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Fanfiction

Harry Potter und die Totenrelikte - Das Ende des Slug-Klubs

von Wizardpupil

Harry hatte Ron nach dessen Prüfung nicht mehr gesehen, sondern hatte seine eigene begonnen, nachdem die Hexe an der Rezeption durch einen Zauber informiert worden war, dass Ron fertig war. So hatte er ihn erst später im Atrium getroffen, wo er bereits mit Mr Weasley auf ihn gewartet hatte. Wie Harry hatte Ron keine Schwierigkeiten gehabt, die Prüfung, die aus wenigen Apparationen erst innerhalb des Raumes, dann hinaus in die Hauptstraße von Hogsmeade und einige abgelegene Orte bestanden hatte, zu meistern.
Harry konnte es kaum noch erwarten, Ron und Hermine von dem seltsamen Mann zu erzählen. Aber er wollte nicht vor Mr Weasley darüber reden – warum auch immer.
Mr Weasley erlaubte den beiden, nach Hause zu apparieren, begleitete sie aber, aus reiner Vorsicht. Sie erschienen heil in der Nähe des Fuchsbaus, in dem sie aufgrund der Schutzzauber nicht hätten landen können, gingen ein kleines Stück und befanden sich schließlich wieder im Wohnzimmer des Hauses der Weasleys, wo sie von Mrs Weasley und Hermine empfangen wurden. Harry ließ Mrs Weasleys Gratulationen und viele Umarmungen über sich ergehen, hatte es aber eilig, mit Ron und Hermine in Rons Zimmer zu verschwinden – das tat er auch sofort, als Mrs Weasley sich endlich wieder an ihre Hausarbeit machte und Mr Weasley zurück ins Ministerium apparierte.
„Was gibt es denn so Dringendes?“, wollte Hermine wissen, als sie Rons Zimmertür zuschlug.
„Woher weißt du, dass ich euch etwas erzählen will?“, fragte er verwirrt; er hatte ihnen noch nicht gesagt, dass er etwas auf dem Herzen hatte.
„Dein Blick, deine Art“, antwortete Ron für Hermine, „wie du die Treppen hochgerannt bist als wäre in meinem Zimmer der Schlüssel zur Vernichtung Voldemorts und wenn du ihn anfasst, würdest du in einer Welt aufwachen, in der du Großvater von hundertzwanzig fröhlich um dich herumtanzenden Enkelkindern bist.“
„Sehr kreativ“, sagte Hermine, mit einem überraschten Blick auf Ron. „Kommen da etwa deine persönlichen Wunschträume hervor?“
Rons Ohren wurden rot, aber Harry wollte keine Zeit verschwenden. Er erzählte ihnen von dem Mann, von dem seltsamen Flüstern und dass er eine Verbindung zwischen den beiden fühlte. Hermine runzelte die Stirn, als er zu Ende gesprochen hatte.
„Bist du sicher, dass das so wichtig ist?“, sagte sie.
Harry fühlte sich von der Frage überrumpelt. Hatte er das denn tatsächlich als wichtig empfunden?
„Ich – also – naja, ich weiß nicht … vielleicht. Der Schleier ist sicher wichtig, an den wollen wir schließlich rankommen.“
„Ja, gut, wir wollen zum Schleier“, stimmte Hermine zu, „aber – aber dieser Mann? Der war einfach zufällig in der Mysteriumsabteilung, oder? Zur gleichen Zeit wie du. Wenn ein anderer aus der Tür gekommen wäre, hättest du wohl auch eine Verbindung zwischen ihm und dem Schleier gesehen, einfach, weil du in der Nähe des Schleiers warst.“
„Ja, gut – vielleicht …“ Harry wollte sich nicht so leicht geschlagen geben. „Aber er hat meinen Namen gewusst, er hat sich von mir verabschiedet und mich Mr Potter genannt! Ich hab ihm meinen Namen nicht gesagt.“
Ron grunzte belustigt. „Entschuldigung, aber wann kannte jemals jemand nicht deinen Namen?“
„Richtig.“ Hermine nickte.
„Aber – aber das Flüstern ging von ihm aus!“ Harry konnte sich, anders als Ron und Hermine, die es mittlerweile getan haben, nicht setzen; der Gedanke an diesen Mann hielt ihn auf den Beinen – etwas war seltsam an ihm, bemerkenswert – und doch auch wichtig …
„Das hast du dir bestimmt nur eingebildet“, erwiderte Hermine; dann aber wurde sie nachdenklich. „Dieses Flüstern allerdings … das beschäftigt mich.“
„Der Ruf des Schleiers?“
Hermine blickte auf. „Ruf? Du nennst es Ruf?“
„Ja – also, ja …“ Harry zuckte mit den Schultern. „Es klang wie ein Rufen.“
Ron und Hermine sahen einander an, allerdings nur eine Sekunde lang. Was dieser Blickaustausch zu bedeuten hatte, erkannte Harry ganz plötzlich.
„Nein, so ist es nicht!“ Er schüttelte energisch den Kopf, als würde es die beiden überzeugen. „Der Schleier hat mich nicht gerufen, weil er – weil er will, dass ich durchgehe, oder so etwas. Das wäre ja, als – als wolle er, dass ich sterbe.“
Harry lachte einen Augenblick lang, recht trocken und humorlos; aber die besorgten Mienen wichen nicht von Rons und Hermines Gesichtern.
„So ist es wirklich nicht“, versicherte er ihnen. „Hinter dem Schleier befindet sich die Welt der Toten, vielleicht, kann sein – aber deswegen ist der Schleier doch kein Mörder oder so etwas, er treibt niemanden an, in ihn rein zu springen oder so –“
„Und was ist“, sagte Ron, und er klang, als hätte er Schwierigkeiten, es auszusprechen, „was ist … wenn er eine Art Omen ist?“
Die Stille, die daraufhin herrschte, ging Harry unter die Haut.
„Nein“, durchbrach er sie schließlich. „Das ist Blödsinn. So etwas wie Omen – so etwas gibt es nicht, das ist Trelawney-Niveau. Oder willst du ernsthaft behaupten, der Schleier hätte mir mitteilen wollen, dass ich – dass ich bald …“
Er wandte sich hilfesuchend an Hermine; sicher würde sie seiner Meinung sein, würde gleich erklären, dass so etwas wie Todesomen nicht existierte, und würde mit dem richtigen Grund herausrücken, warum Harry den Ruf des Schleiers gehört hatte? Aber sie schwieg, sagte überhaupt nichts. Zumindest für eine Weile.
„Du hast dieses Flüstern doch auch damals gehört, als wir in der Mysteriumsabteilung waren, oder?“, fragte sie dann, nach einer kurzen Zeit, in der sie nur in Gedanken versunken Harry angestarrt hatte.
„Ja“, sagte Harry; dann erinnerte er sich an etwas. „Genauso wie Luna.“
Hermine hob die Augenbrauen. „Soll das ein Trost sein?“
Harry ignorierte den Seitenhieb auf Luna. Diese letzte Aussage Hermines beruhigte ihn; sie scherzte. Das musste bedeuten, dass sie die Lage nicht als ernst betrachtete, dass sie nicht dachte, dass dieser Schleier ihm tatsächlich seinen –
„Harry, ich glaube, wir sollten das mit jemandem besprechen“, unterbrach Hermine seine erleichterten Gedanken. „Lupin zum Beispiel. Er könnte sich mit solchen Dingen auskennen. Und übrigens –“, fügte sie hinzu, auf Harrys entsetztes Gesicht hin, „– ich glaube natürlich nicht, dass der Ruf des Schleiers deinen Tod bedeutet, Harry.“ Er war tatsächlich beruhigt; so beruhigt sogar, dass er endlich das Verlangen verlor, zu stehen, und sich auf sein Bett sinken ließ. „Vielleicht hast du dir das Flüstern genauso eingebildet wie dessen Verbindung zu diesem Zauberer.“
„Ja“, sagte Harry, „vielleicht.“ Aber weder der Ruf des Schleiers noch dessen Ursprung in dem seltsamen Mann gingen ihm für den Rest des Tages aus dem Kopf, und selbst als er sich abends schlafen legte, war er immer noch überzeugt, dass er sich nichts von beidem eingebildet hatte.
Doch am nächsten Morgen sah alles anders aus.
Der Mann war vergessen, als eine erneute Welle der Enttäuschung Harrys Kopf durchströmte und völlig für sich beanspruchte. Nun, da Harry und Ron auch apparieren konnten, hätte Harry erwartet, dass sich bei der Suche nach den Horkruxen ein Fortschritt zeigen würde. Warum das so sein sollte, wusste er nicht, und er war auch nicht wirklich überrascht, als diese unbegründete Hoffnung platzte; dennoch deprimierte es ihn. Sie hatten immer noch keine Ahnung, wer das Medaillon gekauft haben könnte – außer, Harrys Befürchtung war richtig und ein Todesser hatte es an sich genommen und schon längst zu Voldemort gebracht. Das Ende der Untersuchungen in der Winkelgasse war immer noch nicht in Sicht, wie Mr Weasley berichtete, als er am Vormittag des nächsten Tages verfrüht von seiner Arbeit nach Hause kam, weil seine Abteilung zur Zeit wenig zu tun hatte.
„Es herrscht eine Ruhe zwischen den Stürmen, wenn man so will“, erklärte er. „Irgendetwas scheint Voldemort dazu bewegt haben, sich für eine Weile zurückzuziehen. Bald schlägt er sicher wieder zu, darauf könnt ihr wetten.“
Da kein Erfolg in Aussicht war, zog Harry es schon in Erwägung, die Orte aufzusuchen, die sie als mögliche Verstecke zwar ausgeschlossen hatten, für den Fall der Fälle aber doch bereisen wollten, hätten sie mit denen, die auf ihrer Liste nicht durchgestrichen waren, keinen Erfolg – aber die Wahrscheinlichkeit, dass in Spinner’s End, im Haus der Malfoys oder in Hogwarts (wo sie jetzt ohnehin noch nicht hingehen konnten) ein Horkrux versteckt war, war so gering, dass er sich nicht einmal dazu aufrappeln konnte, seine Idee Ron und Hermine vorzuschlagen.
Harry fühlte sich so untätig, dass er vor Aufregung beinahe zu zittern begonnen hätte, als Mr Weasley sich nach dem Mittagessen geheimnisvoll zu ihm hinüberbeugte und ihm zuflüsterte: „Kann ich ein Wort mit dir reden, Harry? Allein?“
Harry erwiderte nicht einmal die fragenden Blicke mit Ron und Hermine aus, die ihm gegenüber am Tisch saßen, sondern erhob sich sofort. Neue Informationen erhoffend, etwa zu Mundungus‘ Tod, zu außergewöhnlichen Vorkommnissen oder zu dem Auftauchen eines magischen Geistes, der Mr Weasley ein Medaillon in die Schoß geworfen hatte, folgte Harry Mr Weasley in den Hof.
„Was gibt es?“, fragte Harry in dem Augenblick, in dem Mr Weasley die Tür zum Haus schloss.
„Harry, ich muss mit dir über etwas reden.“ Mr Weasley nahm seine Brille ab und putzte sie mit dem Saum seiner Weste, während er weitersprach. „Es geht um das Angebot, das Alastor und Minerva dir – im Namen des gesamten Ordens – gemacht haben.“
Harrys Aufregung verschwand; und mit ihr schien auch seine Miene zu sinken, denn als Mr Weasley seine Brille wieder aufsetzte und Harry direkt ansah, wirkte er entsetzt.
„Nimm es mir doch bitte nicht so übel!“, rief er. Dann seufzte er. „Ich wollte dich nur fragen, ob du darüber nachgedacht hast –“
„Meine Meinung hat sich nicht geändert“, fiel Harry ihm ins Wort. Er hatte nicht das Gefühl, dass er sich anhören musste, was Mr Weasley zu sagen hatte. „Meine Antwort bleibt die gleiche. Ich trete dem Orden nicht bei, weil ich denke – nein, weiß, dass es damit zu tun hat, dass ich – Sie wissen schon, der Junge bin, der lebt. Ansonsten würden Ron und Hermine auch in den Orden aufgenommen werden – genauso, um genau zu sein, wie auch Ginny, Neville Longbottom und Luna Lovegood, denn die hätten es auch verdient, nicht weniger als ich.“
Mr Weasley sah Harry mit einem traurigen, sorgenvollen Blick an. Harry fühlte sich wegen dieser Gefühle, die Mr Weasley da zeigte, nicht schuldbewusst.
„Ich glaube, du begehst einen großen Fehler“, sagte Mr Weasley.
„Ich nicht“, erwiderte Harry nur.
Keiner von beiden sagte danach noch etwas. Dieses Schweigen, während dessen sie einander direkt in die Augen blickten, dauerte so lange, dass Mr Weasley schließlich aufgab. Er seufzte erneut, sagte mit bedauernder Stimme „Deine Entscheidung“, und ging Harry voran wieder in das Haus zurück.
In der Küche erwartete Mrs Weasley sie, und als Mr Weasley den Kopf schüttelte und seine Frau Harry daraufhin mit sorgenvoll gerunzelter Stirn ansah, wurde Harry klar, dass dieses Gespräch eben schon eine Weile geplant gewesen war. Harry ging wortlos an den beiden vorbei ins Wohnzimmer, wo er Ron und Hermine vorfand. Gerade, als er sich zu ihnen setzen und ihnen erzählen wollte, was Rons Vater mit ihm besprochen hatte, klopfte es am Fenster.
Vier Eulen, die jeweils ein recht großes Paket mit sich trugen, flatterten vor dem Fenster auf und ab und bedeuteten Harry mit wildem Krächzen, dass er sie hineinlassen sollte.
Harry lief zum Fenster und öffnete es. Die Eulen gaben ein Geräusch von sich, dass beinahe Erleichterung ähnelte, und landeten direkt auf dem Boden neben der Wand, wo sie ihre Pakete ablegten und den Fuchsbau dann sofort wieder durch das Fenster verließen. Harry schloss es, dann wandte er sich den Paketen zu.
„Von Hogwarts“, sagte er, als er das Wappen der Schule auf dem braunen Papier erkannte. In den Schnüren, mit denen die Pakete eingewickelt waren, steckten außerdem Briefe mit Hagrids unverkennbarer Handschrift.
„Unsere Schulbücher!“, rief Hermine. Sie sprang vom Sofa und wäre beinahe gestolpert auf dem Weg zu Harry, der wiederum fast gelacht hätte.
Ron hingegen lachte tatsächlich. „Dass dich Bücher so in Aufregung versetzen können, während du ganz ruhig täglich mit uns über Horkru-“
Die Vorfreude auf neue Lektüre wich von Hermines Gesicht; sie drehte sich so schnell um, dass es Harry erneut nicht gewundert hätte, wenn sie gestolpert wäre.
„Ron, psst!“, sagte sie. Ron wurde sofort still und er, Harry und Hermine wandten sich gleichzeitig zur Küche um, in welcher Mr und Mrs Weasley waren. Ihre leisen Stimmen drangen schwach ins Wohnzimmer – sie hatten Ron nicht gehört.
„Das ist gerade nochmal gut gegangen“, sagte Hermine, erleichtert ausatmend. „Ron, du kannst doch nicht einfach so über – über du-weißt-schon-was sprechen, wenn Leute in der Nähe sind!“
Ron starrte Hermine wütend an. „Ach ja?“, entgegnete er im Flüsterton. „Wer siegelt denn mein Zimmer magisch gegen Lauscher ab, wenn er schlecht über den Orden spricht, nicht aber, wenn er sich mit anderen über geheime Informationen zu Voldemort unterhält?“
Harry verstand nicht, was Ron meinte. Hermine entgegen stöhnte genervt.
„Willst du mir das immer noch vorhalten?“, fauchte Hermine. „Als ich Harry damals gesagt habe, dass ich das Verhalten des Ordens ungut finde, wollte ich eben nicht, dass deine Eltern etwas mitkriegen!“ Harry erinnerte sich jetzt daran; als er und Hermine sich zum ersten Mal darüber ausgetauscht haben, dass Orden wohl etwas vorhatte, was nicht in Ordnung war, hatte Hermine Rons Zimmer mit Zaubern belegt. „Es war mir eben peinlich, schon allein deshalb, weil ich mir nicht sicher war! Aber im Allgemeinen glaube ich nicht, dass deine Eltern vor deiner Zimmertür stehen und uns belauschen, und da ohnehin kein Todesser in den Fuchsbau kommen kann, ist es auch nicht nötig, Sicherheitszauber zu sprechen!“
„Ja, ja, schon gut.“ Ron rollte mit den Augen. „Tut mir Leid. Du weißt nur, dass ich –“
„Dass du es nicht okay findest, dass wir dem Orden misstrauen“, beendete Hermine den Satz für Ron. „Schon klar. Können wir uns jetzt den Büchern zuwenden?“
Ohne eine Antwort abzuwarten stürzte sich Hermine auf das Paket, dessen angehängter Brief an sie adressiert war. Harry reichte Ron sein Paket, stellte Ginnys auf dem Kamin neben ihm ab und öffnete sein eigenes.
„Sind ja recht wenige, wenn man bedenkt, dass es unser UTZ-Jahr ist“, meinte Ron, der Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 7 aufgeschlagen hatte.
„Das liegt daran, dass wir hauptsächlich Bücher aus der Bibliothek benutzen werden müssen“, erwiderte Hermine, die die Inhaltsangabe von einem Buch nach dem anderen durchlas. „Hmm … ich kenne die alle schon, bis auf drei. Das für Alte Runen, das für Kräuterkunde – und das für Verteidigung gegen die dunklen Künste.“
Harry, der eben überrascht festgestellt hatte, dass sich Geschichte von Hogwarts ebenfalls unter seinen Schulbüchern befand, und gerade hätte fragen wollen, für welches Fach das wohl sein sollte, blickte neugierig auf. „Denkst du, es könnte uns nützlich sein?“
Hermine machte eine skeptische Miene. „Leben, Tod und Seele – eine Studie von Vindictus Viridian … ich weiß ja nicht …“
„Seele?“ Ron holte seine eigene Ausgabe des Buches hervor. „Klingt doch ganz so, als könnten wir das gebrauchen, oder?“
„Ich les es mir einmal durch und teile euch dann meine Meinung mit“, sagte Hermine; Harry und auch Ron, wie an seinem Lächeln abzulesen war, waren ganz und gar zufrieden mit diesem Vorschlag.
Harry hatte das Gefühl, dass Hermine das Buch noch am selben Abend vor dem Schlafengehen auslesen würde. Tagsüber begann sie schon damit, wich aber allen Fragen Harrys und Rons aus und konzentrierte sich auf das Buch, als müsse sie den Inhalt in wenigen Stunden auswendig lernen.
Er selbst erkannte in den Stunden, die er in dieser Nacht mit dem lange Zeit vergeblichen Versuch, einzuschlafen, verbrachte, dass er Ron zustimmen musste – der Titel des Buches klang tatsächlich so, als könnte es (und vielleicht auch der Lehrer, der es auf die Liste der Schulbücher gesetzt hatte) ihnen nützlich werden. Dennoch warf er selbst keinen Blick hinein, sondern wand sich weiter in seinem Bett nach allen Seiten, verzweifelt nach der Position suchend, in der er einschlafen könnte. Wenn es um Bücher ging, konnte man immerhin sicher sein, dass Hermine fähig war, sie schnell zu verstehen und einem anderen alles Notwendige und Wichtige daraus zu erzählen. Es selbst zu lesen wäre unnötig, dachte er, kurz, bevor er einschlief.
Als Harry früh am nächsten Morgen aufwachte und einen schnarchenden Ron in seinem Zimmer zurückließ, fiel ihm etwas auf, was er bisher noch nicht erkannt hatte: Ron hatte in den letzten Nächten um einiges besser – und vor allem länger – geschlafen hatte als in der Zeit direkt nach Georges Tod. Ob er sich mittlerweile davon erholt hatte? Natürlich nicht, dachte Harry, und er wusste, dass er Recht hatte. Niemand erholte sich davon, einen Bruder verloren zu haben – ob man nun in den letzten Tagen dessen Lebens herausgefunden hatte, dass er eigentlich gar kein richtiger Bruder war, oder nicht.
Es war nicht Hermine, auf die er gehofft hatte, und auch nicht Mrs Weasley, mit der er am ehesten gerechnet hätte, die er im Wohnzimmer antraf, als er dort ankam. Es war Ginny, die auf dem Boden beim Tisch kniete und über etwas gebeugt war, das von ihren langen Haaren verdeckt wurde.
„Guten Morgen“, sagte er.
Ginny blickte auf; Harry sah, dass sie auf blau gefärbtem Pergament geschrieben hatte.
„Hi“, erwiderte sie, dann wandte sie sich wieder dem Pergament zu.
„Was machst du da?“
Ginny sah erneut hoch, ihm direkt in die Augen; er hasste sich dafür, aber er errötete schon wieder. Soweit er wusste, war sein Gesicht in den letzten Tagen, oder vielleicht sogar Wochen, öfter rot angelaufen, als in den sechzehn Jahren davor insgesamt. Ginnys starrer Blick gab ihm das Gefühl, dass sie ihn im Moment als störend und lästig empfand, aber er wollte ihm standhalten.
Schließlich lächelte sie.
„Ich schreibe eine Geburtstagskarte an Luna“, antwortete sie.
„Luna hat heute Geburtstag?“, fragte Harry überrascht. „Großartig! Kannst du meinen Namen auch auf die Karte setzen?“
Wieder dieser Blick von ihr.
„Nur, wenn es dir keine Umstände macht“, sagte Harry hastig.
Ginny schwieg eine Weile, dann sagte sie: „Ach was, Luna wird sich freuen.“ Sie schrieb irgendetwas auf das Pergament, stupste es dann mit ihrem Zauberstab an und es faltete sich automatisch zu einem richtigen Billet zusammen; mit einem weiteren Schwenker des Zauberstabs erschien eine gezeichnete Rose auf der Vorderseite der Karte, in der sich die Initialen GW wanden.
„Hübsch“, sagte Harry.
Ginny lächelte erneut. „Danke.“ Dann stand sie auf, und erst jetzt bemerkte Harry, dass Krummbein, der nun auf ihn zugetapst kam, neben ihr gelegen hatte. Er kraulte Krummbein hinter den Ohren, während Ginny in Richtung Küche ging.
„Mum?“, rief sie; Mrs Weasleys Stimme antwortete – vermutlich aus dem Hof: „Ja?“ „Ich bräuchte eine Eule, um Lunas Geburtstagskarte wegzuschicken!“
„Oh, ja, ich spreche gleich mit dem Auroren, der heute Wache hält.“ Während Mrs Weasley sprach, wurde ihre Stimme immer lauter, und schließlich stand sie neben Ginny im Wohnzimmer. „Ich hab ihn eben schon gesehen, als ich die Hühner gefüttert habe, ich kenn ihn, der ist recht nett. Harry!“, rief sie dann, als sie Harry sah. „Du bist schon wach? Ich – um Himmels Willen!“ Harry und Ginny erschraken, als Mrs Weasley die letzten Worte plötzlich laut kreischend von sich gab, und Krummbein sprang fauchend auf das Sofa und krallte sich dort fest. „Deine Geburtstagsgeschenke!“
Dann lief sie aus dem Haus, und Harry wusste, was sie meinte, obwohl es ihm selbst auch gerade erst eingefallen war. Die Weasleys hatten seine Geburtstagsgeschenke von der Feier im Grimmauldplatz mitgenommen, ihm aber noch nicht zurückgegeben. Er blickte auf sein rechtes Handgelenk und sah überrascht, dass er Tonks‘ Glücksarmband immer noch trug. Es hatte sich so sehr an seine Haut angepasst, dass er es gar nicht bemerkt hatte, und auch wenn er es für möglich hielt, dass er sich täuschte, so glaubte er doch, dass es sich in der Farbe ebenfalls stark verändert hatte, um seinem Arm zu ähneln.
Viel Glück gebracht hat es mir ja nicht, ging es ihm durch den Kopf, als er das Armband abstreifte und in seine Hosentasche fallen ließ.
Da kehrte Mrs Weasley auch schon mit einer großen Tasche zurück.
„Wir haben sie in der Besenkammer gelagert, weil wir nicht wussten, wann du wiederkommst – und dann hab ich sie dort einfach vergessen!“ Sie richtete den Zauberstab auf die Tasche, die sich daraufhin sofort öffnete; mehrere Gegenstände kamen aus ihr empor, und als sie auf den Boden zu schwebten, vergrößerten sich die meisten von ihnen. „Tut mir sehr leid, ich habe wirklich nicht daran gedacht!“
„Kein Problem“, entgegnete Harry sofort. Er wollte Mrs Weasley auf keinen Fall das Gefühl geben, dass er ihr irgendeine Schuld zuwies – sie hatte genug um die Ohren, da war es selbstverständlich, dass sie nicht an seine Geschenke dachte.
„Das ist lieb von dir – trag sie einzeln rauf, sonst tust du dir – deine Eule!“, rief sie dann, sich wieder an Ginny wendend. Wieder lief sie aus dem Haus, wobei sie hinzufügte: „Wo hab ich heute nur meinen Kopf?“
Harry und Ginny tauschten einen belustigten Blick aus, dann folgte Ginny ihrer Mutter in den Hof. Krummbein sprang auf den Boden und trabte Ginny hinterher.
Es dauerte eine Weile, bis Harry all seine Geschenke in Rons Zimmer gebracht hatte; er hatte vorsichtig sein müssen, nichts fallen zu lassen, damit Ron nicht aufwachte, und das war besonders im Falle des neuen Käfigs für Hedwig nicht besonders einfach.
Gerade, als Harry den Spiegel hochtrug, den er von Luna bekommen hatte, wachte Ron aber von selbst auf.
„Wasndasalles?“, murmelte er verschlafen, nachdem er sich die Augen gerieben und die vielen Dinge entdeckt hatte, die sich nun auf dem Boden stapelten.
„Meine Geburtstagsgeschenke“, antwortete Harry.
„Klasse! Ist noch ein Schokofrosch da?“
Harry griff nach der Box mit den Süßigkeiten, die Ron ihm geschenkt hatte, und warf Ron einen Schokofrosch zu.
„Was machst du jetzt mit dem ganzen Zeug?“, fragte Ron, bevor er die Verpackung aufriss und dem Frosch den Kopf abbiss.
Harry zuckte mit den Schultern. „Den Käfig tausche ich gegen Hedwigs jetzigen aus – sie und Pig sind noch jagen, das kann ich gleich machen – und den Rest pack ich wohl einfach in meinen Koffer und nehm alles mit nach Hogwarts.“
„Gute Idee.“ Ron warf den Rest des Schokofrosches in seinen Mund, sprang aus dem Bett und fügte hinzu: „Meinst du, wir sollten gleich heute mit dem Packen beginnen?“
„Es sind doch noch zehn Tage, bis wir nach Hogwarts fahren.“
„Aber wenn wir gleich packen, müssen wir uns später nicht mehr darum kümmern und können am Tag vor der Abreise unsere Pläne noch einmal durchgehen und überdenken“, sagte Ron.
Harry war verblüfft. „Gut mitgedacht!“
„Naja – Hermine hat das gestern gesagt“, sagte Ron. „Sie hat irgendwie Recht, aber wenn’s nach mir ginge, würde ich es auch bis zum einunddreißigsten aufschieben.“ Er zuckte mit den Schultern und begann dann, sich umzuziehen.
Die restlichen Tage vergingen so ereignislos und so langsam, dass Harry nur ungern über sie nachdachte. Hermine wollte das Buch von Vindictus Viridian noch einmal lesen, bevor sie ihre Meinung darüber preisgab; zu den Untersuchungen in der Winkelgasse gab es keine Neuigkeiten; was die Horkruxe betraf, hatten sie keine neuen Ideen; und als die Sonne am ersten September endlich aufging, fand Harry, dass sie ihre Koffer genauso gut erst am Vortag hätten packen können, denn lange unterhalten hatten sie sich am Abend nicht, und Ergebnisse hatte es nach dem Gespräch auch keine gegeben. Als Harry aufstand, tat er das mit einer Wut im Bauch, wie er sie nicht mehr gespürt hatte, seit Mundungus Fletcher Sirius‘ alte Besitztümer aus dem Grimmauldplatz gestohlen hatte.
„Guten Morgen“, begrüßte Hermine ihn und Ron in der Küche.
„Als ob“, erwiderte Harry.
Hermine sah ihn bestürzt an. „Du brauchst mich nicht so anzuschnauzen!“
„Ich schnauz dich doch gar nicht –“
„Seid nicht so laut“, murrte Ron, „ich hab Kopfschmerzen.“
„Was für ein fröhlicher Haufen.“
Ginny kam in die Küche getänzelt. Sie hatte die Augenbrauen gehoben grinste hämisch. „Wenn ihr euch so streitet, wird das euren geheimen Aufträgen wohl im Wege stehen.“
„W-was?“ Harry wirbelte herum. „Welche – wovon redest –“
„Harry, der Orden weiß doch, dass wir etwas vorhaben“, sagte Hermine, aggressiver als sie sonst mit ihm sprach. „Das kannst du doch nicht vergessen haben.“
„Kein Grund, bissig zu werden!“ Harry hatte es natürlich nicht vergessen; es hatte ihn nur aus der Fassung gebracht, Ginny davon reden zu hören. Ginny durfte nicht zu viel wissen, durfte nicht in Gefahr geraten …
„Ich wäre nicht bissig, wie du es nennst, wenn du mich vorhin nicht so angefaucht hättest.“
„Ich hab nicht –“
„Ach, ist doch jetzt egal“, warf Ron ein. „Ginny, wo ist Mum? Ich hab Hunger.“
„Wie wär’s, wenn du dir ausnahmsweise mal selbst was zu essen machst?“ Ginny betrachtete ihren Bruder mit einer Mischung aus Mitleid und Abscheu. „Mum unterhält sich im Hof mit einem der Auroren, um alles für unsere Abreise nachher klarzumachen.
Aber jetzt mal was anderes.“ Ginny setzte sich neben Harry auf einen Stuhl und sah ihn eingehend an. „Ich hab nachgedacht.“
„Ach ja?“, sagte Harry nur, wobei er gegen zwei Dränge auf einmal ankämpfte, die beide eng mit der Nähe zusammenhing, die er im Moment zu Ginny hatte: einmal gegen das Verlangen, sich auf sie zu werfen und sie zu küssen; zum anderen dagegen, seinen Oberkörper nicht nach hinten, so weit von Ginny weg wie möglich, zu beugen, um sicher zu gehen, dass er ersterer Lust nicht erlag. Stattdessen versuchte er einfach, so gerade wie möglich zu sitzen und ihren Blick zu erwidern.
„Ja“, sagte Ginny, „und zwar über deine Bewusstlosigkeit oder was das gewesen ist. Als Du-weißt-schon-wer damals von mir Besitz ergriffen hat, ist mir das auch einmal passiert – nur nicht für so lange, und es war abends, daher hat jeder gedacht, ich würde einfach schlafen. Aber das hab ich nicht. Nicht wirklich zumindest, nicht freiwillig. Ich bin im Bett einfach – einfach umgefallen, wenn man so will. Aufgewacht bin ich am nächsten Morgen so spät, dass ich die erste Viertelstunde von Verwandlung verpasst habe.“
Harry bemerkte, dass sein Mund die ganze Zeit offen gestanden hatte, und schloss ihn hastig wieder. „Wieso erzählst du mir das erst jetzt?“
„Ich war mir nicht sicher, ob dir das Gleiche passiert ist“, antwortete Ginny, mit den Schultern zuckend. „Und ich wollte nicht unnötig Wirbel machen. Aber ich halte es für möglich, dass Voldemort versucht hat, von dir Besitz zu ergreifen.“
Harry hörte, dass Hermine laut aufatmete, und dass Ron, der aufgestanden war, um sich Frühstück zu machen, ein Messer fallen ließ; Harry selbst war weniger geschockt als die beiden – aber doch mehr, als ihm lieb gewesen wäre.
Er hatte die Träume gehabt, ihm war klar gewesen, dass das möglicherweise wieder durch die geistliche Verbindung zu Voldemort zustande gekommen war. Und doch … und doch hatte er gehofft, es wäre einfach irgendeine Krankheit gewesen, die er ausgestanden hatte. Aber nach Ginnys Worten …
„Seid ihr fertig?“
Noch bevor Harry entscheiden konnte, ob er Ron und Hermine (und vielleicht sogar Ginny) von seinen Träumen – speziell dem, den er im Ligusterweg gehabt hatte – erzählen sollte, kam Mrs Weasley in die Küche. Sie strahlte einen nach dem anderen an, als wäre etwas Wunderbares passiert.
„Endlich geht es zurück nach Hogwarts!“, rief sie. „Ich bin so froh, euch endlich in richtiger Sicherheit zu wissen … Und es ist euer letztes Jahr!“, fügte sie an Harry, Ron und Hermine hinzu; ihre Augen waren wieder feucht und drohten Tränen an. „Ihr seid so groß und so – erwachsen.“
„Wenn sie mich jetzt umarmt hätte, wäre ich nach dem Schuljahr gleich von hier ausgezogen“, flüsterte Ron, nachdem Mrs Weasley aus der Küche geeilt war, unter dem Vorwand, Mr Weasley zu wecken – tatsächlich wollte sie wohl nur nicht dabei gesehen werden, wie sie schon wieder weinte.
Zwei Stunden später, um kurz nach zehn Uhr, kamen zwei Auroren ins Haus, um die Weasleys, Harry und Hermine für die Fahrt nach King’s Cross abzuholen. Sie trugen gewöhnliche Muggelanzüge und waren von besonders kräftiger Statur, was Harry an die Security-Männer der nichtmagischen Regierung erinnerte, die er hin und wieder im Fernsehen gesehen hatte. Bill und Fleur winkten vom Fenster aus, während der Fahrer des Autos, das das Ministerium ihnen zur Verfügung gestellt hatte, Harrys, Rons, Hermines und Ginnys Koffer in den Kofferraum lud. Die ganze Fahrt über dachte Harry, Hedwig in ihrem neuen Käfig auf seiner Schoß, nach. Er saß zwischen zwei weiteren Auroren eingeklemmt auf der Rückbank, Blickkontakt mit Ron oder Hermine unmöglich gemacht durch die Größe des Auroren, der zu seiner rechten saß und ihn von den anderen trennte. So konnte er in Ruhe überlegen, ob Ginny Recht haben könnte, ob Voldemort tatsächlich von ihm Besitz ergreifen wollte – von ihm Besitz ergriffen hatte vielleicht sogar …
Völliger Quatsch, dachte er. Warum sollte er das tun? Dumbledore hat doch gesagt, dass Voldemort erkannt hat, dass die Verbindung zwischen ihm und mir für ihn gefährlich werden könnte, dass er sich jetzt gegen mich schützt … Warum sollte er jetzt absichtlich in meinen Geist eindringen?
Was aber war, wenn er es nicht absichtlich getan hatte? Wenn die Verbindung zwischen den beiden wieder offen stand, Voldemort es aber noch nicht bemerkt hatte? Würde sich das, was Harry in seinem fünften Schuljahr erlebt hatte, wiederholen, während er nach den Horkruxen suchte?
Würde er Okklumentik diesmal richtig lernen müssen?
Sie erreichten den Bahnhof. Zusätzlich zu den vier Auroren, die sie bereits unterwegs begleitet hatten, erwarteten sie weitere zwei am Bahnhof – darunter Kingsley Shacklebolt. Auch er war mit einem schwarzen Muggelanzug bekleidet - an ihm sah es allerdings eindrucksvoller und passender aus, als würde er so etwas jeden Tag tragen.
„Hallo, Harry“, begrüßte ihn Kingsley mit seiner tiefen Stimme; die dunkle Haut seiner Glatze glänzte im Licht der Herbstsonne, und der goldene Ohrring ließ ihn so cool aussehen wie eh und je.
„Hi“, sagte Harry, froh, wenigstens ein bekanntes Gesicht unter den Auroren zu sehen. „Wie läuft‘s?“
„Alles bereit für euch“, antwortete Kingsley, wobei er Mr Weasley die Hand schüttelte. „Die Untersuchungen in Hogwarts sind vor ein paar Stunden abgeschlossen worden.“
Die Auroren geleiteten Harry, Ron, Hermine, Ginny und Mr und Mrs Weasley zu der Absperrung zwischen Gleis neun und zehn. Kingsley und Harry gingen gemeinsam und als erste durch das Portal zum Gleis neundreiviertel; sie warteten ab, bis kein Muggel ihnen auch nur die geringste Aufmerksamkeit schenkte, dann spazierten sie gelassen auf die Mauer zu – und hindurch auf die andere Seite. Als Harry den scharlachroten Hogwarts Express – noch keinen Dampf ausströmend – erblickte, durchströmte ihn eine Wärme, die er erwartet, erhofft, aber gleichzeitig befürchtet hatte. Er konnte nicht anders, als dieses Gefühl zu genießen – er würde wieder nach Hogwarts, nach Hause gehen … Auch wenn Dumbledore nicht mehr dort war, es war doch sein Zuhause. Aber er wusste, dass er wenig Zeit mit Unterricht verbringen würde, oder überhaupt im Schloss. Die Horkruxe waren seine Aufgabe. Wenn nötig – und es würde (hoffentlich) oft nötig sein – würde er Hogwarts sofort verlassen. Aber wenigstens jetzt konnte er sich erst einmal darauf freuen, in der großen Halle die Häusereinteilung der neuen Schüler zu genießen, die vielen Geheimräume des Schlosses zu erkunden, im Gryffindor-Gemeinschaftsraum mit seinen Freunden herumzusitzen …
Zum letzten Mal. Es war sein siebentes, sein letztes Schuljahr.
Die anderen kamen durch die Absperrung auf den Gleis neundreiviertel und Kingsley und die anderen Auroren liefen zum Zug, um die Koffer dort abzustellen.
„Sind ja noch nicht viele hier“, meinte Hermine, die den Blick über die wenigen anderen Schüler und ihre Verwandten schweifen ließ, die bereits auf dem Bahnhof waren. Ein sehr kleiner Junge stand in der Nähe des Zuges, ohne Eltern; er warf ständig nervöse Blicke zu ihnen hinüber.
„Wir sind ja auch früh dran“, sagte Mr Weasley, ohne den Anflug eines Lächelns, „aber ich befürchte, dass es nicht viel mehr werden. In solchen Zeiten behalten einige, wenn nicht sogar die meisten, Eltern ihre Kinder lieber bei sich zuhause.“
„Ihr solltet vielleicht trotzdem schon in den Zug.“ Mrs Weasley drehte sich nach allen Seiten, die Stirn besorgt in Falten gelegt. „Wer weiß, wer sich hier auf dem Bahnhof so herumtreibt –“
„Molly“, sagte Mr Weasley leise, aber Harry konnte ihn hören, „du weißt doch, dass hier überall Wachen stationiert sind – und außerdem liegt ein Zauber auf dem Bahnhof, der es Menschen mit dem Dunklen Mal unmöglich macht, ihn zu betreten, ohne sich auffällig zu verhalten.“
„Ja, ja, natürlich.“ Mrs Weasley nahm ihre Hand erst jetzt von Ginnys Schulter. „Ich würde mich trotzdem wohler fühlen, wenn sie sich in den Zug setzen würden – ein paar Lehrer fahren auch damit, und Alastor und Remus müssten auch schon drin sein –“
„Moody und Lupin fahren auch mit?“, fragte Ginny begeistert.
Mrs Weasley nickte. „Aber glaubt bloß nicht, dass ihr viel von den beiden zu sehen kriegt – sie sind als Wachen im Zug und müssen regelmäßig die Gänge entlang patrouillieren –“
„So wie Hermine und ich, wir sind Vertrauensschüler!“, warf Ron ein. „Dann können wir doch mit den beiden mitgehen, oder?“
„Und Harry auch“, sagte Hermine. „Du könntest doch ausnahmsweise einmal mit uns die Abteile kontrollieren, oder, Harry?“
„Ich glaube, ich warte lieber mit Ginny auf Neville und Luna und wir suchen uns dann zu viert ein Abteil.“ Oder ich geh irgendwo allein mit Ginny hin … Er sah zu Ginny hinüber, die lächelnd nickte.
Mrs Weasley umarmte jeden von ihnen dreimal, Harry sogar zwei weitere Male, bevor die vier ihre Koffer nahmen, sich von Mr Weasley und Kingsley verabschiedeten, und dann den Hogwarts Express bestiegen, zu welcher Zeit bereits einige mehr Schüler den Gleis betreten hatten und der Zug ersten Dampf ausstieß. Ron und Hermine überreichten den anderen beiden ihre Koffer und die Käfige von Krummbein und Pigwidgeon, dann liefen sie ins Vertrauensschülerabteil, Harry und Ginny hingegen suchten in der entgegengesetzten Richtung nach einem freien Abteil. Überrascht stellte Harry fest, dass in keinem der Abteile jemand saß, bis ihm einfiel, dass er noch nie so früh schon hier gewesen war.
Gerade als Ginny eine Tür am hinteren Ende des Zuges öffnete, als hätten die Bänke dahinter etwas, das sich von den anderen unterschied, rief eine verträumte Stimme ihre Namen.
„Harry! Ginny!“
Die beiden wandten sich um und sahen Luna, die den Gang entlang auf sie zugelaufen kam.
„Hallo, Luna“, sagte Harry.
„Hi“, antwortete sie strahlend. „Vielen Dank für die Geburtstagsglückwünsche!“
„Immer doch.“
„Hat dir die Karte gefallen?“, fragte Ginny.
„Oh ja.“ Luna nickte, machte große Augen und öffnete ihren Mund weit, als könne sie nur so ihre Begeisterung ausdrücken. „Ich war begeistert! So etwas Schönes hab ich noch nie von jemandem gekriegt – sehr außergewöhnlich ist die Karte.“ Zu hören, dass Luna etwas als außergewöhnlich bezeichnete, hätte Harry fast noch eher zum Lachen gebracht als ihr Gesichtsausdruck. „Ich vermute, du hast dir von Nozowicky-Wichteln helfen lassen?“
Harry betrat hinter Ginny und Luna das Abteil und hörte heiter zu, wie Luna erklärte, was Nosowicky-Wichteln waren. Es wäre schön gewesen, sie in den letzten Wochen überall dabei gehabt zu haben – sie hätte die trostlose Stimmung sicher immer wieder aufgelockert.
Gerade, als der Zugführer über Lautsprecher verkünden ließ, dass die Fahrt in einer Minute losging, öffnete sich die Tür ihres Abteils.
„Hallo!“, rief Neville, als er eintrat. Harry half ihm, seinen Koffer bei den anderen in den Gepäckablagen zu verstauen, dann ließ er sich neben Luna auf die Bank sinken; der Zug fuhr los. „Endlich gehen wir wieder nach Hogwarts – seht mal, was mir meine Oma zum Geburtstag geschenkt hat.“
Er hielt etwas hoch, was an seinem Gürtel baumelte: Einen kleinen quadratischen Käfig mit grünen Stäben, hinter welchen Nevilles Kröte Trevor auf feucht aussehendem Gras saß.
„Damit er mir nicht mehr weglaufen kann“, erklärte Neville unnötigerweise. Die hin und wieder erfolgreichen Fluchtversuche der Kröte waren zahlreich gewesen, und jeder hatte sie mitbekommen.
Harry und Neville hörten eine halbe Stunde lang dabei zu, wie sie sich über ihre ZAG-Noten unterhielten, aber Harrys Blick wanderte bald zu den Bergen, die vor dem Fenster in der Ferne am Zug vorbeizogen. Theoretisch könnte auf jedem davon ein Horkrux Voldemorts versteckt sein …
Harry las in dem Buch über Quidditch, das Hermine ihm zum Geburtstag geschenkt hatte, als die Abteiltür sich erneut öffnete. Ron und Hermine kamen herein.
Ron warf sich fast gewalttätig neben Neville auf die Bank; er starrte Hermine wütend an, als hätte sie ihn beleidigt.
„Was –“
„Die hier hat mir vorhin Professor Slughorn in die Hand gedrückt“, sagte Hermine, bevor Harry seine Frage ausformulieren konnte; sie hielt drei zusammengerollte Pergamente hoch. „Für dich, Ginny und mich.“
„Einladungen zu einem Treffen des Slug-Klubs?“, fragte Ginny, als sie ihren Brief entgegen nahm. „Ich hab gedacht, die gibt es nicht mehr.“
„Er hat sie letztes Jahr abgebrochen, weil ich –“ Harry unterbrach sich selbst; beinahe hätte er verraten, was zwischen Slughorn und ihm vorgefallen war. „– weil er so wenig Zeit hatte. Das scheint dieses Jahr anders zu sein.“
„Müssen wir hingehen?“ Hermine seufzte. „Ich möchte diesem McLaggen nicht schon wieder über den Weg laufen …“
„McLaggen war ein Siebtklässler“, sagte Harry, „er geht nicht mehr nach Hogwarts.“
„Oh doch.“ Ginny grinste süffisant. „Eine Freundin von mir hat es mir erzählt – er ist durchgefallen bei den UTZ-Prüfungen.“
„Aber dann ist er sicher nicht eingeladen.“ Harry freute sich, zu hören, dass McLaggen durchgefallen war; andererseits bedeutete das, dass er ihn noch ein weiteres Jahr ertragen musste, vermutlich sogar bei den Quidditch-Proben testen musste. „Slughorn würde nie jemanden in seinem Klub haben wollen, der durchgefallen ist, der hat doch keine Chancen mehr auf hohe Posten.“
„Ich will trotzdem nicht“, sagte Hermine hastig. „Wir – wir würden uns doch nur zu Tode langweilen!“
Ihre Augen huschten immer wieder nervös zu Ron hinüber. Harry wusste, dass sie seine Eifersucht nicht wieder herausfordern wollte. Es hatte Ron letztes Jahr nie gefallen, dass Slughorn ihn wie Luft behandelt hatte.
„Ich gehe.“ Ginny stand auf. „Slughorn hat doch immer leckeres Essen, ich hab keine Lust auf das, was die Süßigkeiten-Dame verkauft. Das Treffen beginnt in wenigen Minuten – kommt ihr oder nicht?“
„Doch, ich komme!“ Harry hörte sich selbst die Worte sagen, bevor er wirklich über sie nachgedacht hatte. Hatte er es wirklich so dringend nötig, Zeit mit Ginny zu verbringen, dass er Ron missmutig zurücklassen würde?
„Harry!“, zischte Hermine entrüstet hinter ihm.
„Ich hab Hunger“, erwiderte er nur in einem gleichen Flüsterton über seine Schulter.
„Na klar“, gab sie nuschelnd zurück. „Wie auch immer“, fügte sie lauter hinzu, „ich bleib hier. Harry, du hast doch von Bill und Fleur ein Buch über das Brechen von Flüchen zum Geburtstag bekommen, oder? Gibst du mir das bitte?“
Harry verstaute das Quidditch-Buch in seinem Koffer und kramte darin nach dem Buch, das Bill und Fleur ihm geschenkt hatten. Als er es gefunden hatte, reichte er es Hermine, die augenblicklich dahinter verschwand. Harry bemerkte, dass Ron sie erstaunt, aber zufrieden lächelnd betrachtete, als er mit Ginny das Abteil verließ.
„Ron sollte endlich aufhören, so eifersüchtig zu sein“, sagte Ginny über ihre Schulter zu Harry, während sie den Gang entlang spazierte. „Das macht ihn ganz schön unsympathisch. Und räumt ihm nicht gerade viele Chancen bei Hermine ein.“
„Ich denke, zwischen den beiden läuft es ganz gut“, erwiderte Harry, der schnell gehen musste, um mit Ginny Schritt zu halten. Warum hatte sie es so eilig? Diese Frage beschäftigte ihn so sehr, dass er die vielen Gesichter, die ihn aus den Abteilen heraus anstarrten, nur nebenbei bemerkte.
„Ja, im Moment.“ Ginny nickte weise. „Weil sie auf ihn steht wie ein kleines Schulmädchen auf die Kapitäne von weltbekannten Quidditch-Mannschaften oder auf die Sänger von Rockbands. Aber wenn sie diese seltsame Phase überwunden hat – nur sie selbst oder jemand, der so dumm wie Ron ist, könnte sich einreden, dass dann noch immer etwas zwischen den beiden laufen könnte.“
Harry machte den Mund auf, um ihr zu widersprechen, aber in dem Moment erblickte er jemanden, der ihnen entgegen kam; was er stattdessen also sagte, war: „Hallo, Lu- Remus!“
Lupin zeigte ein kurzes Lächeln zur Begrüßung; noch bevor Harry sich fragte, warum Lupin so griesgrämig dreinblickte, war er näher an seinen ehemaligen Lehrer herangekommen und hatte ihn genauer betrachtet. Er konnte nicht umhin, einige beunruhigende Dinge an Lupin zu bemerken. Er hatte schon lange keinen so zerschlissenen Mantel so getragen, hatte schon Ewigkeiten nicht mehr so furchtbar krank ausgesehen wie jetzt.
„Alles in Ordnung bei euch?“, fragte Lupin mit leiser, ein bisschen heiserer Stimme. „Ich wäre wohl bald zu eurem Abteil gekommen.“
„Mit uns ist alles klar“, antwortete Harry.
„Mit dir scheinbar nicht“, fügte Ginny hinzu, den Kopf leicht zur Seite geneigt, sodass Harry ihre Augen sehen konnte; sie glänzten auf eine merkwürdige Weise – wissend? Neugierig? Berechnend? „Stimmt irgendetwas nicht?“
„Es war vor kurzem Vollmond“, sagte Lupin, etwas zu hastig. Er senkte seinen Kopf. „Und …“
„Tonks, nicht wahr?“ Woher Ginny diese Vermutung nahm, wusste Harry nicht. „Ist etwas mit ihr?“
Zu Harrys Überraschung nickte Lupin – Ginny verstand wohl ebenso viel von Gefühlen wie Hermine. „Sie ist ziemlich abwesend in letzter Zeit“, sagte Lupin; dann seufzte er, blickte wieder auf und lächelte erneut, diesmal allerdings wirkte es etwas ehrlicher. „Das geht aber sicher wieder vorbei, das hat mit dem Krieg zu tun, sie ist noch ziemlich jung. Seid nicht beunruhigt oder besorgt wegen ihr. Wo wollt ihr denn eigentlich hin?“
„Treffen des Slug-Klubs“, sagte Harry, der den Themenwechsel dankbar annahm.
„Oh, sieh mal einer an.“ Lupin hob die Augenbrauen. „Dein Dad ist auch mal zu einem Treffen eingeladen gewesen – er hat es genutzt, um Lily noch mehr zu imponieren. Auf eine Art und Weise, die ihm leider alle weiteren Einladungen gekostet hat.“
Lupin lachte, dann ging er an den beiden vorbei, um seine Wache fortzusetzen.
„Komm“, sagte Ginny, dann lief sie weiter in Richtung des Abteils, in welches Slughorn sie bestellt hatte. Harry beeilte sich wieder, um ihr hinterherzukommen, und er bekam nicht aus dem Kopf, was Lupin gesagt hatte. So wie sein Vater nur zu dem Treffen gegangen war, weil Lily dort war, war auch Harry Ginny nun nur deshalb gefolgt, weil er bei ihr sein wollte … Würden er und Ginny irgendwann so enden wie seine Eltern? Nicht tot in jungen Jahren, ein Waisenkind zurücklassend, nein, das meinte Harry nicht – aber würden sie heiraten, Kinder bekommen? Würde es einmal dazu kommen?
Würde Harry die Chance dazu haben, so weit zu kommen?
„Da seid ihr ja! Harry, mein Junge!“
Harry und Ginny hatten Slughorns Abteil erreicht. Als sie eintraten, sahen sie sich einer größeren Gruppe von Schülern gegenüber als während des Treffens auf der Zugfahrt vor einem Jahr, und Harry war sich sicher, dass Slughorn den Raum im Abteil magisch erweitert hatte.
Slughorn war sofort aufgestanden, um Harry zu begrüßen. Sein Walrossschnauzbart zitterte, als er Harry die Hand schüttelte, und sein dicker Bauch streifte Harrys. Harry spürte, dass Slughorns Hand ein bisschen schweißig war, und wischte sich seine unauffällig an seiner Hose ab, während Slughorn Ginny einem Platz zuwies.
Harry sah sich im Abteil um, auf der Suche nach bekannten Gesichtern unter denen, die zum Treffen eingeladen worden waren. Sofort fiel ihm auf, dass Ginny sich leider getäuscht hatte: Cormac McLaggen war doch hier, groß und bullig wie immer, und er starrte Harry mit wütend verengten Augen an. Blaise Zabini, ein Slytherin und Freund Draco Malfoys, war ebenfalls wieder hier; die beiden tauschten einen verabscheuenden Blick aus, und Harry wunderte sich, ob Zabini noch mit Malfoy in Kontakt stand. Abgesehen von den beiden und Ginny kannte Harry kaum einen der anderen zehn anwesenden Schüler besser als vom seltenen Treffen in den Korridoren von Hogwarts – bis auf einen.
Zacharias Smith aus Hufflepuff grinste Harry leicht dümmlich an, obwohl er vermutlich dachte, er würde eine erhabene Miene tragen.
„Harry, du wirst an meiner anderen Seite sitzen“, sagte Slughorn, der Ginny zwischen sich und einem müde aussehenden Schüler aus Ravenclaw auf einen Sessel gezwängt hatte und nun neben ihr Platz nahm. „Und – aber wo ist denn Miss Granger?“
„Sie hat leider keine Zeit“, sagte Harry, während er sich griesgrämig setzte; er wäre viel lieber neben Ginny geblieben, war im Grunde genommen sogar nur deswegen mitgekommen.
„Oh – kann man nichts machen“, sagte Slughorn, der merkwürdigerweise weniger enttäuscht wirkte, als Harry erwartet hätte. „Kennst du alle anderen hier, Harry? Zacharias geht in deine Klasse – stell dir vor, was ich heute über ihn herausgefunden habe, Harry! Unser Zacharias hier ist ein entfernter Nachfahre von Helga Hufflepuff!“
Zacharias nickte und hob stolz seine Brust an. Harry musste sich zusammenreißen, um nicht vor Lachen zu prusten bei diesem Anblick – als er merkte, dass ihm vor Erstaunen der Mund auffiel.
Zacharias Smith … Smith …
Hepzibah Smith …
„Erstaunlich, nicht wahr?“, sagte Zacharias, der Harrys offensichtliche Verblüffung scheinbar für Bewunderung hielt. „Ich dachte, jeder weiß das.“
„Da haben Sie sich aber getäuscht, Mr Smith“, lachte Slughorn, dann wandte er sich wieder an Harry. „Den Rest der Schüler hier würdest du kennen, wenn du letztes Jahr öfter bei meinen Treffen dabei gewesen wärst, Harry.“ Slughorn bedachte Harry mit einem tadelnden Blick, bevor er begann, jeden einzelnen vorzustellen. Harry hörte kaum zu; er war in Gedanken …
Das war kein Zufall. Wenn Zacharias Smith ein Nachfahre Helga Hufflepuffs war, ebenso wie Hepzibah Smith, der Voldemort sowohl den Becher Hufflepuffs als auch das Medaillon Slytherins gestohlen hatte, dann war Zacharias auch mit dieser alten, dicken Frau verwandt …
Bedeutete das etwas für Harry? Könnte ihm das nützlich werden? Oder – oder waren Zacharias und seine Familie dann in besonderer Gefahr? Warum hatte Dumbledore ihm nichts davon –
„Harry? Bist du noch bei uns?“
Slughorn gluckste, aber Harry wachte tatsächlich wie aus einer Art Trance auf. Er sah, dass Ginny ihn über Slughorns Bauch hinweg mit gerunzelter Stirn betrachtete, lächelte hastig und nickte.
„Nun, wie auch immer –“ Slughorn zog seinen Zauberstab „– jetzt, wo du jeden kennst …“ Er machte eine kreisrunde Bewegung mit dem Stab, woraufhin der Tisch, um den herum sie saßen (und der, abgesehen von der ungewöhnlichen Größe, wohl der auffallendste Unterschied zu den anderen Abteilen war), sich selbst mit verschiedenen Tellern und Schüsseln deckte. „Greift zu, wenn ihr hungrig seid. Montgomery, könnten Sie mir die Brötchen reichen? Danke – aber nun wieder zu Ihnen, Cormac.“ Slughorn nahm einen großen Bissen von seinem Brötchen, bevor er fortfuhr. „Ihr Onkel wird ja dieses Jahr an Hogwarts ebenfalls unterrichten, nicht wahr?“
„Oh ja!“, antwortete McLaggen stolz. „Onkel Tiberius – ich meine natürlich, Professor Ogden wird dieses Jahr Muggelkunde übernehmen. Im Grunde eine Verschwendung – für Verteidigung wäre er viel besser geeignet als dieser –“
„Sagen Sie besser nichts gegen unseren neuen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste“, unterbrach ihn Slughorn, obwohl er dabei lächelte und zwinkerte. „Viele Mitglieder der Zaubergemeinde schätzen ihn sehr, wie Sie sicherlich wissen.“
Auch wenn das Thema des neuen Verteidigung-Lehrers zwar entferntes Interesse in Harry wachrief, war er immer noch zu sehr beschäftigt mit seinen Gedanken über Smith. Hatte Zacharias‘ Familie, ohne eine Ahnung zu haben, was mit dem Becher geschehen war, in der Zwischenzeit dieses Familienerbstück wieder in ihre Finger bekommen? Harry bezweifelte dies, Voldemort hatte den Horkrux sicher gut versteckt – andererseits war das Tagebuch auch nach einer Weile an die Öffentlichkeit gelangt, wenn auch nicht beabsichtigt von Voldemort …
Harry aß erst etwas, als Slughorn ihn zum dritten Mal dazu aufforderte, und er verpasste es, über zwei der vielen unlustigen Witze zu lachen, die Slughorn erzählte, was ihm einige beleidigte Blicke einbrachte. Aber in Harrys Innerstem nagte das Bedürfnis, sofort zu Ron und Hermine zu laufen, um ihnen die Neuigkeiten zu erzählen, dann Zacharias Smith auszufragen. Er überlegte schon, ob er auf die Toilette gehen sollte, um mit Ron und Hermine zu reden – als Slughorn plötzlich seinen ganzen Oberkörper weiter nach rechts lehnte und, sein Kopf nah an Harrys Ohr, ihm zuflüsterte: „Wenn ihr nachher alle geht, tu so, als müsstes du auf die Toilette, reiß dich von Miss Weasley los und komm wieder her. Sag niemandem etwas davon.“
Harry starrte Slughorn verwundert an, aber der Professor war schon wieder in ein Gespräch mit McLaggen vertieft, als wäre gerade überhaupt nichts geschehen. Harry sah sich um und stellte fest, dass alle anderen sich schnatternd und tuschelnd miteinander unterhielten, wirklich alle anderen – Slughorn schien den Zeitpunkt, Harry diese geheime Bitte ins Ohr zu flüstern, genauestens gewählt zu haben.
Was konnte Slughorn von ihm wollen, dass er ihm nicht gleich hier sagen wollte? Warum durfte Ginny nicht einmal wissen, dass er sich allein mit Harry unterhalten wollte? Warum konnte Harry nicht einfach noch zurückbleiben, während alle anderen schon vorangingen?
Gerade, als Harry Slughorn diese Fragen stellen wollte, beugte sich Slughorn erneut zu ihm hinüber und flüsterte (im Schutz der lauten Lacher, die jeder auf einen tatsächlich lustigen Witz von Ginny hin ausstieß): „Es hat mit den Horkruxen zu tun.“
Harry war mindestens genauso erstaunt wie vorhin, als er herausgefunden hatte, mit wem Zacharias verwandt war. Viel mehr sogar – er war geschockt, regelrecht perplex, dass Slughorn mit ihm über Horkruxe sprechen wollte – ausgerechnet Slughorn, der sich letztes Jahr geweigert hatte, Harry eine Erinnerung zu geben, die zeigte, dass Slughorn dem jungen Tom Riddle etwas über Horkruxe beigebracht hatte.
Würde Slughorn ihm ein Detail verraten, das er bisher auch Dumbledore verschwiegen hatte? Etwas, das Harry weiterhelfen würde auf der Suche? Hatte es vielleicht sogar mit Zacharias Smith zu tun, damit, dass Slughorn ihn heute eingeladen hatte? Ging es um den Becher von Hufflepuff? Oder würde Slughorn ihm etwas Allgemeines sagen? Dann war es vermutlich etwas, was er ohnehin schon wusste …
Aber eines war ihm klar: Harry würde Slughorns Bitte Folge leisten, für den Fall, dass es tatsächlich hilfreich sein würde.
Von einer neuen Aufregung gepackt, vergaß Harry Zacharias Smith in den folgenden letzten Minuten des Treffens, vergaß sogar seine Wut darüber, dass er nicht neben Ginny saß, dass sie sich statt mit ihm mit dem Ravenclaw-Jungen neben ihr unterhielt. Als Slughorn verkündete, dass es Zeit wurde, das Treffen aufzulösen, war Harry einer der ersten, der aufstand; dennoch wartete er, bis alle anderen das Abteil verlassen hatte, bevor er gemeinsam mit Ginny folgte. Er warf einen letzten Blick über seine Schulter auf Slughorn, der diesen ernst erwiderte.
„Heute war es ganz okay“, meinte Ginny nach einer Weile Schweigen; diesmal ging sie um einiges langsamer als auf dem Hinweg. „Und das Essen war lecker.“
„Jaah – hör mal, Ginny“, sagte Harry hastig, weil er wusste, dass sie dem Abteil, in dem Ron, Hermine, Neville und Luna warteten, bereits nahe waren, „ich muss noch schnell aufs Klo, bevor ich nachkomme – geh du schon mal vor und sag den anderen, ich komm gleich.“
Dann drehte er sich ohne ein weiteres Wort um und stürmte wieder den Gang entlang. Da das vermutlich etwas verdächtig aussah, verlangsamte er seine Schritte, falls Ginny ihm hinterher blickte. Als er sich allerdings noch einmal umdrehte, um nach ihr zu sehen, war sie nicht mehr da.
Er nahm sein Rennen also wieder auf; Slughorn wollte ihm etwas über Horkruxe erzählen – sicher etwas Nützliches, etwas Wichtiges – er, Ron und Hermine würden bald ihren ersten richtigen Erfolg feiern können, er spürte es, er wusste es …
Er erreichte das Abteil Slughorns, öffnete die Tür und war überrascht, dass der Tisch und die Stühle verschwunden, der Raum geschrumpft war; stattdessen war es nun ein ganz gewöhnliches Abteil, in welchem Slughorn auf einer Bank saß und erwartungsvoll aufsah, als Harry die Tür hinter sich zumachte.
„Gut, da bist du ja“, fing Slughorn an. Er wies Harry an, sich ihm gegenüber auf die andere Bank zu setzen, und nachdem Harry das getan hatte, richtete Slughorn seinen Zauberstab auf die Tür – ein Klicken sagte Harry, dass sie nun magisch verriegelt war.
Slughorn sagte eine Weile nichts, bis Harry das Warten schließlich zu lange dauerte.
„Sir, Sie haben gesagt, Sie wollen mir etwas über Horkruxe erzählen?“
Slughorn seufzte. Und was dann passierte, kam so unerwartet, dass Harry nie etwas dagegen hätte unternehmen können; wie hätte er damit rechnen sollen, dass Slughorn plötzlich mit seinem Zauberstab auf ihn, Harry zielen würde?
„Impedimenta“, rief Slughorn auch schon, gerade, als Harrys Hand zu seinem eigenen Zauberstab, der in seiner Hosentasche steckte, griff.
Harry sackte, getroffen von dem Lähmfluch, in sich zusammen; sein Zauberstab fiel aus der Tasche und auf den Boden, rollte auf Slughorn zu. Slughorn bückte sich, hob den Stab hoch und steckte ihn in seinen Mantel.
„Es tut mir Leid, Harry“, murmelte Slughorn.
Harry konnte es nicht fassen. Da stimmte etwas nicht – das konnte nicht wahr sein, durfte nicht wahr sein … Slughorn – ein Todesser? Und das Schlimmste war: Harry hatte alle Vorsicht vergessen, war ihm schnurstracks in die Falle gerannt … Aber Slughorn, ein Todesser? Nein, das konnte einfach nicht sein!
„Du bist mehr überrascht als wütend, wie deinem Gesichtsausdruck abzulesen ist?“ Slughorn hob die Augenbrauen. „Damit hab ich nicht gerechnet … Du hasst mich nun wohl vermutlich genauso sehr wie Snape …“
Harry hätte schwören können, dass er sich bewegt hatte, als der Schock wich und doch noch der Zorn von ihm Besitz ergriff – vermutlich angeheizt durch die Erwähnung von Snapes Namen; aber er lag immer noch da wie zuvor, bewegungsunfähig, bis der Lähmfluch nachließ.
„Ich habe dir vorher etwas ins Essen gemischt, als du nicht aufgepasst hast“, sagte Slughorn; bildete Harry es sich nur ein, oder klang er tatsächlich traurig? Sah er ihn tatsächlich bedauernd an? „Bevor der Lähmzauber seine Wirkung verliert, wirst du dich schon in einem magischen Schlaf befinden.“
Harry wollte um Hilfe schreien, wollte diesem verräterischen alten Mann einen Fluch auf den Hals hetzen – stattdessen konnte er sich kein bisschen rühren, als er auch schon spürte, wie der von Slughorn angekündigte Schlaftrank sich in ihm ausbreitete. Seine Augen fielen immer weiter zu, sein Atem wurde immer tiefer und tiefer …
„Es tut mir wirklich Leid“, hörte Harry Slughorns weit entfernte Stimme. „Ich werde wohl keine Chance mehr haben, dir zu erklären, warum ich das tue … Schade, ich wünschte, du würdest es verstehen …“
Und als Harry Slughorns Worte nur noch als Flüstern wahrnahm, als der traumlose Schlaf ihn schon wie ein betörender Geruch in seinen Bann zog – da erschütterte eine laute Explosion das Abteil, wie es sich anfühlte, sogar den ganzen Zug …
„Harry!“, brüllte eine Stimme. „Incarcerus!“
„Was ist mit Harry?“
„Professor Slughorn? Slughorn wollte Harry –?“
„Harry! Geht es dir gut? Harry – oh, das hat doch keinen Sinn – Expergisco!“
Alle Müdigkeit wich aus Harrys Körper; er setzte sich so schnell auf, dass sein Kopf beinahe an Hermines gestoßen wäre, die über ihn gebeugt gewesen war und ihn aufgeweckt hatte.
„Harry!“, kreischte sie, aber Harry stieß sie von sich und stand auf.
Slughorn lag gefesselt auf dem Boden, immer noch zwei Zauberstäbe in der Hand. Harry beugte sich zu ihm hinunter, nahm seinen Zauberstab aus Slughorns Hand und richtete ihn direkt zwischen Slughorns ängstliche Augen.
„Harry, du musst das verstehen!“ Slughorn versuchte mit aller Macht, sich gegen seine Fesseln zu lösen; sein Blick fiel auf Lupin, der neben Harry stand, ebenfalls seinen Zauberstab auf ihn gerichtet. „Und Sie! Seht doch ein – wenn ich Harry nicht zu dem Dunklen Lord bringe – er wird mich umbringen!“
„Und da dachten Sie, Sie opfern lieber mich?“ Harry musste die Zähne schon fest zusammenbeißen, um Slughorn nicht auf der Stelle in eine Nacktschnecke zu verwandeln; er hatte noch Fragen an ihn. „Wann hat Voldemort Sie besucht?“
Slughorn zuckte bei dem Namen zusammen.
„SAGEN SIE SCHON!“
„I-in den Sommerferien!“ Slughorn zitterte in seinen Fesseln; Harry bemerkte, dass er vergeblich versuchte, Bewegungen mit seinem Zauberstab zu machen, und trat diesen sicherheitshalber aus Slughorns Hand. Slughorn jaulte.
„Sie sind ein Todesser?“
„N-nein!“ Slughorn schien tatsächlich entrüstet zu sein wegen dieser Anschuldigung. „Nein, wo denkst du hin, Harry! Ich erledige nur manchmal Aufträge für –“
„Manchmal? Sie arbeiten öfters für Voldemort?“ Harry erstarrte; warum hatte Dumbledore das nie bemerkt?
„Nein, so war das nicht –“
„SAGEN SIE DIE WAHRHEIT!“
Rote Funken stoben aus Harrys Zauberstab und landeten in Slughorns hervorstehenden Augen. Slughorn schrie vor Schmerzen.
„JA, JA! ICH HABE SCHON MEHRERE AUFTRÄGE FÜR IHN ERLEDIGT! BITTE, MACH DIESEN ZAUBER RÜCKGÄNGIG!“
„Das würde ich nicht einmal, wenn ich wüsste, was für ein Zauber das war!“, fauchte Harry. „Was haben Sie alles für Voldemort getan?“
„Harry“, ertönte Hermines Stimme leise hinter ihm, „überlass das doch besser Remus – und Alastor wird auch gleich –“
„Nein, ich überlasse das niemandem!“, rief Harry, wobei er sich umdrehte und überrascht feststellte, dass auch Ron und Ginny, ebenso wie Neville und Luna hier waren.
„Ich habe ihm nur ein paar kleine Dienste erwiesen!“ Harry wandte sich wieder Slughorn zu, als dieser sprach. „Um mich zu schützen, versteh das doch!“
„Welche Dienste waren das, verdammt nochmal!“
Harry hatte ein so schreckliches, flaues Gefühl im Magen … Er ahnte etwas, ohne genau zu wissen, was es war …
„Ich habe – habe dem Malfoy-Jungen letztes Jahr geholfen!“, rief Slughorn, und obwohl Harry das schon gereicht hätte, um ihn abgrundtief zu hassen, war das noch nicht das, was Harry befürchtete. „Bei der Reperatur des Verschwindekabinetts, mit dem Halsband und dem vergifteten Met –“
„Sie haben mich absichtlich fast sterben lassen?“, rief Ron entsetzt.
„Ich dachte, wenn ich den Met jemand anderem gebe, auch noch vor einem Zeugen, dann glaubt niemand, dass ich etwas damit zu tun habe! Der Plan, ihn Dumbledore zu überreichen, war mir einfach zu –“
„Ist jetzt egal!“, schrie Harry; er war sich sicher, dass er Ron verletzt aufatmen hörte, als wäre er beleidigt, dass Harry dieses Thema als „egal“ bezeichnete. „Was für Dienste waren das noch?“
„Ich habe ihm einen Zaubertrank gebraut!“ Harry hatte bei diesen Worten das Gefühl, sein Magen würde sich umdrehen. „Ein Gift! Und ich habe Dumbledore auf den Befehl des Dunklen Lords hin geraten, in der Höhle nachzusehen, angeblich, weil Tom mir einmal von ihr erzählt haben soll und weil ich ja wusste, dass Dumbledore die Horkruxe sucht und ich helfen wollte –“
Hermine keuchte; Harry ließ seinen Zauberstab unbewusst sinken. Da war es, das, was er vermutet hatte … Natürlich, Slughorn, der, den Lord Voldemort – Tom Riddle – schon als Junge als Zaubertränkemeister und möglichen Helfer gekannt hatte … Natürlich hatte Voldemort Slughorn den Trank brauen lassen, an dem Dumbledore beinahe gestorben wäre.
„Wo ist der Mistkerl?“
Das Knurren ließ Harry hochschrecken. Er drehte sich hastig um – Mad-Eye Moody stand im Türrahmen, und beide Augen sahen erst Harry an, dann fixierten sie Slughorn. Moodys entstelltes Gesicht verzog sich in einer Miene aus tiefstem Hass.
„Ist das der Verräter Slughorn?“, fragte er, und Lupin nickte. „Na dann …“ Moody richtete seinen Zauberstab auf Slughorn und dann auf eine der Bänke – Slughorn wurde mit ungeheurer Macht auf diese Bank geschleudert, wo er schaudernd und heulend liegen blieb. „Sobald wir im Bahnhof angekommen sind, bringen wir dich ins Ministerium. Vielleicht hast du ja Glück und kommt in dieselbe Zelle wie dein Kumpel Greyback.“
„Ihr sechs solltet jetzt lieber zurück in euer Abteil gehen“, sagte Lupin ruhig an Harry, Ron, Hermine, Neville, Ginny und Luna gewandt. „Nein, Harry, wirklich“, fügte er hinzu, als Harry Anstalten machte, etwas zu erwidern. „Es ist klar, dass du dich gerne an ihm auslassen würdest, aber es bedarf jetzt gewisser Magie, ihn zum Reden zu bringen, die du weder verstehen noch selbst durchführen könntest. Bitte sei vernünftig –“
„Komm, Harry“, flüsterte Hermine ihm zu, und er folgte ihr und den anderen widerwillig aus dem Abteil, den brüllenden Slughorn zurücklassend.
„Was ist passiert?“
„War das Professor Slughorn, der da so geschrien hat?“
Solche und ähnliche Fragen wurden ihnen von den vielen Schülern gestellt, die ihre Köpfe aus ihren Abteilen streckten, als sie Harry und die anderen vorbeigehen sahen. Scheinbar hatte Moody ihnen allen im Vorbeigehen verboten, aufzustehen und sich selbst umzusehen. Aber keiner der sechs beantwortete Fragen; stattdessen gingen sie hastig zu ihrem eigenen Abteil und Hermine schloss die Tür auf magische Weise hinter sich, ähnlich wie Slughorn es getan hatte. Harry vergewisserte sich, dass es Hedwig gut ging, und fand sie schlafend in ihrem Käfig vor. Hermine holte Krummbein aus seinem Korb, bevor sie sich wie alle anderen hinsetzte.
„Slughorn arbeitet für Voldemort“, murmelte Ron, den Kopf schüttelnd. „Wer hätte das gedacht …“
„Ich hab ihn nie wirklich gemocht“, sagte Harry sofort.
„Wenn Ginny dir nicht heimlich gefolgt wäre …“ Hermine presste schnell die Hand vor ihre Augen.
„Wie meinst du das?“ Harry wandte sich von Hermine an Ginny. „Du bist mir nicht gefolgt, ich hab mich extra noch umgesehen.“
Ginny hob die Schultern. „Unterschätze nie die Fertigkeiten einer Weasley.“
„Jedenfalls solltest du froh sein, dass sie sich entdeckt hat, Harry“, sagte Luna mit ihrer verträumten Stimme. „Remus Lupin hat uns vorher erzählt, dass er und sein Kollege nicht bis zu den Lehrerabteilen vordringen bei ihrer Wache.“
„Ja, das hätte schief gehen können.“ Ron schluckte. „Wie auch immer – ich hab Hunger.“
Hermine warf ihm einen angewiderten Blick zu und es hatte den Anschein, als wollte sie so etwas entgegnen wie, „Du kannst doch jetzt nicht ans Essen denken!“, aber Harry legte seine Hand auf ihre Schulter. „Nein, Hermine, ich möchte jetzt wirklich nicht darüber sprechen. Ich – ich möchte nachdenken.“
Hermine sah ihn unsicher an, aber die anderen schienen seinen Wunsch zu akzeptieren. Innerhalb weniger Minuten waren die Gespräche wieder anderen Themen gewidmet (Luna zeigte Neville die Geburtstagskarte von Ginny, während Ginny Kommentare dazu gab, und Ron überlegte lautstark, ob er lieber einen Schokofrosch oder einen Kesselkuchen essen sollte). Harry aber sprach überhaupt nicht. Er dachte tatsächlich nach –
Dumbledore hatte Slughorn nicht durchschaut, hatte nicht gewusst, dass er für Voldemort arbeitete …
Oder doch? Dumbledore hatte Slughorn eindeutig nicht besonders gerne gemocht, hatte Harry das Gefühl. Aber er war Slughorns Tipp mit der Höhle gefolgt – vielleicht nur, weil Dumbledore sonst keine Aussichten hatte, weitere Horkruxe zu finden? Wenn das der Fall war, dann hatte Harry noch weniger Chancen, die restlichen Seelenteile aufzusammeln und zu zerstören als Dumbledore – sprich, gar keine …
„Harry, darf ich nur noch eines sagen?“, flüsterte Hermine ihm nach einer Weile zu; sie sah ihn besorgt an. „Ich glaube, wir haben Probleme.“
„Ach ja?“, sagte Harry, der schon vermutete, sie wäre zu denselben Schlüssen gekommen wie er gerade.
„Ja.“ Hermine versicherte sich, dass keiner der anderen zuhörte, und dann sagte sie leise: „Harry, Slughorn hat die Horkruxe erwähnt. Lupin weiß jetzt davon. Und - und Voldemort weiß es auch!“


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Neue FF von Lily Potter
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Emma ist eine natürliche Schönheit – wenn sie also die ,normale‘ Hermine in ihrer Schuluniform spielt, müssen wir ihr Aussehen unter dem Make-up eher herunterspielen. Aber der Weihnachtsball erfordert natürlich das genaue Gegenteil – da konnten wir uns mit dem Make-up richtig austoben.
Amanda Knight, Maskenbildnerin