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Fanfiction

Harry Potter und die Schatten der Vergangenheit - Gegen die verlorenen Jahre

von Muggelchen

Als die ersten Fotografen an die hohen Fenster des Ballsaals geeilt waren, allen voran Mr. Granger mit gezückter Muggeltechnik, war das Pärchen aus dem Garten längst verschwunden. Die wenigen Gäste, die die Worte der Creevey-Brüder vernommen hatten, vermuteten, die beiden hätten sich womöglich geirrt.

„Ich hab die zwei doch mit eigenen Augen gesehen!“, beteuerte Colin, dessen Aussage nicht nur von Fred infrage gestellt wurde.
„Irrst du dich auch nicht?“, hakte Angelina skeptisch nach. Luna hielt sich im Hintergrund und beobachtete das Treiben vermeintlich teilnahmslos.
Dennis kam seinem Bruder zu Hilfe. „Da war ganz deutlich Hermine zu sehen und neben ihr diese große, dunkle Gestalt. Also, entweder hat sie eine heimliche Affäre mit einem Dementor oder es war Snape. Ich habe nämlich heute, auch wenn so viele Gäste hier waren, niemanden gesehen, der so dunkel gekleidet war als er.“
„Wie er“, verbesserte Seamus.
„Was?“
„Ach, schon gut.“
„Wo habt ihr eigentlich eure Kameras?“, wollte George wissen. „Ihr seid doch sonst immer bewaffnet. Ein Beweisfoto wäre nett.“
Dennis verzog das Gesicht. „Deine Mum hat uns gesagt, dass wir heute nur Gäste sind, keine engagierten Fotografen. Dabei hätten wir bei 450 Gäste eine Menge Kohle machen können.“
„Ja“, stimmte Colin mit ein, „pro Gast mindestens zwei Portraits.“
„Ihr wärt morgen noch nicht damit fertig“, winkte Fred ab.
Neugierig näherten sich Ron, Harry und Ginny der Ansammlung am Fenster, um nachzusehen, wohin der Brautstrauß geflogen war. „Was ist denn hier los?“, fragte Ron den Ersten, auf den er traf und das war Dean. „Wer von euch hat den Strauß nun gefangen?“
„Keiner, der ist aus dem Fenster geflogen“, erklärte Seamus.
„Hast einen starken Wurfarm, Ginny!“, lobte Dean auf der Stelle, als er die Braut bemerkte.
Ginny lächelte schüchtern, schaute dann auffällig kurz zu Luna hinüber, bevor sie zum Fenster blickte. „Soll ich ihn nochmal werfen?“
„Nein, er wurde ja gefangen“, beteuerte Colin.
Fred ließ nicht locker. „Dafür brauchen wir erst einmal Beweise.“
Ohne Aufsehen zu erregen ging Ginny Schritt für Schritt zu Luna hinüber, die verträumt ihre Freunde beobachtete. „Luna, warum hast du ihn nicht gefangen? Ich hab ihn extra in deine Richtung geworfen.“
„Wirklich?“, fragte sie vorgetäuscht erstaunt nach. „Ich dachte, es wäre nur ein Vögelchen, das an mir vorbeihuscht.“
Die Braut lachte kurz auf. „Das hast du mit Absicht getan.“ Kein Vorwurf war zu vernehmen.
„Es war einfach nicht meine Zeit“, entschuldigte sich Luna. „Bitte sei mir nicht böse.“
Ginny hob und senkte die Schultern, atmete ruhig aus und schüttelte den Kopf. „Wie kann man dir böse sein?“

Vor der Tür zum Ballsaal hielten Severus und Hermine inne; vielmehr war er stehengeblieben. Eine unsichtbare Hürde hatte sich ihm in den Weg gestellt und das war die Befürchtung, zum Dreh- und Angelpunkt zu werden, sollte er mit Hermine am Arm durch diese Tür spazieren. Unsicher blickte er neben sich. Hermine starrte mit verzücktem Lächeln auf ihren gefangenen Strauß. An ihrer Frisur bemerkte er etwas, das ihn störte. Eine Strähne hatte sich durch den kleinen Sturz aus der Hochsteckfrisur gelöst und hing nun unschön an ihrem Rücken herunter.

„Dir ist da eine Strähne ...“ Bevor er die Situation erst erklären müsste, begann er lieber sofort damit, das widerspenstige Haarbüschel mit seinen schmalen Fingern an seinen Platz zu bringen. Als er versehentlich ihren Hals berührte, sah er, wie sich eine Gänsehaut formte, obwohl ihr nicht kalt war. Die Strähne war provisorisch gebändigt, doch noch immer zögerte Severus. Er machte keine Anstalten, den Weg fortzusetzen.
„Wir müssen nicht hineingehen“, schlug sie ihm als Ausweg vor. „Wir können warten, bis noch ein paar der Gäste gegangen sind.“
Das unbehagliche Gefühl überkam ihn, ein Feigling zu sein. „Nein, wir gehen rein.“
„Ich könnte alleine vorgehen.“
„Ich werde ja wohl noch mit den pietätlosen Fragen deiner Freunde zurechtkommen“, verteidigte er sich.
„Pietätlos? So denkst du von ihnen?“
Er legte den Kopf schräg und dachte kurz nach. „Vergiss nicht, dass ich bei den meisten deiner Freunde noch die elfjährigen, frechen Rotznasen vor Augen habe, die mit sechzehn oder siebzehn nicht besser waren.“ Nur wenige von den damaligen Schülern hatte er besser kennen lernen können. Neben Harry fiel ihm noch Neville ein, aber selbst mit Harrys Frau hatte er keinen tiefergehenden Kontakt gehabt. Sie war für ihn auch nur eine Schülerin. Charlie Weasley war eine Ausnahme. In dem Moment, als er an diesen jungen Mann dachte, fiel ihm wieder ein, dass der ein Gespräch angekündigt hatte. Es ging um Dracheneier.
Hermine lachte über Severus‘ Bemerkung. „Ich versichere dir, dass alle erwachsener geworden sind. Für Seamus lege ich meine Hand nicht ins Feuer, aber für den Rest ganz bestimmt.“
Severus atmete tief ein und aus. „Stürzen wir uns einfach hinein.“

Gesagt, getan. Man widmete Severus und Hermine keinerlei Aufmerksamkeit, denn niemand sah sie eintreten. An den Fenstern hatte sich eine Menschentraube versammelt. Einige DA-Mitglieder, Hermines Eltern und sogar Remus und Tonks schienen sich angeregt zu unterhalten.

„Deine Chance, Severus. Verschwinde und such dir irgendeinen Gesprächspartner. Ich stelle mich meinen Freunden“, legte sie ihm ans Herz. „Nur eine Sache würde ich gern wissen.“ Mit fragendem Blick wartete er auf das, was ihr auf der Zunge lag. „Darf ich heute schon meinen Eltern davon erzählen?“ Seine Augen weiteten sich. „Nur meinen Eltern, niemandem sonst.“
Ein Gespräch mit Mr. Granger würde auf ihn zukommen, sollte sie von dem Versprechen berichten, dass sie sich gegenseitig im Rosengarten gegeben hatten. „Es wäre nur richtig, sie zu informieren“, stimmte er schweren Herzens zu. „Andernfalls würde es mit Sicherheit auf mich zurückfallen, sollten sie erst später darüber in Kenntnis gesetzt werden.“
„Das dachte ich mir auch. Ich werde durchblicken lassen, dass sie nicht sofort über dich herfallen sollen.“
„Wie freundlich von dir, Hermine. Du musst mich aber wirklich nicht in Watte packen. Ich werde damit schon fertigwerden.“
„Dann“, sie nahm seine Hand und drückte zu, „sehen wir uns später noch.“

Severus nickte einmal, bevor er sich ziellos den Menschen näherte, die am Rande der Tanzfläche standen. Ein für ihn gefährlicher Ort, dachte er, denn irgendeine tollkühne Dame könnte es wagen, ihn zum Tanzen aufzufordern. Sein Soll für heute hatte er jedoch erfüllt. Da stand auch schon Charlie Weasley, der einem seiner Brüder zuschaute.

Aus den Augenwinkeln sah Charlie etwas Dunkles. „Ah, Professor Snape.“ Die Musik war laut. Severus konnte den Gruß nur von den Lippen ablesen. Vorsichtig drängte sich Charlie an den Paaren vorbei, die eine kurze Pause eingelegt hatten. Als er bei Severus angekommen war, legte er nahe: „Gehen wir doch in den Speisesaal. Hier versteht man ja sein eigenes Wort nicht.“

Severus hatte kein Wort verstanden und folgte dem jungen Mann einfach. Es ging vorbei an Hagrid und Olympe, die einen großen Abstand zu den anderen Paaren hielten. Im Speisesaal dröhnte die Musik nicht mehr so ohrenbetäubend laut, aber sie war noch im Hintergrund zu hören.

„Wollen wir uns setzen?“, fragte der junge Drachenbändiger und deutete auf einen der Tische. Einige der Gäste hielten sich hier auf, um in Ruhe mit alten Freunden zu reden, die sie seit langer Zeit nicht gesehen hatten. Severus nickte, so dass Charlie kurzerhand den Tisch des Brautpaares wählte, an dem sie vorhin bereits gesessen hatten, nur nicht nebeneinander.
„Sie sagten, Ihr Reservat suche Abnehmer für Dracheneier?“
„Ganz richtig. Wir möchten nicht, dass sie in falsche Hände gelangen. Meine Vorgesetzten legen Wert darauf, dass Geld nur eine geringe Rolle spielt. Vielmehr möchte man erwirken, dass mit diesen Eiern geforscht wird.“
„Und da dachten Sie an mich.“
Charlie nickte. „Und an Hermine. Es ist bis zu uns nach Rumänien gedrungen, was Sie bei der letzten Versammlung der Tränkemeisterkörperschaft vorgestellt haben. Nach all den langweiligen Entwicklungen der letzten Jahre war das endlich mal wieder eine interessante Neuheit.“
„Vielen Dank, aber die Lorbeeren gebühren Hermine.“
„Zum einem gewissen Teil, wie ich meine.“
Ein Kellner kam an den Tisch, um eine Bestellung aufzunehmen. Charlie bestellte Rotwein, Severus hingegen ein Glas Champagner – den hatte er sich heute verdient. „Ach“, machte er, als der Kellner bereits gehen wollte.“
„Was darf es noch sein, Sir? Ein weiteres Stück Nougattorte?“
Erst jetzt bemerkte Severus, dass es der gleiche Kellner wie vorhin war. „Nein, das nicht. Wären Sie so freundlich, ein großes Glas mit kaltem Wasser in den Ballsaal zu bringen?“ Nur deswegen war er Albus vorhin überhaupt erst in die Arme gelaufen.
„Sicher, Sir, wenn Sie mir den Gast bitte beschreiben würden.“
„Es handelt sich um die Dame, die mit breitem Lächeln den Brautstrauß herumzeigt, den sie gefangen hat.“
„Oh, dann werde ich sie leicht finden“, bedankte sich der Kellner freundlich.
Als der Kellner gegangen war, fragte Charlie mit einem Schmunzeln auf den Lippen nach: „Dann war es also doch Hermine, die ihn ergattern konnte.“
„Ja, es hat sie umgehauen – im wahrsten Sinne des Wortes. Aber zurück zu den Dracheneiern. Um welche Spezies handelt es sich? Ich nahm bisher an, alle Zutaten, die man von Drachen erhalten kann, sind umfangreich analysiert worden.“
„Das ist nur fast richtig, Professor.“
Severus ahnte, dass Charlie nicht sofort mit der Sprache herausrücken wollte, weil es sich um etwas Besonderes handelte. Von solchen Spielchen hielt Severus wenig. „Mr. Weasley“, sagte er bestimmend.
„Ja?“, kam es plötzlich von hinten.
Severus und Charlie drehten sich um. Am Nebentisch saß Percy, der nur seinen Nachnamen vernommen hatte. „Oh, Verzeihung. Ich dachte, Sie sprechen mit mir.“ Sofort widmete sich Percy wieder seiner Tischnachbarin, die Severus als Penelope Clearwater erkannte. Die beiden erhoben sich und gingen nach draußen.
„Wow!“, flüsterte Charlie, als er seinem Bruder nachsah. „Da hat wohl jemand eine alte Flamme wiedergefunden.“ Er wandte sich erneut Severus zu. „Ich möchte Sie nicht auf die Folter spannen, aber vorweg möchte ich Sie dazu ermutigen, mich mit meinem Vornamen anzusprechen. Der Nachname, wie Sie sehen konnten, stiftet nur Verwirrung.“
„Von mir aus, aber erwarten Sie nichts im Gegenzug.“
„Nicht notwendig.“ Charlie wirkte nicht einmal beleidigt. „Also, Professor Snape. Es geht um eine bestimmte Drachenart, von denen man wenig weiß – noch weniger von den möglichen Auswirkungen als Trankzutat.“
„Welche Drachenart?“
Gerade brachte der Kellner die Getränke. Als er den Champagner vor Severus abstellte, informierte er kurz und bündig: „Die Dame bedankt sich vielmals, dass Sie an sie gedacht haben.“ Schon war der Kellner wieder verschwunden, so dass Charlie die Antwort auf Severus‘ Frage geben konnte.
„Knucker.“
„Knucker? Das ist doch diese ausgestorbene Drachenart.“ Nur zu gut erinnerte sich Severus daran, dass Harry von den Wassermenschen einen ganzen Sack mit Knuckerschuppen bekommen hatte – im Austausch für eine einzige Schuppe des Basilisken. Das wiederum erinnerte Severus daran, dass Harry ihm noch etwas schuldig war.
Charlie beugte sich zu Severus hinüber und flüsterte: „Man dachte, sie seien ausgestorben.“
„Sind sie nicht?“
„Nein. Die gesamte Vorgeschichte erspare ich mir, weil ich sie auch nur vom Hörensagen kenne. Tatsache ist, dass einer meiner Kollegen eines Tages pitschnass zum Reservat zurückkehrte. Er erzählte etwas von einem Wassermenschen in Not, der ihm als Dank zwei Eier in die Hand drückte. Die Eier waren uns vollkommen unbekannt. Wir forschten, machten Analysen und bemerkten fast schon zu spät, dass beide Eier befruchtet waren. Wir haben sie einer geruhsamen Ukrainischen Eisenbauchdame untergejubelt, die sie ausbrütete und voilà, es kamen zwei vierzig Zentimeter lange Knucker zum Vorschein. Keiner von uns hat solche Tiere jemals in natura gesehen.“
„Das ist beeindruckend!“ Severus ließ sich diese neue Erkenntnis durch den Kopf gehen. „Und es ist gefährlich, wenn man alten Überlieferungen glauben darf.“ Man sprach von ganzen Dörfern in Sussex, die angeblich von einem sechs Meter langen Wasserdrachen verschlungen worden wären.
„Bisher sind beide sehr umgänglich, was wir der Ziehmutter zu verdanken haben. Wenn man lange genug mit Drachen zusammenarbeitet, stellt man schnell fest, dass jedes Tier sein eigenes Wesen besitzt. Manche bleiben unzähmbar und bösartig. Andere mögen die Menschen und genießen den Umgang mit uns. Natürlich werden sie niemals zu Kuscheltieren, aber das ist auch nicht unsere Absicht.“
„Sie mögen diese Biester wirklich“, stellte Severus ohne Umschweife fest.
Charlie lächelte. „Ich liebe sie“, bestätigte er sehr überzeugend. „Wie sieht es nun aus, Professor Snape. Sind Sie bereit, einige Versuche vorerst mit den Eierschalen durchzuführen?“
Severus überlegte nicht lange. „Reicht fürs Erste ein Handschlag?“
„Aber sicher!“ Charlie hielt ihm die Hand entgegen, die Severus ergriff und dreimal schüttelte. „Ich werde später Verträge schicken. Unter anderem möchte man Sie dazu verpflichten, Stillschweigen zu bewahren. Mein Wort reichte leider nicht aus.“
„Was haben Sie denn gesagt?“
„Ich versicherte meinen Vorgesetzten, dass Sie sowieso ein verschwiegener Mann sind und nicht so jemand, der nur auf Geld aus ist, wie gewisse andere Leute …“ Charlies Blick fiel durch Zufall auf Professor Slughorn, der gerade aus Little Whinging zurückgekehrt war und sich im Speisesaal umschaute, wem er mit seiner Anwesenheit eine Freude bereiten wollte. „Hat Harry Ihnen jemals die Geschichte mit Slughorn und der Acromantula erzählt?“
„Nein, weshalb?“
„Slughorn war scharf auf das Gift der toten Spinne, weil er sich damit einige Galleonen dazuverdienen konnte.“ Nun blickte auch Severus zu seinem ehemaligen Lehrer und Kollegen hinüber. Das auserkorene Opfer befand sich offenbar im Ballsaal, den Horace gerade betrat.
„Ich, Mr. Weas…“, er verbesserte, „Charlie, habe auch nichts ein paar zusätzliche Galleonen einzuwenden.“
„Wer hat schon was dagegen?“, warf Charlie belustigt ein. „Aber bei Ihnen bin ich mir sicher, dass Sie die Eierschalen nicht sofort auf dem Schwarzmarkt verhökern. Wir haben nur diese beiden Drachen und möchten nicht riskieren, dass zwielichtige Gestalten auf sie aufmerksam werden.“
„Weiß Ihr Vater schon von diesen Neuigkeiten?“
„Klar! Die Abteilung zur Führung und Aufsicht Magischer Geschöpfe ist informiert und unterstützt uns und unsere Entscheidungen.“
„Ich könnte Ihnen einen Herrn nennen, der mit Kryptozoologie vertraut ist. Es wird offensichtlich noch eine Weile dauern, bis die Knucker wieder zur normalen Zoologie gezählt werden können.“
„Wir nehmen jede Hilfe, die wir bekommen, solange kein Informationsleck entsteht.“
Severus wägte seine Antwort ab, bevor er guten Gewissens sagen konnte: „Für diesen Herrn bürge ich. Außerdem sollten Sie Professor Dumbledore zu Rate ziehen. Ich glaube, es gibt kaum jemanden, der mehr von Drachen und Zutaten versteht als er.“
„Wir wollen die Knucker ja nicht gleich schlachten“, scherzte Charlie. „Ein wenig Blut abnehmen, ein paar Schuppen und Barthaare.“
„Die besitzen Barthaare?“
Charlie nickte heftig, die Augen glänzten vor Begeisterung. „Möchten Sie ein Foto sehen?“

Natürlich bejahte Severus. Die Tiere auf dem Bild, das Charlie ihm unter vorgehaltener Hand zeigte, würden von Hagrid sehr wahrscheinlich als drollig bezeichnet werden. Sie hatten Ähnlichkeit mit einer dicklichen Albinoschlange. Am Kopf verfügten sie über Auswüchse, die man vom Aussehen her mit Federn vergleichen könnte.

„An Land kriechen sie wie Schlangen, aber sie tummeln sich lieber im Wasser“, erklärte Charlie mit hörbarer Freude in der Stimme.
„Zeigen Sie die Bilder bloß nicht Hagrid, sonst will er noch einen haben.“
Charlie lachte. „So sehr ich weiß, wie ihm das gefallen würde – besonders Hagrid sollte nichts erfahren.“
Der Riese war ein Plappermaul, wofür er aber nichts konnte. „Von mir erfährt er nichts.“

Gerade hatte Charlie die Bilder wieder in die Innentasche seines Umhangs gesteckt, da schlug jemand zeitgleich Severus und ihm auf die Schulter. Beide blickten auf und wurden umgehend von der aufdringlichen Person begrüßt.

„Charlie Weasley“, sagte Slughorn mit breitem Grinsen. „Sie habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Was machen die Drachen?“
„Sie fressen, schlafen und verbrennen uns den Allerwertesten“, gab Charlie belustigt zurück.
„Und bei dir Severus? Läuft die Apotheke?“
„Sie läuft“, bestätigte er kurzerhand.
„Na, dann würde ich sie festbinden!“ Nochmal schlug Horace ihm auf die Schulter und lachte dabei, während Severus so gelassen wie möglich blieb. Die Witze seines alten Lehrers waren seiner Meinung nach schon immer hohl gewesen. „Mach nicht so ein Gesicht“, rügte Horace ihn auf eine Art und Weise, die sich niemand anderes herausnehmen würde. „Das war doch nur ein kleiner Scherz.“
„Aber ein sehr kleiner“, stimmte Severus zu. „Hast du Harrys Tante gut behütet nachhause gebracht?“
„Sicher doch.“ Zu Severus‘ Entsetzen zog sich Horace einen Stuhl heran, um zwischen Charlie und ihm Platz zu nehmen. „War ein wenig angeheitert, die Gute.“

Zum Glück wurde Horace von jemandem gerufen, der interessanter schien als ein Ex-Todesser und ein Drachenbändiger. Beide schauten dem Lehrer im Ruhestand hinterher, der sich erst der Dame widmete, die ihn zu sich gerufen hatte, bevor er den berühmten Viktor Krum als nächstes Ziel anvisierte. Jemand anderes hatte sich unerwartet an Severus und Charlie herangeschlichen. Eine kleine Hand legte sich auf Severus‘ Knie. Sofort wandte er den Blick von Horace ab und schaute zum neuen Eindringling hinunter. Nicholas sah mitgenommen aus. Die Augen waren ganz klein vor Müdigkeit, das Gesicht voller Kratzer und blauer Flecken. An der Hand, die bei Severus lag, blutete er aus einer minimalen Schnittwunde. Dreckig war der Junge auch noch, stellte Severus mit gerümpfter Nase fest. Er hatte Sand im Haar und Schmutz im Gesicht.

Es war Charlie, der als Erster zu dem Kind sprach. „Na, mein Kleiner. Sieht aus, als hättest du eine Menge Spaß gehabt.“ Nicholas wankte, hielt sich deshalb an Severus fest. Das Kind war ausgelaugt, führte trotzdem ein zufriedenes Lächeln auf dem Gesicht spazieren. Als Charlie ihn auf den Schoß nehmen wollte, zierte sich Nicholas, giggelte dabei. Kleine Hände griffen nach dem nachtblauen Umhang. Nicholas drehte sich einmal und war sofort in dem feinen Stoff eingewickelt.
Severus betrachtete die Beule an seiner Seite, unter der sich der Junge versteckte und seufzte. „Und ich dachte, wenn ich Hogwarts hinter mir lasse, würde ich verschont bleiben.“ Er unternahm nichts, um dem Jungen das Spiel zu verbieten. Kinder machten sowieso immer das Gegenteil von dem, was Erwachsene ihnen sagten. Zu Hilfe eilte Harrys Elf, der den Jungen nur für eine Minute aus den Augen gelassen hatte.
„Zeit zum Schlafengehen, junger Mann“, sagte Wobbel zu Severus‘ Umhang. Man hörte den Jungen quengeln. Offenbar kannte Nicholas bereits die Bedeutung bestimmter Worte, und Schlafengehen gehörte zu jenen, mit denen er momentan nicht einverstanden war.

Von dem Elf, der den Knaben unter dem Umhang hervorlocken wollte, ließ sich Severus nicht stören, denn zusätzlich gesellte sich noch Hermine an den Tisch. Den Brautstrauß legte sie behutsam auf dem Tisch ab, gleich neben dem großen Wasserglas, aus dem sie mehr als die Hälfte getrunken hatte.

„Danke für das Wasser, Severus“, flüsterte sie ihm zu, bevor sie die Bewegung unter seinem Umhang wahrnahm. Sie beugte sich über ihn, so dass ihre Gesichter dicht beieinander waren und befühlte die runde Stelle – den Kopf des Jungen. Nicholas kicherte sofort und versuchte, sich noch kleiner zu machen. Wobbel sammelte noch einige Sachen ein, bevor er Nicholas aufs Zimmer bringen wollte.

Im Nebenraum, dem Ballsaal, bemerkte Harry, wie Narzissa drei Herren, die sie zum Tanz aufgefordert hatten, einen Laufpass gab. In der Reihenfolge war das ihr eigener Sohn, Remus und am Ende sogar Ted Tonks, der offenbar von seiner eigenen Frau dazu motiviert wurde, der Schwägerin einen Gefallen zu erweisen. Prophylaktisch hatte Narzissa mehr Abstand zwischen sich und der Tanzfläche gebracht, damit sie nicht mehr in die Verlegenheit kommen würde, jemandem einen Korb zu geben. Es war Zeit, dachte Harry, etwas dagegen zu unternehmen. Selbst Gregory Goyle amüsierte sich auf dieser Feierlichkeit, dann sollte es Narzissa nicht schlechter gehen.

Harry gab Ginny Bescheid, die ihm nur kurz zunickte, denn Neville hatte ihr bereits den nächsten Tanz versprochen. Mit offenen Augen verließ Harry den Ballsaal und schaute sich im Speisesaal um. Just in diesem Moment betrat Lucius mit Charles im Arm den gleichen Raum, doch anstatt sich zu setzen, ging er nach draußen. Harry zögerte nicht lange und ging ihm nach.

Mit großem Interesse beobachtete Severus das Szenario. Selbst Menschen, die die Malfoys nicht sonderlich gut kannten, mussten bemerken, dass der Haussegen seit mindestens einer Stunde schiefhing. Severus bemerkte nicht nur Lucius, der sich wieder einmal verdrückte, sondern ebenfalls, wie jemand ihm folgte – Harry. Das könnte spannend werden, dachte Severus. Es war schade, dass seine Animagusform so ein auffälliger Vogel war, denn bei dem Gespräch würde er gern Mäuschen spielen. Mit einem gehässigen Schmunzeln wartete Severus darauf, bis sein blonder Freund wieder von der Terrasse zurückkehren würde.

Auf besagter Terrasse traf Harry ohne Umwege auf Lucius. Die beiden waren allein. Als der Reinblüter den Bräutigam bemerkte, war es längst zu spät. Der Fluchtweg wurde von Potter versperrt.

„Mr. Potter“, grüßte Lucius in einem dermaßen verachtenden Tonfall, dass Harry ihm am liebsten das Fell über die Ohren ziehen würde.
Harry entschied sich dafür, den Herrn, dessen verdrießliche Art ihn den ganzen Tag schon aufgefallen war, anders handzuhaben als der es von ihm erwarten würde. „Sie brauchen nicht zu befürchten, dass ich Ihnen mit einer hinterlistigen Intrige Schaden zufügen möchte. Ich empfinde keine Freude daran, andere zu piesacken. Ihr Sohn weiß das.“ Für seinen nächsten Satz holte Harry tief Luft. „Ich bin keinesfalls Ihr Feind, nur weil Sie einmal meinem gefolgt sind.“ Er blieb einen Moment still, um eine Reaktion abzuwarten, aber es kam keine. Lucius blickte zu seinem Enkel, dann hinaus in die Landschaft und im Anschluss sogar auf den Blumenkübel zu seinen Füßen, nur nicht zu Harry Potter. „Was ich damit sagen will“, er schaute Lucius direkt in die Augen, „ich finde es schade, dass Ihre Frau da drinnen steht“, Harry deutete auf die festlich beleuchteten Fenster, hinter denen ausgelassen gefeiert wurde, „und jede Aufforderung zum Tanz ablehnt, weil die ihr ohne ihren Mann keine Freude bereiten. Meinen Standpunkt Ihnen gegenüber habe ich klar gemacht. Ich sehe keinen Grund, warum Sie sich zurückziehen, als würden Sie nicht dazugehören. Niemand hier wird Sie für etwas verurteilen, von dem Sie der Zaubereiminister höchst persönlich freigesprochen hat. Ach“, tat Harry, als wäre es ihm erst jetzt eingefallen, „und der ist ja auch da drinnen und zwar in der nicht ganz unwichtigen Rolle des Vaters der Braut.“ Mit einem Schmunzeln fügte er hinzu: „Und trotz allem sind Sie hierher eingeladen worden. Sein Sie also bitte einfach das, was man von Ihnen erwartet: ein Gast! Wenn Sie mir Schaden zufügen wollen, dann bedienen Sie sich an dem verdammt teuren Buffet. Gönnen Sie sich den teuersten Champagner, von mir aus auch über den Durst. Tanzen Sie mit Ihrer Frau und zeigen Sie Ihren Enkel herum, aber bitte“, Harry holte noch einmal Luft und blieb ansonsten völlig ruhig, „haben Sie heute wenigstens ein bisschen Spaß.“ Der letzte Satz war als gut gemeinter Ratschlag gedacht.

Geduldig hatte Lucius zugehört, hatte diese langweilige Rede über sich ergehen lassen, doch nach Potters Monolog fühlte er sich anders. Es war schwer zu beschreiben. Sein Versuch, Potter zu ignorieren, war fehlgeschlagen. Lucius schluckte verlegen. Sein Mund war ganz trocken. Gedankenverloren nickte er seinem Gegenüber zu, ohne sich zu äußern, denn dazu war er momentan nicht in der Lage. Er war sich gerade eben darüber bewusst geworden, welche Position er inne hatte. Lucius war hier ein willkommener Gast, wie jeder andere auch und keinesfalls ein Geächteter, der nur zur allgemeinen Belustigung eingeladen worden war, damit jeder ihn nach Belieben herumschubsen konnte. Besonders ärgerte es ihn, dass es gerade Potter sein musste, der ihn darauf aufmerksam machte.

„Ich wollte nur, dass Sie wissen, wie ich darüber denke.“ Harrys Bemerkung bewirkte keine Regung bei Lucius, weil der – was äußerst selten geschah –, um Worte verlegen war. „Ich werde Ihnen nicht vorschreiben, was Sie zu tun oder zu lassen haben. Wie Sie sich den anderen Gästen gegenüber benehmen ist ganz allein Ihre Sache. Das ist allerdings das Einzige, wonach man Sie heute beurteilen wird.“ Das übermannende Gefühl zum Selbstschutz kam in Lucius auf. Er wollte vor diesem Gespräch fliehen, sich vielleicht sogar den Ratschlag zu Herzen nehmen, ohne dass es offensichtlich wäre. Die Botschaft hinter Potters kleiner Rede hatte er zu seinem eigenen Erstaunen verstanden. Innerlich war er brüskiert, dass gerade dieser junge Mann ihm einen Spiegel vorgehalten hatte. Was Lucius aber nicht ignorieren konnte, waren die Worte, die Narzissa betrafen.

Ohne das Lucius es verhindern konnte, wurde ihm unerwartet sein Enkel abgenommen. Seine Schimpftirade wurde bereits im Keim erstickt, als Harry zu Charles sagte: „Dann komm jetzt mal zu deinem Patenonkel.“ Potter hatte ihm den Rettungsanker genommen, an dem er sich den ganzen Abend mühselig festgeklammert hatte. Das Schlimmste war, dass Potter als Patenonkel jedes Recht dazu hatte. Der Bräutigam ging zur Seite, machte somit den Fluchtweg frei.
Unerwartet ernst sagte Lucius: „Wenn Sie mich entschuldigen würden? Meine Frau erwartet mich.“
„Viel Spaß noch“, wünschte Harry mit frechem Grinsen, während er dem Gast hinterherblickte.

Als Lucius den Durchgang von Terrasse zum Speisesaal überwunden hatte, grüßte ihn eine Wand aus warmer, leicht abgestandener Luft, die nur erträglich war, weil die angenehmen Düfte der hervorragenden Speisen dominant waren. Um sich zu fangen, machte Lucius ein paar Schritte seitlich und stellte sich an eines der angelehnten Fenster. Augenscheinlich hatte niemand ihn bemerkt. Über Potters Frechheit war er mehr als nur empört. Ein junger Mann, der ihn in seiner Rolle als Gast zurechtgewiesen hatte. Durfte ein Malfoy so etwas auf sich sitzen lassen?

Eine Person hatte Lucius doch bemerkt. Wenige Sekunden später hatte sich Severus zu ihm gesellt, der sein Amüsement nur halb unterdrücken konnte und somit schief lächelte.

„Ich nehme an“, begann Severus in gemäßigtem Tonfall, „die angebotene Friedenspfeife schmeckte ein wenig bitter?“ Auf den Arm nahm Severus ihn nicht, das konnte Lucius hören.
Selbst wenn Harry ein freundlicher Mensch war, konnte Severus sich sehr gut vorstellen, wie ruppig er jemandem den Kopf waschen könnte. Für eine Person wie Lucius Malfoy, der damals Ginny Weasley in Gefahr gebracht hatte, war eine persönlichere Unterredung mit Harry bestimmt kein Zuckerschlecken.
„Ja“, bestätigte Lucius etwas verspätet und merklich aufgebracht. Nach einem Räuspern hatte er sich wieder gefasst. Neugierde trieb ihn an zu fragen: „War es bei dir auch so?“
„Nein, ich rauche nicht“, erwiderte Severus mit einem Schmunzeln. „Es kostete mich eine Menge Geduld, um langsam zu begreifen.“
„Was zu begreifen?“, fauchte Lucius zurück. „Dass man nur als lieber Schoßhund von Potter eine Chance hat, in dieser Welt noch Fuß zu fassen?“
„Diese kränkende Bemerkung werde ich deiner Gesundheit zuliebe ignorieren“, flüsterte Severus bedrohlich leise. „Wenn du glaubst, ich würde mich von irgendjemandem an der Leine herumführen lassen, dann erinnere ich dich gern daran, wessen Marionette du damals warst.“
Echauffiert konterte Lucius: „Ach, werden jetzt die alten Kamellen aufgewärmt? Immerhin warst du die Schlange, die Voldemort an seiner Brust genährt hat.“
Severus verzog angewidert das Gesicht. „Bei deinen Metaphern kann einem wirklich übel werden.“

Die kurzzeitige Spannung zwischen den alten Freunden war schnell wieder verflogen. Die Kommunikation zwischen den beiden war ein ständiger Galopp über Stock und Stein. Lucius sah zu seinem Gegenüber auf und wollte gerade etwas sagen, da erhaschte das Gefühl seine Aufmerksamkeit, dass an Severus etwas anders war. Er konnte es nicht genau erklären, aber dieser Severus war nicht der, den er aus Voldemorts Zeiten kannte. Vor Lucius stand der Junge, mit dem er in seine letzten beiden Jahre in Hogwarts verbracht hatte. Selbst den jungen Mann, der Dracos Patenonkel wurde, sah Lucius vor sich. Doch der Severus der letzten zwanzig Jahre war anders gewesen. Noch nie zuvor war ihm etwas in der Richtung aufgefallen. Vielleicht wegen der Sorge um das Leben der Familie, mutmaßte Lucius. Krampfhaft versuchte er, den Unterschied auszumachen. Seine Beobachtungsgabe war immer vorbildlich gewesen. Details entgingen ihm nicht, doch wenn sie winzig waren, benötigte sein Erinnerungsvermögen länger, um eine Abweichung zu erkennen.

„Wenn du finanziell dafür aufkommst“, begann Severus gelassen, „kannst du gern ein magisches Portrait von mir anfertigen lassen.“ Von den Worten seines Freundes ließ sich Lucius nicht irritieren. Gleich war es soweit, er fühlte es. Jeden Moment würde er die Unstimmigkeit enttarnen. Es waren nicht die Fältchen in Severus‘ Gesicht, die das Gefühl untermauerten, dass etwas nicht stimmte. Nicht die Nase, die genauso gebogen und lang war wie eh und je. Die Zähne waren gelblich verfärbt, die Haare fettig. Alles schien wie immer zu sein. „Lucius!“

Wegen der grimmigen Worte blickte Lucius ihm in die Augen. In genau diesem Moment fischte sein Gehirn ohne eigenes Zutun eine Erinnerung aus dem episodischen Gedächtnis hervor – aus jenem Teil, in welchem Erlebnisse und deren Zeitpunkte gespeichert wurden. Die Erinnerung zeigte den Tag, an dem er mit Severus zusammen dieses übel riechende Gebräu für die Inferi mehr schlecht als recht hergestellt hatte. Warum dieses Szenario? Weil sein Erinnerungsvermögen der Meinung war, dieser Moment wäre der letzte gewesen, in welchem er den Severus gesehen hatte, dem er jetzt wieder gegenüberstand. Eine zweite Erinnerung wurde der ersten wie ein Verbrecher auf dem Revier der Magischen Polizeibrigade gegenübergestellt, um den Verdächtigen – in diesem Fall die Abweichung – zu identifizieren. Diese zweite Erinnerung stammte aus der Zeit, in der Severus bereits als Lehrer in Hogwarts arbeitete. Parallel zu dieser mentalen Kontrastierung wurde über eine der vielen Synapsen der Frontallappen angefunkt, in welchem das Wissen über Tatsachen fein säuberlich abgelegt war. Solche Fakten waren beispielsweise, dass Draco am 5. Juni 1980 geboren wurde, dass für einen Vielsafttrank unter anderem Florfliegen verwendet wurden und dass Askaban sich auf einer unortbaren Nordseeinsel befand. Die Abweichung, die Lucius so ins Grübeln gebracht hatte, fand sich mit Hilfe dieses Vergleichs von persönlichen Erinnerungen und Fakten. Severus‘ Augenfarbe war damals braun gewesen. Nicht sonderlich hell, aber dennoch nicht so schwarz, wie die zweite Erinnerung es bei der Gegenüberstellung deutlich zeigte. Braun, schwarz, wieder braun. Die Unstimmigkeit war gefunden und das wohl bemerkt in weniger als 0,8 Sekunden. Das Gehirn war ein wahres Wunderwerk.

„Deine Augen ... sind braun“, stammelte Lucius vollkommen schockiert über diesen Umstand, der wider der Natur war. Vor Schreck über diese unerwartete Feststellung riss Severus die Augen weit auf, als wollte er einen guten Blick auf das gelöste Rätsel geben. „Trägst du diese Muggeldinger? Linsen?“ Severus wandte unsicher sein Gesicht ab. Lucius war hin- und hergerissen zwischen der Wahl, inhaltslosen Smalltalk zu halten oder das Mysterium direkt anzusprechen. „Wenn ja, dann wäre ich über Informationen dankbar. Man will mir nämlich“, Lucius‘ Stimme brach, „so eine unansehnliche Brille aufschwatzen.“ Was war mit seinem Freund? „Severus?“

Severus, sein einziger Freund, war zu wichtig, als dass Lucius ihn mit Nebensächlichkeiten langweilen wollte. Es war gar nicht so lange her, zwei oder drei Wochen, als er ein Gespräch zwischen seinem Sohn und dieser Granger belauscht hatte. Der Name seines Freundes war gefallen – Severus. Nur deshalb hatte er sich nicht sofort an der angelehnten Tür zu erkennen gegeben. Worauf sich Lucius damals keinen Reim machen konnte, war Grangers Aussage „Ich will Severus helfen, wieder vollständig zu werden.“. Es folgte seltsames Geschwätz über Magie und Pflanzen, bevor sich Lucius dazu entschlossen hatte, in den Raum zu treten. Damals hatte sie ihm nicht anvertraut, woran Severus leiden würde, sondern legte ihm nahe, ihn selbst zu fragen. Das Vorhaben war schnell wieder vergessen, bis jetzt. Lucius befürchtete das Schlimmste. Schwarze Augen bedeuteten nichts Gutes. Er hoffte innig, man hatte ihm helfen können. Die jetzige Farbe sprach dafür, doch ein Geheimnis blieb, wie sie zeitweise schwarz werden konnten.

„Sag“, Lucius sprach leise, „bist du von einem Dementor angefallen worden?“ Die Theorie kam ihm als Erstes in den Sinn, denn die Seelenlosen, die durch Askabans Küche geisterten, hatte er schon einmal aus nächster Nähe gesehen. Ehemalige Schwerverbrecher, die auf der Stufe der Gesellschaft noch weit unter den Hauselfen standen und nicht mal mehr einer Fliege etwas zu Leide tun konnten. Nicht weil sie nicht wollten, sondern weil sie nicht mehr konnten. Die leeren Hüllen unternahmen höchstens etwas, wenn man es ihnen auftrug. Träge Diener, die nicht einmal aufschrien, wenn sie sich versehentlich eine tiefe Schnittwunde bei der Küchenarbeit zufügten. Schwarze Augen, die gefühllos umherstarrten. Menschen, die absolut nichts empfanden, denen alles egal war. „Ist dir das zugestoßen?“, flüsterte Lucius besorgt. Eine Heilung dafür gab es nicht, jedenfalls keine, die ihm bekannt war. Severus rührte sich nicht, hatte den Blick noch immer abgewandt und wirkte momentan genauso regungslos wie einer dieser Lakaien ohne Seele. Vorsichtig lehnte sich Lucius zur Seite, um Severus anzusehen. Die Miene seines Freundes war verbissen, der Blick so starr, als würde er sich in einem anderen Universum befinden. „Severus?“ Erst Lucius‘ Hand am Arm brachte Severus ins Jetzt zurück.
„Ja?“, fragte Severus, als wäre nichts gewesen. Skeptisch betrachtete Lucius sein Gegenüber, kniff die Augen dabei leicht zusammen, um Severus zu zeigen, dass er sich nicht täuschen ließ. „Kein Dementor“, versicherte Severus leise.
„Aber was ...?“
„Nicht hier und vor allem nicht jetzt!“, forderte Severus mit gequälter Stimme.
Leicht gekränkt von dem zurückweisenden Tonfall hob Lucius eine Augenbraue. „Ich hatte sowieso vor, jetzt ein wenig zu tanzen.“
„Solange du nicht mich aufforderst, kannst du tun und lassen, was du willst.“
Lucius schnaufte. „Dich auffordern? Ich habe keine Lust darauf, dass deine kleine Bekannte womöglich noch auf mich eifersüchtig wird.“
„Verlobte“, verbesserte Severus gedankenverloren.
„Ver...“ Die letzten beiden Silben schluckte Lucius hinunter, bevor er sich fasste und tief Luft holte. „Meine Güte, das kam plötzlich“, sagte er so gelassen wie nur möglich, denn was Severus in seinem Leben anstellte, war dessen Angelegenheit. „Bist doch immer wieder für eine Überraschung gut.“

Die Flatterhaftigkeit ihrer seltsam entfremdeten Freundschaft, die sich dennoch nicht entzweien lassen wollte, war schnell wieder überwunden. Kurz drückte Lucius‘ Hand den dünnen Oberarm, bevor er zielstrebig den Ballsaal ansteuerte, um seiner Gattin einen Gefallen zu erweisen.

„Ist das wahr, was ich da eben gehört habe?“, fragte jemand neugierig.
Die Stimme erkannte Severus sofort als die von Harry, nur war der nirgends zu sehen. „Harry?“ Severus blickte sich um. Der Speisesaal war zwar gut besucht, aber hier in der Nähe der Tür fand er sich vollkommen allein.
„Hier!“ Das angelehnte Fenster, an dem Severus stand, wurde von außen aufgedrückt. Mit Charles auf dem Arm lugte Harry von der dunklen Terrasse hinein in den Speisesaal.
Erbost wies Severus den Bräutigam zurecht: „Es schickt sich nicht, seine Mitmenschen zu belauschen!“
Ein selbstsicheres Lächeln zierte Harrys Lippen. „Sei nicht sauer auf mich, weil du nachlässig wirst.“
„Ich ...?“
„Du stehst an einem offenen Fenster! Das hätte dir auffallen müssen. Außerdem weiß ich von Hermine“, konterte Harry fröhlich trällernd, „dass ihr beide einmal zusammen Minerva und Kingsley belauscht habt, als die über Hopkins gesprochen haben, also wirf nicht mit Steinen.“ Harry war gut gelaunt, weil sein Plan aufgegangen war und Malfoy senior nun mit seiner Gattin eine hoffentlich heiße Sohle aufs Parkett legen würde. Neville bekam Konkurrenz.
„Was tust du da draußen überhaupt?“
Harry verlagerte das Gewicht des Jungen, so dass der gemütlich auf seiner Hüfte sitzen konnte. „Ich sammle Kinder von bösen Leuten ein“, erwiderte er trocken, ohne mit der Wimper zu zucken. „Also, ist das nun wahr, was ich da gehört habe oder nicht?“
Severus verfluchte sich, denn Harry behielt Recht. Ein offenes Fenster hätte Severus in der Regel geschlossen, bevor er ein privates Gespräch begann. Unter Umständen hätte er sogar hinausgesehen, um sich selbst davon zu überzeugen, dass niemand in der Nähe war. Nun hatte Harry von der Verlobung gehört, warum also wollte er es bestätigt wissen? „Was genau meinst du?“
„Dass Voldemort dir die Brust gegeben hat.“ Harry kicherte wie ein elfjähriger Schuljunge, als Severus erneut das Gesicht verzog.
„Lass das! Ich möchte nicht, dass sich solche Bilder in meinem Kopf formen.“ Er seufzte. „Komm rein!“, befahl Severus, zeigte dabei auf die Tür, die in den Speisesaal führte.
Harry nickte und verließ das Fenster, um den Raum zu betreten. Schnurstracks ging er wieder zu Severus. Auf dem Weg bemerkte er, wie Hermine, die mit Charlie, Wobbel und Nicholas an einem Tisch saß, ihm zuwinkte – oder Severus? „Wink zurück“, legte Harry ihm nahe.
„Ich denk nicht dran.“

Harry zuckte mit den Schultern, bevor er Hermine freudestrahlend zurückwinkte. Gleich im Anschluss umfasste er Charles‘ Ellenbogen und schüttelte zaghaft den Arm, damit die kleine Hand winkte. Von Harry dazu animiert machte Hermine das Gleiche mit Nicholas. Charles gurgelte fröhlich, winkte dann von ganz allein zurück.

„Hermine sieht glücklich aus“, stellte Harry demonstrativ fest, um ihm eine Reaktion zu entlocken.
Gelassen führte Severus seine Hände hinter den Rücken und schaute zur besagten Dame hinüber. „Sie hat den Brautstrauß gefangen“, redete sich er sich heraus. „Das sind mindestens 110 Pluspunkte auf der allgemeinen Zufriedenheitsskala einer jeden Frau, meinst du nicht?“
Harry wurde deutlicher, stellte sich gleichzeitig dumm. „Ach, dann hat das nicht mit der Verlobung zu tun?“ Der Mund seines Gesprächspartners wurde schlagartig zu einer schmalen Linie.
Im ersten Moment wollte Severus sich nicht zu diesem Thema äußern, doch er hielt es für angemessen, um etwaigen Gerüchten vorzubeugen. „Ich würde es begrüßen, wenn das vorerst unter uns bliebe, Harry. Es war ein spontaner Moment, darüber hinaus ein sehr persönlicher, dem es keinesfalls an Seriosität fehlt.“
Harry nickte. „Man sagt, dass ein Eheversprechen in der Regel innerhalb eines Jahres ...“
„Wir werden nicht vorschnell handeln!“, stellte Severus klar. „Ich lasse mir nicht von irgendwelchen Bräuchen vorschreiben, wann ich welchen Schritt im Leben zu gehen habe.“
„Nicht doch gleich so ruppig“, beschwichtigte Harry. „Ich wollte eigentlich nur sagen, es überrascht mich nicht, dass ihr nichts überstürzt. Ich bin daran gewöhnt.“
„An was?“
„Na“, Harry ging einen Schritt auf Severus zu und flüsterte, „Fred und Verity sind jetzt schon über sechs Jahre verlobt. Bei Luna und Neville sind es vier. Ich finde das völlig in Ordnung. Manchmal braucht man seine Zeit, um den nächsten Schritt zu wagen.“
„Acht Jahre?“ So lange wollte Severus nicht warten, aber ein Jahr war ihm definitiv zu kurz, um ein gemeinsames Leben mit Hermine zu erproben.
„Lass mich nachrechnen ...“, murmelte Harry. „Ende Mai ’96 haben sie Verity eingestellt. Ich glaube, ein Jahr später waren sie schon verlobt – natürlich heimlich. Er hat nicht einmal George was davon erzählt.“ Kaum sprach man von dem unmerklich ruhigeren Zwilling, da kam dieser auch schon mit durch den Tanz ganz rosigem Gesicht aus dem Ballsaal zurück in den Speisesaal. An seiner Hand eine hübsche, junge Frau. „Sieh mal einer an“, Harry nickte zu George hinüber. „Hat er doch jemanden gefunden, wenn auch nur für heute Abend, oder auch nicht.“
„Ist das nicht die Schwester von ...“
„Fleur, ja. Ist sie überhaupt schon volljährig? Nicht dass er da noch Ärger bekommt.“
„Du scheinst sie lange nicht gesehen zu haben“, stellte Severus fest.
„Nur auf Bildern. Ginny und Hermine haben sie in den letzten Jahren mehrmals in Frankreich besucht. Beide stehen auf das Land – oder auf das Essen dort, wenn ich Ginnys Schwärmereien auf einen Nenner bringen müsste. Und Hermine fand natürlich die ortsbezogen Trankzutaten überwältigend. Wie hieß dieser Pilz, der die Blutgerinnung beschleunigt?“ Harry startete ein paar Versuche. „Brusquette? Briskatte? Nein, Bruschetta!“
„Das ist eine italienische Vorspeise!“, korrigierte Severus.
Leise hörte Harry das Wort Idiot nachschwingen, was ihn zum Lachen brachte.

Eine dritte Person hatte die kleine Beleidigung gehört, als sie sich den beiden Männern näherte. Draco betrachtete seinen Sohn in Harrys Arm, der gerade dabei war, mit seiner kleinen Hand die große Nase zu berühren, die in Greifnähe war. Severus war, weil er Draco gesehen hatte, abgelenkt und bemerkte nicht den kindlichen Angriff auf sein Riechorgan. Als er es merkte, griff Severus nach dem dünnen Handgelenk.

„Du bist genauso unartig wie dein Vater damals“, hielt Severus dem Jungen vor Augen, der kein Wort verstand und begeistert vor sich hin grinste.
„Sei froh, Severus“, warf Harry ein, „dass du keine Brille trägst. Ich habe aufgehört zu zählen, wie oft ich sie heute putzen musste.“
„Hallo, mein Junge“, grüßte Draco den eigenen Sohn. Der war von der Stimme seines Vaters so fasziniert, dass er sich ruckartig in Harrys Armen drehte, um ihn sehen zu können. Dabei schlug er gegen Harrys Kinn.
„Au!“ Harry rieb sich den Kiefer, der nicht wirklich schmerzte.
Eine tiefe Stimme verriet ihm: „Das nennt man einen Lucky Punch, aber nur, wenn der Gegner zu Boden geht.“ Kingsley war so frei und gesellte sich ebenfalls zu den Herren. Er hatte genug davon, den Paaren beim Tanz zuzusehen. Er richtete das Wort an Harry. „Wenn du willst, können wir uns irgendwann noch einmal zum Ringen treffen, so wie damals.“
„Die Kosten für meinen anschließenden Aufenthalt im Mungos übernimmst dann aber du“, scherzte Harry. Wortlos hielt Draco Harry seine offenen Arme entgegen, um den Jungen zu nehmen. „Ihr wollt doch nicht schon gehen?“
„Ich würde ja gern noch bleiben, aber Charles ...“
„Unfug! Der kann doch zusammen mit Nicholas im Hotelzimmer schlafen. Meine Elfen passen abwechselnd auf die beiden auf.“
„Wenn es keine Umstände macht?“ Draco nahm Charles trotzdem auf den Arm. „Gerade jetzt würde ich gern noch bleiben. Keine Ahnung, was in meinen Vater gefahren ist, aber er tanzt!“ Harry schmunzelte in sich hinein, sagte jedoch kein Wort.

Geschlossen steuerte man den Tisch an, an dem Charles und Hermine saßen. Sie hatte noch immer Nicholas auf dem Schoß.

„Hallo Hermine“, grüßte Draco, obwohl er sie heute nicht zu ersten Mal sah. Das ließ vermuten, er wollte ihr etwas sagen. Sie irrte sich nicht. „Hast du was rausbekommen?“ Genauer musste er nicht werden.
Hermine lächelten triumphierend. „Ich hoffe, er erfährt davon nichts, sonst wird er nachher noch fuchsig.“ Die beiden tauschten ein Lächeln untereinander aus, welches lediglich Severus deuten konnte, wie auch er der Einzige war, der die Situation an sich verstand.
„Hä, um was geht es hier eigentlich?“, fragte Harry nach.

Am gleichen Tisch, nur ein paar Stühle weiter, plauderten George und Gabrielle miteinander. Severus bemerkte Fred, der sich seinem Zwillingsbruder näherte und ihm von hinten auf die Schulter klopfte, dabei etwas ins Ohr flüsterte. Beide schauten zeitgleich auf und nahmen Harry mit einem frechen Blick ins Visier. Beim Essen war schon aufgefallen, dass die beiden etwas auszuhecken schienen. Die Brüder standen auf und kamen geschmeidig und langsam wie zwei angriffslustige Tiger auf Harry zu. Severus wollte ihn warnen.

„Harry?“
„Mmmh?“ Harry schenkte Severus sein Gehör.
„Die Zwillinge haben irgendetwas mit dir geplant.“
Der Bräutigam nickte mit sicherem Lächeln und flüsterte: „Ja, ich weiß. Ich bin schon gespannt, was es ist.“
„Da ist er ja“, grüßte Fred, „unser frisch gebackener Schwager.“
„Zur Feier des Tages“, verkündete diesmal George, „möchten wir mit dir gemeinsam anstoßen.“ Jeder am Tisch und in der Nähe horchte auf. George organisierte mit seinem Zauberstab drei saubere Gläser, während Fred aus der Innentasche seines Umhangs eine nicht etikettierte, braune Flasche zog. Fred schenkte ein, während George erklärte: „Ohne dich, wie du ja weißt, hätte es wohl niemals Weasleys zauberhafte Zauberscherze gegeben.“
„Jedenfalls nicht so schnell“, warf Fred ein, als er Harry ein Glas mit einer an Champagner erinnernden Flüssigkeit überreichte.

Die anderen Weasley-Brüder waren von Gabrielle informiert worden, so dass in wenigen Sekunden eine Traube von Schwagern und Freunden um die drei herumstand, aber auch Kingsley verfolgte das Treiben amüsiert.

„Du, lieber Harry“, Fred und George hoben ihr Glas, „warst schon immer wie ein Bruder für uns.“
Fred ließ die alten Zeiten aufkommen. „Erinnerst du dich noch, als du an deinem 17. Geburtstag in den Fuchsbau gezogen bist?“
„Wie könnte ich das vergessen?“, schmeichelte Harry. Damals waren Fred und George zwar längst aus dem Haus, aber zum Wochenende waren sie regelmäßig zum Essen gekommen – und zum Quidditchspielen.
„Aus diesem Grund machen wir dir heute ein besonderes Angebot“, teilte George mit.
Fred nickte. „Wir möchten, dass du in unser Geschäft einsteigst. Aktiv oder auch als stiller Teilhaber, falls dir das lieber sein sollte.“
„Wow, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll ...“
„Sag ja, es hat eine Menge Vorteile, wie beispielsweise ein paar Prozente.“
„Ich bekomme doch jetzt schon alles umsonst oder bedeutet das, ihr zahlt mir noch was drauf, wenn ich etwas bei euch kaufe?“, scherzte Harry.
Fred und George sowie einige der Zuhörer lachten. „Andere Vorteile. Du wirst in alle künftigen Projekte eingeweiht und du kannst auch eigene Ideen einbringen, die wir umsetzen werden.“
George nickte. „Steig ein, Harry! Damit wären wir ein unschlagbares Triumvirat.“
„Das hört sich klasse an!“ Aus den Augenwinkeln sah Harry, dass Ron neben ihm stand, außerdem auch Susan und Draco, selbst Sirius und Andromeda.
„Dann“, mit klingenden Geräuschen stießen die Zwillinge nacheinander mit ihrem Glas an Harrys, „ist die Sache besiegeln. Trinken wir darauf!“

Harry war von dem Angebot hin und weg. Ein geschäftlicher Einstieg bei Weasleys zauberhafte Zauberscherze würde bedeuten, dass er sich niemals Sorgen um die Finanzen machen müsste. Ansonsten wäre es gut möglich, dass in vierzig oder fünfzig Jahren das geerbte Vermögen seiner Eltern zur Neige gehen würde, sollten keine Einnahmen verzeichnet werden. Mit den Zwillingen verband ihn sowieso etwas ganz Besonderes. Schon damals bewunderte er, dass sie die Schule geschmissen hatten, um selbstständig zu werden. Der Neid auf ein normales Leben, in dem man seine Brötchen verdienen musste, war anfangs groß gewesen. Harry trank. Es schmeckte nach Pfirsich, prickelte ein wenig auf der Zunge. Vom Tisch hörte er ein Geräusch, als würde jemand erschrocken Luft einatmen. Es war Hermine, die ihn mit großen Augen anblickte. Charlie hingegen grinste. Beide schauten ihm nicht in die Augen, sondern auf die Stirn, vielleicht sogar ein Stückchen höher. Einige begannen zu lachen.

„Ich wusste“, schnaufte Ron, „dass die Sache einen Haken hat!“
„Was denn für einen Haken? Rauchen meine Ohren?“, wollte Harry wissen, doch als er sich drehte, bemerkte er keinen Dunst.
„Quatsch“, verneinte Fred frech grinsend, „der qualmende Kopf ist doch ein alter Hut.“
Gabrielle kramte plötzlich in ihrer Tasche, genau wie Hermine. „Wo ist mein Spiegel?“, murmelte sie. Severus beobachtete sie dabei, wie sie einen Gegenstand herauszog, den man nicht in einer Damenhandtasche vermuten würde. Irritiert musterte sie das Objekt und fragte sich selbst: „Wieso habe ich eine Affodillwurzel in meiner Tasche?“
Severus lehnte sich zu ihr und scherzte: „Ach, da ist sie! Ich habe sie schon gesucht.“
Gabrielle hatte gefunden, wonach sie suchte und kam mit einem Schmunzeln auf Harry zu, bevor sie ihm den Kosmetikartikel reichte. „Hier.“
Ein Blick in den Spiegel erklärte, warum alle kicherten und lachten. Harrys Haare waren rot. Um es genauer auszudrücken: weasleyrot. Er fand sogar Sommersprossen auf den Wangen und auf der Stirn. Sofort erinnerte sich er sich an Ron, der damals vorgeschlagen hatte, ihm die Haare rot zu färben, damit man ihn für einen seiner Brüder halten würde. Harry lachte mit den anderen mit, befühlte dabei seine Haare. „Um Himmels Willen, das ist nicht permanent, oder?“
„Nein“, versicherte Fred, „in zwei Stunden verschwindet der Zauber wieder.“
„Das erinnert mich an etwas“, murmelte Harry zu sich selbst, gab Gabrielle gleich darauf den Spiegel zurück. „Wobbel?“ Harry rechnete mit einem lauten Geräusch und machte sich darauf gefasst, sich nicht zu erschrecken, aber es kam nichts.
„Hinter Ihnen, Sir.“ Der Elf war längst bei ihm.
„Oh, da bist du.“ Harry ging in die Knie. „Würdest du den kleinen Charles bitte auch zu Bett bringen? Die beiden können zusammen in unserem Zimmer schlafen, bis seine Eltern die Feier verlassen.“
„Selbstverständlich.“ Wobbel ging noch nicht, sondern flüsterte ihm ins Ohr. „Ist es soweit?“
„Ja, wenn die Kinder auf dem Zimmer sind.“
„Dann schlage ich vor, Sie halten wie geplant die Rede und am Ende schnippen Sie einfach mit den Fingern.“
Harry stutzte. „Dann würde aber jeder glauben, ich hätte stab- und wortlos gezaubert.“
Dessen war sich Wobbel bewusst. „Ja! Und das wird ein Riesenspaß werden!“

Wobbel brachte die beiden Kinder ins Bett. Kaum hatten die erschöpften Buben ihre Köpfe auf das weiche Kissen gelegt, betraten sie das Traumland, in dem lebendige Karussellpferde über die blühende Landschaft galoppierten, die Hops-Burg ein echtes Königsschloss aus Elfenbein war und unzählige, goldene Vögel die fliegende Kutsche der jungen Prinzen zogen.

Es war schon spät. Die Kinder der Gäste, die nicht über Nacht bleiben konnten, waren in Obhut der Betreuer und ruhten in einem großen Raum. François, der Sohn der Diggorys, lag direkt neben Milan, dem ältesten Kind von Viktor Krum. Die beiden tuschelten leise, worüber der wachende Betreuer großzügig hinwegsah, solang sie die anderen Kinder nicht störten. Der zum Schlafraum umfunktionierte Saal war mit einem Schutzzauber versehen, so dass kein Lärm von draußen zu vernehmen war.

Im Ballsaal hatte man sich warm getanzt. Immer mehr Paare schlossen sich den anderen an. Eine kurze Pause hatten Narzissa und Lucius eingelegt. Sein Rücken benötigte eine kleine Auszeit. Seit er Charles umhergetragen hatte, war das alte Leiden wieder aufgetreten. Die vornehme Blässe der Malfoys, die sehr an die Mitglieder alter Adelsgeschlechter erinnerte, war verschwunden. Der Tanz hatte beiden ein zartes Rosa auf die Wangen gezaubert. Lucius störte sich nicht mehr an den anderen Gästen, nicht einmal an Dumbledore, denn seine Frau hatte Verzückung in ihm geweckt, das Blut in Wallung geraten lassen. Sie war wunderschön, wenn sie glücklich war und er war derjenige, der das vollbracht hatte. Galant küsste er ihre behandschuhten Finger, bevor er sie nochmals zum Tanzen aufforderte. Sein Rücken musste da durch.

„Lucius“, hauchte sie benommen, wedelte sich dabei mit der anderen Hand ein wenig Luft zu. „Bitte, nur eine klitzekleine Pause. Dann gehört das Parkett wieder uns.“ Sie schien erschöpft, aber ihre Augen funkelten zufrieden.
„Darf ich dir etwas zu trinken holen?“
„Ja, vielleicht einen ...“

Ein schrilles Pfeifen ertönte. Auf einen Schlag hörten die Paare auf zu tanzen, die Kapelle hielt mit der Musik inne. Harry fragte sich, wie eine akustische Selbstverstärkung bei einem Sonorus überhaupt möglich war. Es handelte sich doch um Zauberei.

„Liebe Gäste“, begann er, als die magische Tonstörung nachgelassen hatte, „bitte bleiben Sie ruhig dort, wo Sie sich gerade aufhalten. Ich möchte nur ein paar Worte loswerden, nichts Weltbewegendes.“ Er legte eine kurze Pause ein. „Die Atmosphäre war leider nicht immer so fröhlich und gelöst, wenn ich eine Rede halten musste. Ich möchte mich gar nicht in vielen Worten verlieren, sondern einfach das Glas erheben und mit Ihnen allen Anstoßen, nicht nur auf Ginny und mich, sondern auf die Zukunft.“

Harry warf Wobbel einen heimlichen Blick zu und schnippte zeitgleich mit Daumen und Mittelfinger. Vor jedem einzelnen Gast – egal wo der sich aufhielt – erschien eine Flöte. Natürlich nicht so eine Flöte, auf der Hagrid manchmal spielte, sondern ein Glas mit langem Stil und ausgestülpten Rand. Darin befand sich eine Flüssigkeit, die von der Farbe her dem Trank der Zwillinge glich. Hoffentlich bekamen die Gäste nicht alle rote Haare, dachte Harry belustigt. Eine Sache war aber anders. Die Flüssigkeit perlte wie Champagner, roch sogar fruchtig – ein bisschen nach Himbeere. Wie abgemacht war auch vor Wobbel ein Glas erschienen, mit Sicherheit auch vor Shibby, die sich bei den Kindern im Zimmer aufhielt.

Auf einer der vielen Terrassen betrachtete Alastor das vor ihm schwebende Glas mit großer Skepsis. Albus, der gerade ein Schwätzchen mit seinem alten Freund gehalten hatte, hielt seines bereits in der Hand.

„Möchtest du es nicht nehmen?“, fragte Albus mit ruhiger Stimme.
„Ich will erst hören, was der Junge zu sagen hat.“ So lauschten beide der Stimme des Bräutigams.

„Wir haben eine Menge Verluste hinnehmen müssen.“ Ein Erinnerungsfetzen an Amos Diggory ging ihm durch den Kopf, wie der vor langer Zeit um seinen Sohn trauern mussten. „Wir haben uns gewehrt.“ Die Presse. Umbridge und Fudge. Aufruhr in der Schule. „Wir haben uns verbündet und gekämpft!“ Dumbledores Armee, der Phönixorden. Zusammenhalt für die gleiche Sache. Harry ließ seinen Blick über die ernsten Mienen seiner Freunde schweifen, die ihm an den Lippen hingen. „Viele mussten büßen.“ Zwölf Jahre Askaban für Sirius und sechs weitere Jahre in einer Welt zwischen Leben und Tod gefangen. „Jeder auf seine Weise.“ Harry schaute zum Tisch und bemerkte, dass Severus ihm in die Augen sah, weil er sich angesprochen fühlte. Severus, der nur eine einzige Möglichkeit gesehen hatte, Voldemort über viele Jahre erfolgreich täuschen zu können und fast alles von sich gab, um diese wichtige Rolle im Krieg ohne Unterbrechung spielen zu können. „Ich will die Stimmung dieses großartigen Tages nicht trüben und deshalb möchte ich mit Ihnen anstoßen. Erheben wir unsere Gläser gegen die verlorenen Jahre.“ Für die, die ihn sehen konnte, hob er das Glas, um still zuzuprosten. Den anderen Gästen sagte er, wann es Zeit war, einen Schluck zu trinken. Den Zauberstab noch immer an den Hals haltend sagte Harry mit einer schwer zu deutenden Betonung: „Zum Wohl!“ Das letzte Wort hatte er mit Bedacht gesprochen, fast unmerklich in die Länge gezogen, was bei einem einsilbigen Wort schon eine Meisterleistung war.

Von überallher hörte man das Geräusch klirrender Gläser, als die Gäste mit ihrem Gegenüber anstießen. Die meisten tranken bereits.

Nur eine Dame starrte auf ihr Glas, hatte noch nicht einmal daran genippt. Sie schien wie versteinert.

„Hermine?“ Mit scheuem Blick schaute sie zu Severus, der ihr mit ruhiger Stimme riet: „Trink.“ Ihr Innerstes sträubte sich dagegen. Wieder besah sie sich ihr Glas, in dem lebhaft feine Bläschen aufstiegen. Plötzlich tauchte in ihrem Blickfeld ein weiteres Glas auf, das mit ihrem anstieß. Severus nahm, von allen ungesehen, unter dem Tisch ihre Hand. „Zum Wohl!“ Sie seufzte und fragte sich, ob das richtig wäre. Ihre Gedanken schien er zu erahnen, denn er brachte es auf den Punkt: „Das ist ein Geschenk von deinem besten Freund.“

Severus trank ohne Bedenken. Jeder trank es, bemerkte sie, als sie sich umschaute. Sie wäre die Einzige, die dieses Präsent verschmähen würde. Sie beobachtete, wie Severus das leere Glas auf den Tisch stellte.

„Es schmeckt außergewöhnlich gut.“ Mehr kam von ihm nicht.
Vielleicht war es ein alter Herdentrieb, der seit etlichen Millionen von Jahren tief in den Genen der Menschen schlummerte, der Hermine trotz des kleinen Zwiespalts dazu veranlasste, das Glas zu den Lippen zu führen und es auf ex zu trinken. Sie schmeckte Himbeere heraus. „Und wenn es ein Fehler war?“, fragte sie resignierend.
„Dann war es der beste deines Lebens.“ Sein Gesicht strahlte eine seltene Zufriedenheit aus.

Auf der Terrasse griff Alastor zu seinem Glas, doch er trank es nicht, sondern goss den Inhalt in einen Blumenkübel. Das leere Glas stellte er auf der Balustrade ab, bevor er in die Innentasche seines Umhangs griff und einen Flachmann herausholte. Albus lachte. Die Vorsicht konnte man dem Ex-Auror nicht austreiben. Am heutigen Tag hatte Alastor nur gegessen und getrunken, was er in seiner Kleidung mit sich führte.

„Vielleicht, alter Freund“, Albus tat es ihm gleich und goss den Drink weg, „ist deine Idee die bessere.“
Alastor grinste schief und nahm einen Schluck, reichte den Flachmann danach an Albus weiter, dem er über alle Maßen vertraute. „Auch einen Schluck?“
„Gern.“ Albus setzte an und ließ seine Zunge vom scharfen Whiskey betäuben. Danach atmete er mit offenem Mund aus. „Ein wirklich gutes Tröpfchen.“

Im ersten Stock stellten Schwester Kathleen und Augusta Longbottom im privaten Ruheraum ihre Gläser in dem Moment auf dem Tisch ab, als zwei andere Gäste mit dem Inhalt die Blumen wässerten. Zwei Gläser schwebten noch im Raum, genau vor Alice und Frank.

„Es scheint keinen Alkohol zu enthalten.“ Die Schwester leckte sich die Lippen. „Nein, auf keinen Fall. Wir können den beiden ruhig ihr Glas geben.“
Augusta stimmte der Schwester, die über die Jahre zu einer vertrauten Freundin geworden war, mit einem Nicken zu. Sie gesellte sich zu ihrem Sohn Frank und nahm das Glas aus der Luft, das sie vorsichtig an seinen Mund führte und dabei prostete: „Auf das Brautpaar!“
Kathleen hatte sich Alice angenommen und flößte ihr Schluck für Schluck den fruchtigen Drink ein. Alice öffnete und schloss den Mund, schmatzte dabei laut, als ihre Zunge über den Gaumen fuhr. Für Alice war diese Art der Verkostung typisch, wenn ihr etwas mundete. „Es schmeckt ihr“, stellte Kathleen fest.
„Frank mag es auch“, bestätigte Augusta. Wenn ihm etwas gefiel, kniff er für einen winzigen Moment die Augen fest zusammen. Diesmal tat er es bei jedem einzelnen Schluck.

Die Gruppe im Speisesaal hatte sich wieder etwas aufgelöst. Ein paar Gäste waren zurück in den Tanzsaal gegangen, auch Harry, der mit seinen roten Haaren bei Molly den vorhin noch unterdrückten Nervenzusammenbruch ein weiteres Mal reizte. „Diese Lausbuben!“, hatte sie geschimpft. Ginny war eher zum Lachen zumute. Die beschwichtigenden Worte, die Haare würden in spätestens zwei Stunden wieder normal aussehen, hielten Molly nicht davon ab, die Zwillinge zurechtzuweisen. Auf seinem Weg zur Toilette kam Harry an Draco vorbei und schnappte etwas von der Unterhaltung auf, die er mit dem Schlossherrn führte.

„...zwei Verlage an der Hand. Sie sollten wirklich überlegen, ob Sie Ihr Gedicht über die goldenen Schnatzer nicht veröffentlichen möchten“, hatte Draco dem Herrn empfohlen. „Das würde nicht nur Geld einbringen, sondern auch gleichzeitig Gäste in Ihr Hotel locken.“ Mr. Van Tessel schien beeindruckt von der Idee. Harry war eher beeindruckt, dass Draco sich sogar auf einer Feierlichkeit wie dieser potenzielle Geschäfte nicht durch die Lappen gehen lassen wollte.

Nach seinem Toilettengang bemerkte Harry als Erstes, wie sich Draco und Mr. Van Tessel die Hand gaben und etwas besiegelten. Hatte er es doch geschafft, dachte Harry amüsiert. Als Dracos neuer Kunde sich wieder ins Leben stürzte, fuhr Draco mit einer Hand über seinen Bauch und rieb ihn. Es sah fast so aus, als hätte er Hunger, was bei dem übermäßigen Angebot nicht sein konnte.

Auf seiner Suche nach Ginny schlenderte Harry an George vorbei, dem Gabrielle gerade eine Karte mit den Worten in die Hand drückte: „Bis Mittwoch bin ich noch im Lande. Vielleicht könnten wir uns noch einmal treffen, bevor ich abreise?“
Ein paar Schritte weiter kam er an Hermines Eltern vorbei. Mr. Granger sagte zu seiner Frau: „Wir sollten die beiden nächste Woche mal einladen. Was meinst du? Wir kennen ihn doch kaum.“
„Gern, frag sie ruhig, aber bleib nett.“
Mr. Granger täuschte Entrüstung vor: „Ich bin immer nett!“

Das würde interessant werden, dachte Harry, so dass er Mr. Granger unauffällig an den Tisch folgte, an dem Severus von Charlie und Hermine in die Mitte genommen worden war. Dort fand er auch Ginny, die sich mit Gregory und Pansy unterhielt. Was für ein ungewöhnlicher Anblick. Gleich daneben hörte Susan dem Gespräch zu, massierte sich dabei die Schulter, als hätte sie eine Verspannung, was Harry gut verstehen konnte. Er gesellte sich zu seiner Braut, denn von da hatte er einen guten Blick auf Severus, der auch schon von Mr. Granger begrüßt wurde. Hermine rutschte ein Stückchen, damit sich ihr Vater zur Gruppe setzen konnte.

„Severus“, sagte Mr. Granger, doch danach kam nichts mehr.
Offensichtlich erwartete Severus, dass sein Name lediglich eine Einleitung für einen Satz herhalten musste und war perplex, dass dem nicht so war. „Ja?“, fragte er langsam zurück.
Mr. Granger grinste, legte eine Hand in den Nacken und knetete ihn, bevor er nochmals sagte: „Severus.“
Langsam aber sicher die Geduld verlierend klärte Severus den Mann auf: „Ja, das ist der Name, den man mir nach meiner Geburt gegeben hat.“
Von seiner Rechten hörte Severus die nicht ernst gemeinte Frage von Charlie: „Was denn? Sie waren mal klein?“ Wie in Zeitlupe drehte sich Severus zu dem ehemaligen Schüler um und starrte ihn an. Charlie grinste, richtete gleich drauf seinen Kragen, als wäre der zu eng geworden. „Ich glaube, ich gehe dann mal, sonst muss ich heute noch nachsitzen.“
„Guten Abend noch, Mr. ...“ Es war schwer, aber irgendwann würde Severus es lernen. „Charlie.“
„War schön, mit Ihnen Geschäfte gemacht zu haben. Die Verträge kommen nächste Woche.“
Mit diesen Worten verließ der zweitälteste der Weasley-Söhne den Tisch und ließ eine verdutzte Hermine zurück, die über die Schulter ihres Vaters hinweg fragte: „Was denn für Geschäfte?“
„Das erzähle ich dir morgen ganz in Ruhe.“ Sein Blick wanderte zu ihrem Vater. „Ich glaube, dein Vater wollte irgendetwas sagen. Mr. Granger?“
Diesen Fehler hatte Severus zu spät bemerkt und wurde prompt darauf hingewiesen: „Ich erinnere gern noch einmal daran, dass wir längst bei den Vornamen angekommen waren.“
Zumindest wusste Severus jetzt, dass die Aufdringlichkeit und die Hartnäckigkeit, was beides ein auffälliges Merkmal von Hermines Wesen darstellte, von väterlicher Seite vererbt waren. Mit eiserner Miene tat Severus dem Mann den Gefallen, denn er sagte lang gezogen und gefährlich leise: „Joshua.“
Mr. Granger blinzelte zweimal, seine fröhliche Mimik verschwand jedoch nicht. „Ich habe wirklich noch nie in meinem Leben gehört, wie jemand einen Namen wie eine Drohung ausspricht.“
„Ich schon!“, beteuerte eine Stimme in der Nähe.
Severus drehte sich um. „Black!“, fauchte er ihn giftig an.
Mit übertrieben verängstigten Augen deutete Sirius auf Severus und behauptete: „Sehen Sie! Das war eine Morddrohung!“ Remus stieß Sirius zum Weitergehen an, lachte dabei und machte in Richtung Severus und Mr. Granger eine Handbewegung, die versichern sollte, dass alles nur ein Scherz war. Die beiden gingen weiter nach hinten, wo sich ein wenig abseits vom aufgebauten Buffet eine kleine Menschentraube angesammelt hatte.
„Ein Freund von Ihnen?“, fragte Mr. Granger neugierig.
„Der Mann ist alles andere, aber definitiv kein Freund!“

Wütend schaute Severus dem Mann hinterher, der sich einen Scherz mit ihm erlaubt hatte. Als das Auge nicht mehr Black folgte, sondern die nahe Umgebung fokussierte, hatte er Hermine im Sichtfeld. Sie lehnte gelassen mit einem Ellenbogen auf dem Tisch, stützte eine Seite ihres Gesichts ab und lächelte, während sie Severus ansah. Ihr Anblick ließ die Wut über Black sofort verfliegen. Als sie ihm auch noch zuzwinkerte, ertappte er seine Gesichtsmuskeln dabei, wie die ohne bewusste Beteiligung ein Lächeln formten. Auch Mr. Granger bemerkte das und blickte über seine Schulter zum Töchterlein.

„Hermine! Du flirtest hier doch nicht etwa schamlos herum, während ich ein Gespräch mit Severus suche?“ Seine Zurechtweisung war, wie so häufig, als Scherz gemeint.
„Ich doch nicht“, winkte Hermine ab.
„Warum gehst du nicht ein bisschen“, er deutete in den Raum, „spielen?“
„Papa!“
„Da hinten ist ein Zauberer! Die hast du als Kind doch immer so gemocht.“
„Ha ha“, machte sie gelangweilt.
„Nein, ich meine es ernst. Sieh mal!“ Er deutete auf die Ecke des Raumes, wo sich Sirius und Remus ein paar Neugierigen anschlossen. Albus und Minerva sowie Horace, Arthur, Bill, Fleur und ein paar andere waren von irgendetwas sehr fasziniert. Alastor hielt wie üblich einen angemessenen Sicherheitsabstand zum Unterhaltungskünstler. „Das ist ein Zauberer aus der Muggelwelt. Ich sage dir“, er hob die Augenbrauen und nickte mit Hochachtung zu dem Herrn mit dem schwarzen Zylinder hinüber, „mit seinen Tricks bereitet er den echten Zauberern eine Menge Kopfzerbrechen!“

Hermine verstand den Wink. Ihr Vater wollte mit Severus allein sein. Auch wenn sie gerade das am heutigen Tage vermeiden wollte, war sie sich sicher, dass er ihn nicht auseinander nehmen würde. Trotzdem war ungewiss, wie Severus in seinem Zustand auf bestimmte Reize reagieren würde. Sie strich ihrem Vater liebevoll über den Rücken und stand auf. Im gleichen Moment setzte sich zwei Stühle weiter Harry an den Tisch, mit dem Rücken zu Hermines Vater, aber die Ohren waren dennoch gespitzt. Er würde jetzt Acht geben, bemerkte sie erleichtert.

„Meine Tochter war so frei, meine Frau und mich über diese kleine“, Mr. Granger hob und senkte die Augenbrauen, „Übereinkunft mit Ihnen zu unterrichten.“
Seine Unsicherheit überspielte Severus mit Eiseskälte. „Und was, wenn ich fragen darf, muss ich jetzt von Ihnen erwarten?“ So warm Severus‘ Gefühle für Hermines auch waren – sein Gegenüber war für ihn fast ein Fremder. Er konnte und wollte nichts dagegen unternehmen, dass die emotionalen Temperaturen unter den Gefrierpunkt sanken, während er diese in seinen Augen unangenehme Konversation führte. „Folgt vielleicht eine Art Aufzählung von Pro und Kontra? Beispielsweise dass der Altersunterschied Ihnen missfällt?“
Mr. Granger hatte aufmerksam zugehört. In seiner Miene rührte sich kaum etwas, nur in den Fältchen neben den Augen war Enttäuschung zu sehen. „Ein wunder Punkt?“, fragte er ganz offen. Noch bevor Severus antworten konnte, fügte Mr. Granger hinzu: „Hermine hat Ihnen sicherlich gesagt, dass meine Frau und ich im Alter auch ein ganzes Stück auseinander liegen. Warum sollte ich Ihnen vorwerfen, was mich selbst betriff?“ Severus schaute weg. Eine Falte der Tischdecke weckte plötzlich sein ganzes Interesse. „Ich bin zu Ihnen gekommen“, begann Mr. Granger erneut, „um Hermine und Sie nächste Woche zu uns einzuladen. Wir sollten uns näher kennen lernen. Das ist, wie ich gerade bemerkt habe, dringend notwendig.“
„Nächste ...?“ Jetzt hatte Mr. Granger wieder seine Aufmerksamkeit erlangt. „Nächste Woche wird es für mich etwas strapaziös werden. Am Mittwoch ist mein letzter Tag in Hogwarts. Danach werde ich mit dem Umzug in die Apotheke ausgelastet sein.“
„Kein Problem, dann vielleicht übernächste Woche, wenn wieder etwas Ruhe eingekehrt ist?“
Severus überlegte, nickte letztendlich. „Gern.“ Er hatte Mr. Granger falsch eingeschätzt. Severus‘ Annahme, jeder Vater hätte etwas dagegen, dass die einzige Tochter so einen Griesgram ehelichen wollte, war verpufft.
„Gut, dann bleiben wir in Kontakt.“ Mr. Granger streckte den Rücken und schlug sich auf die Schenkel. „Ich wollte mir sowieso mal die Apotheke anschauen, aber alles zu seiner Zeit.“ Er blickte sich im Saal um. „Wo ist denn meine Frau abgeblieben?“ Die unterhielt sich mit Molly. „Ah, da ist sie ja. Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen ...“ Mr. Granger hielt inne, weil ein Mann mit weißblonden Haaren, auffällig galanter Kleidung und rosigen Wangen auf Severus und ihn zukam.
„Severus, Narzissa lässt fragen, ob du mit ihr ...“ Lucius stoppte mitten im Satz, weil der Herr bei Severus sich höflichkeitshalber vom Stuhl erhob. Als Einziger wollte Severus nicht sitzenbleiben. Mit leicht angehobenem Kopf, was ihn arrogant wirken ließ, musterte Lucius den Fremden. Eigentlich lag es an Severus, die beiden gegenseitig vorzustellen, doch der dachte gar nicht daran. Lucius legte eine Hand auf seine Brust, sah dem Unbekannten dabei in die Augen. „Malfoy, Lucius Malfoy ist mein Name.“ Er hielt dem Herrn die Hand hin, die sofort ergriffen wurde, doch als der Mann sich vorstellen wollte, übernahm Severus überraschenderweise doch diesen Part.
„Darf ich vorstellen? Das ist Mr. Joshua Granger.“
Noch während Lucius dem Mann die Hand schüttelte, rümpfte sich von ganz allein die hoch getragene Nase. Ein Muggel. Und den fasste er auch noch an! „Ah“, machte Lucius vorgetäuscht interessiert, „dann sind Sie der zukünftige Schwiegervater von“, er legte die besudelte Hand auf Severus‘ Schulter, „diesem Herrn.“ Weil Severus die Hand an seiner Schulter missbilligend anschaute, entfernte Lucius sie lieber. Vom Tanz noch ganz bezaubert, kam die gute Laune schnell zurück. „Ich bin sicher, er wird Sie nicht enttäuschen, Mr. Granger. Er ist ein Meister auf seinem Gebiet und wird bestimmt den finanziellen Ansprüchen gerecht werden, um Ihrer Tochter ...“
„Wir sind hier nicht auf dem Viehmarkt“, zischte Severus, „wo du Vorteile anpreisen musst, um den bestmöglichen Erlös zu erzielen.“
„Oh, nein!“, stimmte Lucius seinem verstimmten Freund mit aufgesetztem Lächeln zu. „Und das ist auch gut so, denn ich befürchte, da würde ich nicht viel für dich bekommen.“

Lucius konnte von Glück sagen, dass Blicke nicht töten konnten. Severus war in Rage, ballte die Fäuste an der Hosennaht zusammen. Das plötzlich auftretende Jucken unterhalb der Rippen verstärkte Severus‘ Unbehagen nur noch. Lucius verlor die Nerven nicht. Sein Freund sollte Scherze dieser Art nicht übel nehmen. Er müsste sogar damit rechnen, dachte Lucius. Sie kannten sich lange genug.

„Was war das?“, fragte Severus völlig zusammenhanglos. Er betrachtete erst zu Lucius‘ Hals, blickte dann direkt in dessen Augen. „War das gerade ein Ruck an der Leine? Deine Frau oder dein Sohn scheinen nach dir zu verlangen.“
Das Lächeln auf Lucius‘ Lippen blieb nur bestehen, weil er während seiner jahrelang Arbeit im Ministerium die Gesichtsmuskeln für unangenehme Situationen wie diese trainiert hatte. Ausschließlich an seinen grauen Augen war zu erkennen, dass jegliches Amüsement verschwunden war. „Ja, du hast Recht. Meine Gattin hat mindestens noch einen Tanz verdient und da sie auf dich verzichten muss ...“ Er wandte sich dem anderen Herrn zu. „Mr. Granger.“ Ein höfliches Nicken zur Verabschiedung folgte. Man sollte ihm nicht nachsagen können, er hätte keine Manieren.
Als Lucius gegangen war, wollte Mr. Granger wissen: „War das ein Freund?“
„Leider!“ Ein verärgertes Brummen hallte nach, das deutlich werden ließ, wie sehr Severus diesen Zwischenfall verteufelte.
„Mmmh“, summte Mr. Granger verständnisvoll. „Solche Kabelleien unter Freunden kenne ich. Hoffentlich renkt sich das wieder ein. Wir sehen uns.“ Mr. Granger gesellte sich zu seiner Frau, die sich noch immer mit Molly unterhielt.

Es war soweit, dachte Severus. Würde Hermine jetzt noch einmal fragen, ob sie nachhause gehen wollten – er würde auf der Stelle bejahen. Geistesabwesend öffnete er einen Knopf seiner Weste und führte die rechte Hand in das Loch, um diese juckende Stelle zu kratzen. Severus schaute sich um. Am Tisch saßen zwei Pärchen, die in eigene Gespräche vertieft waren. Und ein Rothaariger war zu sehen, der mit dem Rücken zu ihm saß. Welcher Weasley ...? Der besagte Herr drehte sich um. Harry. Der Scherz der Zwillinge würde mindestens noch eine Stunde andauern. Nach Harrys Gesichtsausdruck zu urteilen war er kein bisschen verärgert über die neue Tönung. Severus knöpfte die Weste wieder zu und erhob sich, um Hermine aufzusuchen.

Um den Muggelzauberer herum hatten sich mittlerweile unzählige Gäste eingefunden. Severus stellte sich hinter Hermine, die ihn anfangs nicht bemerkte. Alle schauten dem Mann mit dem Zylinder zu, wie der erst eine Galleone herumzeigte und dann mit einer Hand umfasste. Als er sie wieder öffnete, war die Münze verschwunden. Ein erstauntes Raunen ging durch die Menge.

„Das war ein Evanesco“, sagte Horace. „Ganz sicher!“
Hermine lachte. „Sie vergessen, dass der Mann nicht zauber kann.“
Mit einer Hand strich Horace seinen Umhang glatt. „Nun, er beweist und doch gerade das Gegenteil, oder etwa nicht?“
Der Muggelzauberer trat an Minerva heran und fuchtelte in der Nähe ihres Ohres herum, was Albus mit kindlicher Freude beobachtete. Er brachte die verschwundene Münze wieder zum Vorschein. Die Leute applaudierten. An Minerva gerichtet schäkerte Albus: „Ich habe eine Goldmine geheiratet.“ Sie verkniff sich das Lachen und klatschte.
Als Hermine einen Schritt zurückging, stieß sie versehentlich jemanden an und drehte sich um. „Severus, entschuldige bitte.“
„Interessiert dich dieser Hokuspokus tatsächlich?“
„Ich stehe wahrscheinlich aus dem gleichen Grund hier wie Albus: Es macht Spaß dabei zuzusehen, wie die anderen einfach nicht hinter das Geheimnis kommen.“ Sie warf einen Blick zu Horace, der weiterhin die Kunststücke des Muggelzauberers interessiert, aber auch sichtlich gefrustet beobachtete. Hermine bekam Mitleid. Sie trat an ihn heran und flüsterte: „Achten Sie auf seine Hände und blicken Sie ja nicht auf, wenn er etwas erklärt.“ Diesen Tipp nahm sich Horace zu Herzen. Sein Blick war auf die flinken Finger gerichtet, während alle anderen den Worten des Zauberers lauschten.

Hermine löste sich von dem Trickkünstler. Wie ihr Vater es gesagt hatte, war sie schon als Kind fasziniert gewesen, wenn jemand Karten oder Münzen verschwinden ließ, die später an den seltsamsten Orten wieder auftauchten. Solche Tricks förderten das Verständnis für Logik. Sie ging zu Severus hinüber, der ihr den Arm anbot. Als sie sich zum Gehen abwandten, bemerkten sie, dass Albus und Minerva sich ebenfalls in Bewegung setzten und langsam auf Severus und Hermine zukamen. Diesem Moment wollte Severus nicht vorübergehen lassen.

„Albus?“ Das betagte Ehepaar hatte ihn gehört und näherte sich ihnen. Dank Hermine fand er Halt. „Albus, warum hast du Remus gekündigt?“
Minerva fiel aus allen Wolken, schaute Albus mit großen Augen an. „Du hast was?“
„Da scheint ein Missverständnis ...“
Severus schüttelte den Kopf. „Das glaube ich nicht. Hagrid hat es herumerzählt.“
„Dann hat der Gute die Hälfte vergessen“, stellte Albus klar.
„Das bezweifle ich nicht einmal.“ Davon ging Severus sogar aus. „Trotzdem läuft Remus den ganzen Tag in der Annahme hier herum, er würde ab September arbeitslos sein.“
„Oh“, machte Albus betrübt. „Dann werde ich ihn besser aufsuchen, bevor wir gehen. Du musst wissen, Severus, du warst nicht der Einzige, der von selbst gekündigt hat.“ Hermine, Severus und Minerva wiesen alle den gleichen, fragenden Gesichtsausdruck auf, so dass sich Albus dazu aufgefordert sah, Licht ins Dunkel zu bringen. „Ich wollte es eigentlich am Montag während der Lehrerversammlung verkünden, aber da die Sache bereits die Runde macht: Gestern Abend hat mir Harry seine Kündigung überreicht.“ Hermine war von dieser Information nicht überrascht, nur darüber, dass sie es nicht von Harry selbst erfahren hatte. „Remus soll seinen Platz einnehmen, aber das konnte ich erst planen, sobald ich jemanden für die Pflege magischer Geschöpfe gefunden habe. Hagrid hat zugesagt, also ist alles im Lot. Kein Grund zur Aufregung.“ Minerva atmete tief ein und aus. „Ich sollte es Remus wirklich sagen, sonst macht der Gute sich noch den ganzen Sonntag Gedanken. Wie spät ist es eigentlich?“ Die Standuhr in der Ecke brachte Erkenntnis. „Wir haben ja schon Sonntag. Höchste Zeit zu gehen.“ Albus ließ seinen Blick schweifen. „Und da ist ja auch Remus. Wenn ihr mich kurz entschuldigen würdet?“
Kaum war Albus gegangen, ergriff Minerva das Wort. „Ich möchte mich schon einmal verabschieden. Albus und ich werden uns auf den Weg machen.“
„Wir gehen auch“, bestätigte Hermine. „Ich möchte nur noch Harry und Ginny auf Wiedersehen sagen.“

Das Brautpaar verabschiedete gerade Justin Finch-Fletchley und Hannah Abbott. Absichtlich ging Hermine langsam, so dass sie Harry und Ginny erst erreichen würden, wenn die anderen beiden schon gegangen waren. Sie kamen an Bill und Fleur vorbei. Mit einer Hand rieb sich Bill sich die entstellte Wange. Fleur nahm seine Hand in ihre, damit er damit aufhörte.

„Ihr wollte euch auch verabschieden?“, fragte Harry, dessen Augen durch die Brille hindurch schon ganz klein waren. „Kingsley und Alastor sind auch eben gegangen.“
„Es ist auch langsam an der Zeit“, begann Severus, „dem Brautpaar etwas Ruhe zu gönnen.“ Er hielt zuerst Ginny die Hand entgegen, die sie ohne zu Zögern ergriff. „Nochmals meine Glückwünsche, Mrs. ... Ist der Name jetzt Potter?“
Ginny grinste breit. „Ja, das ist er. Vielen Dank, Professor Snape.“
„Harry“, auch ihm schüttelte er die Hand. Einen Moment überlegte Severus, ob er ihn wegen der Kündigung ansprechen sollte, entschied sich aber dagegen, falls dessen Frau noch nichts davon wusste. „Vielen Dank für die Einladung. Der Abend hat einige Überraschungen gebracht.“
Davon war Harry überzeugt. „Dann bleibt ihr nicht über Nacht?“
„Nein“, warf Hermine ein, die plötzlich anfing zu zappeln, weil sie mit einem Fuß über ihre Wade strich. Vielleicht hatte das Kleid sie gekitzelt. „Ich habe heute noch etwas zu erledigen.“ Der letzte Heiltrank. Harry wusste das und fragte nicht nach.
„Morgen frühstücken wir hier alle zusammen. Nur die engsten Freunde und Familienmitglieder. Wenn ihr kommen möchtet ...?“
„Wir überlegen es uns“, erwiderte Severus, was so viel wie eine Absage bedeutete.
Die Enttäuschung darüber verbarg Harry. Nur als Information gab er an Hermine weiter: „Es beginnt erst um elf oder zwölf Uhr, ist also mehr ein Brunch, wenn man so möchte. Nur falls ihr es euch überlegen solltet.“
Dean, Lee und die Creevey-Brüder – letztere musterten Severus und Hermine mit einem Schmunzeln – hatten sich mittlerweile in die Schlange der Gäste eingereiht, die sich von Harry und Ginny persönlich verabschieden wollten, also machte Hermine es kurz. „Bis dann, ihr zwei. Wir sehen uns.“ Vom Tisch nahm sie ihren Brautstrauß.
„Ach“, hielt Harry sie auf, „zum Kamin geht es gleich hinten links. Der Weg ist ausgeschildert.“

Auf dem Weg zum großen Kamin, der ans Flohnetzwerk angeschlossen war, trafen die beiden auf Luna. Sie stand in der Nähe des Ganges, der zum Kamin führte. Luna fuhr mit den Fingern einer Hand immer wieder von der Stirn über ihren Kopf und zog einen unsichtbaren Mittelscheitel. Im ersten Moment schien sie nur zufällig dort zu stehen, doch kaum waren Severus und Hermine ihr näher gekommen, wurde ihr verträumter Blick klar.

„Professor Snape, bevor Sie gehen“, Luna fischte etwa aus ihrem Umhang, „möchte ich Ihnen das zum Geschenk machen.“
Irritiert über diese unerwartete Aufmerksamkeit wäre er fast ins Stottern geraten, aber nur fast. „Danke, Miss Lovegood.“ Er betrachtete das kleine, in rotes Geschenkpapier eingewickelte Päckchen, das von der Form her an ein Streichholzheft erinnerte. Es war flach und viereckig. „Wie komme ich zu dieser Ehre?“
„Ich habe es nie veröffentlicht. Es könnte ein falsches Bild entstehen, aber Sie, da bin ich mir ganz sicher, werden es nicht missverstehen.“ Sie zeigte mit einem Finger drauf. „Es ist verkleinert. Mit einem Finite wird es wieder groß.“
„Ich muss zugeben, Sie machen mich neugierig. Ich lasse Sie wissen, was ich davon halte.“ Das ungeöffnete Päckchen steckte Severus in seine Innentasche. „Auf Wiedersehen, Miss Lovegood.“
Hermine war weniger förmlich. „Bis dann, Luna.“

Im Gang selbst warteten einige auf ihre bessere Hälfte, um den Nachhauseweg einzuschlagen. In dem Raum, der sich als ein gemütlich möblierter Warteraum für die Gäste des Schlosshotels entpuppte, waren sie nicht allein. Justin und Hannah warteten geduldig, bis eine Bedienstete des Schlosses das Flohpulver in den dafür vorgesehen Behälter nachgefüllt hatte. Offenbar war der Kamin heute schon unzählige Male benutzt worden. Justin drehte sich um.

„Professor Snape“, er nickte ihm höflich zu. „Hermine, hi.“
„So“, unterbrach die Dame, die den Behälter wieder in der Haltevorrichtung des Kamins anbrachte, „alles bereit. Ich wünsche eine gute Heimreise.“ Die Frau verließ den Raum.
Justin und Hannah traten gemeinsam in den Kamin. Er nahm eine Handvoll Flohpulver, nannte den Zielort und wenige Sekunden später waren die beiden verschwunden. Hermine und Severus waren allein. Er schaute ihr in die Augen und fragte: „Reisen wir nacheinander oder zusammen?“
„Wenn wir den Kamin zusammen benutzten, dann müssen wir uns aber sehr eng aneinanderkuscheln“, antwortete sie, konnte die Vorfreude darauf nicht verbergen.
Ein Mundwinkel von Severus hob sich von ganz allein, bevor er sie zum Kamin führte. Er griff nach dem leicht schimmernden Flohpulver, mit der anderen Hand nahm er die ihre. „Dann halt dich gut fest.“ Diesen Ratschlag nahm sie sehr ernst, denn sie umarmte ihn. „Winkelgasse, Granger Apotheke.“

Als Reisender vernahm man weder den lauten Knall noch sah man, wie sich die Flammen grün verfärbten. Während ihres Heimweges kamen sie an unzähligen Kaminen vorbei. Die lauten Fahrtgeräusche waren um diese Uhrzeit verträglich. Als es plötzlich unangenehm kalt wurde, bedeckte Severus sie mit seinem Umhang. An einer undefinierbaren Stelle bekam Hermine heiße Asche in den Mund und begann zu husten. Bei der holprigen Landung im eigenen Wohnzimmer hielt Severus sie fest, damit sie nicht stürzte. Sie hustete noch immer. Auf der Stelle kam er mit einem Glas Wasser zu Hilfe, aus dem sie dankbar trank.

Der Husten hatte sich gelegt. „Meine Güte, warum ist diese Art zu reisen immer noch so populär?“ Severus betrachtete sie von oben bis unten, sah dabei sehr amüsiert aus. „Was ist?“ Sie schaute an sich herab. Das Kleid hatte kein bisschen Ruß und Asche abbekommen, wofür offenbar der Schutzzauber des Bekleidungsgeschäfts verantwortlich war. Mit seinem Zeigefinger strich er über ihr Dekolleté und zeigte ihr das Resultat. Seine Fingerbeere war schwarz. „Mist!“, fluchte sie, als sie den Dreck auf ihrem Ausschnitt betrachtete. „Ich lass mir lieber ein Bad ein.“
„Mach das.“ Kaum hatte er etwas gesagt, kam der Hund ins Wohnzimmer gestürzt. Er war so aufgeregt, dass er sein Herrchen mit wedelndem Schwanz ansprang und dabei fiepende Geräusche von sich gab. „Aus!“ Doch Harrys Freude konnte er mit dem halbherzigen Befehl nicht bremsen. „Er tut ja gerade so, als wären wir mehrere Wochen verreist gewesen.“
Hermine lächelte, als Severus das Ohr des Hundes knetete. Auf der Couch erblickte sie Fellini, der sie mit weit aufgerissenem Maul angähnte. Die Ankunft des Frauchens hatte er völlig gelassen beobachtet. „Vielen Dank für die herzliche Begrüßung!“, gab sie gespielt enttäuscht von sich. Fellini nahm die Rüge als Anlass, sich zu putzen.
„Geh baden, Hermine. Ich werde den beiden etwas zu Fressen geben.“

Im Flur trennten sich ihre Wege. Von Harry überholt und von Fellini gefolgt ging Severus die Stufen hinunter, während Hermine das Bad aufsuchte und sofort die Hähne aufdrehte. Noch ein bisschen Badeschaum und ihr Dekolleté würde bald wieder sauber sein. Als sie in den Spiegel schaute, bemerkte sie zu ihrem Entsetzen, dass auch ihr Gesicht an einigen Stellen schwarz war. Sie sah aus, als hätte sie eine Liebesaffäre mit einem Schornsteinfeger. Warum musste sie immer alles abbekommen? Das Gesicht wusch sie mit einem Lappen, während das Badewasser einlief. Als sie alle schwarzen Flecken von ihren Wangen entfernt hatte, verrenkte sie ihre Arme, um das Kleid zu öffnen. Wie schon heute früh, als sie es angezogen hatte, kam sie auch jetzt nicht an die Haken heran. Im Flur hörte sie seine Tür. Severus war aus der Küche zurück und könnte bestimmt helfen. Hermine klopfte an seine Schlafzimmertür.

„Herein!“
Als sie eintrat, stand er an einem der Gaslichter und betrachtete den Umhang, den er eben ausgezogen hatte. „Ist etwas?“ Vielleicht war er an einem der vorüberfliegenden Kamine hängengeblieben und das gute Stück war gerissen, vermutete sie.
„Das ist blau!“
Hermine stutzte. „Ich dachte, das wusstest du?“, erwiderte sie auffällig unschuldig.
Er warf ihr einen kurzen Blick zu, bevor er ins Leere starrte. „Dann macht es Sinn, was Remus gesagt hat. Ich dachte, er wollte mich nur veralbern.“
„Was hat er denn gesagt?“
„Dass die Farbe mir stehen würde.“
„Das tut sie auch“, beteuerte sie kräftig nickend.
„Es ist aber nicht schwarz!“
„Wo steht denn bitteschön geschrieben, dass Severus Snape nur in schwarz gut aussieht?“ Er schnaufte und warf den Umhang achtlos über einen Stuhl, schien über ihre Äußerung enorm verärgert. „Was hast du?“
„Ich bin mir über mein äußeres Erscheinungsbild durchaus bewusst!“, schalt er sie.

Zweifel kamen in ihm auf. Der innere Widerstreit richtete sich durch seine momentan übersensiblen Empfindungen gegen sich selbst. Hermine wusste das. Sie hütete sich davor, ihn vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Jedes ihrer Argumente würde er mit einem Gegenargument auseinander brechen lassen. Sie war sich über sein, wie er so schön sagte, äußeres Erscheinungsbild auch bewusst. Er war kein Adonis, stellte eher ein Antonym dazu dar. Schon mehrmals hatte sie über dieses Thema nachgedacht, oftmals im Bett liegend, kurz vor dem Einschlafen. Ron war auch kein Schönling. Er war für sein Alter immer zu groß gewesen und hatte eine lange Nase, wenn auch keine Hakennase. Wenn sie Harry mit etwas Abstand betrachtete, war auch er nicht besonders gutaussehend. Mit seiner damals schon schmächtigen Gestalt, seinen knubbeligen Knien und den stets ungekämmt wirkenden Haaren war er das, was er immer sein wollte: durchschnittlich. Einzig Blaise könnte Hermine als wahrlich gutaussehend beschreiben, doch der hatte sie nie interessiert. Viktor Krum beeindruckte mit seinen buschigen Augenbrauen und der krummen Nase auch nicht durch Äußerlichkeiten. Sein schlurfender Gang war alles andere als graziös und trotzdem fand sie damals Interesse an ihm. Sie war vor langer Zeit zu dem Schluss gekommen, dass das Aussehen für sie kein primäres Kriterium für eine Partnerwahl darstellte. Lockhart und vor allem Svelte stellten zwei gute Beispiele dar, die ihre Ansicht untermauerten.

„... und dann werde ich nackt durch die Tundra reiten.“
Nicht die Worte, sondern seine Stimme hatte sie aus ihren Gedanken gerissen. „Wie bitte?“
„Ich fragte, ob du aus einem bestimmten Grund hier bist.“
„Oh“, machte sie überrascht. Natürlich war da ein Grund gewesen. Langsam näherte sie sich Severus und drehte ihm den Rücken zu. Mit dem Daumen zeigte sie über ihre Schulter. „Ich bekomme das Kleid nicht auf. Wärst du so lieb?“
„Das ist keine gute ...“

Er schluckte kräftig, als er sich an das kleine Problem von heute morgen erinnerte. Severus riss sich zusammen und legte die Hände an ihr Kleid. Es wäre doch gelacht, wenn er nicht mehr Kontrolle an den Tag legen könnte als so ein 14jähriger Schüler. Seine Finger tauchten in die Lücke zwischen Stoff und Rücken. Sofort ging ihre Körperwärme durch Mark und Bein. Er bekam eine Gänsehaut. Der erste Haken löste sich. Unzählige lagen noch vor ihm.

„Du hast kalte Finger“, bemerkte sie mit ruhiger Stimme.

Bald nicht mehr, dachte er, denn eine angenehme Wärme breitete sich in ihm aus. Genauso wohlig wie vorhin im Kaminzimmer. Der zweite Haken war geöffnet. War er so langsam oder nahm er alles so überaus bewusst war, dass die Zeit ihr eigenes Tempo gedrosselt zu haben schien? Beim fünften Haken kam sein Atemproblem zurück. Er müsste demnächst mal seine Lungen untersuchen lassen, scherzte er in Gedanken. Zum Glück erging es Hermine genauso wie ihm. Wenn sie einatmete, wurden seine Finger durch das Kleid an ihre Haut gepresst und gewärmt. Beim zehnten Haken bemerkte er, dass er nicht einmal die Hälfte hinter sich gebracht hatte. Sie wartete geduldig. Nicht ein einziges Mal forderte sie ihn auf, schneller fortzufahren. Er konnte die Gänsehaut verfolgen, die sich von ihrem Rücken aus bis zum Nacken emporarbeitete. Hermine schüttelte sich kurz. Fast war er am Ziel. Der letzte Haken war gelöst. Mutig glitten die Finger beider Hände vom unteren Rücken durch die Schneise, die das offene Kleid freilegte, hinauf bis zu ihrem Hals, wo sie kurz am Haar verweilten. Gleich darauf strichen seine Hände zurückhaltend seitwärts. Dabei nahm er die Ärmel mit, so dass ihre Schultern freigelegt wurden. Hermines Atmung war heftiger geworden, der Kopf leicht zur Seite gelegt. Die Hände an ihren Schultern zogen sie zu sich heran, bis sie mit dem Rücken an ihm lehnte. Sie spürte seinen zittrigen Atem an der empfindlichen Stelle hinter ihrem Ohr.

„Severus?“ Mit einem Male war alles verschwunden, was sie so genossen hatte: die Wärme, die Hände, sein Atem. Sie drehte sich um. Severus hatte sich einen Schritt von ihr entfernt. Offenbar fühlte er sich zurechtgewiesen, was keineswegs in ihrer Absicht lag. Sie wollte nur daran erinnern, dass sie heute, auch wenn sie ungern als Spielverderberin dastehen wollte, noch eine wichtige Angelegenheit zu erledigen hatte. Die kurze Distanz überwand sie in Windeseile. Ohne Vorwarnung schlangen sich ihre Arme um seine dürre Taille, ihre Wange legte sie an sein Herz. „Auch wenn ich jetzt gern etwas anderes machen möchte“, sagte sie leise, „darf der letzte Trank nicht warten. Ein, zwei Stunden Verspätung sind in Ordnung, aber mehr dürfen wir nicht wagen, sonst ist alles ...“ Sie hielt inne, als er ihre Umarmung erwiderte und sie seine Hände an dem nackten Rücken spürte. Versehentlich entwich ihr ein Seufzer, der ihr nicht unangenehm war. Ein behaglicher Schauer überkam sie, als sich ein paar Lippen zaghaft auf ihre Schläfe pressten. Sie wollte nicht gehen und im Labor brauen. Hermine wollte hier bleiben, wo ihr Herz Purzelbäume schlug und gleichzeitig wie ein Kniesel schnurrte. Langsam hob sie den Kopf, um ihn anzusehen. Dabei bemerkte sie, dass sie die Augen geschlossen hatte. Ihre Lider fühlten sich schwer an, woran nicht die Müdigkeit Schuld war. Sein ganzes Gesicht sah genauso entspannt aus wie sie sich fühlte. Es war keine feurige Leidenschaft, die ihr aus seinen Augen entgegenfunkelte. Etwas viel Bedeutungsvolleres zeigte sich ihr, denn er offenbarte behutsam die eigenen Empfindungen. Die Zuneigung zu ihr fiel mehr ins Gewicht als jegliche Gelüste. Severus schien das Gleiche in ihren Augen zu sehen. Ihre Übereinstimmung wollte er besiegelt wissen. Ohne Hast beugte er sich zu ihr, ließ ihr alle Zeit der Welt, Einspruch zu erheben, doch der kam nie. Kurz bevor sich ihre Lippen berührten, schloss Hermine die Augen. Der Kuss konnte unschuldiger und zugleich aufregender nicht sein – er versprach und bestätigte, beichtete und zog ins Vertrauen. Er bedeutete alles, erklärte Himmel und Erde. Hermine nippte fast unmerklich an den geschlossenen Lippen und dachte dabei an den scheuen Kuss, den er ihr einmal auf den Mundwinkel gegeben hatte. Sie nippte ein zweites Mal und sah Severus und sich selbst, wie sie sich im Rosengarten drehten und Blumen zertraten. Beim dritten Mal machte er es ihr gleich, um das Ende einzuläuten, sonst würden sie sich und alles andere vergessen. Benommen öffnete sie ihre Augen. Noch einen Moment hielten sie sich. Severus wirkte sehr ausgeglichen, beinahe wunschlos glücklich, aber nur beinahe. Sie konnte diese eine Sache, die ihn zu bedrücken schien, nicht ausmachen, nicht mit dem Finger darauf deuten. Vor irgendetwas schien er, trotzdem sich die Situation in ihren Augen wunderbar entwickelt hatte, Angst zu haben. Ihre Umarmung löste sich im gegenseitigen Einverständnis. Hermine schenkte ihm ein zuversichtliches Lächeln und strich in der Hoffnung über seinen Oberarm, diese eine Befangenheit auszuradieren, doch es gelang ihr nicht.

„Du sollest nach deinem Bad sehen.“ In seiner Stimme hatte sich die Ruhe und Sanftheit niedergeschlagen, die ihre gegenseitige Bestätigung geweckt hatte. „Sonst läuft es noch über.“ Hermine nickte und verschwand mit wackeligen Beinen aus seinem Zimmer.

Zum Glück war im Boden ein Ablauf eingearbeitet, denn sonst würde das Badezimmer unter Wasser stehen. Fluchend ließ sie etwas Wasser aus der Wanne ablaufen und reinigte den nassen Boden, auf dem der meiste Schaum verteilt war. Das Bad selbst verlief weniger entspannend, sondern diente nur der Reinlichkeit. Für Entspannung sorgte die Erinnerung an den Kuss. Hermine zog sich legere Kleidung an und machte sich auf ins Labor, um den letzten Trank zu brauen.

Als Erstes setzte sie einen Kessel auf. Während das Wasser langsam zu kochen begann, wusch sie die Zutaten, teilte und schnitt sie. Alles stellte sie in Griffnähe. In dem Moment, als sie eine Vitrine öffnen wollte, war sie über ihr eigenes Spiegelbild überrascht. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Nur kurz begutachtete sie ihren Frohsinn, bevor sie die Federn des Sekretärs aus dem Schrank nahm. Sie wartete darauf, bis das Wasser im Kessel die angemessene Temperatur haben würde, strich sich derweil mit einer der schwarzen Federn über die Finger. Dieses bisschen Unbehagen in seinen Augen wollte ihr nicht aus dem Kopf gehen. Er durfte sich sicher sein, was sie betraf. Warum war er es nicht? Hermine seufzte. Die Feder strich über ihre Wange und löste einen Geistesblitz bei ihr aus. Der Vogel, dessen Feder sie hielt, wählte eine feste Partnerin im Leben. Aus einem unerklärbaren Grund war sie davon überzeugt, dass seine Angst daraus bestand, sie nicht ständig für sich zu haben. In einem Buch hatte sie einmal über das Trauerverhalten von Tieren gelesen, bei denen der Partnerverlust genau wie beim Menschen die größte, seelische Belastung darstellte. Monogam lebende Tiere traf es besonders hart. In dem Buch wurde als Fallbeispiel über einen Tibetfuchs berichtet, der nach dem Verlust der Partnerin erst noch tagelang Lockrufe ausstieß. Später verfiel er in eine Depression, war apathisch. Der Tierforscher schilderte, dass der Fuchs nicht mehr fraß, sich kaum noch bewegte und wie tot auf einem Felsen lag und wartete – auf seine Partnerin oder den Tod. Hermine war sich aber auch darüber im Klaren, dass es genetisch gesehen beim Menschen keine Monogamie gab, höchstens Treue, was aus wissenschaftlicher Sicht nicht gleichzusetzen war. Vielleicht bewertete sie die Sache aber auch nur über, dachte sie. Sie nahm sich auf jeden Fall vor, Severus später zu fragen, ob es etwas gab, über das er mit ihr reden wollte. Später, wenn etwas Ruhe und Alltag eingekehrt war.

Das Brauen des letzten Trankes dauerte keine Stunde, obwohl die gleichen Zutaten verwendet wurden wie bei den vorhergehenden Tränken. Die Temperaturregelung für den Trank war anders, ebenso die Reihenfolge, in der die Zutaten in den Kessel wanderten. Aufkochen, Hitze wegnehmen, nochmal aufkochen und im Uhrzeigersinn rühren. Am Ende ließ sie exakt nach Brauplan die Feder in den Kessel fallen. Ein helles Licht formte sich und löste die letzte Zutat in Luft auf. Das Licht verging nicht, auch nicht, als Hermine den Trank sorgfältig in einen der Becher füllte, den sie mit einem Deckel schützen konnte.

Der letzte Trank.

Hermines Herz pochte.

Mit dem Becher ging sie nicht sofort zu ihm, sondern in ihr Zimmer, um sich zum Zu-Bett-Gehen umzuziehen. Sie zog noch einen leichten Morgenmantel über und nahm mit zittrigen Händen das Gefäß. An seiner Tür klopfte sie, obwohl sie wegen der Haustiere nur angelehnt war. Das vertraute „Herein!“ folgte. Severus saß ans Kopfende gelehnt und las, schien auf seltsame Weise gerührt, was seine Augen nicht verbergen konnten. Hermine erkannte das Buch.

„Ist das der Gedicht-Band, den dir Anne mal geschenkt hat?“ An seinem Bett machte sie halt. Severus nickte, legte ein Lesezeichen in das Buch und ließ es auffällig schnell in der Schublade seines Nachttisches verschwinden. „Was für eines hast du gelesen?“
Er zögerte einen kurzen Augenblick, als er den Becher in ihrer Hand bemerkte, doch dann sah er in ihre Augen. Missgestimmt antwortete er: „Rilke. Ein Gedicht mit dem wahnsinnig originellem Titel ‚Liebes-Lied‘. Der Mann hätte sich wirklich was Besseres einfallen lassen können.“
Dass die Zeilen ihm trotz seiner bösen Worte sehr gefallen haben mussten, sprach sie nicht an. Stattdessen hob sie den Becher. „Hier.“ Nicht mehr nur ihre Hände zitterten, sondern auch ihre Stimme.

Seine Laune wechselte zwischen hoffnungsvoll und pessimistisch. Was all die Mühe bringen würde, sollte sich erst zeigen, wenn er diesen einen Trank einnahm. Die Befürchtung, es könnte einen noch so kleinen Fehler gegeben haben, der alles zunichte machte, war bei ihm genauso groß wie bei ihr. Er atmete tief durch und ließ den inneren Widerstand hinter sich, als er sich nach vorn beugte und ihr das Gefäß abnahm. Gerade wollte sie sich abwenden, da schlug er neben sich einladend die Bettdecke zur Seite und klopfte mit der flachen Hand zweimal auf die Matratze. Mit dieser Erlaubnis hatte sie gerechnet, aber ungewöhnlich war, dass sie dabei sein durfte, während er den Trank einnahm. Die sechs Tage zuvor hatte er sie erst danach in sein Bett gelassen. Sie zögerte nicht und zog sich den Morgenmantel aus, bevor sie sich neben ihn legte.

Vorsichtig öffnete Severus den Deckel. Dampf stieg aus. Aus dem Becher schien helles Licht, was ihn verdutzte. Auch für sie war es vorhin schon seltsam gewesen, dass dieser letzte Trank so kräftig strahlte. Er nahm einen Schluck, dann noch einen. Der Trank war warm und er nippte so vorsichtig an ihm, wie an ihren Lippen. Starren wollte Hermine auf keinen Fall, aber was sie sah, versetzte sie in Erstaunen. Severus Kehle begann leicht zu schimmern, auch sein Brustkorb und der Magen. Der Trank hinterließ eine sichtbare Spur.

„War das bei jedem Trank so?“, fragte sie neugierig, zeigte dabei auf die leuchtenden Stellen.
„Ja, nur nicht so stark.“
Sie erinnerte sich daran, vor wenigen Tagen einen hellen Fleck an seinem Thymus gesehen zu haben. Schon da hatte sie vermutet, dass der Farbtrank, mit dem sie die Pflanzen gewässert hatte, sich in dem Heiltrank niederschlug. „Wie schmeckt er?“
Severus ließ den Becher in seinen Schoß sinken. „Nicht so gut, wie er riecht. Ein wenig nach Mohn.“ Mohn war eine der Zutaten. „Und ziemlich bitter.“ Die Alkaloide. „Aber es ist nicht von Nöten, dass er schmeckt. Er soll schließlich wirken.“

Sie lächelte zurückhaltend und drückte innerlich die Daumen. Nach dem letzten Schluck verschloss Severus das Gefäß wieder und stellte es auf den Nachttisch, bevor er mit einem Wutsch seines Stabes das Licht im Zimmer löschte. Trotzdem war es noch so hell, dass man mit etwas Mühe ein Buch lesen könnte. Severus leuchtete. Selbst als er die leichte Bettdecke bis zum Hals hinaufzog, schien das Licht noch immer hindurch.

„Ich hoffe, du kannst dabei schlafen“, scherzte er, um seine böse Vermutung zu vertuschen, mit dem Trank könnte etwas nicht stimmen.
„Es macht mir überhaupt nichts aus. Ich kann bei Licht ganz gut schlafen. Damals mussten meine Eltern immer ein Nachtlicht brennen lassen, weil ich der felsenfesten Überzeugung war, ein schwarzer Mann würde unter meinem Bett hausen.“
„Jetzt haust er im Bett. Fragt sich nur, ob das besser ist.“
Hermine lachte. „Viel besser!“ Sie rutschte näher an Severus heran und nahm seine Hand. „Ich habe nämlich keine Angst.“
Er drehte sich zur Seite. Ihre umfassten Hände lagen in Brusthöhe. „Ich schon“, gestand er leise.
Verzweifelt drückte sie seine Hand, aber sie wusste, dass es keine Möglichkeit gab, ihm diese Angst zu nehmen. „Weck mich, wenn irgendwas ist“, flüsterte sie. „Egal was. Ein Traum, ein beängstigender Gedanke. Weck mich einfach. Du sollst das nicht allein durchstehen.“
„Dann wirst du mit mir aufbleiben müssen. Ich befürchte, ich werde nicht schlafen können.“
In seinem Licht musste er sie lächeln sehen. „Dann bleibe ich wach. Ich bin sowieso noch viel zu aufgedreht.“
„Wegen dem Trank?“
Sie rückte noch weiter zu ihm hinüber, so dass sie ihren Kopf auf seinem Kissen ablegen konnte. „Nein, der ganze Tag heute ...“ Sie seufzte erleichtert. „Es war wunderschön, und dann noch ...“
Er wartete, doch sie sagte nichts mehr. „Dann noch ...?“
„Der Tanz, die Verlobung, der Kuss“, zählte sie mit verträumtem Lächeln auf.
„Jetzt kannst du wenigstens nie wieder behaupten, ich wäre berechenbar.“
Hermine grinste. Ihre zweite Hand fand den Weg nach oben und strich über seinen Unterarm. „Wie war eigentlich die Unterhaltung mit meinem Dad?“
„Anfangs unangenehm, am Ende gelassen. Deine Eltern wollen uns einladen, kommende oder übernächste Woche.“
„Wir werden sehen. Erst einmal muss es dir gut gehen.“
„Im Moment fühle ich mich ausgezeichnet. Ich könnte sogar versuchen, ein Auge zuzutun.“
„Dann wünsche ich eine angenehme Nacht, Severus. Und versprich mir ...“
„Ja, ich werde dich wecken, wenn etwas ist.“ Mit Schmunzeln fügte er hinzu: „Oder wenn du schnarchst.“
„Frechheit!“, sagte sie leise und darüber hinaus amüsiert. „Ich schnarche nicht.“
„Wir werden sehen. Gute Nacht, Hermine.“
„Gute Nacht, Severus.“


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