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Fanfiction

Harry Potter und die Totenrelikte - Etwas Altes, etwas Neues

von Wizardpupil

„Nein – nein! Tante Petunia!“
Harry sank neben ihr auf die Knie; ihre Augen waren geschlossen, ihr Mund stand kaum merklich offen. Harry griff nach ihrem Arm, umfasste ihr Handgelenk; da war ein Puls, sie lebte. Sie war nur bewusstlos.
„Hilfe!“, schrie Harry. „Profe- Alastor! Alastor! Hermine! Oh, nein – der Muffliato-Zauber – Finite! Hilfe!“
Diesmal hörten sie ihn; sofort wurde die Küchentür aufgeschlagen, Moody stürmte herein, den Zauberstab erhoben, gefolgt von Mrs Weasley, Hermine und Ginny, alle drei ebenfalls mit gezücktem Zauberstab.
„Ich hab euch Mädchen doch gesagt, ihr sollt in der Küche bleiben!“, kreischte Mrs Weasley, als sie bemerkte, dass sie nicht die Letzte war, die das Wohnzimmer betreten hatte.
„Nicht notwendig, keine Todesser“, sagte Harry hastig, vor Panik kaum fähig, in ganzen Sätzen zu sprechen; Moody, der sich bisher nur auf seiner Augenhöhe umgesehen hatte, bemerkte Harry erst jetzt hinter dem umgeworfenen Sofa. „Meine Tante – bewusstlos.“
Moody schritt an die beiden am Boden heran, richtete seinen Zauberstab auf Tante Petunia. Verschiedene Lichter, Geräusche, Luftstöße kamen nacheinander aus seiner Spitze heraus, während Moody alles an Heilmagie anzuwenden schien, was er wusste und kannte. Nach fünf Minuten aber sagte er: „Sinnlos. Meine Zauber nützen nichts.“
„Was – was soll das heißen?“ Harry legte erneut seine Finger auf Tante Petunias Handgelenk. „Da ist ein Puls, sie ist nicht tot!“
„Das meine ich nicht.“ Moody betrachtete Harry mit einem höchst unangenehmen, ungewohnten Blick. „Warst du das?“
„Ich – ja, aber unabsichtlich, ich wollte das nicht!“
„Welchen Zauber hast du benutzt?“
„Keine Ahnung! Sie hat mich wütend gemacht und dann – dann ist plötzlich dieser Lichtstrahl gekommen und – und hat sie weggeschleudert, gegen die Wand. Sowas passiert doch manchmal, wenn ein Zauberer seine Gefühle nicht im Griff hat! Oder?“ Er wandte sich an Hermine. „Oder?“
Hermine nickte eilig. „Ja, ja, das ist richtig. Das ist nicht deine Schuld.“
„Was ist nicht meine Schuld?“, fragte Harry; er verstand nicht, was hier so schlimm sein sollte. „Sie ist doch nur bewusstlos, das kann man doch leicht beheben! Also lassen wir irgendwelche Schuldzuweisungen und –“
„Harry, kein mir bekannter Heilzauber nutzt etwas gegen den, der dir – passiert ist.“ Moody starrte Harry immer noch so merkwürdig an; misstrauisch? „Weder irgendwelche geläufigen, allgemeinen, noch kompliziertere, spezifischere Magie, die mir geläufig ist. Du hast einen außergewöhnlichen Zauber benutzt – und das heißt in meinem Fall einiges, denn im Laufe meiner Ausbildung zum Auroren musste ich mehr Flüche und Gegenflüche lernen, als mir während meiner Schulzeit überhaupt bewusst gewesen ist, dass sie in solch großen Mengen existieren.“
„Flüche? Ich hab einen Fluch angewandt?“ Harry sah in Tante Petunias Gesicht; in seinen Zügen war immer noch der Schock zu erkennen. „Keinen schwarzmagischen, oder?“, fügte er hoffnungsvoll, fast schon flehend hinzu.
Es dauerte einige Sekunden, bis Moody antwortete. „Ich weiß es nicht genau.“
Harry hatte das Gefühl, sein Herz würde in seine Knie hinunterfallen; das durfte nicht sein, er durfte keine schwarze Magie benutzt haben …
„Jetzt braucht sie erst einmal Hilfe“, sagte Moody dann; Harry hörte, dass er sich bemühte, ruhig zu reden – das ergab einen so ungewohnten Tonfall, dass Harry sich wünschte, er würde wieder kratzig und rau sprechen.
Er bückte sich hinunter, legte eine Hand unter Petunias Rücken, die andere unter ihre Beine; er hob sie hoch, warf Harry einen letzten Blick zu und lief dann an Mrs Weasley, Hermine und Ginny vorbei in die Küche und durch die Hintertür aus dem Fuchsbau.
Stille, da war sie wieder. Harry kniete immer noch am Boden. Er sah die drei anderen nicht an, spürte aber ihre Augen auf ihm ruhen.
„Wo will er mit ihr hin?“, fragte er, um das Schweigen zu durchbrechen.
„St. Mungo, schätze ich“, erwiderte Mrs Weasley; auch an ihrer Stimme erkannte Harry deutlich, dass sie bemüht war, gefasst und ruhig zu sprechen.
„Warum ist er dann nicht gleich von hier aus disappariert?“
„Denkst du, es gäbe auf dem Fuchsbau keine Schutzzauber, solange du hier bist?“ Ginny. „Keiner kann hier rein oder raus apparieren, man muss das Grundstück verlassen. Den Hof können nur bestimmte Leute betreten, aber weil es nicht auszuschließen ist, dass ein Todesser einen Weg findet, hereinzukommen, benutzen wir immer noch die Sicherheitsfragen.“
„Was sagt das Ministerium dazu?“, wollte Harry wissen, nun nicht mehr nur, damit etwas gesagt wurde, sondern weil er neugierig war; er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich Scrimgeour sehr um seine Sicherheit sorgte.
„Es hat dabei geholfen“, antwortete Mrs Weasley allerdings zu seiner Überraschung. „Nun, es weiß nicht von allen zusätzlichen Schutzzaubern, die der Phönixorden auf den Fuchsbau gelegt hat – aber der Apparierschutz wird von ihm gesteuert.“
„Harry“, meldete sich Hermine zu Wort, „glaubst du nicht, wir sollten – die anderen zwei auch aufwecken? Und ihnen sagen, was passiert ist?“
Erst jetzt stand Harry auf, folgte Hermines Blick zu seinem Onkel und seinem Vetter. Vernon und Dudley Dursley sah er nun von hinten, groteske Gestalten mit ihren runden Körpern, die gefährlich weit nach hinten ragten, als würden sie jeden Moment umfallen. Als er ihre Erstarrung aber löste, fingen sie sich beide sofort, führten die Bewegungen, die sie vor ihrer Verzauberung begonnen hatten, zu Ende, ohne auf dem Boden zu landen.
„– Anwalt wird euch auseinander nehmen –“ und „–lfe! Hilfe!“ brüllten sie dabei gleichzeitig, Dudley fast noch lauter als sein Vater. Dann erkannten die beiden, dass niemand mehr vor ihnen stand, und sie wandten sich um.
„DU!“ Onkel Vernons Gesicht wurde rot, blau, grün vor Wut, blieb letztlich stehen auf einem gefährlich dunklen Lila, seine Augen so verengt, dass die Pupillen kaum noch zu erkennen waren hinter den Lidern, sein Schnurrbart aufgeplustert wie das Fell einer wütenden Katze.
Dudley hingegen stieß nur ein hohes Kreischen aus, sprang ängstlich zurück, fiel mit seinem dicken Hintern doch noch auf den Boden Sein furchtverzerrtes Gesicht mit den kleinen Schweinsaugen war auf Harry gerichtet.
„WO IST MAMA HIN?“, schrie er, Verzweiflung in jeder Silbe; Tränen rannen über seine Wangen. „WAS HAST DU MIT IHR GETAN? WO SIND WIR HIER?“
Onkel Vernon hatte inzwischen entschieden, die Initiative zu ergreifen: Mrs Weasley, Hermine und Ginny trotz ihrer immer noch erhobenen Zauberstäbe ignorierend, lief er schnurstracks auf Harry zu, die Hände vor sich ausgestreckt, als wollte er sie gleich um Harrys Hals legen.
„Gehen Sie weg von ihm!“, rief Ginny. „Ich warne Sie!“
„Sei still, Mädchen!“, brüllte Onkel Vernon sie im Vorbeigehen an; er hatte das Falsche getan.
Mit einem lauten Knall und einem roten Blitz erschien eine riesige Gestalt – aus Onkel Vernons Nase. Die Druckwelle, die durch dieses noch formlose Licht entstand, warf Vernon Dursley beinahe um. Er blieb hastig stehen, während kleine Kugeln aus seiner Nase schossen, hielt sich dann die Arme vor sein Gesicht, als könnte er sich so vor dem Zauber wehren. Harry wusste, was das war, auch wenn er es noch nie gesehen hatte, sich schon aber eine Zeit lang wünschte, es endlich einmal zu erleben: Ginnys berühmter Flederwichtfluch, der die Popel des Opfers in kleine Fledermäuse verwandelte, die es dann attackierten; eine grauenvolle Vorstellung, aber für Onkel Vernon genau das Richtige.
Und die Gestalten wurde langsam zu etwas Erkennbarem: Das Licht verwandelte sich schnell in finsterste Schwärze, kleine Flügel erschienen an beiden Seiten der Kugel, wuchsen heran. Der Flederwicht stürzte sich auf Onkel Vernon, der Angriffsschrei des einen und der Angstschrei des anderen vermischten sich mit dem Gekreische von Dudley – und schließlich verschwand der Wicht wieder, Onkel Vernon lag am Boden, blaue Flecken im Gesicht, sein karierter Morgenmantel zerfetzt.
„IHR HABT MICH UMGEBRACHT! IHR HABT MICH UMGEBRACHT!“
„Du lebst!“, rief Harry über Vernons Gebrüll hinweg; er konnte seine Stimme kaum beherrschen vor Lachen, als er sah, wie sich sein Onkel am Boden wandte, kaum fähig, wieder aufzustehen. „Dir ist nichts passiert, das war nur ein harmloser Fluch – trotzdem ein toller, alle Achtung, Ginny.“
Harry lächelte ihr zu; sie erwiderte das Lächeln nicht, ließ ihren Zauberstab sinken. Etwas verwirrt verlor Harry für kurze Zeit die Worte. Erst, als Onkel Vernon endlich wieder aufgestanden war mit der Hilfe von seinem Sohn, der ihm wortwörtlich unter die Arme gegriffen hatte, wusste er wieder, was er sagen wollte.
„Ja – dir ist nichts passiert, aber Tante Petunia. Sie –“ Sollte er ganz ehrlich sein? Völlig genau? Oder sollte er das Detail, dass er es war, der Petunia ausgeknockt hatte, verschweigen? „– sie wurde von einem etwas anderen Zauber getroffen als du. Ein Freund hat sie weggebracht, um sie zu heilen.“
„WAS HABT IHR MEINER FRAU ANGETAN?“ Während Dudley sich hinter seinem Vater zu verstecken suchte (was er natürlich nicht schaffte bei seinem Körperumfang), brach Letzterer wiederum in einen Wutanfall aus; Harry konnte nicht umhin, beeindruckt zu sein, wie gelassen er mit dem Fakt umging, gerade selbst verflucht worden zu sein. „WO IST SIE?“
„Ich hab dir doch gesagt, alles ist in Ordnung!“, entgegnete Harry lautstark. „Vertrau mir, sie wird wieder zu Bewusstsein kommen –“
„SIE IST BEWUSSTLOS?“, keifte Onkel Vernon, während er schon wieder einmal kleine Büschel aus seinem Schnurrbart ausriss; doch es war Dudley, der nun allen Mut zusammenfasste und richtig mit Harry sprach.
„Ha!“, stieß er in einem witzlosen Lachen aus. „Dir vertrauen? Dir? Warum sollten wir das tun? Ich will zu meiner Mutter!“
„Und ich will, dass du jetzt die Klappe hältst und mir zuhörst.“ Harry hatte genug von den Dursleys, endgültig genug; sie sollten jetzt endlich still sein, Vernunft annehmen. Andererseits war es ihm völlig egal, was mit ihnen geschah, und so fiel es ihm nicht schwer, in dem gelangweilten Tonfall zu reden, den er nun für angebracht hielt. „Ihr werdet hier bleiben, zu eurer eigenen Sicherheit. Petunia wird noch im Laufe des Tages zurückkehren, ich bin sicher –“ (und mit diesen Worten wandte er sich an Mrs Weasley) „–, dass wir ein Zimmer für euch drei freihaben, oder?“ Mrs Weasley nickte. „Gut, dann wäre das geklärt. Ihr fragt nicht, worum es hier geht“, richtete er wiederum an Vernon und Dudley, „und stellt euch am besten einfach vor, das wäre ein Urlaub. Und jetzt entschuldigt mich, ich muss mit Hermine etwas besprechen.“
Ohne ein weiteres Wort verließ er den Raum; sogar die Dursleys waren sprachlos geworden angesichts seiner ungerührten, ruhigen Art, die er an den Tag gebracht hatte. Er musste grinsen, als er wieder im Treppenhaus stand.
Hermine erschien hinter ihm und gemeinsam liefen sie die Stufen hinauf; immer noch war nichts mehr von den Dursleys zu hören.
„Ich vermute, diesmal hat es etwas mit den Horkruxen zu tun?“, flüsterte Hermine ihm zu.
Harry nickte. „Erstmal sehen wir nach, ob Ron wach ist, dann besprechen wir alles weitere.“
„Spielen die Briefe in deiner Hand eine Rolle dabei?“
„Jede, die es zu spielen gibt“, antwortete Harry nur; bildete er es sich ein, oder klang er tatsächlich ein wenig wie Dumbledore?
Ron schlief noch, als die beiden sein Zimmer betraten. Seine Decke hatte er im Schlaf vom Bett geworfen, sein Pullover und sein T-Shirt waren hochgerutscht und der Großteil seines Oberkörpers war entblößt. Als Hermine das sah, wandte sie sich schnell ab und blickte aus dem Fenster, bemüht unauffällig, aber Harry merkte, dass ihr Kopf rot angelaufen war. Er ging nicht darauf ein.
„Also, diese Briefe hier“, sagte er, und Hermine richtete ihre Aufmerksamkeit sofort wieder an ihn. Er setzte sich auf sein Feldbett, sie auf Rons Schreibtischsessel. „Die sind von Dumbledore. Er hat sie meiner Tante geschrieben.“
„Dumbledore?“, rief Hermine erstaunt, ihre Augen weit aufgerissen. „Deiner Tante?“
„Ja, aber nicht so laut“, zischte Harry. „Du weckst sonst noch Ron.“
„Der muss es ohnehin auch hören!“, entgegnete Hermine und, alle Scham vor Rons nacktem Bauch vergessen, stand sie auf und ging zu Rons Bett. „Wach auf!“, sagte sie, ihr Kopf direkt neben seinem Ohr.
Ron schreckte hoch; sein Shirt und sein Pullover rutschten hinunter; seine roten Haare standen nach allen Seiten ab, wie die Federn eines Vogels, der gerade durch besonders starken Gegenwind geflogen war.
„Wa- Wadnlos?“
„Briefe von Dumbledore“, sagte Hermine, während sie wieder zum Schreibtisch ging und sich auf den Stuhl setzte.
Rons Mund klappte auf; alle Müdigkeit wich aus seinem Gesicht. „Was?“
„Gut, er ist wach.“ Hermine wandte sich an Harry, mit aufgeregter, neugieriger, gespannter Miene. „Lies vor!“
Harry seufzte. Was erhoffte sie sich? Dass diese Briefe ihnen helfen würden? Es ging doch nur um seine Mutter … um ihn … um Snape … Einen Moment lang dachte er darüber nach, den Inhalt der Briefe weiterhin geheim zu halten – es kam ihm alles so persönlich vor. Aber Ron und Hermine wussten bereits, dass sie existierten, und es wäre unfair, sie nicht vorzulesen; unfair, und vermutlich auch dumm. Vielleicht halfen sie ja doch …
Also las er sie laut, einen nach dem anderen. An einigen Stellen hörte er Hermine deutlich vernehmbar aufatmen, manchmal machte er selbst eine Pause, wenn ihm eine Stelle besonders wichtig vorkam und er Blicke mit den anderen beiden tauschen wollte; hin und wieder blieben seine Gedanken an einer Zeile oder ein paar Wörtern hängen, während er weiterlas, ohne das, was er sagte, noch wirklich wahrzunehmen. Ich habe Grund zu der Annahme, dass Sie etwas besitzen, das mit der magischen Welt zu tun hat … Ihre Großmutter mütterlicherseits … einen gewissen Severus Snape … erst nach meinem Tod …
Nachdem Harry fertig gelesen hatte, sagte erst einmal niemand ein Wort. Gedankenschwere Stille herrschte in Rons Zimmer; Hermines Stirn war gerunzelt, sie biss auf ihre Oberlippe, wie immer, wenn sie nachdachte; Ron hingegen wirkte einfach nur fassungslos.
„Boah“, war alles, was er nach einer Weile herausbrachte.
„Wüsste auch keinen besseren Weg, das zu beschreiben“, sagte Hermine sofort, als wäre Rons Ausdruck der Begeisterung ein Startschuss gewesen, auf den sie gewartet hatte. „Dumbledore hat gewusst, dass er sterben würde.“
„Das hat er“, pflichtete Harry bei, den Blick wieder auf die Briefe geheftet, die nun neben ihm auf dem Feldbett lagen.
„Und er wollte etwas von deiner Großmutter – nein, Urgroßmutter.“ Hermine sah Harry neugierig an. „Eine Ahnung, was?“
„Nein. Ich wollte Tante Petunia fragen, aber sie – also, du weißt ja.“
„Nein, ich nicht!“, warf Ron ein. „Was ist denn mit ihr passiert?“
Hermine sah Harry fragend an, er nickte nur, und so erzählte sie Ron, was passiert war.
Ron zog die Augenbrauen hoch, nachdem Hermine fertig gesprochen hatte. „Es ist ja nicht so, dass nicht alle drei Dursleys das verdient haben – aber trotzdem wüsste ich gerne, warum genau du das getan hast.“
„Allerdings, das möchte ich auch wissen“, stimmte Hermine zu.
„Ich hab doch schon gesagt, ich wollte das nicht!“, erwiderte Harry aufgebracht. „Sie hat mich eben wütend gemacht! Sie wollte mir nichts Genaueres über den Inhalt dieser Briefe erzählen, bevor ich Dudley und Vernon nicht aufgeweckt habe, und ich hab ihr versucht, zu erklären, wie wichtig es ist, dass sie mir jetzt meine Fragen beantwortet! Als sie sich immer noch geweigert hat – ja, da ist dann eben dieser Zauber passiert.“
„Aber warum hast du die zwei nicht einfach aufgeweckt?“ Ron klang verwirrt. „Dann hätte sie sofort geredet.“
Auf diese Frage war Harry nicht vorbereitet gewesen. Er öffnete und schloss seinen Mund mehrmals, bevor er irgendwelche Worte fand, und diese konnte man nicht als die richtigen bezeichnen.
„Ich – ich hab eben gedacht – naja, ich weiß nicht“, schloss er. „Mir waren die Briefe so wichtig, da – da ist mir gar nicht in den Sinn gekommen, irgendetwas anderes zu tun, als endlich mehr über sie herauszufinden. Das versteht ihr doch, oder? Oder?“
Ron und Hermine antworteten nicht; Ron stand auf, trat zu seinem Schrank hinüber.
„Klar, Harry“, sagte er dann; seine Ohren sahen aus, als glühten sie. „Klar verstehen wir das. Ähm – Hermine? Ich würde mich jetzt gerne umziehen.“
„Mach das.“ Hermine war immer noch in Gedanken versunken, so sehr scheinbar, dass sie erst gar nicht erkannte, was sie da sagte. Dann aber lief ihr Kopf in einem noch dunkleren Rot an als eben zuvor Rons Ohren; sie sprang auf, versuchte, etwas zu sagen, ließ es dann aber und verließ Rons Zimmer.
Harry grinste Ron zu, der wie versteinert dastand, und eilte Hermine dann hinterher.
Er erreichte sie erst zwei Stockwerke weiter unten, wo sie stehen geblieben war, um auf ihn zu warten.
„Jetzt gehen wir aber endlich frühstücken“, begrüßte sie ihn sofort, als wollte sie ihn davon abhalten, ein Wort über diese peinliche Szene eben zu verlieren. „Vorhin hab ich nichts gegessen, weil ich so aufgeregt darauf gewartet hab, mehr über dein Gespräch mit deiner Tante zu erfahren – ich bin hungrig, gehen wir.“
„Ja“, stimmte Harry zu, „aber – aber da ist noch etwas.“
Sie standen neben Ginnys Zimmer; bei dem Anblick seiner offenstehenden Tür war ihm wieder das Gespräch eingefallen, dass er belauscht hatte …
„Worüber hast du dich vorhin mit Ginny unterhalten? Kurz, bevor ihr mich entdeckt habt?“
„Entdeckt? Wieso –“ Hermine zog die Augenbrauen zusammen. „Hast du gelauscht?“
„Ich hab – euch gehört. Ich wollte anklopfen, aber dann hab ich euch reden hören, und das klang …“
„Recht interessant.“ Hermine nickte; er hatte erwartet, dass sie verständnisvoll war, und das war sie auch – aber er glaubte, auch Enttäuschung auf ihrem Gesicht zu erkennen. „Ja, das kann ich mir vorstellen. Hast du viel gehört?“
„Nur genug, um mitzubekommen, dass es ein ziemliches Geheimnis ist. Ein unglaubliches Geheimnis.“
„Gut“, sagte Hermine, „aber mehr kann ich dir auch nicht verraten. Ich habe Ginny versprochen, niemandem davon zu erzählen –“
„– und ich danke dir herzlich, dass du dich so daran hältst.“
Harry schreckte hoch. Ginny war in ihrem Zimmer gewesen, hatte sich völlig unbemerkt an ihn und Hermine herangeschlichen. Sie stand im Türrahmen, die Augenbrauen bis unter ihren Haaransatz gehoben, der Blick auf Harry gerichtet. Sie lehnte auf lässige Weise gegen die Wand, als wäre sie ganz ruhig, aber ihre Lippen zitterten; sie war aufgeregt.
„Du lauschst, Harry? Sieht dir gar nicht ähnlich.“ Ginny löste sich von der Wand, kam auf Harry zu; sie blieb direkt vor ihm stehen, und obwohl sie kleiner war als er, spürte er diese Autorität, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte. „Aber das Geheimnis kann auch ich dir nicht verraten. Hermine kam durch Zufall darauf – sie hat ebenfalls ein Gespräch gehört, in ihrem Fall weiß ich allerdings, dass sie nicht lauschen wollte. Eigentlich geht es sie nichts an, genauso wenig wie dich – es ist familiär. Also halte dich bitte raus.“
Dann drehte sie sich um, lief in ihr Zimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
Harry stand da wie angefroren. Großartig. Das hatte ihm gerade noch gefehlt: Streit mit Ginny, mit der er sich eigentlich versöhnen wollte.
„Harry –“
„Vergiss es“, unterbrach Harry Hermine. „Alles gut. Ich hol Ron, geh du vor.“
„Ich –“
„Nein, geh vor. Du hast Hunger, hast du gesagt.“
Er vermutete, dass sie noch etwas entgegnen wollte, sah sie aber nicht mehr an und rannte die Treppe erneut hoch. Der Streit mit Ginny, obwohl so kurz, hatte ihm einen tiefen Schlag versetzt, tiefer noch als die Beobachtung durch den Orden, die ihm verheimlicht worden war; der Streit war schockierender gewesen als die Folterung durch Scrimgeour und Umbridge, die wenigstens nicht gar so unverhofft passiert war – als hätte er etwas Derartiges nicht erwartet. Und gerade weil Harry sich nun so schlecht fühlte, würde Hermine mit ihm darüber reden wollen; dazu hatte er nun wirklich keine Lust.
Aber Harry wusste, dass das nicht der einzige Grund war, warum er nicht mit Hermine zum Frühstück gehen, sondern Ron erst holen wollte. Es ist familiär … Wenn Harry es richtig anstellte, würde er es schaffen, herauszufinden, ob Ron auch von dem Geheimnis wusste, ohne dass dieser mitbekam, dass Harry gelauscht hatte? Oder hatte Ginny wieder einmal gelogen und dieses Geheimnis hatte nichts mit den Weasleys zu tun? So oder so, Harrys Interesse war geweckt – und nachdem er sich ohnehin bereits mit Ginny gestritten hatte, und nachdem Tante Petunia vorerst nicht mit ihm reden konnte, weil sie bewusstlos war (und nach ihrem Erwachen wohl auch nicht sofort zu einem Gespräch bereit sein würde), musste er sich irgendwie beschäftigen. Da kam ein kleines Geheimnis, das er lüften konnte, gerade gelegen; ein so großes oder schreckliches würde es schon nicht sein, dass es wirklich etwas ausmachen würde, wenn er es erfuhr.
„Ah, da bist du ja.“ Ron verließ sein Zimmer bereits, als Harry im fünften Stock ankam, und schloss die Tür bereits. „Hedwig und Pig sind gerade zurückgekommen, ich hab beide wieder in ihre Käfige getan und ihnen ein paar Kekse gegeben. Gehen wir runter.“
„Okay“, sagte Harry; er wollte sich nicht dadurch verunsichern lassen, dass er Ron nicht hatte ausfragen können, während er sich umgezogen hatte, obwohl er so viel mehr Zeit gehabt hätte. Er ging sehr langsam, als sie sich auf die Treppe zubewegten, und Ron fiel dies natürlich auf.
„Was ist denn los?“, fragte er.
„Ähm – mir tun die Beine immer noch ein wenig weh“, log er; wieso machte es ihn stolz, wie schnell ihm diese Lüge eingefallen war? In Wirklichkeit wollte Harry natürlich einfach dafür sorgen, dass sie so lang wie möglich bis zur Küche (und erst einmal auch bis zu Ginnys Zimmer) brauchten, damit er viel Zeit hatte, um hinter das Geheimnis zu kommen.
Ron nahm seine Antwort allerdings hin, versuchte sogar, ihn zu stützen; nach Rons Hilfsbereitschaft fühlte er sich doch ein wenig mies, weil er nicht die Wahrheit gesagt hatte, aber davon ließ er sich nicht ablenken; er war entschlossen, dieses Geheimnis herauszufinden.
„Also, ehrlich, der Fuchsbau ist ja riesig“, sagte er, einer plötzlichen Eingebung folgend. „Gehörte der schon immer den Weasleys?“
„Ja, schon“, antwortete Ron. „Mein Ururgroßvater hat ihn gebaut, und sein Lieblingstier war ein Fuchs, daher der Name … Wieso fragst du?“
„Einfach so“, sagte Harry; diesmal viel zu schnell, wie er merkte. Ron sah ihn ein wenig irritiert an, da fügte er hinzu: „Es kommt mir einfach komisch vor, dass die Familie Weasley kein – Geheimnis oder so etwas hat, wenn sie doch so groß ist.“
„Ist dir unser Blutsverrat nicht skandalös genug?“ Ron kicherte; er hielt Harrys Aussagen scheinbar für Scherze. Harry lachte laut auf, um diesen Eindruck zu unterstützen.
„Naja, keine Ahnung“, sagte er dann aber. „Ich denke, irgendein Geheimnis wird es schon geben. Du willst es mir nur nicht verraten.“
„Also, wenn es dich so sehr interessiert …“ Ron zog den linken Mundwinkel hoch, machte eine nachdenkliche Miene. „Tante Muriel hat angeblich ihren ersten Mann umgebracht; ist natürlich nur ein Gerücht.“
Harry dachte, dass Hermine und Ginny das vermutlich nicht gemeint hatten – was ihm aber nicht klar war, war, dass Ron nur einen Witz gerissen hatte.
„Wieso lachst du denn nicht?“, wollte Ron wissen. „Ich finde die Idee ganz spaßig.“
„Ja, klar!“ Harry lachte zwar gut gespielt, wie er fand, aber viel zu spät; er musste wirklich noch üben, um so gut zu lügen wie Ginny.
Ginny; das war es. Seit Hermine sie eine gute Lügnerin genannt hatte vor weniger Zeit, seitdem hatte er mehrmals gedacht, er sollte lügen, war stolz, wenn es ihm gelang. Er wollte so sein wie Ginny, mit ihr auf einen gemeinsamen Nenner kommen; irgendwie dafür sorgen, dass er ihr Interesse wieder gewann. War sein Unterbewusstsein so tief gesunken, dass es ihn dazu brachte, es nun damit zu versuchen, Ginnys schlechteste Eigenschaft zu kopieren?
„Was ist denn los, Harry?“, fragte Ron; er grinste. „Willst etwa du mir irgendetwas verheimlichen?“
Harry grinste zurück, antwortete aber nicht. Das Geheimnis war ihm plötzlich egal, und er verstand, dass es ihm die ganze Zeit egal gewesen war; es war ihm ständig nur um Ginny gegangen.

Das Frühstück war das erste an diesem Tag gewesen, was halbwegs ruhig verlaufen war. Hermine hatte ihn flüsternd fragen wollen, ob er sich mit Ron über ihr Gespräch mit Ginny unterhalten hatte, aber als er bemerkt hatte, worüber sich Hermine da erkundigte, hatte er hastig den Kopf geschüttelt; Ron hatte es bemerkt und ihnen einen verdächtigenden Blick zugeworfen, aber ansonsten hatte Harry nicht über dieses Geheimnis nachgedacht; bis auf den einen kurzen Moment, in dem Ron die Küche verlassen hatte, um auf die Toilette zu gehen, da hatte er Hermine gegenüber gestanden, dass er versucht hatte, aus Ron das Geheimnis herauszubekommen. Seit Ron zurückgekehrt war, hatte Harry ihn absichtlich kein einziges Mal mehr angesehen, um zu verhindern, wieder an das Gespräch von Ginny und Hermine erinnert zu werden.
Dudley und Vernon waren von Mrs Weasley zu Petunia gebracht worden, die, wie Harry nun erfahren hatte, im Grimmauldplatz Nummer zwölf lag; Moody hatte sie nicht ins St. Mungo bringen wollen, um lästige Fragen zu entgehen, da er überzeugt war, dass auch Lupin Petunia aufwecken konnte. Allerdings war Harrys Tante noch nicht wach gewesen, als Mrs Weasley die anderen beiden Dursleys dort abgeladen hatte.
Außerdem hatte Harry herausgefunden, warum er Bill und Fleur den ganzen Tag noch nicht gesehen hatte: Sie waren in die Winkelgasse gegangen, um dort Fleurs Eltern und ihre kleine Schwester Gabrielle zu erwarten, die heute aus Frankreich einreisen würden.
„Jede Minute sind sie da!“, rief Mrs Weasley aufgeregt, zwei Stunden, nachdem sie Harry ein Spiegelei nach dem anderen aufgedrängt hatte. „Wenn Arthur doch bloß auch hier sein könnte … Aber nein, der muss arbeiten, für diesen verfluchten Mistkerl Scrimgeour, der zulässt, dass Harry gefoltert wird!“
Nervös wie sie war, schrubbte, putzte sie alles, was sie erreichen konnte, ließ den Staubwedel über alles zum fünfzigsten Mal gleiten, lief hoch in Freds und Georges Zimmer, welches während den Delacours während ihres Aufenthalts gehörte, mit einem zusätzlichen Bett für Gabrielle, auf welchem für gewöhnlich Hermine schlief, wenn sie hier im Fuchsbau war. Dort strich Mrs Weasley immer und immer wieder die Decken glatt, schüttelte die Polster auf, öffnete das Fenster, damit die Delacours frische Luft hatten, schloss es wieder, damit es nicht zu kalt wurde.
Als Ron sie fragte, warum sie so ausflippte, schrie sie ihn an: „Monsieur und Madame Delacour sollen einen perfekten Eindruck von uns haben! Ihre Tochter wird deinen Bruder heiraten, also sei lieber froh, dass ich das Haus in Ordnung halte, sonst verbieten sie Fleur die Hochzeit noch!
Ginny war bisher nicht aus ihrem Zimmer gekommen; erst jetzt hörte Harry, wie sie die Treppe heruntergelaufen kam, ihre schnellen Schritte leise. Ihr Gesicht war wutverzerrt und Harry befürchtete, sie wäre immer noch so aufgeregt wegen ihm; doch ihr Zorn galt scheinbar nicht ihm, sondern Mrs Weasley.
„Hast du gesehen, was für ein Kleid Fleur mir antun will?“, fauchte sie wie eine wütende Katze.
„Ja, und ich finde es ganz entzückend!“, erwiderte Mrs Weasley. „Du und Gabrielle, ihr seid Blumenmädchen, und du hast kein Recht, dich über das Kleid zu beschweren, das Fleur für euch aussucht!“
„Aber es ist pink! Ich dachte, wir würden ein goldenes Kleid tragen!“
„Das hat Fleur auch gedacht, aber da hat sie auch noch geglaubt, sie würde ein azurblaues Hochzeitskleid tragen! Sie hat dann doch ein weißes gewählt und da passt Gold nun einmal nicht dazu, meint sie, also leb damit!“
„ICH WERDE KEIN PINK TRAGEN!“
„DU WIRST TRAGEN, WAS FLEUR VON DIR VERLANGT!“
„‘ier sind wir! Wir sind da! Maman, sieh dir dieses ‘aus an, ist es nischt fabel’aft?“
Mrs Weasley wandte sich augenblicklich von Ginny ab, als sie Fleurs Ruf hörte. Ginny war noch nicht fertig mit ihrem Streit und zischte ihrer Mutter zu, sie solle wieder herkommen, doch sie lief bereits aus dem Wohnzimmer in die Küche zur Hintertür. Harry, Ron und Hermine folgten ihr.
„Mum, die Sicherheitsfragen!“, sagte Bill, als Mrs Weasley ohne Umschweife die Tür öffnete.
„Ach, vergiss den Müll!“ Mrs Weasley zog ihren Sohn herein. „Monsieur Delacour! Madame Delacour! Und die kleine Gabrielle! Wie schön es ist, Sie endlich zu treffen!“
Fleur trat hinter Bill ins Haus und Mrs Weasley machte einen Schritt zur Seite, sodass Harrys Blick auf die Delacours, die er zwar schon einmal im Laufe des Trimagischen Turniers vor etwas weniger als drei Jahren in Hogwarts gesehen hatte, da allerdings nur sehr kurz, endlich zur Gänze frei war.
Monsieur Delacour war ein stattlicher, großer Mann in einem schwarzen Zaubererumhang, der auf Harry ungefähr so wirkte wie ein feiner Anzug der magischen Welt. Er hatte zwar eine sehr hohe Stirn und grauweißes Haar, dieses aber in buschigen Mengen, an beiden Seiten seines Kopfes hinab fallend. Er trug einen Schnurrbart unter seiner markanten Nase, ebenso buschig wie der von Onkel Vernon, aber nicht ganz so einsam auf seinem Gesicht, da Fleurs Vater sich auch Koteletten wachsen ließ. Er machte einen sehr strikten Eindruck, erinnerte Harry ein wenig an Barty Crouch, aber er wirkte nicht unfreundlich; zumindest lächelte er, wobei er gelbliche Zähne entblößte.
Madame Delacour war wie ihre Tochter eine reine Schönheit mit langem, offen getragenem Haar, das aber von einem dunkleren Blond war als das von Fleur; es fiel über ihre Schulter bis beinahe zu ihren Hüften hinunter. Sie lächelte mit ihren traumhaft weißen Zähnen, ihre blauen Augen strahlten über jeden einzelnen, den sie erblickte, blieben am längsten an Mrs Weasley und dann an Harry hängen.
Gabrielle kannte Harry bereits, und wie damals sie aus wie eine geschrumpfte Fleur. Sie trug ein ebenso begeistertes Lächeln wie ihre Mutter, auf ihrem Gesicht vermischte es sich allerdings mit einer kindlichen Aufregung, die den Zauber, welchen Fleur und Madame Delacour ausstrahlten, stark abschwächte.
„Kommen Sie herein, kommen Sie herein!“, forderte Mrs Weasley die Delacours auf, mit den Händen winkend, sich verbeugend. „Oh, wie schon es ist, Sie endlich begrüßen zu dürfen!“
„Die Freude ist ganz unsererseits“, sagte Monsieur Delacour; zu Harrys Überraschung sprach er völlig akzentfrei. „Wenn ich uns vorstellen darf? Das ist –“
„Oh, non, Papa!“, rief Fleur und griff nach dem Arm ihres Vaters. „Natürlisch stelle isch eusch vor! Molly, das ist mein Vater, Clement. Und das ‘ier ist meine wunderschöne Maman, Isabelle! Und natürlisch meine Schwester, Gabrielle.“
„Guten Tag“, sagte Gabrielle.
Bill, der neben Harry stand, beugte sich zu diesem hinunter und flüsterte ihm ins Ohr: „Sie und Fleur haben heute den ganzen Vormittag lang geübt, damit sie diese zwei Wörter akzentfrei hinbekommt.“
Harry hatte kaum Zeit, zu lachen, da erschrak er, als Isabelle Delacour plötzlich laut keuchte.
„Aber Sie sind ‘Arry Potter!“, rief sie. „Isch ‘abe es vor’in schon gedacht, aber isch war mir nischt sischer! Ist er es, Fleur?“
„Qui“, sagte Fleur, und ehe Harry es sich versah, hatte Madame Delacour ihre Arme um ihn geschlungen.
„Du ‘ast damals meine Toschter gerettet, während des Trimagischen Turniers!“ Sie drückte ihn an sich, so fest, wie er es bisher nur von Rubeus Hagrid gewohnt war; sie küsste ihn auf beide Wangen, erneut und erneut. „Isch bin nie dasu gekommen, dir rischtig su danken!“
„Schon in Ordnung“, krächzte Harry, während Madame Delacours großer Busen ihn zu ersticken drohte.
„Lass ihn los, Isabelle“, sagte Monsieur Delacour. Als seine Frau dies getan hatte, stürzte aber er sich sofort auf Harry, packte seine Hand, nahm sie in seine und schüttelte sie kräftig. „Harry Potter, dank Ihnen lebt unsere Tochter noch!“
Scheinbar hatten Fleurs Eltern genauso wenig wie Fleur selbst verstanden, dass Harry damals nicht wirklich Gabrielles Leben gerettet hatte; es hatte sich nie in ernsthafter Gefahr befunden.
„Schon in Ordnung“, wiederholte Harry verlegen, aber Clement Delacours Aufmerksamkeit war ohnehin schon wieder auf etwas anderes gerichtet, als seine Frau erneut einen Ruf der Begeisterung ausstieß.
„Und das muss Schinny sein!“
Ginny hatte gerade die Küche betreten und Fleurs Eltern waren beide bereits bei ihr, um sie händeschüttelnd zu begrüßen. Überrascht wusste Ginny nichts zu erwidern, als Madame Delacour sagte: „Bill und Fleur ‘aben uns schon so viel über disch ersählt! Du bist das sweite Blumenmädschen, nischt wahr?“
Harry blickte seitlich zu Ron; wie er befürchtet hatte, sah dieser sehr grimmig aus. Ihn hatten die zwei nicht so überschwänglich begrüßt, obwohl er, wie Ginny, mit dem zukünftigen Ehemann ihrer Tochter verwandt war. Ron hasste es, im Schatten seiner Geschwister zu stehen.
Mrs Weasley zeigte Monsieur und Madame Delacour und Gabrielle zusammen mit Bill und Fleur ihr Schlafzimmer, während Harry, Ron, Hermine und Ginny im Hof, wo Mrs Weasley einen großen Esstisch aufgestellt hatte, letzte Vorkehrungen trafen, die ihnen aufgetragen worden waren. Sie legten ein weißes Tischtuch auf den Tisch, deckten diesen und versicherten sich ein letztes Mal, dass die Stühle nicht von Vögeln beschmutzt worden waren, obwohl Mrs Weasley ohnehin mit acht verschiedenen Schutz- und Selbstreinigungszaubern dafür gesorgt hatte, dass dies nicht passieren konnte.
Die Delacours und Bill stießen bald zu ihnen und nahmen Platz, während Mrs Weasley in der Küche das Mittagessen vorbereitete.
„In fünf Tagen ist es also so weit“, sagte Monsieur Delacour, als er sich hinsetzte, ein zufriedenes Lächeln auf seinem Gesicht. „Meine Tochter wird heiraten. Und dabei kann ich mich noch so genau an den Tag erinnern, als sie zum ersten Mal gezaubert hatte …“
„Papa, nischt“, kicherte Fleur, doch ihr Vater hatte bereits zu erzählen begonnen, und er schien sich nicht mehr aufhalten lassen zu wollen. Erst als Mrs Weasley mit dem Essen kam, beendete er seine Geschichten aus Fleurs Vergangenheit.
„… und so hat sie gelernt, dass ein Baum nicht dasselbe wie ein Meer ist“, schloss er nach mehr als fünfundvierzig Minuten, während Mrs Weasley einen großen Topf in die Mitte des Tisches stellte.
„Bouillabaisse, wie ich gehört habe, das Lieblingsessen der ganzen Familie Delacour“, kommentierte sie das, was sie angerichtet hatte.
„Da ‘aben Sie absolut rischtig ge’ört, meine Liebe!“, rief Madame Delacour; Harry fiel auf, dass sie im Grunde genommen immer sehr laut sprach, und auch sehr laut lachte, wie er vorhin mitbekommen hatte, als ihr Mann eine, wie sie fand, besonders witzige Geschichte erzählt hatte.
„Also bitte, wir sollten das Siezen lassen“, schlug Monsieur Delacour vor. „Bald sind wir alle eine Familie, da können wir einander ruhig duzen.“
„Du hast Recht, Clement.“ Mrs Weasley nickte übertrieben, während sie die Teller mit Bouillabaisse anfüllte. „Und wie gesagt, es tut mir unendlich Leid, dass mein Mann heute nicht dabei sein kann – er muss in letzter Zeit unerhört viel arbeiten, darf sich nicht einmal für einen so besonderen Tag wie heute freinehmen.“
„Kein Problem, kein Problem.“ Monsieur Delacour wartete geduldig darauf, bis auch die anderen volle Teller hatten. „Solange er bei der Hochzeit dabei ist.“
„Wo wir gerade von der ‘ochseit spreschen“, warf Madame Delacour ein – als ginge es an diesem Tag nicht ausschließlich um die Hochzeit. „‘ier in England gibt es doch sischer die gleischen Bräusche wie in France?“
„Also – nun, ich weiß nicht so genau.“ Mrs Weasley klang sehr verunsichert; sie füllte den letzten Teller, ihren eigenen, setzte sich dann und fuhr fort: „Fleur kann das sicher besser beurteilen.“
„In den Vorbereitungen ‘abe isch einige Bräusche wieder entdecken können“, sagte Fleur sofort zu ihrer Mutter; Mrs Weasley seufzte erleichtert, aber nur so laut, dass Harry, der neben ihr saß, es hören konnte.
„Was ist mit quelque chose ancien, quelque chose nouveau?”, fragte Madame Delacour.
„Ist dabei!“, antwortete Fleur fröhlich. „Ansonsten ‘ätte isch Bill diesen Brauch eben beigebrascht. Quelque ist mir sehr wischtig.“
„Von dem Brauch hab ich aber nichts gehört“, meinte Bill.
„Oh doch, du Dummerschen.“ Fleur lachte. „Aber natürlisch, du kennst den Ausdruck nur in deiner Sprache. Etwas Altes, etwas Neues.“
„Den gibt’s auch bei den Muggeln“, rief Harry; er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, wie eine Hochzeit unter Magiern aussah, aber dass sie sich mit den Muggelhochzeiten ausgerechnet einen solch nebensächlichen Brauch teilen sollten, überraschte ihn doch.
„Das glaubst du vielleischt“, erwiderte Madame Delacour belustigt; aber schon im nächsten Moment wirkte sie wütend: Ihre Augenbrauen waren zusammengezogen, ihre Nasenflügel weiteten sich. „Wir Zauberer in France ‘aben diesen wunderbaren Brauch erfunden, um die Vergangen’eit und die Sukunft der Braut mit dem Bräutigam auszudrücken – dann ‘at so ein betrunkener Engländer – nischts gegen euch alle – die Seilen etwas Gelie’enes, etwas Blaues ‘insugefügt, und diese Muggel haben den Spruch so übernommen.“
„Genug aufgeregt für heute, Isabelle“, sagte Monsieur Delacour, wiederum lächelnd. „Iss deine Bouillabaisse, sonst wird sie kalt. Sie ist übrigens köstlich, Molly.“
So aßen sie, tranken sie (nachdem Mrs Weasley erschrocken festgestellt hatte, dass sie vergessen hatte, den Wein herauszubringen und diesen schnell unter einigen Entschuldigungen gebracht hatte) und plauderten sie eine ganze Weile lang. Irgendwann ließ Harry den Blick über den Garten schweifen, gelangweilt von Monsieur Delacours Geschichten. Krummbein war zwischen den hohen Büschen auf Jagd nach Gnomen; zwei davon standen währenddessen beim Hauseingang und lachten gackernd, während sie Steine sammelten, mit denen sie Krummbein vermutlich bewerfen wollten. Harrys Augen fielen auf den Eingang – und auf zwei rothaarige Menschen, die dahinter standen.
„Irgendwo hier muss es doch sein“, sagte einer der beiden, und seine Stimme wurde vom Wind an den Tisch im Hof getragen. „Weißt du den Zauber noch, mit dem wir hineinfinden?“
„Nein“, entgegnete der andere.
„Fred, George!“ Mrs Weasley sprang hoch, eilte zum Tor und riss es auf. Sofort wandten sich die Zwillinge an sie.
„Da ist das Tor also“, sagte George.
„Ich wusste doch, dass es hier in der Nähe ist!“ Fred trat in den Hof, gefolgt von seinem Bruder. „Ganz schön gemein, dass wir zu den Menschen gehören, die nicht ohne Weiteres hier reinkommen, nur, weil wir volljährig sind.“
„Also, wo sind unsere ehrenwerten Gäste?“, fragte George.
Mrs Weasley führte die beiden zum Tisch, stellte sie den Delacours vor und wies sie an, Platz zu nehmen. Während ihre Mutter zwei weitere Weingläser holen lief, unterhielten sich die Zwillinge mit Monsieur Delacour, der sehr interessiert war an dem Scherzartikelladen der beiden.
„Vor kurzem haben wir begonnen, einen Ohrstöpsel zu entwickeln, der einem die Antworten auf die meisten Fragen zuflüstern kann, welche man in der Schule gestellt bekommt“, sagte George stolz, als Fleurs Vater nach ihren neuesten Erfindungen gefragt hatte.
„Ja, Ron hier hat uns doch tatsächlich auf diese Idee gebracht“, warf Fred grinsend ein. „Wissen Sie, er ist der Weasley, der am wenigsten unter all den Weasleys hervorsticht – da ist so ein Erfolg hin und wieder mal etwas richtig Schönes!“
Selbst Harry fand, dass Fred zu weit gegangen war. Er konnte es Ron nicht verübeln, dass er nun wütend wurde, und hätte damit gerechnet, dass er zu schreien begann. Doch es dauerte einige Sekunden, bevor Ron etwas entgegnete – und was ihm dann über die Lippen kam, das hätte Harry nie erwartet. Nicht einmal erwarten können. Und er verstand auch nicht, was Ron damit meinte, als er mit leiser Stimme sagte:
„Vielleicht hast du Recht – aber wenigstens bin ich ein Weasley.“
„So ist es richtig, Ron“, sagte George lachend, nachdem er erst ein weniv verwirrt ausgesehen hatte. „Immer positiv denken.“
„Nein, du verstehst mich falsch.“ Ron hatte den Kopf gesenkt, seine Haare fielen über seine Augen und verdeckten sie; Harry sah Ginny, ihr Gesicht auf die Fläche ihrer rechten Hand gestützt, ihren Kopf schüttelnd, und Hermine, erschrocken und fassungslos, die Hände auf ihren Mund geschlagen. „Ich bin wenigstens ein Weasley. Ich kann das wenigstens von mir behaupten, ohne zu lügen. Ist das nicht fürs erste quelque chose nouveau genug für Sie, Madame Delacour?“


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