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Harry Potter und die Totenrelikte - Der Gehängte Mann

von Wizardpupil

Harry stutzte. „Wir sind in Great Hangleton? In der Nähe von Little Hangleton? Das ist ja wunderbar!“
Als er Hagrids erstaunten Gesichtsausdruck erkannte, versuchte er schnell, abzulenken. Er hatte daran gedacht, dass Little Hangleton ein mögliches Horkrux-Versteck war und etwas zu viel verraten. Die Riddles hatten in Little Hangleton gelebt.
Aber Harry verstand nicht, was Hagrid damit meinte, dass es eine schlechte Idee wäre, den Friedhof zu besuchen.
„Na, schön“, sagte er, die Stirn in Falten gelegt, um von seinem vorigen glücklichen Aufschrei abzulenken, „das ist wirklich eine gute Deckung. Aber ich kapier nicht ganz, wieso es so eine schlechte Idee ist, den Friedhof von Great und Little Hangleton zu besuchen. Wann war ich schon mal dort?“
Hagrids Mund fiel auf, seine Augen weiteten sich in Erstaunen.
„Du weißt es gar nicht?“, polterte er; dann schreckte er plötzlich hoch, schloss den Mund hastig wieder und, unter fürchterlichem Erröten, versuchte wohl, so normal wie möglich weiterzureden. „Tja, dann – gar nichts is‘ schlimm dran, der Friedhof is‘ nur so weit weg! Komm, geh’n wir wieder, ich –“
„Nein, warte.“ Harry hob die Hand, um Hagrid, der schon an ihm vorbeigehen wollte, aufzuhalten.
„Hätt‘ ich doch bloß nichts gesagt“, murmelte Hagrid; er blieb tatsächlich stehen, obwohl er Harry natürlich ganz einfach hätte mit sich reißen können.
Harry verstand nun. Die Riddles hatten hier gelebt. Waren hier gestorben. Voldemorts Vater lag auf dem Friedhof von Little Hangeleton.
„Harry –“
„Voldemort ist dort wieder auferstanden!“ Harry starrte Hagrid entsetzt an. „Meine Eltern sind auf dem Friedhof begraben, auf dem ich vor zwei Jahren Voldemorts Rückkehr mit angesehen habe?“
Hagrid schien keine passende Antwort zu finden. Nachdem er mehrmals den Mund geöffnet und wieder geschlossen hatte, sah er Harry einfach nur mit einem Blick an, der zeigte, dass er befürchtet hatte, Harry würde so erschrocken reagieren.
„Schon klar, dass dir das nah geht, Harry, aber –“
„Nein – ich meine – doch. Aber wieso hat mir niemand etwas davon gesagt?“
Hagrid lief – wieder einmal – rot an. „Nu ja, weißt du … Dachten eben, das wäre …“
„Zu viel für mich?“ Harry hörte, wie sein Zorn in seiner Stimme mitschwang. Er lachte, kühl und humorlos. „Zu viel für mich? Dir ist schon klar, wer hier vor dir steht?“
Harry verstummte sofort; das hatte nicht nach ihm geklungen. Und so hatte er es auch nicht ausdrücken wollen.
Hagrid schien ebenfalls verblüfft. „Also, naja – klar bist du echt mutig und alles, und –“
„Schon gut, hör auf.“ Harry schloss die Augen, atmete tief durch. Diese Stimmungsschwankungen, diese Ausbrüche, wie sein Charakter sich andauernd verändert – Harry kannte das. Er hatte das schon einmal erlebt. Und er wusste jetzt, woran das wahrscheinlich lag. „Hör auf, rede bitte nicht weiter. Bring mich bitte zu dem Friedhof. Ich möchte die Gräber meiner Eltern sehen.“
Hagrid reagierte nicht sofort. Er sah Harry verwunder an, sein Mund stand in einem komischen runden „O“ offen. Harry wünschte, Hagrid würde endlich etwas sagen, sich bewegen, aber er wollte ihn nicht dazu auffordern, in der Angst, wieder so seltsam zu klingen – so seltsam zu werden. Stattdessen nutzte er die Zeit, um über die Erkenntnis nachzudenken, die er gerade gewonnen hatte.
Volemort war wieder in seinem Geist. Dessen war er sich sicher. Die Stimmungsschwankungen, die Ausbrüche, der plötzliche Wunsch, Pettigrew zu töten, vorhin im Haus. Vielleicht erklärte das sogar, warum er die Zeit vor seinem Geburtstag so merkwürdig wahrgenommen hatte.
„Also gut“, holte Hagrid ihn aus seinen Gedanken. „Ich bring dich hin. Da müssen wir aber durch die Stadt. Hol denen Zauberstab raus.“
„Und wenn die Muggel –“
„Is‘ jetzt egal. In die Nähe dieses Hauses hier traut sich Du-Weißt-Schon-Wer wahrscheinlich nicht mehr – aber es sieht ihm wohl ähnlich, in der Nähe des Ortes zu leben, wo er untergegangen is‘, um seine Macht zu zeigen oder sowas – das haben Moody und McGonagall gesagt. Wenn er dich sieht und gleich angreift –“
„Schon klar.“
Die beiden gingen schweigend nebeneinander die Straße entlang weiter durch den Wald, Harry mit seinem Zauberstab in der Hand, Hagrid mit seinem Regenschirm. Harry dachte weiter über Voldemort nach, nun nicht mehr nur darüber, dass er ihn vermutlich in sich hatte, sondern auch darüber, dass er möglicherweise hier ganz in seiner Nähe war. Auch wenn er nicht unbedingt Angst hatte, so gingen ihm doch Hagrids Worte unaufhaltsam durch den Kopf. Es sieht ihm wohl ähnlich, in der Nähe des Ortes zu leben, wo er untergegangen ist … Was, wenn er Voldemort begegnen würde? Er hatte noch keinen einzigen Horkrux zerstört … Aber wenn Voldemort hier tatsächlich irgendwo war, wieso hatte der Orden Harry dann nur Hagrid zu seinem Schutz mitgegeben? War das wieder Beweis dafür, wie ungeschickt der Orden sich in letzter Zeit anstellte, wie dumm und unvorsichtig? Harry vertraute Hagrid – aber zu zweit würden sie gegen Voldemort und seine Todesser ankommen.
Sie erreichten den Rand des Waldes und standen nun wieder am Ufer des Flusses, den sie für eine Weile nicht mehr gesehen hatten. Der Fluss spaltete sich dort, wo sie waren, mündete rechts direkt in einen viel größeren Fluss, machte links, bevor er das gleiche tat, noch eine Abbiegung und trennte damit eine kleine Insel vom Rest der Stadt ab, die Harry nun sehen konnte.
Es war ein etwas merkwürdiger Anblick: Alle Häuser waren weiß und hatten rote Dächer, als wären sie alle von der selben Person erbaut worden, waren in ihrer Form allerdings vollkommen unterschiedlich; von einer Kirche bis zu kleinen Einfamilienhäusern, manche breiter, manche länger, bis zu großen Wohnhäusern schien es hier alles zu geben, was auch in modernen Städten zu finden war. Anders als in den moderneren Gebieten wirkte alles hier allerdings sehr altmodisch, mit einfachen Strukturen und mehr Holz als Steinen. Zudem standen die Gebäude in so unterschiedlichen Abständen voneinander da, waren in so viele verschiedene Richtungen ausgerichtet, dass man von einem regelrechten Wirrwarr an Häusern sprechen konnte. Es wirkte wie eine sehr idyllische Kleinstadt. Ein Schild in Harrys Nähe verkündete den Namen des Ortes: Great Hangleton.
„Dumbledore hat Godric’s Hollow draus gemacht, weil er gehofft hat, dass Godric Gryffindor euch in seinem Schoß hat und beschützt.“ Harry wandte sich zu Hagrid um, der glücklich auf ihn herab lächelte. „Du-Weißt-Schon-Wer wär nie auf die Idee gekomm‘n, dass Dumbledore euch direkt vor seiner Nase in der Nähe von dem Ort versteckt, wo sein Vater gewohnt hat.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Wenn diese Ratte es ihm nich‘ verraten hätte.“
Harry antwortete nicht; er hatte keine Lust zu reden, wollte nur endlich zum Friedhof und all das hier hinter sich bringen. Die beiden gingen weiter. Auf den Straßen war niemand; es war mittlerweile schon sehr späte Nacht geworden, aber es war sehr hell in der Stadt, weil die Wolken endlich völlig verschwunden waren und der Mond so kräftig schien. Würden nicht alle Menschen hier schlafen, so vermutete Harry, würden er und Hagrid wohl von einigen misstrauischen Blicken aus den Fenstern der Häuser verfolgt werden.
Am anderen Ufer des großen Flusses erkannte Harry Äcker und Felder am Fuße eines weiteren Berges. Es war eine unglaublich friedliche Gegend. Er konnte es sich gut vorstellen, hier zu wohnen. Vielleicht würde er irgendwann einmal wieder hier her ziehen? Wenn die Schlacht geschlagen war; zusammen mit Ginny …
Der Fluss wand sich um die Stadt herum, trennte sie von dem Friedhof ab, zu dem sie wollten. Über eine Brücke gelangten sie auf die andere Seite des Flusses, standen vor einem weiteren Berg voller Bäume. Sie liefen ein Stück um den Berg herum und erreichten einen Pfad, der dort hinaufführte.
„Fast da“, sagte Hagrid nach einer Weile, während sie dem Pfad immer weiter den Berg hoch folgten. „Rechts runter geht’s nach Little Hangleton. Auf dem Hügel hier steht auch das Haus der Riddles, aber weiter hint‘n. Der Friedhof ist – aha.“
Sie waren an dem Tor eines Zauns angelangt, eines schwarzen, hohen Gitterzauns. Dahinter sah Harry andere Bäume als die Tannen um sie herum – Eiben. Und zwar ohne Blätter, als würde hinter diesen Gittern Herbst oder tiefster Winter herrschen. Nun, da Harry tatsächlich so nah an dem Friedhof war, spürte er eine kalte, alte Angst in sich hochkommen. Hier war es passiert …
„Der Friedhof ist groß“, sagte Hagrid, der Harry eine Zeit lang nur beobachtet hatte. „Ziemlich groß. Du-Weißt-Schon-Wer ist wahrscheinlich ganz weit weg von den Gräbern von deiner Mum und deinem Dad zurückgekomm’n. Wir werd’n an der Stelle sicher nicht vorbeilauf’n.“
„Woher weißt du das alles? Dass der Friedhof so groß ist?“, wollte Harry wissen.
„Ich war schon mal hier.“ Hagrid seufzte. „Mehrmals. Da warst du noch ganz klein, hast bei den Dursleys gewohnt. Da hab ich öfter die Stadt besucht und den Friedhof … Hab Lily und James besucht …“ Er schniefte, wischte sich mit seiner großen Hand die Augen aus und sagte dann hastig: „Aber das is‘ jetzt egal. Komm mit, wir sollt’n reingeh’n.“
Hagrid öffnete das Tor; wie einfach und unbeschwert er das tun konnte. Er war ja auch nicht hier gewesen, als Voldemort hinter diesem Zaun aus einem Kessel emporgestiegen war …
Aber schon trat Harry hinter Hagrid auf den harten, steinigen Boden, schloss das Tor hinter sich.
Harry hatte den Friedhof etwas anders in Erinnerung. Es war nun genauso Nacht wie damals, also konnte man nicht behaupten, dass es diesmal heller war – aber durchaus weniger bedrohlich als vor etwas mehr als zwei Jahren. Harry vermutete, dass das damit zu tun hatte, dass er diesmal nicht unfreiwillig hier her verschleppt worden war und Lord Voldemort dabei zu sehen musste, wie er seine Macht wiedererlangte.
Ein Kieselweg, an beiden Seiten abgegrenzt von überraschend grünem, gesund aussehendem Gras, aus dem im Widerspruch dazu die blätterlosen Eiben wuchsen, führte ein ganzes Stück weit bis zu einem Punkt, an dem er sich spaltete; ein Weg führte nach rechts weiter, einer nach links, hinter den abstoßend leblosen Bäumen entlang ins Ungewisse. Harry fragte sich, auf welcher Seite die Gräber der Riddles, auf welcher die seiner Eltern lagen – und hoffte, dass sie nicht direkt nebeneinander standen …
„Hier lang.“ Hagrid gab Harry einen aufmunternden Klaps auf den Rücken, der leider etwas zu enthusiastisch ausfiel; wie so oft, wenn Hagrid ihn berührte, fiel Harry beinahe auf die Knie. „Ups, entschuldige. Also, wir müssen nach rechts.“ Und er fügte hinzu, als wollte er Harry beruhigen, „Das Haus der Riddles is‘ auf der linken Seite, blickt über Little Hangleton. Wenn ich mich richtig erinnere, hat Dumbledore gesagt, dass Du-Weißt-Schon-Wer dort irgendwo in der Nähe – na, du weißt schon. Wir müssen nach rechts. Wir kommen dort nich‘ vorbei, Harry. Versprochen.“
Harry sah in Hagrids Gesicht. So freundlich, so vertrauensselig … Er wollte jetzt keine Schwäche zeigen. Er erinnerte sich plötzlich daran, dass Hagrid auch früh beide Eltern verloren hatte. Dass er wohl auch oft das Grab seines eigenen Vaters besucht hatte …
Harry lächelte und nickte zuversichtlich. Hagrid strahlte vor Begeisterung, ging ihm voraus um die Biegung nach rechts.
Das Gras war tatsächlich merkwürdig grün. Sogar für den Sommer ein bisschen zu dunkel, saftig, lebendig. Harry konnte sich nicht erklären, wie aus diesem Gras solche hässlichen Bäume wachsen konnten.
Es dauerte eine Weile, bevor die ersten Gräber in Sicht kamen. Hagrid hatte Recht: Der Friedhof war außergewöhnlich groß. Eher wie ein kleiner Wald, dachte Harry zuerst, aber er irrte sich: Wo die Gräber begannen, aufzutauchen, begann der Wald, zu verschwinden. Nur die eine oder andere Eibe war noch zu sehen.
Die Gräber gehörten Menschen, von denen Harry noch nie etwas gehört hatte. Jemand namens Monk, ein Riser, ein paar Gimlores, zwei Bryces … Und zwischen all diesen Toten, die Harry nicht kannte, sollten auch seine Eltern liegen? Harry konnte es sich kaum vorstellen. Hoffentlich hatten sie wenigstens einen Sonderplatz, abseits von allen anderen – vielleicht sogar einen Altar, für den Dumbledore gesorgt hatte oder Hagrid oder Sirius oder Lupin – oder ein eigenes Mausoleum? Für einen verrückten Moment überlegte Harry, ob er das Mausoleum seiner Eltern als Stützpunkt für die Horkrux-Suche benutzen könnte …
„Wir sin‘ da.“
Es war kein Mausoleum, auch kein Altar oder Schrein. Aber abseits standen die beiden Gräber, ganz nah am Zaun, hinter dem die Tannen zu sehen waren, deren Äste durch die Gitterstäbe über die Grabsteine hingen, als würden sie sie schützen – oder als würden die Gräber ihnen Leben geben, als wären sie der Grund, warum hier keine Eiben, sondern Tannen standen …
Lily Gina Potter, 14. Februar 1960 bis 31. Oktober 1981, stand auf dem einen grauen, viel zu einfachen Grabstein, umgeben von viel zu wenigen Engelsgesichtern, über einem Grab, aus dem viel zu wenige Blumen wuchsen – aber doch, da waren welche … Und auch wenn Harry keine Ahnung von Blumen hatte, so war er sich doch sicher, weiße und rote Lilien zu erkennen. Er wollte es einfach so gerne, dass das Lilien waren.
James Basil Potter, 1. Jänner 1960 bis 31. Oktober 1981, stand auf dem anderen Grabstein, der ansonsten genauso aussah wie der Lilys. Im Grab aber waren kaum Blumen, die nicht verwelkt waren.
Harry war sehr nah an die Gräber herangetreten, ohne es bemerkt zu haben. Ein Schritt, und er würde zwischen den beiden Gräbern stehen. Welchem würde er sich dann zuerst zuwenden?
„Hast du nicht gesagt, du warst hier öfters?“, fragte Harry an Hagrid gewandt. „Warum sind dann so wenige Blumen hier? Und alle so verwelkt?“
Hagrid senkte den Kopf, als wäre er beschämt. „Ich vergess ständig, Wasser mitzunehmen – und ich bin nich‘ sehr sicher mit dem Zauberstab, das weißt du ja, ich hab immer Angst, dass ich was kaputt mache an den Gräbern –“
„Schon okay.“ Es hatte kein Vorwurf sein sollen; Harry war erst ein wenig erschrocken. „Ich verstehe das. Es wundert mich nur, dass die in dem Grab meiner Mutter so viel frischer sind als die in dem meines Vaters.“
Warum ihm das überhaupt auffiel, wusste er nicht. Warum er nicht auf die Knie gefallen war, zu weinen begonnen hatte, er konnte es sich nicht erklären. Aber irgendwie hatte er nicht den Drang dazu verspürt. Kaum hatte er die Gräber gesehen, war in ihm plötzlich etwas hochgekommen, etwas aufgewacht. War das – war das die alte Motivation, mit der er damals an Fluffy vorbei in die tiefsten Kerker von Hogwarts geschlichen war, um den Stein der Weisen zu retten? Mit der er in die Kammer des Schreckens vorgedrungen war, um Ginny zu befreien? Mit der er gelernt hatte, die Dementoren zu bekämpfen? Mit der im Angesicht des Todes gekämpft und Voldemort kurz nach seiner Auferstehung entkommen war? Mit der er ins Ministerium geeilt war, um Sirius zu retten – zusammen mit seinen Freunden? Mit der er Dumbledore begleitet hatte, um einen Horkrux zu finden? War sie nun wieder da?
Er blickte erneut auf die Gräber. Ja, das war es. Lily Gina Potter, James Basil Potter, gestorben am 31. Oktober 1981. Sie waren für ihn gestorben. Sie hatten ihn geliebt. Und jetzt musste er für sie kämpfen, für sie die Horkruxe finden und zerstören, für sie Voldemort vernichten.
Jetzt war er bereit.
„Hagrid?“
„Ja?“ Obwohl er nur wenige Schritte entfernt stand, lief Hagrid auf ihn zu, als wäre der Aufruf seines Namens ein Hilferuf gewesen. „Was willst du?“
„Geh zurück zum Motorrad.“ Harry hörte die – diesmal ehrliche – Zuversicht in seiner Stimme, den Willen. „Hol Ron und Hermine und bring sie nach Little Hangleton. Ich gehe schon vor, ich werde mich dort umsehen. Wenn du Ron und Hermine hergebracht hast, sollen sie mich in der Stadt suchen. Dich muss ich bitten, dass du mit McGonagall ausmachst, dass wir drei – Ron, Hermine und ich – schon morgen nach Hogwarts zurückkehren und es als Stützpunkt benutzen wollen, wenn das möglich ist. Kannst du das alles tun?“
Hagrid schien hin und her gerissen zu sein – als wollte er einerseits Harry seine Bitten nicht abschlagen, kämpfte aber andererseits mit etwas; Harry ahnte, was es war.
„Ich kann dich doch nich‘ allein lassen“, sagte Hagrid und bestätigte damit, was Harry vermutet hatte.
„Doch, bitte.“ Harry lächelte. „Es ist alles in Ordnung. Unser Auftrag beginnt jetzt. Hagrid, wir besiegen Voldemort.“
Hagrid schreckte bei der Nennung des Namens hoch, fing sich aber fast augenblicklich wieder.
„Bist du dir ganz sicher, dass ich gehen kann?“
„Ja“, antwortete Harry, „aber beeil dich. Bring Ron und Hermine so schnell her wie du – nein!“ Harry fiel es wieder ein. „Die suchen nach dem Medaillon! Oh nein, ich bin so dumm! Dort brauchen sie mich jetzt!“
„Also kann ich dich wieder mitnehmen?“, wollte Hagrid wissen, der so begeistert über dies schien, dass er ganz zu fragen vergaß, von welchem Medaillon Harry sprach.
Harry dachte nur kurz nach, dann sagte er sofort: „Nein. Ich geh allein in die Stadt, mir wird dort nichts passieren.“
„Und wenn –“
„Voldemort ist nicht dort.“ Diesmal glaubte Harry sich selbst nicht ganz; war Voldemort nicht immer dort, wo Harry auch war? „Wenn es so wäre, würde meine Narbe doch fürchterlich schmerzen. Ich spüre gar nichts.“
Hagrid war nicht überzeugt. „Aber –“
„Bitte, Hagrid. Geh zurück zum Grimmauldplatz. Frag Ron und Hermine, ob sie schon etwas gefunden haben, wenn ja, bring sie damit her, wenn nein, lass sie weitersuchen. Erklär ihnen, wo ich bin – erlaube ihnen aber nicht, nachzukommen. Sie werden das wohl versuchen. Sprich mit McGonagall, wenn du uns helfen möchtest, bereite alles für unsere verfrühte Rückkehr ins Schloss vor. Ist das in Ordnung?“
Hagrid antwortete nicht und Harry dachte, er würde immer noch mit sich ringen. Er wollte schon etwas hinzufügen – als Hagrid den Kopf schüttelte. Aber scheinbar nicht, um ihm zu widersprechen.
„Es ist unglaublich“, flüsterte er, in bewunderndem Tonfall. „Diese ruhige Art, so überzeugt von dir selbst – und mich hast du auch überzeugt … Harry, du wirst immer mehr wie Dumbledore.“
Harry fühlte, wie er errötete; Hagrid sagte es schon wieder. „Danke – also, wenn ich dich überzeugt hab“, stammelte Harry, um schnell das Thema zu wechseln, „tust du dann, worum ich dich gebeten habe?“
Hagrid nickte wild. „Oh ja. Oh ja.“ Der Blick, mit dem Hagrid ihn bedachte, war äußerst merkwürdig. „Harry, ich wünsch dir viel Glück, was immer du auch in der Stadt da unten finden willst. Seh dich dann.“
„Danke, Hagrid.“
„Kommst du nicht noch wenigstens mit bis vor das Tor?“ Hagrid deutete mit der Hand über seine Schulter. „Dann könn’n wir noch ‘n Stück zusamm’n geh’n.“
„Ich bleib noch kurz hier“, erwiderte Harry.
„Ja, natürlich.“ Hagrid grinste, dann drehte er sich um und lief zwischen den Gräbern der fremden Menschen zurück zu dem kleinen Wald.
Harry wandte sich den Gräbern zu. Er sah auf das seiner Mutter.
Wieso blüht aus deiner Erde mehr als auf Papas Grab? Wer gießt diese Blumen, Mama?
War es Dumbledore gewesen? Das würde erklären, warum auch die Blumen auf Lilys Grab schon verwelkt waren – Dumbledore war schon ein paar Monate tot. Aber warum hätte Dumbledore Harry nicht mitnehmen sollen? War es vielleicht Lupin gewesen? Ja, das war das Wahrscheinlichste. Der hätte einen Grund gehabt, Harry nicht dabei haben zu wollen: Er hätte es wohl einfach nicht über sich gebracht, jemand anderen mitzunehmen. Harry konnte sich gut vorstellen, dass Lupin seine Eltern lieber allein besuchte. Er selbst hätte das auch, im Nachhinein betrachtet, lieber allein getan, auch wenn er natürlich dankbar für Hagrids Hilfe war.
Harry sah die Gräber ein letztes Mal an – James Basil … Harry kicherte; der Name war doch ganz schön blöd.
Er drehte sich um und verließ wie Hagrid vorhin die Gräber, ging hastig durch den Wald zurück zum Tor, öffnete es (hatte es vorhin auch schon so gequietscht?) und verließ den Friedhof. Es war doch seltsam gewesen, die letzten Ruhestätten seiner Eltern zu sehen. Jetzt erst, wo er schon von ihnen weggegangen war, kam es ihm. Er war seinen Eltern noch nie so nahe gewesen.
Er wandte sich nach links; Hagrid war nicht mehr zu sehen. Von dort waren sie gekommen, dort ging es nach Great Hangleton. Er musste nach Little Hangleton, auf die andere Seite.
Während er sich auf den Weg machte, fragte er sich, wo sich das Haus der Gaunts befand. Er erinnerte sich, dass Dumbledore und er damals Odgen an einem Schild vorbei gefolgt waren, auf dem gestanden hatte, dass Little Hangleton noch eine, Great Hangleton aber fünf Meilen entfernt war. Auf diesem Berg konnte es also nicht sein … Little Hangleton befand sich zwischen zwei Hügeln, wusste er außerdem noch. Also war er auf dem, den er damals im Denkarium von Weitem gesehen hatte.
Es dauerte überraschend lang, bis der Weg endlich wieder etwas abfiel und Harry bergab zu laufen begann. Nachdem er einer Kurve um einige hohe Tannen gefolgt war, sah er sie.
Die Stadt Little Hangleton, kleiner als Great Hangleton, wie der Name schon sagte, und etwas anders gestaltet (hauptsächlich braune Häuser statt weißen mit roten Dächern) lag tatsächlich zwischen den zwei Bergen, an die er sich noch erinnert hatte. Diesmal war er auf der Seite des Riddle-Hauses. Das Anwesen türmte nicht weit weg von ihm am Rand des Hügels; weiter hinten konnte Harry eine Kirche erkennen, bei welcher auch der Friedhof sein musste.
Harry lief den Rest des Berges hinab, stand am Rand der Stadt. Er drehte sich um und blickte erneut hoch zum Anwesen der Riddles. Der Efeu verdeckte beinahe jede Stelle des Gebäudes. Dort würde Harry schon bald nach Hinweisen suchen, aber erst wollte er in der Stadt nachfragen. Vielleicht wussten die Leute hier etwas, merkwürdige Geschichten über das Haus und dessen Besitzer …
Und dann fiel Harry der Traum wieder ein, den er gehabt hatte. Ja, der alte Mann, der dort oben gestorben war, im Riddle-Haus … Lord Voldemort und Pettigrew hatten dort die Rückkehr des Dunklen Lords geplant.
Eine Aufregung überkam ihn. Wo sollte ein Horkrux zu finden sein, wenn nicht an einem solchen Ort wie dem Anwesen der Riddles? Doch mit der Aufregung kam ein anderes Gefühl.
Angst.
Was, wenn Voldemort das Haus immer noch als Hauptquartier benutzte? Nein, Dumbledore hatte es sicher geprüft, Voldemort konnte nicht mehr dort sein.
Und doch … Harry fand den Plan, sich erst in der Stadt umzuhören, gut.
Da es Nacht war, war natürlich niemand auf den Straßen, auch wenn der Mond unwahrscheinlich hell schien. Es war dumm gewesen, anzunehmen, dass er noch jemanden hier antreffen würde. Er lief zwischen den vielen Häusern hindurch, an streunenden Katzen und hohen Mülltonnen vorbei, suchte nach Licht hinter einem der Fenster.
Dann hörte er Musik.
Überrascht drehte er seinen Kopf in die Richtung, aus welcher die Musik kam. Es waren fröhliche, laute Klänge, aber doch irgendwie beruhigend – jazzig, fand Harry, auch wenn er wenig Ahnung von Musik hatte. Mit den Tönen drangen auch Stimmen an Harrys Ohren. Auch die Stimmen waren laut, sie lachten. Es klang fast nach einer Feier.
Er lief die Straße entlang und kam schließlich bei der Quelle der Musik an: Ein Wirtshaus, über dessen Tür ein Schild seinen Namen verkündete. Der gehängte Mann. Neben dem Namen befand sich das Bild einer abgetrennten, blauen Hand mit langen, rissigen Fingernägeln und einer Kerze zwischen Zeige- und Mittelfinger. Am Docht der Kerze schien eine Art Glühbirne zu sein, die in Form einer Kerzenflamme brannte. Die Flamme leuchtete wohl nur dann, wenn das Wirtshaus offen war – jetzt war es das mit Sicherheit. Nun, da Harry direkt vor der Tür stand, konnte er die Stimmen darin sogar singen hören.
Das wäre ein guter Ort, um Geschichten zu hören, dachte er.
Er öffnete die Tür und betrat das Haus. Da die Fensterläden geschlossen waren, hatte er nicht gewusst, was ihn erwartete. Der Pub war altertümlich eingerichtet, ohne elektrisches Licht, Öllampen an der Decke, alles aus Holz, von den Tischen und Bänken zum Tresen, an welchem eine Gruppe von betrunkenen Männern – darunter scheinbar der Wirt, der sich über den Tresen hinweg beugte – gerade ein Lied mit einem sehr tiefen, ausklingenden Ton beendeten. Niemand hatte bemerkt, dass er eingetreten war, scheinbar auch nicht die Gäste, die an den Tischen saßen. Das waren sogar sehr viele: Frauen gleich wie Männer, sogar Jugendliche, die sich wohl heimlich hier her geschlichen hatten, um Alkohol zu trinken. Harry fragte sich, ob vielleicht deshalb in keinem anderen Haus Licht brannte, weil alle Einwohner der Stadt hier waren, und nicht, weil sie schliefen.
Harry sah sich um, auf der Suche nach Leuten, die dazu willig erschienen, mit ihm zu reden. Einige spielten Karten, andere starrten trübselig in ihre Gläser, wieder andere unterhielten sich munter mit anderen, scheinbar Freunden. Keiner wirkte so, als hätte er Zeit für oder Lust auf ein Gespräch mit ihm. Da er nicht vorhatte, aufzufallen oder sich jemandem aufzudrängen, wollte er das Wirtshaus schon wieder verlassen – als sein Blick auf eine Frau fiel, die er kannte.
Nein, das konnte nicht möglich sein – was machte die denn hier?
Eingewickelt in einen weiten, schwarzen Mantel, unzählige Tücher und Schals um ihren Hals, eine runde Brille auf ihrer Nase, durch welche ihre Augen viermal vergrößert zu sein schienen – obwohl Professor Trelawney wie fast alle anderen hier auch ein Glas Alkohol – in ihrem Fall natürlich Sherry – neben sich stehen hatte, wirkte sie so fehl am Platz, wie man nur wirken konnte. Und zurecht: Harry konnte sich nicht vorstellen, dass sich außer ihr (und ihm natürlich) sonst noch ein magisches Wesen hier befand.
Harry wusste nicht, ob er auf Trelawney zugehen oder lieber schnell flüchten sollte. Einerseits würde es ihn schon interessieren, was sie hier tat – andererseits kam es ihm so vor, als wäre es sogar noch eine bessere Idee, statt Trelawney den riesigen, muskelbepackten, glatzköpfigen Mann mit einem Gesichtsausdruck, als wäre er bereit zu töten, in der hinteren Ecke des Raumes anzusprechen.
Aber dann war es ohnehin zu spät: Trelawney sah kurz hoch, bemerkte Harry – und ihre Augen öffneten sich noch weiter, so unmöglich dies auch schien.
„Harry Potter?“, rief sie mit ihrer rauchigen Stimme, sprang auf und starrte ihn ungläubig an. „Was – was machen Sie denn hier?“
Alle im Pub hatten sich ihr zugewendet, aber nun sahen sie zu Harry. Abgesehen von den neugierigen Blicken der meisten war es vielmehr das bedrohliche Starren des Glatzkopfs, der Harry dazu bewog, sofort zu Trelawney zu gehen, um den Rest des Gesprächs unauffällig fortzuführen.
Als die beiden sich setzten, wandten sich die anderen wieder ihren Beschäftigungen zu.
„Was machen Sie hier?“, fragte Trelawney erneut. „Ich muss sagen, ich bin doch sehr überrascht, Sie –“
„Was machen Sie überhaupt hier?“, fiel Harry ihr ins Wort; er hatte nicht vor, über seine Beweggründe, nach Little Hangleton zu kommen, zu sprechen.
Trelawney hob die Augenbrauen. „Ich wohne hier. Seit ein paar Jahren schon.“
Harry wurde sofort hellhörig. „Ach ja? Wie lang genau?“
„Ungefähr … zehn Jahre“, antwortete Trelawney, die Stirn gerunzelt; Harry glaubte nicht, dass sie auch sie redselig wäre, wenn nicht schon sechs leere Flaschen Sherry auf ihrem Tisch stehen würden. Er würde diese Situation gerne ausnutzen, aber wenn Trelawney erst seit zehn Jahren in Little Hangleton wohnte, hatte sie von dem Mord an den Riddles nichts mitbekommen …
„Harry Potter, ich muss Ihnen etwas mitteilen!“, flüsterte Trelawney dann plötzlich. „Etwas Schreckliches!“
Harry musste sich zusammenreißen, um nicht laut aufzustöhnen – egal, was Trelawney ihm erzählte, es war immer etwas Schreckliches.
Sie griff tief in eine Tasche ihres Mantels und holte eine Packung Karten hervor.
„Wann immer ich für Sie lege“, zischte sie dabei; sie zog eine der Karten aus dem Stapel und legte sie auf den Tisch, „der Tod lächelt mich an!“
Die Karte, die Trelawney gezogen hatte, zeigte tatsächlich den Tod. Ein Skelett mit einem schwarzen Umhang, der ein Pferd durch ein Feld voller Toten ritt.
Harry sah wieder hoch in Trelawneys Gesicht. Sie hatte sich weit vorgebeugt und betrachtete Harry starr und fixierend, als wartete sie auf seine Reaktion.
„Ähm …“ Ihm fiel nicht ein, was er sagen könnte. „… danke für die Info, aber –“
„Das ist noch nicht alles!“, unterbrach sie ihn dann, zog eine weitere Karte und legte sie neben die Tod-Karte. „Das Rad des Schicksals, mein Junge, das Rad des Schicksals! Noch haben Sie es selbst in der Hand, ob der Tod Sie ereilt, Harry Potter – noch!“
Und dann plötzlich fiel Trelawneys Kopf mit einem lauten Knall auf den Tisch, direkt auf der Tod-Karte. Die restlichen Karten in ihrer Hand landeten auf dem Boden.
Sie schnarchte sehr laut.
„Lass sie liegen.“ Harry blickte hoch; der Glatzkopf starrte gelangweilt zu ihm hinüber. „Das passiert ihr jedesmal.“


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Als ich das erste Harry-Potter-Buch las, habe ich mir meinen Bademantel angezogen und so getan, als ob ich Harry wäre. Ich rannte im ganzen Haus herum uuund... kann nicht fassen, dass ich das gerade erzählt habe.
Matthew Lewis