht klopfte. Umso überraschter war er, als er Severus dabei erwischt, wie er einem unschuldigen Hundespielzeug in Form einer Ente den Hals umdrehte. Harry war zum falschen Augenblick am falschen Ort. Severus‘ Kopf schnellte hoch, als er Harry eintreten hörte. Wie unangenehm Stille doch sein konnte. Es wäre unhöflich, Severus nicht wenigstens auf Wiedersehen zu sagen, wenn ihm schon keine Entschuldigung über die Lippen kam.

„Ich wollte nur nachhause flohen“, rechtfertigte Harry sich mit einer Stimme, in deren bebenden Tonlagen die alte Furcht vor dem Tränkemeister mitschwang. Vielleicht sollte Harry die gleiche Taktik anwenden, die schon bei Hermine funktioniert hatte? Er wagte einen Versuch. „Kingsley will mit zwei Muggeln zu mir kommen, um das Denkarium zu nutzen. Hast du eine Idee, was er vorhaben könnte?“
Die Gesichtszüge lockerten sich, ebenso der Todesgriff um den gummierten Entenhals. Die gesunde Skepsis des ehemaligen Spions weckte wie erhofft die Neugierde. „Zwei Muggel?“, fragte Severus verdutzt nach.
Harry nickte. „Kingsley hat mir versichert, dass es nicht gegen das Gesetz wäre.“
„Warum beantragt er nicht die Nutzung eines der ministeriumseigenen Denkarien?“

In diesem Moment wurde Harry klar, wie sehr sich die Gedankengänge von Hermine und Severus ähnelten.

„Es könnte …“ Severus legte den Zeigerfinger auf die Lippen und dachte nach, bevor sich die erste Theorie in seinem Kopf formte. „Bei euch sieht es eher wie bei einem Muggel aus. Ihr habt kaum Krimskrams wie magische Uhren, sich bewegende Gemälde und auch keine seltsamen Haustiere.“ Severus musterte Harry. „Du bist sogar wie ein Muggel gekleidet.“ An sich herabblickend beäugte Harry seine Turnschuhe, die Jeans und das T-Shirt. Severus hatte Recht. „Ihr seid in den Augen von Muggeln normal eingerichtet, habt keine ausgefallenen Möbelstücke.“
„Bei mir sitzt ein Baby-Phönix auf der Vogelstange“, erinnerte Harry ihn witzelnd.
„Das Tier geht ohne sein auffälliges Federkleid auch als normaler Vogel durch. Einen anderen Grund für Kingsley kann ich mir nicht vorstellen. Ich nehme an, du weißt nicht, um welche Muggel es sich handelt?“
„Nein.“ Das Lächeln verging ihm, als er sich vorstellte, er würde nachher womöglich Tante Petunia und Dudley oder Vernon gegenüberstehen. Aber was sollten die von ihm wollen? „Er wird doch nicht meine Verwandten anschleppen?“
Severus zuckte gelassen mit den Schultern. „Warum sollte er das tun?“ Er deutete auf den Kamin. „Finde es heraus.“ Harry stellte sich in den Kamin und griff nach dem Flohpulver. Er hörte Severus noch sagen: „Erzählt mir später, um was es ging.“

Etliche Kamine später landete Harry wieder in Hogwarts – laut purzelnd. Ginny, die gerade Kinderwäsche mit dem Stab zusammenlegte, fuhr erschrocken zusammen.

„Bei Merlin!“ Sie fasste sich mit der freien Hand ans Herz. „Das müssen wir aber langsam mal lernen, Harry.“ Ein freches Zwinkern offenbarte, dass sie ihn nur auf den Arm nahm.
„Hat sich King nochmal gemeldet?“ Sie schüttelte den Kopf. „Dann müssten sie jeden Moment …“

Es klopfte. Für nicht Magie erprobte Muggel wäre das gemeinsame Flohen über den Kamin zu gefährlich. Sie könnten in Panik geraten und sich am nächsten Kamin den Kopf aufschlagen oder sich die Hand brechen. Harry sah gerade noch, dass Wobbel die Klinke berührte und sie hinunterdrückte. Hoffentlich würde niemand einen Herzanfall bekommen, hoffte Harry innig. Kingsley erschien im Türrahmen und versperrte den zweien hinter ihm die Sicht. Sein Blick fiel auf Wobbel. Erschrocken blickte Kingsley sich um und erspähte Harry, blickte dann nochmal zu Wobbel. Mit einem Handzeichen machte Harry seinen Elf klar, still zu verschwinden. Nachdem Wobbel das Zimmer verlassen hatte, trat der erste Gast ein.

„Hallo Kingsley“, grüßte Harry, bevor er sich den beiden Herren hinter seinem Freund vorstellte. „Hallo, mein Name ist Harry Potter.“ Oft musste er diesen Satz in seinem Leben nicht sagen, weil jeder Zauberer wusste, wer er war.

Der ältere Muggel – etwa Kingsleys Jahrgang – grüßte verbal. Der jüngere hingegen nickte nur und nahm das Wohnzimmer in Augenschein. Sein Blick fiel auf eine Fotografie auf dem Kaminsims: Harrys Eltern, die sich verliebt unter fallenden Laubblättern drehten. Eine der wenigen magischen Dinge im Zimmer und gerade das musste der junge Mann entdecken.

„Harry, das sind Mr. Geofferys und sein Sohn Joel.“ Kingsley deutete zu dem jüngeren hinüber, der sich bereits dem Kamin genähert und den Rahmen in die Hand genommen hatte.
„Hallo“, sagte Harry zu Joel, der staunend das Bild untersuchte und sich nicht im Geringsten angesprochen fühlte.
Kingsley wandte sich an Geoffreys. „Wir haben besprochen, was wir heute machen möchten.“ Geoffreys nickte, hatte offensichtlich keine Angst. Mit dem Finger zeigte Kingsley auf das Denkarium, das Harry in einer Ecke des Zimmers abgestellt hatte. „Das dort ist das Becken, von dem ich gesprochen habe. Dort gebe ich meine Erinnerung hinein.“
„Ich hab es mir überlegt, Mr. Shacklebolt“, sagte Geoffreys unerwartet befangen. „Ich möchte doch, dass Sie mich begleiten.“
„Das geht in Ordnung.“ Schon Kingsleys Stimme wirkte wie ein Beruhigungsmittel.
„Ähm“, machte Harry kleinlaut auf sich aufmerksam. Es wirkte, denn Kingsley drehte sich zu ihm um. „Darf ich wissen, um was es geht?“
„Darf ich das später erklären? Wir beide“, Kingsley blickte kurz zu Geoffreys und lächelte breit, „wollen heute Abend noch einen Boxkampf gemeinsam ansehen.“
„Boxen?“ Harry hatte die widerliche Assoziation zu Dudley, der laut der letzten Information von Mrs. Figg ein regional bekannter Boxkämpfer war. „Und warum braucht ihr vorher das …?“ Er nickte zum Denkarium hinüber.
Kingsley wollte ihm keine Erklärung schuldig bleiben. „Darf ich knapp antworten?“ Harry bejahte wortlos, so das Kingsley erklärte: „Mr. Geoffreys wurden unerlaubterweise Erinnerungen gelöscht. Ich möchte diese Lücken so gut es geht mit meinen Erinnerungen füllen.“

Die Frage, was genau geschehen war, verkniff sich Harry. Stattdessen gab er grünes Licht und beobachtete noch, wie Kingsley sich eine Erinnerung aus der Schläfe zog, in die kurze Zeit später die beiden Männer gemeinsam mit der Nase eintauchten. Harry setzte sich aufs Sofa und legte gemütlich ein Bein hoch, bevor ihm wieder einfiel, dass ja noch jemand hier war. Über die Rückenlehne hinweg blickte Harry zu Joel hinüber, der wiederum besorgt seinen Vater beobachtete, dabei noch immer das Bild vom Kamin in den Händen hielt.

Weil der Gast jünger war als er – Harry schätzte ihn auf achtzehn Jahre – überlegte er nicht lange und duzte ihn ungefragt: „Möchtest du etwas zu trinken?“ Joel fuhr aufgrund der Stimme zusammen. Auch er hatte Harrys Anwesenheit ganz übersehen.
„Nein, lieber nicht“, erwiderte er zögerlich.
Die Antwort irritierte Harry einen Augenblick, bevor er dem Gast die zweite nette Geste entgegenbrachte – eigentlich die dritte, wenn man Harrys höfliche Begrüßung hinzurechnete. „Setz dich doch.“ Immer wieder betrachtete Joel seinen Vater, während er die Couch ansteuerte und wie in Trance Platz nahm. Die ganze Zeit war Harry nett gewesen, doch Joel hatte ihn nicht einmal voll zur Kenntnis genommen. Stattdessen starrte er zu seinem Vater hinüber. Harry spürte, dass sein Gast sich fürchterlich sorgte. Eine Erklärung könnte Joel die Angst nehmen. „Hat Kingsley, ähm, ich meine Mr. Shacklebolt erklärt, was die beiden da tun?“
Verdattert blickte Joel seinen Gastgeber an, bevor er nochmals einen Blick auf seinen Vater warf. Mr. Shacklebolt hatte es tatsächlich erklärt, aber so richtig glauben konnte Joel es nicht. Er räusperte sich und gab Shacklebolts Erklärung so weit wieder, wie er sich daran erinnern konnte. „Er sagte, sie sehen sich eine Erinnerung zusammen an.“
Harry nickte. „Das ist ein bisschen so wie fernsehen, nur dass man ins Bild eintaucht. Ins Geschehen einwirken kann man aber nicht.“ Joel öffnete den Mund, doch er verkniff sich die Frage, ob Harry ein Zauberer oder ein Muggel war. Stattdessen blickte er wieder auf das Bild in seinen Händen. Harry kommentierte: „Das sind meine Eltern.“
„Wohnen sie auch hier?“, wollte Joel wissen.
„Nein, sie sind verstorben.“
„Oh …“
„Ist schon lange her“, winkte Harry ab, damit Joel nicht glaubte, als hätte er alte Wunden aufgerissen.
„Meine Eltern“, begann Joel leise, „haben sich getrennt, nachdem man meinem Vater …“
Harry half seinem Gast bei dem Satz auf die Sprünge. „Die Erinnerung genommen hat.“
„Ja.“ Mehr wollte Joel nicht von sich preisgeben. Er stand auf, um das Bild wieder auf dem Kaminsims abzustellen. Als er sich umdrehe, fiel sein Blick auf die Vogelstange und die darunter befestigte Schale. Neugierig ging er ein paar Schritte drauf zu und sah eine weiße Eule, die ein nacktes, großes Küken wärmte, das keinesfalls von ihr stammen konnte. „Ich hab noch nie eine Eule von Nahem gesehen.“
„Das ist Hedwig“, stellte Harry vor. „Sie ist bei mir, seit ich elf Jahre alt bin.“
Joel beäugte die Schneeeule, traute sich aber nicht, sie zu berühren. „Ich hab eine Katze Zuhause, eine getigerte.“ Von Hedwig schaute er zu dem nackten Vogel hinunter. „Was ist das für einer?“
„Das, ähm …“ Harry kam in Verlegenheit. „Hör mal, ich weiß nicht, wie viel ich dir sagen darf.“
Joel kam zurück zur Couch und nahm Platz. „Mr. Shacklebolt meinte, er hätte uns offiziell als seine Freunde eingetragen.“
„Wirklich?“, staunte Harry. „Dann muss ich mich ja nicht zurückhalten. Das da“, er nickte zur Feuerschale, „ist ein kleiner Phönix.“
Mit einem Blick, als hätte Harry den Verstand verloren, schaute Joel sein Gegenüber an. „Ein Phönix? Etwa von der Sorte, die sich alle 3000 Jahre durch Feuer erneuern?“
„3000 Jahre?“, wiederholte Harry, erinnerte sich dabei vage, dass er in alten Märchen so eine Zahl gelesen hatte. „Er hält sich nicht an so einen langen Zyklus. Einmal habe ich erlebt, wie er brannte. Ich hab mich wahnsinnig erschrocken“, erinnerte sich Harry.
„Warum erschrocken? Bist du kein Zauberer?“
„Doch schon, aber das wusste ich ja anfangs nicht. Erst als ich diese Schule hier besuchte, da wurden mir die Augen geöffnet.“
Nervös blickte sich Joel um. „Das hier ist eine Schule?“
„Ja, für kleine Hexen und Zauberer.“
„Du siehst mir nicht wie ein Schüler aus.“ Mit den Worten brachte Joel seine Skepsis zum Ausdruck.
„Ich war mal einer. Jetzt arbeite ich hier als Lehrer. Ich habe …“

Die Tür zum Schlafzimmer öffnete sich und Nicholas tapste herein. Mit seinen neuen Zähnen hatte er den Sauger von seiner Milchflasche fest im Griff, damit er beim Gehen mit den Armen das Gleichgewicht halten konnte. Die Plastikflasche baumelte fröhlich von seinem Mund herab.

„Wer will denn da nicht schlafengehen?“, fragte Harry den Jungen, als der bei ihm an der Couch stand. Zu Joel sagte Harry: „Das ist mein Sohn, Nicholas.“ Ein Blick nach hinten verriet ihm, dass auch Ginny eingetreten war. „Und meine zukünftige Frau. Wir heiraten diesen Samstag.“
„Hallo“, grüßte der Muggel zurückhaltend, weil er sich jetzt in der Minderheit fühlte.

Ginnys sonst so unbefangene Art neuen Menschen gegenüber war durch ihr Erlebnis mit Hopkins etwas getrübt. Dennoch sprang sie über ihren Schatten und brachte dem Gast all ihre Aufmerksamkeit entgegen, womit sie einen guten Eindruck hinterließ. Bei ihr nahm Joel das angebotene Getränk sogar an.

Nach einer Weile blickten alle drei zum Denkarium hinüber, in welches Kingsley und Geoffreys noch immer ihre Nasen getaucht hatten.

„Wie lange wird das eigentlich dauern?“, fragte Joel, nachdem er auf die Uhr geschaut hatte. Eine Stunde war schon fast um.
„Wenn sie alles in Echtzeit ansehen, dann kann es schon einige Stunden in Anspruch nehmen“, erwiderte Harry, der nicht wollte, dass seinem Gast langweilig wurde. „Allerdings wollten die beiden heute noch zu einem Boxkampf gehen. Wir könnten uns in der Zwischenzeit doch das Schloss ansehen, wenn du möchtest?“ Joel zögerte, so dass Harry es ihm schmackhaft machen wollte. „Vielleicht sehen wir auch einen Geist?“
„Es gibt hier Geister?“ Harry nickte. „Cool!“ Im Nu war Joel von der Couch aufgesprungen und bereit für ein kleines Abenteuer, doch die Sorge um seinen Dad ließ ihn wieder zögern. „Wird es ihm auch gut gehen, wenn sie fertig sind?“
„Kingsley ist ja bei ihm. Ich würde mir da keine Gedanken machen“, versicherte Harry.

Zusammen mit Joel wanderte Harry im Flur herum. Er blieb mit seinem Gast im Erdgeschoss, weit weg von den sich bewegenden Treppen, die den Muggel schockieren könnten. Sie warfen ein Blick in das Klassenzimmer, in welchem Firenze damals seinen Unterricht geführt hatte und machten sich danach auf den Weg zum Pausenhof. Joel sprach dort mit einigen der Siebtklässler, die nicht viel jünger waren als er selbst. Ein Mädchen zeigte ihm, wie sie aus einem gefalteten Papierflieger einen kleinen Vogel zauberte. Auf ihrem Rückweg trafen sie tatsächlich noch auf Sir Nicholas, der sich so vornehm ausdrückte und so überaus höflich agierte, dass Joel darüber hinwegsehen konnte, dass er ein Geist war.

Kingsleys Idee fruchtete. Wenn auch Geoffreys seine eigenen Erinnerungen nicht zurückbekommen konnte, so wusste er endlich, was in der Zeit, die man ihm raubte, geschehen war. Für Geoffreys war besonders hilfreich zu erfahren, dass er sich nichts eingebildet hatte – dass sein Gefühl ihn nicht trügte und man ihm tatsächlich einige Stunden seines Lebens genommen hatte. Er war nicht psychisch krank, er bildete sich nichts ein. Geoffreys war immer gesund gewesen, und er hatte in Kingsley zum zweiten Mal in seinem Leben einen Freund gefunden.

Wenige Tage vergingen. Tage, in denen Severus den Heiltrank einnahm, den Hermine jedesmal frisch braute. Obwohl man Zeit hatte, sich darauf vorzubereiten, kam er ganz plötzlich, dieser eine Tag. Nicht der Tag, an dem Severus‘ den letzten Trank einnehmen würde, sondern der Tag der Hochzeit von Harry und Ginny.

An diesem Samstag hatte Hermine die Apotheke geschlossen, was sie im Vorfeld all ihren Kunden persönlich gesagt, aber auch mit einem Schild an der Tür mitgeteilt hatte. Der magische Friseur ein paar Türen weiter hatte beim Anblick ihrer buschigen Haarpracht gewagt zu stöhnen. Trotzdem konnte er ihre wirren Locken bändigen, ein wenig zusammenstecken und vor allem in die Höhe türmen.

Wieder in der Wohnung über der Apotheke angekommen stieß Hermine auf Severus, der gerade das Badezimmer frei machte. Um die dürren Hüften war ein weißes Handtuch geknotet. Er betrachtete Hermines Haarpracht und entschloss sich, mit seiner Meinung nicht zurückzuhalten.

„Warum so aufgebauscht?“, fragte er unschuldig.
„Das nennt man ‚hochgesteckt‘ und nicht aufgebauscht“, wies sie ihn zurecht. „Mach mich nicht unsicher, Severus. Ich bin jetzt schon ein Nervenbündel.“
Gelassen ging er zu seiner Zimmertür hinüber. Seine nassen Haare tropften und hinterließen eine feuchte Spur am Boden. „Es ist nur eine Hochzeit“, versuchte er ihr weiszumachen, aber auch sich selbst. Vom Gefühl her war es diesmal mehr als nur eine gesellige Angelegenheit. Es war viel mehr als das emotional ausgebremste Gefühl, dem er auf Dracos Hochzeit ausgesetzt war. Heute fühlte Severus, was wirklich hinter diesem Tag stand. Es war der neue Lebensabschnitt eines Mannes, der viel für ihn getan hatte. Heute würde Harry das bekommen, was er sich so sehr wünschte. Das Schönste war, dass Severus es ihm gönnte.
Bei offener Badezimmertür wusch sich Hermine die Hände, damit sie sich weiter unterhalten konnten. „Nachher gegen zehn kommen die anderen, da sollten wir fertig sein.“
„Das sind noch drei Stunden! Ich frage mich sowieso, wie du den Herrn überreden konntest, seinen Laden für dich schon so früh zu öffnen.“
„Ich hab ihn nur angelächelt und ‚bitte, bitte‘ gesagt. Klappt bei den meisten Herren“, erwiderte sie mit einem kecken Grinsen. Beim Abtrocknen der Hände fiel ihr Blick auf die feuchte Kernseife, die er für seine Dusche benutzt haben musste. Alles andere stand noch unberührt an seinem Platz. Zurück auf dem Flur fragte sie neugierig: „Sag mal, benutzt du die Kernseife auch zum Haarewaschen?“
Ertappt blickte er weg, bevor er sich sammelte und zurückschoss: „Ich werde meine Hygienegewohnheiten mit niemandem diskutieren.“
Seine Hand hatte die Tür zum Schlafzimmer bereits aufgestoßen, da hörte er ihre Stimme sagen: „Das erklärt aber vieles.“
„Was erklärt das?“, brummte er missgelaunt. Wenn sie diskutieren wollte, dann war er bereit dazu, sie auf nette Weise in Grund und Boden zu argumentieren.
„Schon gut, schon gut. Ich sage ja gar nichts mehr.“ Mit diesen Worten steuerte sie ihr eigenes Schlafzimmer an, weil hier ihr Kleid hing. Womit sie nicht rechnete, war, dass Severus ihr folgte.
„Nein, Hermine, jetzt will ich es wissen! Was erklärt das?“
Sie drehte sich zu ihm. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte er, dass sie keine Lust auf diese Unterhaltung hatte, sollte sie im Streit enden. Seinerseits hatte sie nichts dergleichen zu befürchten. Hermine gab sich einen Ruck. Wenig ernst erklärte sie: „Kernseife wirkt extrem entfettend. Deine Haare brüllen wahrscheinlich schon bei ihrem Anblick ‚Hilfe, Hilfe, wir werden wieder ausgetrocknet!‘.“ Sie musste sich ein Lachen verkneifen, während sie sich ihr Kleid zurechtlegte.
„Ich kann dir versichern“, Severus lehnte sich gelassen an den Türrahmen, „dass mein Kopfhaar des Sprechens nicht fähig ist.“
„Und das ist dein Glück, Severus. Wenn sie nämlich reden könnten, würden sie dir die Meinung geigen.“ Diesmal lachte sie wirklich, weil sein Gesichtsausdruck nahe an ein Schmollen herankam.
„Und wie kann ich da Abhilfe schaffen?“ Die Antwort wollte er durchaus hören, auch wenn er das nicht zugeben wollte.
„Normales Shampoo, nichts weiter. Keine Extra-Behandlung, keine Kur-Packungen. Einfach nur normales Shampoo. Wird ein, zwei Wochen dauern, bis sich die Talgproduktion wieder im Normalbereich einpendelt.“
Severus legte den Kopf schräg und dachte über eine Äußerung nach, die er wenig später machte. „Das nächste Mal vielleicht.“
„Gut, dass das geklärt ist.“ Hermine strich über ihr blaues Kleid. „Ich würde mich jetzt nämlich gern umziehen.“
„Vor dem Frühstück?“
„Ich frühstücke nicht, Severus. Ich bin viel zu aufgeregt dafür.“
Severus führte eine Hand an den Knoten des Handtuches, weil der sich langsam gelockert hatte. „Wie du meinst. Ich werde nicht ohne eine Kleinigkeit im Magen aufbrechen.“

Severus zog nicht gleich seine neue Garderobe an, sondern eine Hose und ein Hemd. Wozu drei Stunden lang aufgedonnert herumlaufen? Mit legerer Kleidung machte er es sich in der Küche bequem, um etwas Toast zu sich zu nehmen. Wenig später war Hermine bei ihm. Sie trug bereits das neue Kleid. Ihre Hände waren seltsam zum Rücken gebeugt.

„Severus, du musst mir mal helfen. Ich bekomme es alleine nicht zu.“
„Hat das nicht ein wenig Zeit? Ich frühstücke gerade.“ Ihr gereiztes Schnaufen ließ ihn den angebissenen Toast zurück auf den Teller legen. Zuerst wusch er sich die Hände, bevor er sich zur Verfügung stellte. Hermine drehte sich um und zeigte ihm ihren entblößten Rücken – und gelbe Unterwäsche. Er schmunzelte. „Dann hast du ja doch nicht geflunkert.“
„Womit?“, wollte sie wissen, blickte dabei über ihre Schulter.
„Dass du durchaus auch mal die Farbe Gelb trägst.“

Beim untersten Haken machte er den Anfang. Er konnte es gar nicht verhindern, dass seine Finger ihre Haut am Rücken berührten, wenn er an dem Stoff zog. Haken für Haken verankerte den Verschluss, während die Wärme ihrer Haut ihn träge werden ließ. Der unerwartete Wunsch, mehr von ihrer Haut zu berühren, machte sich in ihm breit. Als er schließlich an ihrem gelben Büstenhalter ankam, dessen Verschluss selbst mit Haken versehen war, wurde ihm ganz warm. Ein nicht genauer zu definierendes Prickeln schoss durch Severus hindurch, konzentrierte sich auf den Magen und sackte letztendlich hinunter in die Leistengegend. Am Ende sah er sich mit einem Problem konfrontiert, das er seit dem Ende seiner Pubertät erledigt glaubte.

„Danke, Seve…“ Sie hielt inne, weil Severus in Windeseile die Küche verließ und nach oben stürmte. Hermine wunderte sich nicht lange darüber, sondern fiel stattdessen über seinen angebissenen Toast mit Marmelade her, achtete dabei penibel darauf, dass nichts auf ihr neues Kleid tropfte.

Sorgen um ihn machte sie sich nicht. Im wahrsten Sinne des Wortes war er vor seinen Gefühlen geflohen, besonders vor ihrer Intensität. Sie waren so kräftig, dass Severus sich zusammenreißen musste, nicht genauso intensiv auf sie zu reagieren. Es wäre so leicht, dem Impuls einfach nachzugeben und bei der empfundenen Wut über James schlichtweg Harry als Blitzableiter zu verwenden und ihm die Fehler seines Vaters anzulasten. Dieses Mal, da war sich Hermine sicher, hatte Severus den Raum nicht aufgrund einer aufkommenden Erinnerung verlassen. Er durchlebte nämlich nicht nur seine Erinnerungen sehr heftig, sondern auch den normalen Alltag. Seit über zwanzig Jahren war Severus wieder in der Lage, gegenwärtige Situationen mit Emotionen zu verbinden. Die leicht zu ertragene Gleichgültigkeit allem gegenüber ist der gewaltigen Palette der einfühlsamen Wahrnehmung gewichen. Er fühlte sein Leben wieder. Einzig musste er noch lernen, damit wieder umzugehen. Verliebtheit war auch ohne einen verstärkenden Heiltrank ein sehr gewaltiges Gefühl, dachte sie grinsend. Deswegen war er gegangen, da war sich Hermine ganz sicher. Zudem stand er vorhin dicht bei ihr, so dass sie es fühlen konnte. Severus‘ natürliche Schutzreaktion vor zu intensiven Gefühlen war, wie schon bei Harry, auch bei ihr die Flucht. Nur so glaubte er, den klaren Verstand zu behalten. Hermine nahm sich vor, ihm in Zukunft entgegenzukommen, um ihm zu erlauben, gerade diesem einen Impuls bedenkenlos nachgeben zu dürfen. Sie wollte ihm heute Abend auf der Hochzeit so heftige Signale geben, gegen die das Eröffnungsfeuerwerk der Quidditch-Weltmeisterschaften blass aussehen würden.

Gerade diese Hochzeit würde für Severus‘ heilende Seele eine Bewährungsprobe darstellen. Jedes Gesicht, jede Situation könnte Erinnerungen aufwühlen, mit denen er sich an Ort und Stelle auseinander setzen müsste. Sirius war so ein Kandidat, dachte Hermine. Mit einem einzigen falschen Wort könnte er Severus in Rage versetzen. Hier müsste sie helfend einschreiten oder schon im Vorfeld entgegenwirken, so dass es gar nicht erst zu einer Streiterei kommen würde. Hermine war sich aber im Klaren darüber, dass es nicht Sirius war und auch nicht sie selbst, der heute den womöglich heftigsten Gefühlsausbruch bei Severus herbeirufen würde. Das würde nur Albus zustande bringen. Die jahrelange, sehr tiefe Verbundenheit zwischen den beiden Männern hatte sich am Ende des Krieges deutlich gezeigt, denn da war Severus‘ trotzt des Ewigen Sees dazu in der Lage gewesen, eine für seine Verhältnisse sehr heftige Reaktionen auf Albus‘ unerwartete Rückkehr zu empfinden. Albus wusste alles über Severus‘ Kindheit, wusste über jeden noch so intimen Gedanken Bescheid, seit er ihn damals mit Legilimentik geprüft hatte. Der Direktor war der wahrscheinlich wichtigste Mensch in Severus‘ Leben. Darauf war Hermine selbst gekommen. Dass sie damit richtig lag, hatte Severus ihr vorhin sogar bestätigt, als er sie bat, in der Nähe zu bleibe, sollte er auf Albus treffen.

Sehr bald waren George, Fred und Verity eingetroffen, die es sich in der Küche gemütlich machten. Severus hatte sich bereits die neue Garderobe angezogen und wartete im Flur, direkt an der offenen Tür zu Küche. Remus und Tonks fehlten noch, damit man gemeinsam den Weg zum Schloss Schnatzer einschlagen konnte. Zu Severus‘ Leidwesen reiste man nicht sofort, als die beiden letzten gekommen waren. Alle Gäste waren viel zu früh hier. Niemand hatte Probleme damit, die Wartezeit zur zeitlich festgelegten Abreise per Portschlüssel zu überbrücken. Niemand, außer Severus. Er ließ die anderen miteinander reden, beteiligte sich aber nicht an den Gesprächen, die er nicht einmal konzentriert verfolgte. Stattdessen betrachtete er George Weasley, der tatsächlich ohne Begleitung zur Hochzeit erschien. Der junge Geschäftsmann unterhielt sich angeregt mit Remus. Der wiederum hatte Severus im Flur erspäht und kämpfte sich ein wenig später an Fred und Verity vorbei, um Severus Gesellschaft zu leisten.

„Wo ist Hermine?“, fragte Remus.
Severus nickte die Treppen hinauf. „Sie holt den Portschlüssel. Ich denke, wir sind dann alle reisebereit.“
„Ich bin schon ganz aufgeregt“, gestand Remus, wischte sich dabei die verschwitzten Hände an der Hose ab, womit er zum Glück keine sichtbaren Spuren hinterließ.
„Warum?“
„Warum?“, wiederholte Remus verdutzt, auch ein wenig vorwurfsvoll. „Harry heiratet endlich! Das ist ein großes Ereignis, zumindest für mich. Ich wünschte nur …“ Den Rest des Satzes samt des Wunsches, Lily und James könnten diesem Ereignis beiwohnen, schluckte er hinunter, um einen neuen zu beginnen. „Endlich finden die beiden das, was sie sich verdient haben.“
„Höre ich da etwa Neid heraus?“, stichelte Severus mit halbseitigem Lächeln. „Sofern ich informiert bin – und ich bin sicher, Black hält dich ebenfalls auf dem Laufenden – sind die neuen Gesetze so gut wie fertig.“

Severus hatte Recht. Es war zum Greifen nahe. Noch in diesem Jahr könnten Tonks und er heiraten. Remus‘ Gedanken drifteten. Jetzt schon sah er Tonks vor seinem inneren Auge, und wie der legale Nachwuchs um ihre Beine tänzelte.

„Ich bin mit Sicherheit der erste Werwolf, der nach den neuen Gesetzen heiratet“, versicherte er äußerst von sich überzeugt, während Severus still seinen Worten lauschte. Remus warf einen verliebten Blick in die Küche, wo Tonks ihm gerade zuzwinkerte. „Sie wird die Erste sein“, erzählte Remus außerhalb ihrer Reichweite, „die eine Trauung beim Ministerium anmeldet. Wir würden nicht einmal groß feiern wollen, würden es einfach tun, uns einfach das Ja-Wort geben.“ Remus entwich ein kleiner Seufzer. „Wir wollen keinen einzigen Tag mehr verlieren.“

Remus wartete auf eine Reaktion von Severus, doch es kam keine. Entweder war Severus von dem Thema Hochzeit allgemein nicht besonders begeistert oder er würde gerade wieder einen dieser Momente erleben, in denen er nicht ansprechbar war. Remus tippte auf Letzteres. Irritierend war es allemal gewesen, als er gestern erst wegen einer schulischen Angelegenheit mit Severus sprach und dabei Zeuge wurde, wie sein Kollege für Zaubertränke gedanklich vom Kurs abkam. Remus war sich sicher, dass Severus auch jetzt nicht reagieren würde, genau wie gestern.

„Severus?“, probierte Remus vorsichtig aus, inwiefern Severus sich seines Umfelds bewusst war.
„Ja?“, kam unerwartet zurück.
„Oh“, Remus hatte sich geirrt, „ich dachte, du wärst … Na ja …“
„Ich wäre was?“, fragte Severus verwundert.
„Du hast eben nichts mehr gesagt …“
„Ich werde doch so weise gewählte Worte nicht mit einem Zwischenkommentar verschandeln“, scherzte Severus, der noch immer nicht wusste, auf was Remus hinauswollte. Der blickte ihn nämlich besorgt an.
„Als wir uns gestern unterhalten haben, da warst du …“
„Oh“, machte diesmal Severus, der sich peinlich berührt daran erinnerte, dass besagte Unterhaltung in einer intensiven Auseinandersetzung mit gewissen Hassgefühlen endete. Anstandshalber begann er mit einer Entschuldigung. „Es tut mir leid, dass ich unserer gestrigen Konversation ab einem gewissen Punkt nicht mehr aufmerksam folgen konnte“, kam viel formeller über seine Lippen, als es seine Absicht war. Einem Freund gegenüber sollte man nicht so distanziert klingen, weswegen Severus sich dazu entschloss, gleich noch den Grund für seine Unaufmerksamkeit zu nennen. „Ganz offenbar stellt diese“, er suchte nach einem passenden Wort, „Zerstreuung eine normale Begleiterscheinung des Heiltrankes dar.“
„Dann …“ Remus zögerte einen Augenblick, bevor er über seinen Schatten sprang und persönlicher wurde. „Dann nimmst du den Trank tatsächlich schon?“ Severus nickte lediglich, woraufhin Remus in Erfahrung bringen wollte, wie die Genesung sich bemerkbar machte, doch es kam lediglich ein Wort über seine Lippen: „Und?“ Damit ließ er Severus jede Möglichkeit, dem Gespräch aus dem Weg zu gehen, sollte es ihm zu persönlich werden.
Zu Remus‘ Erstaunen wurde Severus genauer, indem er erwiderte: „Ich deute das als Frage getarntes Bindewort einfach mal als Erkundigung nach meinem Wohlergehen.“
„Dann geht es dir also gut.“ Remus nickte erleichtert. „Ich bin beruhigt, dass es keine Komplikationen gibt.“

Beide schauten zur gleichen Zeit die Treppe hinauf, weil Hermine gerade mit einem Springseil – dem Portschlüssel – in der Hand hinunterkam.
„Hermine, du siehst blendend aus“, lobte Remus ihr Erscheinungsbild, was eine zarte Röte in ihr Gesicht zauberte.
Sie wollte sich gerade bedanken, da warf Severus mit hochgezogener Augenbraue ein: „Die jungen Leute scheinen sich aus der alten Tradition nicht mehr viel zu machen.“
„Was für eine Tradition?“, fragte Remus nach.
Severus schlug bereits den Weg zur Küche ein, als er im Vorbeigehen mit einem Schmunzeln erwiderte: „Dass man als Gast die Braut nicht in den Schatten stellen sollte.“
Hermine war im ersten Moment verunsichert. Sie blickte Severus entgeistert hinterher und fragte Remus: „Was sollte das?“ Kritisch blickte sie an sich herab.
„Es ist alles in Ordnung, Hermine“, versicherte Remus. „Wenn ich mich nicht irre, meint Severus es als Kompliment.“

In der Küche wartete man gemütlich, bis der Abreisezeitpunkt gekommen war und jeder das magische Springseil berühren musste.

Ganz ähnlich ging es Harry. Mit Nicholas im Arm wartete er zusammen mit Wobbel und Shibby auf Ginny, doch die ließ sich im Bad sehr viel Zeit. Dabei hatten sie hier in Hogwarts keine Vorbereitungen zu machen. Ihre Hochzeitsgarderobe wartete in einem Zimmer des Schlosses Schnatzer. Ebenso wie Hermine, die Ginny beim Ankleiden helfen würde und Ron, der auf gleiche Weise für Harry verantwortlich war – die Trauzeugen.

„Ich werd mal nach ihr sehen“, sagte Harry, während er Nicholas auf dem Boden absetzte, gleich neben die große Tasche mit Windeln, die der Junge eigentlich nur noch selten benötigte. Heute bei der vielen Aufregung wollte man aber sichergehen, dass der Knabe die Sprache der Blase nicht missdeutete und im Laufe des Tages womöglich ein Malheur passierte, weil er von dem bunten und lauten Geschehen abgelenkt war.

Durchs Schlafzimmer hindurch steuerte Harry das Bad an, in welchem sich Ginny aufhielt. Die Tür stand offen, so dass er sie nur leicht anstoßen musste, damit er eintreten konnte. Ginny wühlte in ihrem Kosmetiktäschchen herum, hatte bereits zwei runde Puderdosen in der Hand. Ohne es zu wollen erschreckte Harry sie, weil er mit dem Fuß an den kleinen Abfalleimer stieß. Ginny fuhr herum. Ihre Augen waren angsterfüllt, als sie zwei Schritte zurück machte und sich an die Wand drückte. Schützend hielt sie sich die Fäuste vor die Brust. Panik in ihrem Gesicht.

„Ginny“, hauchte er.
„Ich hab mich nur erschrocken“, winkte Ginny ab. Ihre Wangen waren dabei nicht so rosafarben, wie man es von einer Braut erwarten könnte, sondern kreidebleich.
„Das war ein bisschen mehr als ‚nur erschrocken‘.“

Kraftlos stieß sie sich von der Wand ab, zupfte verlegen ihr Hemd gerade. Ihre zusammengebissenen Zähne signalisierten ihm, dass sie dagegenreden wollte, sich herausreden wollte, aber sie gab auf. Mit dem Blick gen Boden gerichtet zog sie ihre Nase hoch, dann noch einmal, bevor sie bemerkte, dass sie weinte. Es war ihr unangenehm. Eine Hand vor dem Gesicht sollte ihre Schwäche verbergen.

„Tut mir leid, Harry. Ist gleich vorbei“, winselte sie.
„Von heute auf morgen wird das nicht besser werden.“
„Ist nur der Stress“, blockte sie.
„Du weißt, dass ich dir das nicht glaube. Ich kenne deine Albträume. Ich weiß, wie sehr du dich fürchtest, dass dich jemand unerwartet anfasst.“ Vorsichtig legte er eine Hand auf ihre und zog sie an sich heran, um sie zu umarmen. Sofort lockerten sich ihre Verspannungen.
„Das ist genau der Stress, den ich meine“, begann sie zu erklären. „Ich will nicht wie ein aufgeschrecktes Huhn von einer Ecke in die nächste flattern, weil ich mich vor irgendetwas erschrecke. Ich will mich nicht fürchten!“ Sie nahm einen tiefen Atemzug, um ihre unruhige Stimme zu glätten. „Ich möchte die ganze Scheußlichkeiten, die ich erlebt habe, den Krieg und all die schlimmen Erlebnisse, nicht mehr mit mir herumschleppen. Ich will das hinter mir lassen, weil heute“, ein erleichterter Seufzer, „ein neues Leben beginnt.“
Harry drückte sie an sich. „Das tut es. Manche Dinge brauchen aber einen Moment länger, um sie zu verdauen. Glaub mir, ich spreche da aus Erfahrung.“ Ein kurzer Gedanke an Cedric. „Du kannst heute nicht einfach einen Schlussstrich ziehen. Das wird die Ängste nicht vertreiben, nur unterdrücken.“ Diesmal seufzte er, presste dabei seine Wange an ihre Schläfe. „Du weißt, dass du das nicht allein durchstehen musst“, erinnerte er sie mit beruhigendem Tonfall. „Ich habe da jemanden kennen gelernt. Der kann dir helfen.“
„Ich möchte den Muggel-Arzt nicht sehen“, nörgelte Ginny.
„Den meine ich gar nicht, der ist selbst dort Patient. Ich meine einen Squib. Er kümmert sich um Muggel, die von Zauberern angegriffen und misshandelt wurden. Und da dachte ich“, er lehnte sich zurück und blickte ihr in die Augen, „es ist kein so großer Unterschied, wenn er auch eine Patientin hat, wo das genau andersherum ist.“ Ihre Tränen waren längst versiegt, bemerkte er erleichtert. „Als ich mit Eleanor da war, hat Dr. Fueller auch mit mir gesprochen. Ich versichere dir, der Mann kann zuhören! Ohne es zu merken hab ich mir ein paar Dinge von der Seele geredet, die mich bedrücken.“
„Ach ja?“ Ginny hatte wieder gute Laune. Sie grinste Harry an, bevor sie im Spiegel ihre Erscheinung überprüfte, besonders die Augen. Nichts war geschwollen. „Was hat er dir geraten?“
„Er meinte“, Harry lachte bei der Erinnerung daran, „dass ich ein Buch schreiben soll. So viel Grausamkeiten könnte man nur in geballter Form Herr werden, sagte er.“
„Vielleicht ist das gar keine schlechte Idee“, überlegte sie laut.
„Ein Buch zu schreiben?“
„Ja, das vielleicht auch. Ich meinte aber diesen Dr. Fueller.“ Endlich nahm sie die Hilfe an, die Harry ihr anbot. „Ich kann es ja versuchen, aber nur, wenn du mitkommst.“
„Ah“, er grinste, „Gruppentherapie! Da kenne ich so einige, denen das auch ganz gut tun würde.“
„Ja, Sirius zum Beispiel“, meinte sie keinesfalls abwertend. „Wenn der plötzlich zum Kind wird …“
„Ach“, winkte Harry gelassen ab, „der hat sich gebessert, seit er verheiratet ist und mit seiner Zeit was anzufangen weiß. Ich dachte eher an Alastor. Seine eigentümliche Angewohnheit, immer nur aus dem eigenen Flachmann zu trinken, zähle ich nicht mehr unbedingt zu den normalen Vorsichtsmaßnahmen eines Ex-Aurors.“
„Seine Angst ist begründet. Er hat eine Menge Feinde“, leierte Ginny auswendig herunter, wie jeder es tat. Remus war der gleichen Meinung, selbst Albus, aber nicht Harry.
„Alastors Feinde gibt es nicht mehr, und wenn doch, dann laufen sie als feige, verängstigte Verlierer umher, aber nicht mehr als streng durchorganisierte Kriminelle, die einem gefährlich werden könnten. Ich glaube, er könnte mal ein wenig Entspannung vertragen.“ Er drückte ihre Hand. „Und wir beide auch. Ich werde heute nicht von deiner Seite weichen“, versicherte er ihr, um ihr die Angst zu nehmen. „Und wenn doch, dann ist noch Hermine für dich da sowie eine Unzahl an Freunden, die alle auf dich aufpassen.“
Ginny strahlte über das ganze Gesicht. „Dann lass uns gehen. Ich brauche nur noch …“
Sie griff zu ihren Puderdosen, weshalb Harry den Kopf schüttelte und mit verzücktem Lächeln sagte: „Wir brauchen nichts, Ginny, überhaupt nichts. Im Gegenteil. Heute ist der Tag, an dem wir alles bekommen.“

Ginny kommentierte seine Äußerung mit einer kräftigen Umarmung.

Die beiden Elfen und der aufgeregt quiekende Nicholas warteten im Wohnzimmer auf Harry und Ginny, mit denen sie per Portschlüssel ins Schloss gelangten.

Auch in der Apotheke griff man nacheinander nach dem Springseil. Wie ein Magnet klebte der Portschlüssel an der Hand. Man verlor sich in kleinen Unterhaltungen, während man auf den magisch vorgegebenen Abreisezeitpunkt wartete. Das erwartete Ziehen im Bauchnabel kündigte die Reise an. Ab jetzt sollte man sich auf die harte Landung konzentrieren. Viele Zauberer und Hexen landeten bäuchlings oder auf dem Allerwertesten. Die magischen Wirbel waren stark und unberechenbar. Man musst konzentriert bleiben, um nicht …

Severus war so sehr damit beschäftigt, sich auf eine graziöse Landung vorzubereiten, dass er sie verpasste und Fred rücklings in die Arme fiel. Die Zwillinge stabilisierten Severus, so dass er nicht zu Boden ging. Trotzdem war dem Tränkemeister die Situation unangenehm. Andererseits kommentierte niemand seinen Schnitzer.

Als Erstes beäugte Severus die Gegend. Der Portschlüssel hatte sie nur wenige Minuten Gehweg vom Schloss entfernt auf der gut gepflegten Wiese abgesetzt. Niemand sonst war zu sehen. Vom Schloss weg blickte Severus zu dem kleinen Pavillon hinüber, der von zwei großen Bäumen umgeben war. Severus nahm schnelle Bewegungen wie von kleinen, flinken Tieren in den Baumkronen wahr, kümmerte sich aber nicht weiter darum, denn er wurde von Hermine plötzlich an die Hand genommen.

„Hab ich was verpasst?“, fragte Severus unschuldig. Ihm war nicht entgangen, dass die anderen sich unterhalten hatten.
„Nein“, sie grinste, „wir wollten jetzt ins Schloss gehen. Kommst du mit?“ Im Sonnenlicht war ganz deutlich der blaue Stich in Severus‘ Garderobe zu sehen, doch sie hütete sich davor, ihn darüber in Kenntnis zu setzen.
„Erwartet man etwas von mir?“
Sie verneinte wortlos und zog Severus an der Hand hinter sich her, weil die anderen bereits einige Schritte vorgegangen waren. „Ich werde mich gleich mit Ginny treffen und werde erst nach der Trauung wieder zu dir stoßen. In der Zwischenzeit“, ihre andere Hand landete beschwichtigend auf seinem Unterarm, „kannst du dir ja das Schloss ansehen. Schau dir all die dunklen Nischen an, damit wir später wissen, wo wir suchen müssen.“
„Ich habe nicht vor“, erwiderte er ein wenig grantig, „mich die ganze Feierlichkeit über zurückzuziehen.“
Hermine strich über seinen Arm, während sie mit der anderen Hand weiterhin seine hielt. „Ich meinte ja auch, dass wir dann wissen, wo wir Alastor zu suchen haben. Der wird sich wieder mit dem Rücken an die Wand stellen und überall Verdächtige sehen.“

An der großen Tür zum Schloss wartete ein Rothaariger, der sich bei näherer Betrachtung als Ron entpuppte. Er begrüßte seine Brüder und die anderen, bevor er sich Hermine ansah. Bei ihrem Anblick verlor er die Kontrolle über seine Gesichtszüge. Argwöhnisch beobachtete Severus, wie der Mund des jungen Mannes leicht offen stand.

„Wow, Hermine“, lobte Ron, während sein Blick an dem ausladenden Ausschnitt klebte.
„Ron?“ Amüsiert fuchtelte sie mit ihren Händen vorm Oberkörper umher, zeigte dann, nachdem sie seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, auf ihr Gesicht. „Hier oben spielt die Musik.“
Er grinste schelmisch. „Du siehst klasse aus. Warum hast du so etwas nicht mal früher getragen?“ Früher, als sie noch zusammen waren, schwang ungesagt in seiner Frage mit. Selbst Severus, der die Begegnung von Hermine und Ron unauffällig, aber dennoch aufmerksam beobachtete, hatte diese Anspielung vernommen.
„Weil es blöd ausgesehen hätte, mit Abendkleid und Stöckelschuhen gegen Todesser zu kämpfen“, konterte Hermine mit frechem Funkeln in den Augen.
Ron spitzte die Lippen, nickte dabei langsam und musterte Hermine nochmals von oben bis unten. „Es hätte aber Stil gehabt“, scherzte er. An alle gerichtet informierte er: „Mum ist drinnen. Wer ihr bei etwas helfen möchte, kann sich gern an sie wenden. Wer nicht helfen möchte“, ein berechnender Blick zu Severus hinüber, „der kann sich die Zeit so vertreiben. Und George …?“ Das persönlichere Gespräch mit seinem Bruder blieb von allen ungehört, außer von Severus, der die Ohren spitze und hörte, wie Ron sagte: „Habe gehört, dass Viktors Frau bei Mum angefragt hat, ob ihre Cousine kommen dürfte. Das zur Info, falls die Schnecke was für dich sein sollte.“
Den Rest des Gesprächs hatte auch Fred verfolgt, der vorgetäuscht echauffiert fragte: „Was denn, Ron? Hast du für George nicht einmal eine Liste mit den ledigen Damen aufgestellt?“
Vorwurfsvoll schüttelte er den Kopf, doch Ron konterte sofort: „Die Liste hat Mum konfisziert.“

In einigem Abstand folgte Severus den anderen ins Schloss hinein. Dort zerstreute sich die kleine Gruppe. Hinten an der Treppe standen Angelina und Molly, die gerade jemandem vom Kinderbetreuungsservice einige Anweisungen gab. Allein Viktor und seine Frau brachten die sechs eigenen Kinder mit, weil sie die während des gebuchten Wochenendes nicht Zuhause lassen wollten. Verity und Tonks boten Molly ihre Unterstützung an, während Ron und Hermine den Weg nach oben einschlugen, um Harry und Ginny in ihren Zimmern aufzusuchen. Die Zwillinge flüsterten sich gegenseitig etwas ins Ohr und trugen dabei den gleichen, misstrauisch machenden Gesichtsausdruck wie in der Schule, kurz bevor sie eine Schandtat ausheckten.

Jetzt, so dachte Severus, war er ein paar Stunden allein. Die Nebenwirkungen des Heiltrankes musste er allein durchstehen, bis Hermine ihre Schuldigkeit als Trauzeugin getan hatte. Er seufzte. Wenn er Pech hatte, würde das gleiche Gefühl in ihm aufkommen wie an jenem herzzerreißendem Tag, an dem er von der Hochzeit von Lily und Potter erfahren hatte. Regulus hatte ihm die Neuigkeiten überbracht; der wusste es von seinem Bruder. Womöglich würde ihn die heutige Hochzeit sogar an die vergangene von Lucius und Narzissa erinnern, ahnte Severus mit Magenschmerzen, weil ihn das wiederum an Draco erinnern würde. An den Unbrechbaren Schwur. An Albus … Die grauenvollste Tat gegen einen anderen Menschen war der geplante Mord an seinem väterlichen Freund. Fünf Jahre die vermeintliche Schuld ertragen zu müssen hatte Severus geprägt.

„Was ist?“, hörte er plötzlich neben sich, so dass Severus herumfuhr. Remus war bei ihm geblieben, was ihn erstaunte.
„Etwa keine Lust“, Severus hob eine Augenbraue, „Molly ein wenig zur Hand zu gehen?“
„Wenn ich ehrlich bin, nein. Ich muss nicht immer helfen“, antwortete Remus im ersten Moment selbstsicher, doch dann kamen Zweifel. „Oder?“ Erwartete man von ihm, dass er wie immer zur Stelle war, wenn Not am Mann war?
Für Severus stand die Antwort fest. „Nicht, wenn du nicht möchtest.“
Remus nickte, blickte sich dabei in dem hohen Eingangsbereich mit ihren weißen Wänden und der goldenen Verzierung um. „Und was wollen wir jetzt machen?“
„Wir?“ Severus klang nicht skeptisch, sondern wirklich überrascht.
„Irgendwie müssen wir doch die Zeit totschlagen. Wir haben noch“, Remus blickte auf die Uhr, „über drei Stunden bis zur eigentlichen Trauung.“
„Drei Stunden?“
Remus hob die Schultern und sie wieder fallen. „Das ist der Nachteil, wenn man den gleichen Portschlüssel nimmt wie die Trauzeugen. Dass die früher hier sein müssen als alle anderen Gäste ist verständlich.“
„Nun“, Severus atmete gelassen durch, „dann werde ich Hermines Ratschlag beherzigen und mir die Nischen ansehen.“
„Die was?“ Dann dämmerte es Remus. „Du willst dich doch nicht wirklich …“
„Ich will mir das Schloss ansehen“, warf Severus erklärend ein. Er ließ Remus die freie Wahl, ihn zu begleiten oder allein losziehen zu lassen.

Das Schloss Schnatzer wartete auf seine insgesamt etwa 450 Gäste und das, obwohl die Feier nicht öffentlich war. Aufdringliche Journalisten musste man nicht befürchten, genauso wenig wie Bombenanschläge, auch wenn Alastor als einzige Person anderer Meinung war. Gegen sein Motto „Immer wachsam!“ kam auch nicht der Frieden an, weil in seinem eigenen Innern Krieg herrschte. Natürlich war auch Alastor früher gekommen als alle anderen, um sich im Schloss nach möglichen Feinden umzusehen.

Als Severus und Remus gerade einen Weg eingeschlagen hatten, der – was sie nicht wussten – sie zur Küche führen würde, liefen sie Alastor über den Weg. Der glaubte im ersten Moment an Gefahr. Im Bruchteil einer Sekunde stufte Alastor diese Begegnung jedoch als unbedenklich ein. Nicht in jeder Person sah er potenzielle Attentäter, die mit Hilfe des Vielsafttranks die Identität eines Gastes oder des Personals angenommen hatte, um ungestört in der Küche das Essen zu vergiften oder am Traualtar eine magische Bombe anzubringen, um mit einem Schlag die Großen und Mächtigen von der Bildfläche zu räumen. Es klang paranoid und vielleicht war es das auch, dachte Alastor, aber es konnte trotzdem niemals schaden, ein Auge auf alles zu haben. Das Gleiche dachte er offenbar von Severus.

„Alte Gewohnheiten wird man nicht so schnell los“, sagte er zum ehemaligen Todesser, wobei für Remus nicht klar war, ob die eigenen Spionagetätigkeiten des Aurors gemeint waren oder die von Severus.
Der hingegen wusste, dass Alastor ihn direkt angesprochen hatte. „Damit können Sie Recht haben“, gab Severus offen zu. Wozu lügen? Ihm lag genauso viel daran, mögliche Gefahrenquellen aufzuspüren. Severus suchte jedoch nicht gezielt nach ihnen, so wie Alastor es tat. Er machte nur eine entspannende Schlossbesichtigung. Etwaige Risiken für die Gesellschaft würden Severus dank seiner Aufmerksamkeit nebenbei auffallen. Severus‘ Vergangenheit als Todesser machte ihn für Alastor zu einem dieser möglichen Risiken.
Remus fühlte die Spannung in der Luft, weswegen er eingriff und versicherte: „Wir sehen uns nur das Schloss an.“
Der ehemalige Auror vertraute Remus‘ Aussage. Alastors Skepsis hatte Severus‘ gegenüber ein wenig nachgelassen, besonders weil jedem bekannt war, wie viel Vertrauen Albus in Severus setzte. Das bedeutete nicht, dass Alastor den Tränkemeister mochte oder ihm gar vertraute, sondern nur, dass er ihn nicht mehr unentwegt im Auge behalten wollte. Alastor nickte Remus zu. „Passt im ersten Stock bei dem Balkon auf, der ist einsturzgefährdet. War gerade auf dem Weg zum Schlossbesitzer, damit die das hier absperren. Nicht auszudenken, wenn eines der Kinder dort herumtollt oder jemand, der im Laufe des Abends einen Drink zu viel genommen hat.“ Sicherheit war für Alastor ein weiträumiges Gebiet, denn selbst solche Dinge entgingen ihm nicht.
Remus lächelte. „Danke für die Warnung.“

Gerade wollte jeder seinen Weg fortsetzen, da kam ein junger Mann um die Ecke gebogen. Ein gut aussehender Herr Anfang dreißig, der bei den Damen unter den Gästen sicherlich für Schwärmerei sorgen könnte. Nichtsdestotrotz war er Fremder.

„Wer sind Sie?“, fragte Alastor barsch.
Der Mann stoppte abrupt, zeigte dann auf sich und lächelte. „Richard Van Tessel.“

Der Name war Remus bekannt, denn es war der Familienname des alten Adelsgeschlechts, das dieses Schloss besaß. Die Van Tessels waren seit einem Jahrhundert keine einflussreiche Familie mehr und gesellschaftlich von geringer Bedeutung. Der soziale Sturz kam mit der Blutschande – die Vermählung eines Van Tessels mit einem Muggel. Der junge Mann hatte sich nicht einmal mit Baron vorgestellt, denn er legte ganz offensichtlich keinen Wert darauf.

Alastor musterte ihn: „Sie sind der Schlossbesitzer? Sie sind doch keine 150 Jahre alt.“
„Nein, Sir“, der junge Mann lachte, „ich trage denselben Namen wie mein Urgroßvater. Der wird heute Abend übrigens bei den Feierlichkeiten vorbeischauen, um einem alten Schulfreund Hallo zu sagen.“
„Und wer soll das bitte sein?“, hakte Alastor nach.
„Albus Dumbledore.“ Richard Van Tessel nickte den dreien zu. „Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden? Ich möchte eine Tür versiegeln. Der Balkon im ersten Stock darf nicht betreten werden.“
„Ah“, Alastor blühte auf, „genau deswegen wollte ich mit Ihnen sprechen. Ich werde Sie begleiten, junger Mann.“

Wahrscheinlich wollte Alastor einfach nur mitgehen, um zu überprüfen, ob Van Tessel auch der war, der er behauptete zu sein. Wieder allein auf dem Gang nahm Severus einen Duft wahr, der ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen ließ.

„Wir könnten uns mal den Saal ansehen, indem die Trauung stattfindet“, schlug Remus vor, damit er sich jetzt schon anschauen konnte, wo er laut Plan nachher sitzen würde. „Oder hast du einen anderen Vorschlag.“
Severus hatte die Tür entdeckt, hinter der der Duft am stärksten war. Gerade kam eine junge Frau mit einem Tablett heraus, das sie auf einen der Rollwagen stellte. Etwas Gebäck und Kaffee für die ersten Gäste, die sich bereits im Schloss aufhielten. Severus erwiderte daher: „Wir könnten uns auch erst eine Tasse Kaffee besorgen. Mein Frühstück ist etwas karg ausgefallen.“
Remus hielt sich den knurrenden Magen, als er die Hörnchen in dem großen Korb bemerkte. „Ich habe heute noch gar nichts gegessen.“
Die junge Küchenhilfe bemerkte die beiden. „Guten Tag, gehören Sie zu den Hochzeitsgästen?“ Remus nickte. „Es tut mir leid, dass das Frühstück noch nicht aufgebaut ist. Möchten Sie jetzt schon einen Kaffee oder Tee?“

Das Angebot nahm besonders Severus dankend an. Er war viel gelassener, wenn sein Tag mit mehr als nur einer Tasse Kaffee begann.

Weit weg in einer kleinbürgerlichen Einfamilienhaussiedlung, fernab von allem Magischen, hatte eine andere Person heute früh freiwillig auf ihren morgendlichen Kaffee verzichtet. Vor lauter Aufregung peitschte der hohe Blutdruck ihr die Röte ins Gesicht.

„Alles in Ordnung, meine Liebe?“, fragte ihr beleibter Gatte, der sich gerade den Aktenkoffer griff. „Möchtest du nicht doch mitkommen? Ich könnte das Einzelzimmer in ein Doppelbettzimmer umbuchen.“
„Du gehst übers Wochenende auf Geschäftsreise“, hielt sie ihm vor Augen. „Ich würde mich die drei Tage nur langweilen.“ Ihr Mann lächelte ihr zu, womit er sich selbst ein Mondgesicht verpasste. „Ich werde das schöne Wetter lieber nutzen, um den Garten auf Trapp zu bringen“, log sie nur zur Hälfte.

Den morgigen Sonntag würde sie von morgens bis abends bei den Beeten verbringen. Heute aber – und davon hatte sie weder ihrem Ehemann noch dem Sohn erzählt – besuchte sie eine Hochzeitsfeier. Auch ohne Kaffee war sie schon aufgeregt genug.

Dem Gatten im Auto winkte sie noch mit Kusshand hinterher, bevor sie zurück ins perfekte Eigenheim ging, derweil einen kritischen Blick auf das Unkraut im Garten warf. Sie musste sich nur noch für die Feier umziehen. Ein schlichtes, dennoch elegantes Kleid hatte sie für heute gewählt. Um nichts in der Welt wollte sie zwischen all den merkwürdigen Leuten auffallen, doch genauso wenig wollte sie den heutigen Tag verpassen. Vielleicht wollte sie nur in Erfahrung bringen, was er heute war, wie er sich entwickelt hatte, auch wenn sie sich ständig eingeredet hatte, dass es ihr egal sein könnte.

Die überraschende und vor allem unerwartete Einladung zur Hochzeit hatte sie eines Vormittags mit einer Eule erhalten, als sie allein Zuhause war. Die ganze Familie war eingeladen, doch Petunia hatte sie vor Vernon und Dudley versteckt. Ihr Mann würde sowieso niemals mitgehen, würde sich wahrscheinlich schon wegen der puren Einladung so sehr aufregen, dass man um seine Herzfunktion fürchten müsste. Allein Petunia wollte entscheiden, ob sie Harry gegenübertreten wollte oder nicht. Vielleicht wollte sie unbewusst Vergleiche ziehen und sehen, wie weit er im Leben gekommen war, wie unbedeutend oder wichtig er war. Vielleicht wollte sie auch einfach nur nach all den vielen Jahren sehen, wie sehr sich Harry verändert hatte. Ob er noch eine runde Brille trug, ob seine wirren Haare noch immer die Narbe verdeckten und vor allem wer die Frau war, die er für sich gewählt hatte.

Petunia hatte Angst. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, den ganzen Tag mit Zauberern und Hexen zu verbringen, die einem Ringelschwänze anzaubern konnten und Spaß daran fanden, Menschen aufzublasen. Ihre Erlebnisse mit der magischen Welt waren nicht die besten. Sie war zudem völlig unsicher, wie Harry auf sie reagieren würde. Sollte er wütend werden und – wie damals – spontan irgendwelche schrecklichen Zauberdinge vollbringen, wäre sie ihm hilflos ausgeliefert. Anderseits wusste sie von Mrs. Figg, mit der sie sich nachher zur Abreise treffen würde, was Harry alles für Hürden überwunden hatte, um für Frieden zu sorgen. Auf diese Weise war sie immer auf dem Laufenden geblieben, auch wenn sie ihren Neffen seit seiner Volljährigkeit nicht mehr persönlich gesehen hatte. Sie war über den Krieg informiert. Petunia tat Zauberer gern als Missgeburten ab, dennoch war sie sich damals über die drohende Gefahr bewusst, die von Voldemort ausging. Er war es gewesen, der ihr die Schwester genommen hatte. Der dafür gesorgt hatte, dass Harry in ihrer Familie endete.

Kritisch musterte Petunia sich im Spiegel, richtete ihr blondes Haar. Sie griff nach einer weißen Jutetasche, in der sie zwei Hochzeitsgeschenke untergebracht hatte. Niemand sollte ihr unterstellen können, sich nicht dem großen Ereignis entsprechen zu verhalten. Ein Geschenkgutschein von Tiffany’s mit einem ansehnlichen Betrag hatte sie für das Brautpaar gewählt. Darüber hinaus hatte sie ein Geschenk in dezentes Papier eingewickelt. Es war eine große Mappe mit einem Stück Vergangenheit. Ein ganz persönliches Präsent für Harry.

Über Geschenke machte man sich im Mungos gerade gar keine Gedanken. Viel zu mühselig war es gewesen, Frank und Alice die Krankenhauskluft auszuziehen, damit sie in etwas Nettes schlüpfen konnte. Luna und Augusta hatten Alice ein hübsches Kleid angezogen, das viele praktische Vorteile besaß. So konnte man bei ihr beispielsweise nicht sehen, dass sie eine Windel für Erwachsene trug. Bei Nevilles Vater sah es anders aus. Die Krankenschwester hatte geholfen, seinem Vater Hemd und Hose anzuziehen. Die Beinkleider waren im Schritt so eng, dass die Windel sich sichtbar unter dem Stoff abzeichnete. Die Schwester musterte ihren Patienten, der schon auf der Janus Thickey-Station lag, bevor sie ihre Ausbildung überhaupt begonnen hatte. Sie kannte dieses Ehepaar gar nicht anders. Beide waren ein hoffnungsloser Fall.

„Man könnte ihm vielleicht eine leichte Decke über den Schoß legen“, schlug die Schwester vor, während sie zaghaft an der Hose herumzupfte. Frank lachte unerwartet. Wahrscheinlich weil es kitzelte. Sein Blick konnte den eines anderen Menschen nicht lange halten. Zu nervös huschten seine Augen hin und her, reagierten auf alles, was einen Reiz im Gehirn auslöste. Nur verarbeiten konnte er diese Reize nicht. Die dafür wichtigen Nervenbahnen waren durch die Folter mit dem Cruciatus-Fluch durchtrennt. „Ich hoffe nur, dass die Feier nicht zu viel für die beiden wird.“
Neville hatte die gleichen Bedenken geäußert, nachdem seine Großmutter ihm von Mollys Vorschlag erzählte, auch seine Eltern trotz ihrer Situation an der Hochzeit teilnehmen zu lassen. „Deswegen kommen Sie ja mit“, brachte er es auf den Punkt.
Von der anderen Seite des Raumes hörte man Lunas Stimme. „Deine Mama ist fertig. Sieht sie nicht hübsch aus?“

Neville blickte hinüber. Sie sah tatsächlich hübsch aus. Auf jeden Fall anders. Alles würde an seiner Mutter gut aussehen, solange das Nachthemd des Mungos nicht mit im Spiel war. Die Haare waren zu kurz, registrierte Neville zum wiederholten Male. Die Pflege seiner Eltern war für die Schwestern einfacher, wenn die Patienten kurze Haare hatten. Alice trug einen praktischen Haarschnitt und keinen, der schön aussah. Luna kniete neben dem magischen Rollstuhl, streichelte dabei die Hand von Alice. Seine Mutter reagierte. Ruckartig drehte sie den Kopf, um zu sehen, was die Berührung auslöste. Alice blickte auf die Hand, die ihre streichelte. Unkontrolliert formten ihre Gesichtsmuskeln ein Lächeln.

Seine Großmutter richtete das Wort an ihren Enkel. „Neville, du machst dir viel zu viele Gedanken.“
„Tu ich das?“, stellte er als Gegenfrage. „Ich kann mich noch gut an den Zoobesuch erinnern. Der verlief nicht gerade vorbildlich.“ Das Brüllen mancher Tiere hatte seine Eltern so aufgeregt, dass sie den Ausflug auf der Stelle abbrechen mussten.
„Die liebe Kathleen kommt mit“, Augusta deutete auf die Schwester, „und Molly hat mir versichert, dass auch sie Vorkehrungen getroffen hat. Es gibt einen Ruheraum für die beiden und eine Rundum-Betreuung.“
„Aber denken Sie daran“, begann Kathleen, „dass wir um neun spätestens wieder hier sein müssen. Es wird sonst zu unruhig für die anderen Patienten der Station, wenn wir zu spät zurückkommen.“
„Ich sehe da überhaupt kein Problem“, versicherte Augusta, die hinüber zu ihrem Sohn ging und über seine kurzen Haare strich. Sofort wandte er den Kopf, um über die Schulter zu blicken. Sie nutzte den Moment, um ihm einen Kuss auf die Stirn zu geben. „Sie müssen mal raus, Neville. Diese Hochzeit wird viele alte Freunde zusammenbringen. Ich bin davon überzeugt, dass es das Richtige ist, den beiden diese Möglichkeit auch zu geben.“
Einerseits verstand er seine Großmutter, aber sie sollte ihn auch verstehen. „Ich mache mir nur Sorgen, dass etwas passiert und niemand schnell genug handelt.“
„Moment“, warf Kathleen vorgetäuscht beleidigt ein, „ich trage die Verantwortung für die zwei und ich werde meinen Job ausgezeichnet machen!“
„Das war auch nichts Persönliches“, beschwichtigte er die Schwester. „Ich …“ Er verstummte, schüttelte hilflos den Kopf.

So viel könnte passieren. Ein Erstickungsanfall, ein Kreislaufkollaps – war alles schon dagewesen. Am Ende war es Luna, die ihm alle Angst nehmen konnte. Sie ging so selbstverständlich mit seinen Eltern um, dass er ihr die Freude nicht nehmen wollte, beide auch am heutigen Tag um sich zu haben. Sie gehörten zur Familie.

„Dann sind wir alle fertig?“, fragte Neville in die Runde. Der Portschlüssel war eine Wäscheleine, die sofort an Frank festklebte, als sie ihm die Schnur in die Hand drückten. Die Rollstühle waren mit einem extra starken Stabilisierungszauber versehen, so dass die Landung wenigstens für seine Eltern eine ruhige Angelegenheit werden würde. Sie konnten nicht umkippen.

Ein Ziehen im Bauchnabel. Die Reise begann. Die Wäscheleine war der einzige Portschlüssel, der direkt ins Schloss führte.

Bei der Landung im ersten Stock des Schlosses half Luna Nevilles Großmutter, das Gleichgewicht zu behalten. Nevilles hatte weniger Glück. Seine Landung war nur weich, weil er auf der Tasche mit den Utensilien für seine Eltern gelandet war. Bäuchlings lag er vor den Füßen einer Person, die erschrocken Aufschrie. Ein Blick nach oben verriet, dass es Harry war.

„Mannomann, habt ihr mich erschreckt!“ Harry reichte seinem Freund die freie Hand, um ihm aufzuhelfen. In der anderen Hand hielt er selbst eine Tasche. In diesem Moment kam Wobbel mit Nicholas aus der Tür hinter Harry. Der ELf sah noch, wie Neville dankend die Hand nahm, um sich wieder aufzurichten. Harry musterte die Tasche, auf der Neville gelandet war. „Scheint eine sanfte Landung gewesen zu sein. Was ist da drin?“
„Windeln“, erwiderte Neville, der wiederum die Tasche in Harrys Hand beäugte. „Und was hast du da drin?“
„Auch Windeln“, gestand Harry verlegen, weil er eben erst begriffen hatte, dass Nevilles Eltern auch welche tragen würden. „Molly meinte, die Kinderbetreuung im Erdgeschoss wäre schon besetzt. Wobbel wollte mit Nicholas mal vorbeischauen.“ Er reichte die Tasche an Wobbel weiter. „Unten ist auch der Wickelraum, deswegen verstauen wir die Tasche dort.“

Die Röte schoss ihm ins Gesicht und Harry konnte nichts dagegen tun. Wortlos schaute er seinem Elf hinterher, der mit Nicholas zusammen einen Blick auf die vorhandenen Spielmöglichkeiten für die kleinen Gäste werfen wollte. Diesen kurzen Moment benötigte er, um sich wieder zu sammeln.

Neville hob seine Tasche auf und richtete das Wort an Harry. „Tut mir leid, dass wir dich erschreckt haben. Ich dachte, jeder wüsste Bescheid, wann wir hier ankommen.“
Harry registrierte erst jetzt bewusst die anderen, grüßte die Schwester, Luna und Nevilles Oma. Als sein Blick auf die beiden Menschen im Rollstuhl fiel, gestand Harry: „Ich wusste nicht einmal, dass deine Eltern kommen werden.“
„Sie werden nicht die ganze Zeit dabei sein, das wäre zu viel Aufregung. Die Trauung und vielleicht noch ein Stündchen danach.“

Wie paralysiert näherte sich Harry der Frau im Rollstuhl, die gedankenverloren den Blick wandern ließ. Sie kannte er besonders gut von dem Foto, auf dem sie zusammen mit seiner Mutter auf einem Karussell fuhr. Eine junge Frau, die nur so vor Gesundheit strotzte und fröhlich lachte. Vorsichtig, um sie nicht zu erschrecken, kniete er sich neben sie, um Nevilles Mutter zu grüßen.

„Hallo“, sagte er vorsichtig, erntete damit jedoch vollkommene Ignoranz. Der neue Ort mit seiner golden glitzernden Verzierungen an den Wänden war zu viel Ablenkung für Alice.
„Nimm ihre Hand“, riet Neville. „Dann weiß sie, dass jemand bei ihr ist.“
Den Ratschlag nahm Harry an. Langsam legte er ihre Hand in seine und grüßte nochmals: „Hallo, ich bin der Sohn von Lily und James.“ Nach einem kurzen Augenblick fügte er hinzu: „Mein Name ist Harry Potter.“

Flüchtig, als hätten die Namen – oder die Berührung – etwas in ihr ausgelöst, trafen sich ihre Blicke. Der ihre war flatterhaft. Für einen kurzen Moment schaute sie ihm mit konzentrierter Fixierung die grünen Augen, bevor das Muster der Wand hinter Harry ihr Interesse weckte und der Blickkontakt abbrach.


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