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Fanfiction

Harry Potter und die Totenrelikte - Im Wesen gespalten

von Wizardpupil

Es dauerte lange, bis Harry sich wieder gefangen hatte. Weniger die Tatsache, dass das Dumbledores letzte Worte waren, sondern eher die Handschrift selbst war es, die Harry unfähig machte, das Buch zuzuschlagen. Diese langen, dünnen, ineinander verworrenen Buchstaben … Der Mann, der sie geschrieben hatte, würde nie zurückkehren. Geschweige denn sein Bruder. Und es war alles – irgendwie – Harrys Schuld …
Den Inhalt des Briefes, wenn es als das gedacht war, hatte Harry nur am Rand seines Geistes wahrgenommen … Aber er wusste, er wäre wütend, wenn er sich mehr damit beschäftigen würde. Was sollte das denn jetzt? Wieso schwafelte Dumbledore von Hogwarts, wenn Harry so dringend Hilfe mit den Horkruxen brauchte, Hilfe, die ihm außer Dumbledore niemand geben konnte?
Harr hasste sich für die Wut, die nun wieder in ihm zu brodeln drohte. Er spürte sie ganz tief unten in seinem Magen, als wäre das Monster, das damals nach Ginny gebrüllt hatte, plötzlich bösartig geworden. Aber was sollte er machen – Dumbledore hätte ahnen müssen, dass er wütend sein würde. Hätte verstehen müssen, dass Harry nicht mit Gerede über Hogwarts zufrieden sein würde.
Aber als die Wut absank, Harry wieder klar denken konnte – da wusste er, das hier hatte eine tiefere Bedeutung. Dieser Brief … er war wichtig. Doch Harry war nicht in der Verfassung, den Sinn herauszufinden, irgendetwas zu verstehen. Er brauchte Hilfe dabei.
Und dieses eine Mal noch wĂĽrde er sie nur bei Ron und Hermine suchen.
Als Harry aufstand, bemerkte er, wie wackelig seine Beine waren. Er war wohl noch schneller gerannt, als ihm klar gewesen war. Mit einiger Mühe begab sich Harry zu seinem Koffer; er sah, was für ein Chaos er bei der Suche nach dem Medaillon veranstaltet hatte: Überall lagen seine Bücher, seine Pergamente, seine Kleidung. Er zog seinen Zauberstab, überlegte einige Sekunden und sagte dann, als ihm der Zauber wieder einfiel: „Ratzeputz!“
Einige seiner Besitztümer sprangen tatsächlich in den Koffer zurück, aber bei weitem nicht alle. Er hob den Rest eigenhändig auf und warf sie in den Koffer – bis auf das, was er brauchte: Die Karte des Rumtreibers aktivierte er, dann suchte er nach Rons und Hermines Namen. Er fand sie – wenig überraschend – an dem selben Ort, und zwar in der Bibliothek.
Als er wieder zum Losrennen ansetzte, fielen ihm die vielen Leute unten im Gemeinschaftsraum ein. Die Neuigkeit aus Hogsmeade war vermutlich schon bis zum Schloss durchgedrungen; er hatte jetzt keine Lust, Fragen zu beantworten …
Er drehte sich um und ging zu seinem Umhang, den er für Hagrids Junggesellenabschied ausgezogen hatte. Aus dessen Tasche zog er seinen Tarnumhang, warf den über sich, blickte noch einmal auf die Karte, um sicherzugehen, dass Ron und Hermine sich noch nicht bewegt hatten – fand sie an der gleichen Stelle wie zuvor. Sobald die Karte des Rumtreibers wieder nur ein altes, leeres Stück Pergament war, warf er sie in den Koffer zu all dem anderen Zeug, schloss ihn ab und verließ dann den Schlafsaal mit hastigen Schritten, diese besondere Ausgabe von Geschichte von Hogwarts unter seine Arme geklemmt.
Die Bibliothek kam Harry staubiger vor als frĂĽher, aber das bildete er sich wohl nur ein. Reihe um Reihe von Buchregalen erstreckten sich vor ihm, ihr Inhalt manchmal so dick wie Dudleys Arm, manchmal so dĂĽnn wie Pergament, aber eines war an allen BĂĽchern gleich: Jedes sah so alt aus wie Hogwarts selbst es war.
Auf dem Weg hier her war Harry äußerst wenigen Leuten begegnet, aber da er unter dem Tarnumhang steckte, hätte es anders auch keinen Unterschied gemacht. Trotzdem war er froh: So hatte er nicht ständig darauf achten müssen, nicht jemanden niederzurennen, sondern konnte mit halbwegs weit weg driftenden Gedanken die Korridore entlang laufen.
Auch in der Bibliothek waren wenige Schüler – logisch, denn den meisten war es um diese Uhrzeit bereits verboten, ihren Gemeinschaftsraum zu verlassen. Nur dem gähnenden Ernie McMillan, dem starren Theodore Nott, der die Augen auf ein Buch fixiert hatte, als wäre es das Interessanteste, das er je gesehen hatte, und einem einsamen Fünftklässler, der sich bereits seiner Müdigkeit hingegeben und in einen tiefen Schlaf gefallen war, begegnete er während seiner Suche nach Ron und Hermine – nicht einmal Madam Pince sah er; sie schlenderte wohl gerade eine Abteilung weit hinten in der Bibliothek entlang und betrachtete ihre hochgeschätzten Bücher, untersuchte sie auf mögliche Misshandlungen durch Schüler.
Aber Harry hatte auch keinen Erfolg bei der Suche nach Ron und Hermine. Gerade wollte er aufgeben, zurück in den Gemeinschaftsraum laufen und die Karte des Rumtreibers wieder nach ihnen absuchen – da gelangte eine unverkennbar schrille Stimme an sein Ohr: Die von Hermine, wenn sie wütend war.
Harry kam näher, da hörte er, was Ron Hermine antwortete, und blieb sofort stehen.
„Er hat es doch nicht böse gemeint! Kannst du ihm nicht einfach –“
„Verzeihen? Doch.“
„Wo ist dann das Problem?“
„Er soll mich selbst um Entschuldigung bitten!“
Erleichtert bog Harry um das BĂĽcherregal herum, das ihn von seinen Freunden abtrennte. Dort saĂźen sie sich an einem kleinen runden Tisch gegenĂĽber, Hermine scheinbar in ein Buch vertieft, Ron mit ausgelaugter Miene.
„Das will er doch!“, sagte Ron.
Harry hob die Hand, um seinen Tarnumhang von sich zu ziehen und Ron zuzustimmen – da kam die Bibliothekarin Madam Pince doch noch um die Ecke geschlichen.
„Seid gefälligst leiser!“, zischte sie.
Und dann – zu Harrys großem Unbehagen – hob sie ihren Zauberstab, aus dessen Spitze etwas ragte, das wie ein Staubwedel aussah, und machte sich daran, das Bücherregal hinter Ron und Hermine abzustauben.
Als Harry gerade überlegte, wie er sich bei Ron und Hermine bemerkbar machen könnte, ohne Madam Pinces Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, setzten die beiden ihre Unterhaltung fort, nun im Flüsterton. Harry kam näher heran, um weiter zuzuhören.
„Dann soll er doch kommen“, sagte Hermine ungerührt. „Wenn er sich wirklich entschuldigen will, soll er herkommen.“
Harry überlegte, ihr einfach auf die Schulter zu tippen, aber sie würde sich vermutlich erschrecken – und wenn er auch noch Schuld daran wäre, dass Madam Pince ihr aufgrund von Kreischen Bibliotheksverbot auferlegen würde, dann würde Hermine wohl nie wieder mit ihm sprechen.
„Das wird er sicher noch tun –“
„Hmm, da bin ich mir nicht so sicher.“ Sie schlug eine der Seiten in ihrem Buch so kräftig um, dass sie zu zerreißen drohte; Madam Pince warf ihr einen argwöhnischen Blick zu, dann wandte sie sich wieder ihrer Arbeit zu. „Er weiß doch ohnehin alles besser, nicht wahr?“
Harry konnte sich nicht helfen: Sein Mund klappte auf. Das war absolut unfair, und gar nicht typisch fĂĽr Hermine. Warum unterstellte sie ihm solche Dinge? Nur, weil sie wĂĽtend war?
„So ein Blödsinn!“ Ron war ebenso empört wie Harry. Mit zufriedenem Grinsen sah Harry zu, wie sein bester Freund sogar einen wütenden Schlag auf seinen Hinterkopf mit Madam Pinces Zauberstab über sich ergehen ließ, nur, um seine Wut lautstark zum Ausdruck zu bringen.
„Blödsinn, meinst du?“ Hermine nahm nun ihre Augen von dem Buch und richtete sie auf Harrys. „Hast du nicht mitgekriegt, was er uns alles verschwiegen hat? Die Träume? Wer weiß, was der noch alles für sich behält! Er glaubt nicht ernsthaft, dass wir ihm helfen können – will wieder alles selbst machen. Typisch. Nun, dann soll er doch.“
„Das meinst du nicht so!“
„Stimmt, ich würde ihm sehr gerne helfen.“ Hermine schnaufte, so leise, wie es ging. „Aber er lässt es ja nicht zu. In gewisser Weise haben die alle doch Recht, die meinen, Harry wollte nur den Helden spielen.“
„Hermine, wenn du noch einmal so einen Schwachsinn sagst, dann sehe ich mich gezwungen, dich zu verhexen! Und ich hab neulich einen guten Fluch nachgeschlagen, der verwandelt deine Nase in –“
„Ich mein das nicht böse. Ich bin nur realistisch. Ich meine – ich weiß, dass Harry ein Held ist, keine Frage. Aber Helden müssen nicht immer einsam sein! Und mir kommt es so vor, als wolle er die wirkliche Arbeit mit den Horkruxen selbst erledigen, die Suche und Zerstörung, so, wie er es ursprünglich geplant hat. Du wirst schon sehen. Irgendwann wird er verschwinden, und wenn er zurückkommt, hat er es irgendwie geschafft, Voldemort zu erledigen – und er wird erwarten, dass wir ihm mit offenen Armen entgegenrennen, ihm gratulieren und total froh sind, dass er wieder da ist.“ Hermine schüttelte den Kopf. „Nein. Ich werde ihm dann die Meinung sagen. Dass es furchtbar von ihm war, allein zu gehen.“
Harrys Herz war mit jedem Wort tiefer hinab gerutscht, als würde etwas gewaltvoll darauf schlagen, bis es sich jetzt so anfühlte, als würde es in seinem Fuß nach einem Ausgang suchen. Er blickte hastig zu Ron – er starrte Hermine an, die Stirn in Falten gelegt – weil er es nicht fassen konnte, was Hermine da sagte, oder weil er es sich noch einmal durch den Kopf gehen ließ?
„Das – das weißt du doch gar nicht alles.“ Sagte Ron, aber er war sichtlich verunsichert.
Hermine zuckte mit den Schultern. „Ich spreche aus Erfahrung. Wenigstens ist er heute nicht zu dem brennenden Haus gerannt, um Voldemort selbst zu erledigen.“ Hermine blätterte die nächste Seite des Buches auf, ihr Gesicht ausdrucksloser als je zuvor. „Hätte er ja normalerweise gemacht. Dann wäre er auch noch gleich gestorben. Was ihn wohl dazu bewegt hat, ausnahmsweise mal nicht den Helden spielen zu müssen?“
Harry hatte genug gehört. Nicht einmal Rons nun wieder entsetzte und wütende Miene oder sein weit aufgerissener Mund, der darauf hindeutete, dass er wohl gleich zu schreiben beginnen würde, konnte ihn davon abhalten, sich umzudrehen und aus der Bibliothek zu laufen.

Er hatte sich sofort in sein Bett gelegt, ohne auf Ron zu warten. Und am nächsten Morgen schlief Ron noch, als Harry aufwachte. Auch wenn Harry nicht mit Ron stritt, so wollte er nicht mit ihm sprechen. Zumindest nicht jetzt. Zuerst wollte er mit Hermine reden – auch wenn er noch nicht wusste, wann das endlich geschehen würde.
Er fühlte sich allein, verlassen, als er die Treppen zur Eingangshalle hinunterstieg. Hermines Beschreibung eines einsamen Helden kam ihm wieder in den Sinn. Im Moment war er das wirklich, aber dafür konnte er nichts …
Hermine saĂź nicht in der groĂźen Halle; diese war sogar noch fast leer. Ein Blick auf seine Armbanduhr verriet ihm, warum: Es war gerade einmal acht Uhr morgens, an einem Sonntag. Wer war da schon wach, auĂźer ihm, ein paar SchĂĽlern, die die Nacht durchgemacht hatten und Professor Ogden, dem neuen Lehrer fĂĽr Muggelkunde, bei dessen Alter man vermuten konnte, dass er schon seit Jahren aus Gewohnheit um diese Zeit aufstand?
Harry wollte zum Tisch der Gryffindors gehen, als er dort McLaggen sitzen sah. Der hatte ihn glĂĽcklicherweise noch nicht bemerkt, also machte Harry eine Kehrtwende und lief durch die Eingangshalle zum Tor.
Vereinzelte Nebenschwaden schwebten über den Boden der Ländereien, und die Luft war eisig. Harry wollte nicht zurück in den Schlafsaal laufen, um einen dicken Mantel zu holen, also biss er einfach die Zähne zusammen und schritt die Stufen vom Eingangstor hinunter. Die beiden Auroren, die heute hier Wache standen, beäugten ihn misstrauisch, sagten aber nichts und ließen ihn gehen.
Harry wusste nicht, warum es ihn auf die Ländereien gezogen hatte. Vielleicht, weil er hoffte, wieder Luna zu begegnen und seltsame Geschichten von ihr zu hören? Vielleicht, weil er sich an eine der Stellen setzen wollte, an denen er wunderschöne Stunden mit Ginny verbracht hatte, und an diese Zeiten zurückdenken wollte (oder sogar hoffte, dass Ginny zufällig auch dort war …)? Oder aber er hatte überhaupt keinen Grund, genoss es einfach, durch die verlassenen Ländereien zu spazieren, wo die Sonne eben erst aufgegangen war, der Wind durch die Blätter der Bäume säuselte und dabei Geräusche machte, die wie Flüstern klangen, der Nebel sich nach und nach von den Wiesen zum See zog, wo er dicht über der Oberfläche lag …
Der See. Als Harry verträumt darauf starrte, erregte der wahre Grund für seinen so frühen Besuch der Ländereien seine Aufmerksamkeit, und ihm war klar, dass er ihn die ganze Zeit schon unbewusst gekannt hatte …
Dumbledores Grabstein hob sich in seinem unglaublich reinen Weiß von den grauweißen Nebelwolken hinter ihm ab, fast wie ein Leuchtturm, der Harry den Weg zu sich wies. Deshalb war er gekommen … Dumbledores Worte aus Geschichte von Hogwarts …
Vielleicht findest du Trost an meinem Grab …
War es möglich? War das – ein versteckter Hinweis? War das der wahre Grund für Dumbledores Brief, war das eine verschlüsselte Botschaft, vielleicht sogar die, die Harry ersehnte, die, die ihm etwas über Horkruxe verriet, wenn er dem Hinweis folgte? Hielt Dumbledores Grab etwas für ihn bereit, das Dumbledore dort platziert hatte? Nein, er war tot gewesen, als das Grab errichtet worden war – hatte Dumbledore dort etwas platzieren lassen? Wie er McGonagall auch darum gebeten hatte, Harry das Buch Geschichte von Hogwarts zusammen mit seinen Schulbüchern zu schicken?
Während er über all das nachgedacht hatte, hatten ihn seine Füße zu dem Grab getragen. Der Wind hatte aufgehört zu säuseln: Es herrschte völlige Stille. Fast unheimliche Stille, aber Harry nahm das nur am Rande seines Geistes wahr.
Hier war es nun – das Grab. Wo Harry, laut Dumbledores Brief, Trost finden sollte. Trost, wie er gehofft hatte, in Form eines Hinweises, neuer Informationen …
Und wieder hatte er sich getäuscht. Er kam sich dumm vor. Was sollte Dumbledore an seinem Grab versteckt haben (lassen, sagte er sich in seinem Kopf; versteckt haben lassen, wenn, dann von einer anderen Person … Dumbledore ist tot)? Das war einfach nur wieder eine von Dumbledores exzentrischen Bemerkungen gewesen: Seinen Träumen nachzuhängen führt zu nichts Gutem, Liebe ist die stärkste Macht, ein Grab spendet Trost, nichts ist wichtiger, als auf eine Schokofroschkarte dargestellt zu sein …
Denn der Grabstein war ein gewöhnlicher Grabstein. Nichts Auffälliges, nichts, was besonders magisch wirkte – sah man einmal von dem unwahrscheinlich hellen Weiß des Marmors ab … Harry hätte über sich lachen können, wäre die Situation für ihn nicht so verdammt schrecklich und endgültig gewesen …
Und doch konnte er sich nicht von dem Grab losmachen, sich nicht dazu bringen, einfach wegzugehen. Er starrte auf den Namen seines ehemaligen Schulleiters, Mentors … Albus Dumbledore. Nie wieder würde er seine Hilfe bekommen. Der Brief in dem Buch hatte ihm nicht geholfen. Der Grabbesuch half ihm nichts …
Harry erschrak, als Stimmen hinter ihm lauter wurden. Er drehte sich um und sah mehrere Schüler den Weg entlang spazieren, lachend, schwatzend. Der Nebel war zum größten Teil verschwunden, die Sonne stand höher. Harry blickte auf seine Uhr – er hatte mehr als eine halbe Stunde hier gestanden.
Er warf einen letzten Blick auf das Grabmal, wollte sich umdrehen und – da fiel es ihm endlich auf. Ein nervöses Kribbeln ging ihm durch den Hals, das Herz, den Bauch. Da war etwas. Da war etwas!
Es war so winzig klein, kein Wunder, dass Harry es nicht vorher bemerkt hatte. Aber unter Dumbledores Namen, zwischen dem und seinem Geburts- und Sterbejahr, war etwas anderes in den Marmor geritzt … Harry beugte sich ganz tief darüber, um es erkennen zu können … Es war … ein … ein Auge?
Harry sah noch genauer hin. Es war definitiv ein Zeichen, ein Symbol oder etwas in der Art. Er hatte es noch nie vorher gesehen, daher bezweifelte er, dass Dumbledore es manchmal als Unterschrift benutzt hatte. Was konnte es sein? Das Wappen seiner Familie? Aberforth hatte gesagt, die Dumbledores waren berühmt und beliebt gewesen – eine solche Familie hatte bestimmt ein Wappen.
Aber warum sollte es dann nur so winzig auf dem Grabstein dargestellt sein? Er beugte sich noch näher hin, versuchte, die Form zu erkennen.
Wie bei seinem ersten Eindruck, erinnerte es ihn auch jetzt wieder an ein Auge. Es war ein dreieckiges Zeichen, von dessen Spitze bis zum Boden eine Linie verlief, auf der, alle Seiten des Dreiecks innen berührend, ein Kreis lag. Das Symbol wirkte auf Harry so fremdartig wie noch kein einziges, das er je in irgendwelchen Büchern gesehen hatte – und gleichzeitig glaubte er, es doch zu kennen, es doch schon einmal gesehen zu haben … Da war etwas wie eine Erinnerung, etwas klingelte im wahrsten Sinne des Wortes weit hinten in seinem Kopf – er nahm es tatsächlich wie ein Klingeln war, oder ein Pfeifen, etwas, das sich ihm zeigen wollte, aber es nicht ganz schaffte … Er konnte die Erinnerung einfach nicht wachrufen …
Aber er wusste, wer das Symbol wahrscheinlich kannte. Jemand, der so gut wie jedes Zeichen der Magie wohl nicht nur erklären, sondern auch von seinen Hintergründen, seinem Ursprung und seinem Zweck berichten konnte: jemand wie Hermine.
Die Zeit fĂĽr eine Entschuldigung war wohl jetzt gekommen.
Harry riss sich von dem Symbol und dem Grab los, stürmte den Weg zurück, den er gekommen war, an den Schülern vorbei, deren einzige Sorge es jetzt war, den Sonntag so gut wie möglich auszukosten. Er ignorierte die Auroren, die ihm nun, da er es so eilig hatte, noch misstrauischere Blicke zuwarfen, lief in die Eingangshalle und sah nur schnell im Vorbeigehen durch die große Doppeltür in die große Halle. Als er Ron und Hermine am Gryffindor-Tisch sitzen sah, lief er die Marmortreppe hoch, den Korridor entlang, eine weitere Treppe hoch, immer höher, immer weiter …
Bis er den Gemeinschaftsraum erreichte. Er war beinahe leer, nur ein paar SchĂĽler waren darin. Als Harry zum Schlafsaal lief, kam Colin Creevey auf ihn zu.
„Harry! Harry! Stimmt es, was alle erzählen? In Hogsmeade gab es einen Angriff? Jemand ist gestorben? Und du warst auch dabei? Willst du mir was davon erzäh- okay, ich bin sicher, ich kann nachher im Tagespropheten was davon lesen! Tschüss, Har-“
Aber da hatte Harry schon die TĂĽr des Schlafsaals hinter sich zugeworfen, direkt in Colins Gesicht. Dean, der einzige Bewohner dieses Zimmers, der noch nicht aufgestanden war, schreckte hoch.
„Wasnlos?“
„Nichts, schlaf weiter.“ Harry ging zu seinem Nachttisch, griff nach Geschichte von Hogwarts, das auf Sucher und Schnatz und ihre Beziehung und auf dem Buch von Viridian (das er, wie ihm jetzt einfiel, immer noch nicht ganz gelesen hatte, aber darüber konnte er im Moment nicht viele Gedanken verschwenden) lag, und lief wieder aus dem Schlafsaal, durch den Gemeinschaftsraum, die Korridore entlang, die Treppen hinab.
„Hermine! Ron!“
Er traf die beiden am Tor der groĂźen Halle, die sie gerade verlassen hatten. Hermine machte Anstalten, einfach weiterzugehen, aber Harry griff nach ihrem Arm.
„Bitte“, sagte er. „Bitte, lass mich mit dir sprechen.“
Sie sah ihn mit erhobenen Augenbrauen an, sogar mehrere Sekunden lang – dann riss sie ihren Arm los, verschränkte ihn mit ihrem anderen und machte mit ihrer passiven Miene ihr vorgespieltes Desinteresse offensichtlich. Harry atmete erleichtert aus, dann wandte er sich an Ron.
„Mit dir muss ich auch reden“, sagte er. „Am besten gehen wir – in ein leeres Klassenzimmer. Kommt mit. Bitte.“
Er führte sie zu dem Korridor gegenüber der großen Halle, öffnete die Tür eines unbenutzten Klassenzimmers und wartete, bis die beiden eingetreten waren. Hermine stolzierte mit immer noch erhobenen Augenbrauen an ihm vorbei, Ron rollte die Augen, grinste Harry zu und ging ihr dann hinterher. Harry schloss die Tür hinter sich.
„Mach bitte schnell, Harry, ich habe noch zu tun –“
„Hör bitte zu, Hermine“, fiel Harry ihr ins Wort; sie sah ihn empört an, aber er ließ sich nicht irritieren. „Stell dich bitte nicht so – so abweisend. So bist du nicht. Und eine überzeugende Schauspielerin warst du noch nie.“
Hermines Wangen liefen rot an – aber ihre abweisende Haltung, ihren kalten Gesichtsausdruck und die verschränkten Arme, ließ sie nicht fallen. Allerdings sagte sie auch nichts mehr, sondern wartete darauf, dass Harry weitersprach.
„Schön – nun – hör zu, Hermine, es tut mir leid.“ Sie rollte mit den Augen, deswegen sagte Harry schnell: „Nein, wirklich! Hermine, was ich gesagt habe, hätte ich nicht sagen sollen – natürlich weißt du so vieles so viel besser als ich, das ist völlig logisch, und ich hätte nicht an deinem Urteilungsvermögen zweifeln sollen – Hermine, ehrlich, es tut mir leid!“ Harry hob die Stimme, als Hermine seufzte und sich, scheinbar gelangweilt, auf einen der Schülertische setzte. „Ich habe einen Fehler gemacht. Um Himmels Willen, verzeih mir doch.“
Die Charade, die Hermine da zu spielen versuchte, löste sich langsam auf; ihr Blick war nun ein ehrlich skeptischer.
„Versteh doch, ohne dich schaffen Ron und ich es nicht.“ Harry meinte es so, wie er es sagte, und er musste das Hermine klar machen. „Wir brauchen dich, ohne dich –“ (und ihm fiel wieder ein, was er sie am letzten Abend hatte sagen hören in der Bibliothekt) „– ohne dich würde ich es nie schaffen, die Horkruxe zu finden und zu zerstören, geschweige denn, Voldemort zu vernichten!“
Hermine war nun dazu übergegangen, ihre Fingernägel aneinander zu reiben und sie dabei genauestens zu beobachten, als müsse sie deren Äußeres bei den UTZ-Prüfungen präzise beschreiben können, ohne sie zu sehen. Ron stand schweigend und wartend neben ihr, sah sie erwartungsvoll an, während Harry versuchte, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und ihn stumm um Hilfe zu bitten. Aber noch bevor Ron das mitbekam, hob Hermine ihren Kopf. Harry erstarrte in seiner Bewegung.
„Versprichst du mir, dass du das alles ernst meinst?“, fragte sie; sie hatte ihre Stirn in Falten gelegt, ihr Kopf war leicht zur Seite geneigt, und sie betrachtete ihn abwiegend.
Harry nickte. „Ja. Wirklich.“
Kurz verschwand der unsichere Ausdruck nicht von ihrem Gesicht – dann seufzte sie. „Also gut.“ Harry sah, dass sie lächelte. „Freut mich, dass du dich entschuldigt hast.“
Harry hätte beinahe gestöhnt vor Erleichterung – aber er wollte endlich zur Sache kommen. Jetzt, wo das geklärt war, musste er sich wieder konzentrieren.
„Gut“, sagte er, und dann endlich legte er Geschichte von Hogwarts offen auf den Tisch, auf dem Hermine saß. „Ron, komm auch her – ihr müsst etwas lesen.“
Harry wartete, bis die beiden zu Ende gelesen hatten. Während Ron immer verblüffter dreinblickte, wurden Hermines Augen immer feuchter, umso weiter sie kam. Schließlich blickte sie als erste auf und sah Harry an.
„Oh Harry –“
„Schon gut“, sagte er hastig; auch für Mitleid oder Trauer oder melancholische Erinnerungen an die Zeit mit Dumbledore hatte er jetzt nichts übrig. „Wir können auch nachher darüber reden, was wir davon halten“, fügte er hinzu, als auch Ron fertig war und zum Sprechen ansetzte.
„Aber, Harry, verstehst du denn nicht“, sagte Hermine, „ich hatte doch Unrecht!“
Harry verstand tatsächlich nicht, was sie meinte, und für einen Moment lenkte sie ihn sogar von dem Symbol auf Dumbledores Grabstein ab.
„Ich – was?“
„Ich habe mich geirrt!“ Sie nahm das Buch in beide Hände und las vor: „Was heute als Mythos gilt, ist hier noch als Fakt beschrieben. Und das könnte dir nützlich sein, Harry.“ Hermine ließ das Buch sinken und sah ihn traurig an. „Ich lag falsch darin, Mythen und Legenden einfach so als unsinnig zu erklären!“
Daran hatte Harry nicht gedacht, als er den Brief gelesen hatte – und daran wollte er auch gar nicht denken. Es war nicht seine Absicht, Hermine nun doch ein schlechtes Gewissen einzureden.
„Vergiss das bitte, Hermine, ja? Darum geht es jetzt nicht.“
„Aber das ist doch wichtig, jetzt muss ich – müssen wir noch einmal von vorne anfangen –“
„Nein, Hermine das ist jetzt gar nicht wichtig!“ Harry wollte sich nicht mit Schuldgefühlen aufhalten, weder mit seinen, noch mit Hermines. „Das Buch war noch nicht alles! Da gibt es noch etwas, das ich euch zeigen muss.“
Sie tauschten einen Blick aus, Hermine überrascht, Ron mit einem seltsamen Ausdruck von Triumph auf dem Gesicht; Harry wusste, dass sie an das denken mussten, was sie in der Bibliothek besprochen hatten, als Harry sie belauscht hatte. Der einsame Held, der alles allein machen wollte und ihnen nichts verriet … Harry wusste nicht genau, wie Ron sich so sehr zusammenreißen konnte, dass er nicht laut „Ich hab’s dir doch gesagt!“ rief.
„Kommt mit“, sagte Harry. Er schnappte hastig das Buch und verbarg sein Grinsen, indem er sich dann sofort umdrehte und aus dem Klassenzimmer lief. Die anderen beiden folgten ihm sofort, und nur eine Minute später erreichten sie das Grab.
„Wieso – hast du – es so – eilig?“, keuchte Hermine, als sie zusammen mit Ron Harry einholte.
Harry antwortete nicht, sondern wartete nur, bis Hermine und Ron ihren Atem wiedergewonnen hatte. Er selbst war in letzter Zeit wohl zu viel gerannt, um so schnell die Puste zu verlieren.
„Also“, sagte Hermine nach einer Weile, „was willst du uns zeigen?“
Harry antwortete, noch bevor Hermine zu Ende gesprochen hatte. „Weißt du, was das ist?“
Harry zeigte auf das seltsame Symbol. Zufrieden sah er, dass er Hermines Interesse geweckt hatte: Sie zog die Augenbrauen zusammen, beugte ihren Kopf hinunter, ganz dicht an die Stelle, die Harrys Fingerspitze berührte. Harry nahm die Hand weg und wartete. Als sich Hermine nach einigen Sekunden immer noch nicht rührte, wollte Harry einen Blick mit Ron tauschen – aber der stand neben Hermine und betrachtete das Symbol über ihre Haarmähne hinweg mindestens genauso konzentriert wie Hermine selbst.
„Also“, sagte Hermine dann nach einer Weile, wobei sie sich langsam aufrichtete, „das Zeichen sieht vielen ähnlich, die mir schon begegnet sind. Vor allem einigen alchemistischen. Allerdings kenne ich kein Symbol, das genau so aussieht.“
Harry war keineswegs enttäuscht; Hermine hatte gesagt, dass sie viele ähnliche Symbole kannte. Wahrscheinlich war das hier eine Kombination aus diesen anderen, oder so etwas in der Richtung. Er wollte Hermine diese Idee vorstellen, als Ron sich plötzlich zu Wort meldete.
„Ich kenne das Symbol.“
Harry wusste nicht, ob er Ron richtig verstanden hatte. Wie Hermine wandte er sich mit ĂĽberraschter Miene an ihn. Als er ihre GesichtsausdrĂĽcke sah, hob er die Augenbrauen.
„Glaubt ihr mir etwa nicht?“
„Ich – was hast du gesagt?“ Hermine klang so irritiert wie Harry sich fühlte.
„Ich hab gesagt, ich kenne das Symbol!“ Er wandte sich an Harry; er wirkte erwartungsvoll, aufgeregt. „Weißt du nicht mehr? Im Wesen gespalten!“
Hermine drehte sich nun ebenso erwartungsvoll zu Harry um – aber der verstand immer noch nichts. Sein Gesicht verriet wohl seine Ahnungslosigkeit: Ron stöhnte und schüttelte den Kopf.
„Also ehrlich – seit wann hör ich denn genauer zu als du? Gerade, wenn Dumbledore spricht – gesprochen hat – ach, ist doch egal.“ Harry verstand immer noch nicht; Ron klatschte sich mit der Hand auf die Stirn. „Mann, Harry, hallo! Vor etwa zwei Jahren! In Dumbledores Büro!“ Ron deutete auf das Symbol. „Dumbledores Gerät, eines von diesen silbernen Dingern!“
Und in dem Moment erinnerte sich Harry wieder. Die Erinnerung kam so schlagartig, dass Harry wohl noch perplexer aussehen musste als zuvor, als er nichts verstanden hatte, denn Ron sah ihn nun völlig ungläubig an. Aber Harry hatte nun verstanden – sah es nun wieder vor sich … das silberne Gerät … und Dumbledore hat es irgendwie zum Laufen gebracht, daraufhin kam eine Schlange aus der Spitze, eine Schlange aus Rauch … und sie hat sich verdoppelt – nachdem Dumbledore eine merkwürdige Frage gestellt hatte.
Im Wesen gespalten? …
„Nun hör mal, Harry, das war, als mein Dad –“
„Ja, ich weiß schon wieder!“, sagte Harry hastig; eine neue Aufregung war in ihm aufgestiegen, eine Lust, zu handeln, die er schon so lange vermisst hatte, ohne es zu bemerken. „Ich weiß es wieder, Ron!“
„Kann mich mal bitte einer einweihen?“, mischte sich Hermine ein; es schien sie richtig zu entnerven, dass Harry und Ron über etwas sprachen, von dem sie nichts wusste.
„Das machen wir auf dem Weg“, sagte Harry.
„Auf dem Weg?“ Hermine runzelte die Stirn. „Wohin?“
Harry konnte nicht anders – er lächelte. „Zu Dumbledores Büro.“


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