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Fanfiction

Harry Potter und die Totenrelikte - Elfentreue

von Wizardpupil

War das möglich? Konnte es das bedeuten, was Harry dachte, dass es bedeuten musste? Hieß es wirklich …
Harry starrte abwechselnd auf das Bild und auf die Seelenpyramide, Bild, Pyramide, Bild, Pyramide … Die Kugel drehte sich langsamer, das Geräusch war leiser. Was hatte Dumbledore (oder war es Hermine gewesen?) gesagt? Die Seelenpyramide konnte unter anderem auch erkennen, wo besondere Seelen – Seelenteile – versteckt waren … Tat sie das gerade? War dieses Geräusch ein – ein Alarm, der anzeigte, dass ein Seelenteil in der Nähe war?
Ein Horkrux?
Harrys Hand zitterte, als er sie hob, um die Birne auf dem Bild mit der Obstschüssel zu kitzeln. Der geheime Eingang zur Küche würde sich öffnen – und was dann? Harry zögerte. Wann hätte Voldemort hier ein Horkrux verstecken sollen?
Die Antwort kam ihm sofort: Nach seinem Gespräch mit Dumbledore!
Als Voldemort nach Hogwarts gekommen war und Dumbledore gefragt hatte, ob er ihm den Posten des Lehrers für Verteidigung gegen die dunklen Künste geben würde; da war er wohl eigentlich hier gewesen, um einen Horkrux zu verstecken! Vielleicht hatte er es sogar schon vor dem Gespräch getan, und war dann nur zu Dumbledore gegangen, damit sein Alibi nicht aufflog; in jedem Fall war es mehr als möglich, dass er damals ein Horkrux hier versteckt hatte!
Jetzt hörte er auf zu denken. Er kitzelte die Birne – sie verwandelte sich in einen Türknauf – und Harry riss das Gemälde zur Seite.
„Harry Potter!“
Die Küche war ein riesenhafter Raum, eine richtige Halle. Aber das einzige, was sie mit der großen Halle, die sich direkt über ihr befand, gemeinsam hatte, waren die fünf Tische und der Kamin, die an genau den gleichen Stellen standen wie ihre Gegenstücke einen Stock oberhalb. Aber ansonsten bestand da keine Ähnlichkeit. Und der auffälligste Unterschied war der, dass hier nicht Zauberer und Hexen, Schüler und Lehrer auf ihren Plätzen saßen und warteten, bis ihnen Essen serviert wurde – hier tummelten sich Hauselfen, die dieses Essen zubereiteten. Gerade waren sie alle vollauf beschäftigt damit, Kessel, Töpfe, Pfannen, Geschirr und Gläser herumzutragen, nur teilweise gefüllt. Und manche schienen die Arbeit zu begutachten. Einer von diesen manchen hatte Harry sofort bemerkt, als er die Küche betreten hatte.
Dobbys Augen waren noch größer als sie für gewöhnlich schon waren, als er auf ihn zugetrappt kam. In ihnen spiegelte sich Überraschung wider, teils freudige, teils verwirrte. Der Elf – der heute ein weißes Hemd trug, das ihm wie ein Mantel bis über seine Beine fiel – blieb vor ihm stehen. Seine Nase berührte beinahe Harrys Beine – der Elf reichte mittlerweile kaum mehr bis zu Harrys Knien.
„Was machen Sie hier, Sir?“, fragte Dobby. „Darf ich Ihnen etwas bringen? Wollen Sie –“ Der Elf schlug sich die Hände vor den Mund. „Wollen Sie heute mit uns essen? Oh, was für eine Ehre!“
Harry schüttelte den Kopf. „Nein, Dobby, tut mir Leid. Ich bin hier, weil –“
Warum? Was sollte er sagen? Er konnte es Dobby unmöglich erklären …
Oder konnte er doch?
Dumbledore hat geschrieben, ich soll Hilfe annehmen, erinnerte er sich. Hilfe von denen, die mir helfen wollen, ohne eine Gegenleistung zu verlangen. Ob diese Idee gut war? Harry sah Dobby an; blickte auf dieses Lächeln, vertrauensselig und erwartungsvoll. Dobby wollte hören, was Harry hier machte, freute sich schon darauf, ihm seine Hilfe anzubieten …
„Hör zu, Dobby“, sagte Harry; er ging auf die Knie, um mehr auf Dobbys Augenhöhe zu sein (wozu er ein Stückchen zu groß war). Er erschrak, als Dobby zurückzuckte und seinen Kopf beugte.
„Was ist denn?“
Dobby hob langsam wieder seinen Kopf an und stellte sich aufrecht hin, aber sein Blick war auf den Boden gerichtet. „Entschuldigen Sie, Mr Potter, Sir“, flüsterte er. „Aber trotz Dobbys Freiheit ist es Dobby nicht gewohnt, mit – mit Zauberern auf – auf der gleichen Augenhöhe zu sprechen …“
Harry runzelte die Stirn. „Würdest du dich wohler fühlen, wenn ich wieder aufstehen würde?“
„Ja, Harry Potter, Sir“, stieß Dobby erleichtert aus; aber Harry rührte sich nicht.
„Ich fühle mich aber so wohler“, sagte Harry. „Mit Gleichwertigen kann ich nur schwer von oben herab reden, das gefällt mir nicht.“
Nachdem er das gesagt hatte, schwieg er. Und wartete. Denn Dobby schien nicht reagieren zu wollen. Während unzählige Hauselfen an ihnen vorbeischwärmten, stand Dobby einfach nur da, mit offenem Mund und eingeknickten Fledermausohren. Harry befürchtete, zu wissen, was gleich passieren würde. Und er hatte Recht.
Mit einem lauten Schluchzer warf sich Dobby auf den Boden vor Harrys Füßen. Er weinte und heulte, wälzte sich hin und her, und schlug mit der Faust gegen den kalten Stein des Fußbodens. Die anderen Hauselfen drehten sich zu ihnen um, manche entsetzt, manche einfach nur neugierig; viele hoben ihre Arme, als würden sie sich bereit halten, einen Eindringling mit Flüchen zu vertreiben. Aber als sie Dobby sahen, rollten sie nur mit ihren Augen, drehten sich weg und fuhren mit ihrer Arbeit fort.
„Was hat Meister Potter Dobby angetan?“
Harry fuhr hoch, als diese krächzende Stimme direkt hinter ihm laut wurde. Er wandte sich um – Kreacher stand da, hässlich und bucklig wie eh und je, aber mit einigen neuen weißen Haaren in seinen Ohren; was Harry aber wirklich erschreckte – er wich unbewusst krabbelnd einen Schritt zurück – waren Kreachers blutunterlaufene Augen, die nun von seltsamen, abstoßenden kleinen Bläschen umgeben waren. Die Bläschen waren rot und gelb, und ein paar davon sahen verdächtig danach aus, als würden sie gleich aufplatzen und Eiter auf Harry schießen.
„Ich dachte, der Meister mag diesen erbärmlichen kleinen Freiheitskämpfer“, murrte Kreacher, als er um Harry herumging und neben Dobby stehen blieb.
„Kreacher! Ich – also – mit Dobby habe ich natürlich nichts gemacht. Ich habe nur –“
„Mr – Potter – hat – etwas – so – Großartiges – zu – Dobby – gesagt!“, stieß Dobby plötzlich zwischen einigen Schluchzern hervor. „Mr – Potter – darf – nicht – sagen – er – hat – nur!“ Dobby richtete sich auf; er schien einige Mühe damit zu haben, aber Harry wagte es nicht, ihm zu helfen; noch so einen Anfall konnte er nicht brauchen. Dobby schluchte ein weiteres Mal, dann wischte er sich die Tränen von der Wange und sagte: „Mr Potter hat gar nichts nur gemacht! Harry Potter hat so viele wunderbare Dinge getan, und nichts davon ist nur!“
„Danke, Dobby“, sagte Harry hastig, „aber ich versichere dir, ich wollte dir keinen Gefallen tun! Ich meine, was ich gesagt habe, und ich –“ Aber in Dobbys Augen sammelten sich erneut die Tränen. „Ist – ist jetzt egal, Dobby. Ich brauche deine Hilfe!“
Da strahlte der Elf bis ĂĽber beide Ohren.
„Sagen Sie, Mr Potter, sagen Sie ruhig, was Sie brauchen! Dobby tut alles – alles für sie! Dobby ist Ihnen treu, Mr Potter, Dobby ist –“
„– ein nichtsnutziger, ahnungsloser, verräterischer, dreckiger kleiner Schleimer.“ Kreacher flüsterte und murmelte zwar vor sich hin, aber wie so alles, das er schon geflüstert und gemurmelt hatte, verstand man auch das hervorragend, trotz des Lärms, den die arbeitenden Elfen veranstalteten.
„Kreacher, sei still!“
Kreacher sah Harry kurz an, dann verbeugte er sich – und schwieg.
„Gut“, sagte Harry. „Nun, da das geklärt ist –“
Nun, da das geklärt war, wie klärte er das andere? Wie sollte er Dobby so schnell wie möglich erklären, was er von ihm brauchte? Was sollte er Dobby alles erzählen – was musste Dobby wissen? So viele Fragen … so viele Fragen …
„Hat es etwas mit dem Ding zu tun, das Sie so fest umklammern, Mr Potter, Sir?“
Harry hob die Augenbrauen. „Welches Ding?“, fragte er Dobby, dann blickte er an sich hinunter – und sah, dass er die Seelenpyramide fest an sich drückte. Das hatte er gar nicht bemerkt.
„Oh – ja!“ Harry legte sie auf den Boden zwischen sich und Dobby. Kreachers Augen folgten dem Gerät mit mildem Interesse, doch er sagte nichts. „Dobby, das ist eine Seelenpyramide. Sie erkennt, wenn seltsame Seelen in der Nähe sind. Siehst du, wie die Kugel sich dreht?“
„Ja, Dobby sieht es!“
„Gut – und du hörst es vielleicht nicht, weil hier solcher Lärm herrscht, aber –“
„Doch, Dobby hört das Geräusch!“ Dobby nickte glücklich, und seine Fledermausohren flatterten hin und her. „Dobby hört diese – diese Sirene!“ Da fielen seine Ohren, sein Gesicht lief rot an. „Es tut Dobby Leid, aber Dobby weiß nicht genau, was das ist.“
„Das weiß ich auch nicht so genau“, sagte Harry (mehr zu sich selbst als zu Dobby); er hob die Stimme und fuhr fort: „Jedenfalls bedeutet das, dass ein Hor- eine seltsame Seele hier in der Küche ist. Und ich suche diese seltsame Seele.“
Harry wusste nicht, was er jetzt erwarten sollte. Würde Dobby – aus welchem Grund auch immer – sofort wissen, wovon er sprach? Würde er sich an seltsame Vorkommnisse erinnern, die er in der Küche hier erlebt hat, oder an einen seltsamen Gegenstand, den er hier gefunden hatte? Würde er Harry gleich zu einem Horkrux führen? Konnte es wirklich so einfach sein? …
Wie es schien, konnte es das nicht.
Etwas stimmte nicht mit Dobby. Sekunden, nachdem Harry zu Ende gesprochen hatte, schwieg Dobby noch, und sein Blick glitt ins Leere ab, obwohl er auf die Seelenpyramide gerichtet war. Was war bloĂź jetzt schon wieder los?
„Dobby?“
Er reagierte nicht – ein schlechtes Zeichen, wenn man bedachte, dass Dobby eben noch so enthusiastisch bei der Sache war …
„Dobby, hörst du mich?“ Harry tippte Dobbys Schultern mit den Fingerspitzen an. Der Elf zuckte zusammen; seine Augen fanden Harrys, aber er schien noch nicht gänzlich aus seiner Trance zurück zu sein. Zumindest sagte er kein Wort.
„Was ist denn?“, fragte Harry; langsam wurde er nervös, auch wenn er Dobbys Wunderlichkeit gewöhnt war.
Und endlich antwortete Dobby. Aber Harry hätte nie mit dem gerechnet, was Dobby jetzt sagte.
„Hat es – hat das, was Mr Harry Potter finden möchte, mit – Du-weiß-schon-wem zu tun?“
Harry starrte Dobby nur an. Er hörte seine Gedanken, hörte, wie er nach den richtigen Worten suchte, um zu antworten. Aber die kamen nicht. Es war nicht, dass Voldemort erwähnt worden war – es war, dass Dobby Voldemort erwähnt hatte, und dass er ihn geraten und richtigerweise mit einer seltsamen Seele in Verbindung gebracht hatte. Jeder andere hätte wohl verwirrt oder belustigt reagiert, wenn Harry ihm von einer seltsamen Seele erzählt hatte, die er sucht. Und Dobby – ja, Dobby …
„Dobby, woher weißt du das?“, sagte Harry so leise er konnte. Er wollte nicht, dass Kreacher zuhörte; aber der hatte ohnehin scheinbar das Interesse verloren. Er kratzte sich nun am Ohr und starrte gedankenverloren an die Decke der Küche.
Dobby schüttelte den Kopf. „Dobby weiß es nicht, Sir.“ Noch nie hatte Harry Dobby so reden hören: Seine Stimme klang so anders – auf eine andere Weise beunruhigt als damals, als er Harry vor der Kammer des Schreckens gewarnt hatte. Er sprach noch leiser als Harry, aber es wirkte so, als hätte Dobby gar keine andere Wahl; er musste so leise sprechen. Was, glaubte er, passierte ansonsten? So, wie Harry Dobby kannte, glaubte dieser vermutlich, dass Voldemort ihn hören konnte und gleich kommen würde, wenn er lauter redete. Und etwas Erschütterndes war in Dobbys Stimme. Etwas, das Harry nicht sofort identifizieren konnte … aber als Dobby fortfuhr, wurde es ihm klar.
„Dobby weiß es nirgendwoher, denn Dobby weiß es nicht. Er ahnt es nur.“
Dieses fast unmerkliche Zittern der Stimme, dieser raue Tonfall, der fast ein wenig an Professor Trelawneys Stimme erinnerte; Dobby hatte Angst. Tiefe, grausame Angst. Als Harry sie erkannte, als ihm klar wurde, wie sehr sich Dobby in diesem Augenblick fürchtete, da durchdrang ihn eine Kälte, eine so unglaubliche Kälte … Er schauderte; und er hatte auch Angst. Wovor hatte er Angst? Oder – wovor hatte Dobby überhaupt Angst?
„Dobby, wie kommst du jetzt auf – Du-weißt-schon-wen?“ Harry war wenig überrascht, dass er nun genauso leise wie Dobby redete.
Nun zitterte nicht nur Dobbys Stimme, sondern auch sein ganzer Körper. Seine Zähne schlotterten; wann immer er in Harrys Gesicht blickte, wandte er sich sofort wieder ab, als könne er dem Augenkontakt nicht standhalten. Er schüttelte langsam seinen Kopf hin und her, als wolle er irgendwelche Gedanken loswerden …
„Sag schon“, drängte Harry, jetzt wieder lauter. „Bitte“, fügte er hinzu.
Jetzt sah Dobby wieder direkt in Harrys Augen. Er schluckte – öffnete seinen Mund –
„Dobby hat Dinge gehört.“ Es war schwierig, ihn zu verstehen, denn seine Zähne klapperten immer noch. „Und gesehen. Und – und gefühlt!“
„Hier? In der Küche?“ Harry spürte, wie seine Aufregung stieg, aber Dobby schüttelte den Kopf.
„Ja – also, nein! Nein – nein, Harry Potter, nicht hier in der Küche. Dobby hat Seltsames mitbekommen im – im Haus von Dobbys alten Herren!“
Harry stutzte.
„Bei – bei den Malfoys? Was hast du gehört?“
„D-dobby hat nicht viel gehört!“ Dobby griff so schnell nach Harrys Hand, dass dieser erschrak, und packte sie fest. „Versprechen Sie Dobby, dass Sie niemandem verraten werden, dass Dobby Ihnen das erzählt, Mr Potter!“
Ohne nachzudenken sagte Harry: „Ich verspreche es!“
Die anderen Hauselfen machten einen ziemlichen Bogen um sie, wenn sie an ihnen vorbei mussten. Und Kreacher stand immer noch mit abwesendem Gesichtsausdruck da, kratzte sich an seinem Ohr. Harry glaubte nicht, dass jemand ihnen zuhören würde, und selbst wenn Kreacher lauschte, konnte er ohnehin nichts damit anfangen.
Dobby ließ Harrys Hand los und umklammerte stattdessen seinen eigenen Körper mit beiden Armen. „Dobby verrät eigentlich nichts, was seine Meister ihm anvertrauen –“
„Dobby, die Malfoys sind nicht mehr deine Meister.“
Dobby nickte. „Ja, Harry Potter hat natürlich Recht – es tut Dobby Leid, Sir, aber – es – es ist trotz allem immer noch so ungewohnt für Dobby –“
„Ich verstehe. Bitte sprich jetzt weiter.“
„Dobby spricht schon, Mr Potter, Dobby spricht schon!“ Er ließ seine Arme wieder fallen, aber ging sofort darin über, seine Hände zu ringen. „Mr Potter weiß doch, dass – dass Dobbys alte Herren ganz – ganz böse Menschen waren, oder?“
„Ja.“
„Ja – ja, das hat Dobby sich gedacht, Mr Potter! Nun – Dobby hat so einiges gehört im Haus Malfoy.“ Er ging einen Schritt näher auf Harry zu. „Viele schreckliche Dinge. Aber nur selten wurde tatsächlich von – von Ihm, dessen Name nicht genannt werden darf, gesprochen. Und nie hat Dobby ihn im Haus Malfoy gesehen. Aber wenn Meister und Meisterin Malfoy sich über ihn unterhalten haben – sie haben von seiner Unsterblichkeit gesprochen! Haben gerätselt, wie Er, dessen Name nicht genannt werden darf, unsterblich geworden ist! Und dann hat Dobby immer wieder gesehen, wie sie dieses – dieses Tagebuch gehalten haben – und Dobby hat erkannt, dass es böse ist!“ Jetzt wich Dobby wieder zurück und wäre beinahe mit einem anderen, sehr alten Hauselfen zusammen gestoßen; der stieß einen leisen Fluch aus, und als er dann Harry erblickte, starrte er ihn entsetzt an, bevor er disapparierte; vermutlich, um sich zu bestrafen, weil er vor einem Zauberer geflucht hatte.
„Sprich bitte weiter, Dobby.“
„Ja – ja, Mr Potter. Dobby hat erkannt, dass das Tagebuch böse ist. Dobby hat es gespürt! Und Dobby hat gespürt, dass es – dass es lebt!“
Wieder schauderte Harry; Dobbys Beschreibung machte das, was er gefühlt hatte, genauso spürbar wie seine Angst zuvor zum Greifen nah gewesen war. Harry wusste ganz genau, wovon Dobby da sprach … Er hatte das Tagebuch damals selbst als etwas mehr oder weniger Lebendiges erlebt. Man hatte tatsächlich die Seele spüren können, die darin ruhte …
„Und Dobby hat sofort verstanden, wovon Mr Potter gesprochen hat, als Mr Potter seltsame Seele gesagt hat.“ Dobbys Augen weiteten sich. „Weil Dobby weiß, dass Mr Potter mit Ihm, dessen Name nicht genannt werden darf, beschäftigt – Dobby hat sofort an das Buch zurückgedacht und – und an seine alten Meister …“ Er nahm wieder Harrys Hand. „Bitte verzeihen Sie Dobby, dass er nicht sofort geantwortet hat, Harry Potter!“
Harry reagierte überhaupt nicht darauf. Er hörte schon nur noch mit einem Ohr zu, versank in seinen Gedanken. Wenn Dobby gespürt hatte, dass das Tagebuch ein Horkrux war …
„Und du hast auch sicher nicht etwas Ähnliches hier in der Küche gespürt?“, fragte Harry nach einer Weile. „Eine ähnlich seltsame Macht?“
Dann tat Dobby etwas, was Harry verblĂĽffte: Er runzelte erstaunt die Stirn, etwas, das er noch nie getan hatte, und es verpasste dem Gesicht das Aussehen der faltigen Haut eines alten Mannes.
„Das hat Dobby nicht gesagt, Sir.“
„Doch, hast du“, sagte Harry. „Vorhin. Da hast du gesagt, du hättest hier in der Küche nichts gespürt.“
Die Falten auf Dobbys Stirn wurden noch tiefer. „Nein, Sir, Dobby hat nur gemeint, dass er das, worauf er sich bezogen hat, im Haus der Malfoys und nicht in der Küche gefühlt hat.“
Harry erhob sein Knie ein wenig vom Boden, als wolle er jede Sekunde lossprinten. „Was – was soll das heißen?“
„Dobby hat auch in der Küche etwas gespürt“, antwortete Dobby. „Etwas ganz Ähnliches!“
Dobby fiel nach hinten um, als Harry ohne jegliche Vorwarnung und mit einer einzigen, schnellen Bewegung aufstand. Also doch, dachte er, und er sah zur Seelenpyramide, die am Boden stand und deren Kugel sich langsam um sich selbst drehte.
Es war also tatsächlich ein Horkrux hier.
„Hört mir bitte alle für einen Moment zu!“
Fast alle Hauselfen blieben sofort stehen, die anderen (die, die Harry nicht gehört hatten) machten es ihnen sofort gleich, als sie bemerkten, dass ihre Kollegen sich nicht mehr bewegten. Einige stellten sogar ab, was sie getragen hatten. Aber wirklich jeder hatte sofort, als Harry gerufen hatte, den Kopf zu ihm umgedreht; manche waren sogar durch kleine Türen an den Wänden aus Nebenräumen gekommen. Jetzt sah ihn jeder Hauself in der Küche an, manche überrascht, manche arbeitswillig, manche völlig emotionslos – und manche mit einem ganz und gar anderen Gesichtsausdruck. Harry erkannte geschockt die Bedeutung dieser Mienen – die entsetzt aufgerissenen Augen, die abgeknickten Ohren und die geduckten Köpfe, die leicht offenstehenden Münder … Diese Elfen fürchteten sich. Eine davon war Winky, wie Harry erkannte, die ehemalige Elfe der Crouchs. Sie stand ganz hinten in einer Ecke und versuchte offensichtlich, so unauffällig wie möglich auszusehen.
„Danke für eure Aufmerksamkeit“, rief Harry. „Ich brauche eure Hilfe. Wer von euch ist schon seit langer Zeit hier in Hogwarts – angestellt? Also, seit … mindestens vierzig Jahren?“
Harry kannte den Zeitraum nicht genau, um den er sich kümmern musste; vor etwa fünfzig Jahren war Tom Riddle an der Schule gewesen – wann war er zurückgekehrt, um mit Dumbledore über den Posten als Lehrer zu reden? Er erinnerte sich nicht …
Mehr als die Hälfte der Hauselfen hob zur Antwort die Hand – dann noch mehr – dann fast der gesamte Rest. Die, die sich nicht meldeten, konnte man an einer Hand abzählen, und Dobby, Kreacher und Winky waren drei davon.
„Gut, das war nichts“, murmelte Harry; er schwieg einige Sekunden, um nachzudenken; und als ihm eine Idee kam, hob er wieder seine Stimme: „Wie viele von denen, die jetzt aufzeigen, haben einmal mit jemandem gesprochen, der nicht hier in Hogwarts arbeitet?“
Viele Hände sanken der Reihe nach; jetzt waren nur noch vierzehn erhoben; dreizehn; neun; und schließlich blieben nur noch sieben erhoben. Hervorragend, dachte Harry.
„Gut!“, rief er, und er konnte die Freude in seiner Stimme hören. „Sehr gut!“ Aber wie sollte er die nächste Frage formulieren? Sollte er es direkt sagen? Konnte er nach Tom Riddle fragen? Würden diese Elfen wissen, wer Tom Riddle heute war? … Es gab nur einen Weg, es herauszufinden.
Er zögerte kaum, bevor er sagte: „Und wer von euch sieben hat mit einem gewissen Tom Riddle gesprochen?“
Ein Flüstern zog sich durch den Raum – alle Hände sanken – bis auf eine.
Harry konnte sich im ersten Moment nicht einmal rühren, geschweige denn etwas sagen. Konnte es so leicht sein? Hatte er – nach so langer ergebnisloser Suche – einen Horkrux gefunden, indem er einfach Hilfe bei den Hauselfen suchte? Musste er nur diesen alten Hauselfen, der da aufzeigte, fragen, und würde der ihm dann einen Horkrux überreichen?
„Wieso will Meister Potter das alles wissen, fragt sich Kreacher.“
Die kratzige, kalte Stimme von Kreacher riss Harry aus seinen Gedanken. Aber er antwortete seinem Hauselfen nicht, sondern wandte sich wieder an den, der noch aufzeigte.
„Du kannst die Hand jetzt sinken lassen“, rief er ihm zu, „aber komm bitte hier nach vorne. Ihr anderen – ihr könnt jetzt – wieder arbeiten, wenn … ihr wollt.“
Harry wurde plötzlich etwas unsicher; die Hauselfen sahen ihn so erwartungsvoll und angespannt an; als würden sie mit Strafe rechnen, oder irgendeinem Auftrag. Es dauerte auch, bis sie alle verstanden, dass sie tatsächlich entlassen waren. Aber dann fuhren sie damit fort, ihre Kessel, Pfannen und was immer sie bei sich hatten herumzutragen.
Zwischen all den Elfen drängte sich der besonders kleine, alte Elf hindurch, der Harry hoffentlich weiterhelfen würde. Gespannt wartete er, bis er zwischen Kreacher (der nun wieder gelangweilt dastand und zusah, wie sich der andere Elf näherte) und Dobby (der Harry mit einem niedergeschlagenen Ausdruck ansah, als wäre er enttäuscht, dass Harry die Hilfe eines anderen der seinen vorzog) zum Stehen kam. Am vorgeschobenen Kinn des Elfs wuchs sogar ein kleiner Bart, was Harry bei solchen Wesen noch nie gesehen hatte.
„Was darf Knobby für Euch tun, Meister Schüler-von-Gryffindor?“ Die Stimme war genauso kratzig wie die von Kreacher, aber höher und älter.
„Knobby weiß doch, wer das ist!“, sagte Dobby aufgeregt, die Arme verschränkt. „Das ist nicht irgendein Schüler von Gryffindor, das ist –“
„– Harry Potter, Knobby weiß das“, sagte Knobby, „aber es ist unser Auftrag, alle Schüler gleich zu behandeln, wie Dobby sehr genau weiß.“ Er warf Dobby einen giftigen Blick zu und rümpfte seine Nase; scheinbar fanden einige Hauselfen hier Dobbys Verhalten immer noch unangebracht.
„Knobby“, ergriff Harry schnell wieder das Wort, und Knobby wandte sich zu ihm um, „könntest du mir bitte sagen, worum es in – Ihrem Gespräch mit Tom Riddle gegangen ist?“
Knobby verbeugte sich. „Wenn Meister Schüler-von-Gryffindor das so möchte, dann geht das. Um genau zu sein, hat Tom Riddle Knobby zwar damals verboten, jemand anderem von dem Gespräch und dessen Inhalt zu erzählen – aber Tom Riddle hat dabei außer Acht gelassen, dass Knobby in erster Linie Diener derer ist, die in Hogwarts leben. Und Tom Riddle hat zum Zeitpunkt der Unterhaltung nicht mehr in Hogwarts gelebt.“
Das leise Geräusch der Seelenpyramide, das Harry bisher noch gehört hatte, wurde nun komplett von Harrys eigener Alarmglocke in seinem Kopf verdrängt. „Hat er nicht?“
„Nein. Er hatte die Schule zwölf Jahre zuvor verlassen.“
„Und – und was wollte er von – Ihnen?“
„Meister Schüler-von-Gryffindor darf Knobby ruhig duzen, Sir, Knobby ist es gewöhnt.“ Der Hauself verbeugte sich erneut, dann sagte er: „Er hat Knobby befohlen, seine Magie für ihn anzuwenden und ein Geheimnis von ihm zu bewahren.“
Ein kalter Schauer lief Harrys Rücken hinunter, in seinen Kopf kam ein unangenehmes Kribbeln auf. „Und du hast das getan?“
„Knobby hat getan, was Tom Riddle verlangt hat. Aber wie gesagt, ist Knobby jetzt nicht mehr Tom Riddles Diener. Wenn es Knobby von Ihnen befohlen wird, Meister Schüler-von-Gryffindor, dann wird Knobby das Geheimnis verraten und die Magie, die er angewandt hat, rückgängig machen.“
„Verrate mir das Geheimnis!“
Harry vermutete, dass er überrascht gewesen wäre, wie begierig und laut er diesen Befehl ausgesprochen hatte – wenn er nicht so überwältigt von der neuen Situation wäre. Gleich würde er einen Horkrux in den Händen halten!
Schon wieder verbeugte Knobby sich; seine Nase war kürzer als Dobbys, berührte aber dennoch den Boden. „Tom Riddle hat etwas versteckt, hier in der Küche. Und Knobby hat das Versteck versiegelt.“
Obwohl Harry es gehofft hatte, obwohl er es eigentlich schon erwartet hatte – ihm fiel die Kinnlade herunter. Es war unfassbar – unglaublich – es war einfach – wow, dachte er. Und gleich danach brüllte er gedanklich: ENDLICH!
„Was hat er versteckt, Knobby? Und wo?“
„Was es war, hat Knobby nicht genau gesehen. Es war in einer Kiste. Und versteckt hat er es dort.“
Knobby drehte sich um, hob den Arm, und zeigte auf etwas. Harry folgte der Richtung, in die der Zeigefinger des Elfs wies –
Und er sah den Kamin.
„Da drin“, sagte Knobby. „Knobby hat auf Tom Riddles Befehl hin allen Hauselfen gesagt, sie sollen die Küche verlassen, und dann zugesehen, wie Tom Riddle einen geheimen Raum hinter dem Kamin betreten hat. Dann hat Knobby gewartet, bis – Sir, was ist mit Euch?“
Denn Harry schenkte Knobby keine Aufmerksamkeit mehr – obwohl ihm klar war, dass er das, was Knobby ihm erzählen wollte, wissen musste. Aber er war einfach zu fasziniert von diesem Kamin. Da war er – da war es! Das Versteck eines Horkruxes. Endlich würde Harry einen Horkrux finden, endlich, endlich … Er ging an Knobby vorbei, schlängelte sich zwischen den kleinen Hauselfen und den Gegenständen, die sie trugen, hindurch. Bis er den Kamin erreichte. Er sah noch älter aus als der in der großen Halle. Er war aus Ziegelsteinen gebaut. Kein Feuer brannte gerade, aber die verkohlten Holzstücke wiesen darauf hin, dass vor kurzem noch welches da gewesen war. Und irgendwo dahinter hatte Voldemort einen Horkrux versteckt …
„Ein schöner Kamin, nicht wahr, Meister Schüler-von-Gryffindor?“
Harry sah nach unten; Knobby und Dobby waren zu ihm gekommen. Die beiden standen neben seinen FĂĽĂźen, Dobby sah ihn neugierig an, und Knobby betrachtete den Kamin.
„Helga Hufflepuff hat ihn gebaut“, erklärte er. „Genauso wie die Küche hier. Helga Hufflepuff hat die Küche geliebt. Sie war auch diejenige gewesen, die den Hauselfen hier Arbeit gegeben hat. So sind Hunderte von Hauselfen, die ziellos und verzweifelt durch die Gegend gewandert sind, zu einer Arbeit gekommen!“
Aber Harry hatte nur den ersten Satz wirklich verstanden.
Helga Hufflepuff hat ihn gebaut. Damit war auch klar, welcher Horkrux Harry hier erwartete.
Der Becher.
„Wie hast du den Kamin versiegelt, Knobby?“
„Mit Hauselfenmagie“, sagte Knobby einfach. „Magie, die Zauberer und Hexen nicht brechen können.“
„Aber Hauselfen schon.“
„Aber Hauselfen schon, ja. Knobby ist besonders begabt, wenn es um Versiegelung geht. Vielleicht hat Tom Riddle das gewusst und Knobby deshalb um Hilfe gebeten.“
„Ja, vielleicht.“ Harry schluckte. „Könntest du – könntest du den Kamin jetzt bitte wieder entsiegeln?“
Knobby nickte. „Was immer Meister Schüler-von-Gryffindor von Knobby verlangt.“
Er schnippte mit den Fingern – und nichts geschah.
„Ähm – Verzeihung, Knobby“, sagte Harry, „aber hat es funktioniert?“
„Aber natürlich“, antwortete Knobby; als er nichts weiter sagte und Harry nur ansah, wurde ihm klar, dass Knobby das Fehlen irgendwelcher Folgen seines Zaubers nicht auffiel.
„Es ist nichts passiert, Knobby.“
„Doch, Meister Schüler-von-Gryffindor“, sagte Knobby, sich erneut verbeugend. „Der Schildzauber ist abgefallen.“
„Und wieso öffnet sich dann nichts?“
„Weil der Schild nicht der einzige Schutz des Versteckes war. Tom Riddle hat den Geheimgang geöffnet, als Knobby nicht dabei war, und geschlossen hat er sich von selbst, bevor Knobby den Schildzauber angewandt hat.“
Verdammt, dachte Harry. Sollte es das schon wieder gewesen sein? Nein, ihm musste einfallen, wie Voldemort den Geheimgang –
Aber klar!
Ohne darüber nachzudenken, dass er nicht allein war, und ohne den anderen vorher zu erklären, was er tat, sagte Harry etwas zu dem Kamin. In Parsel. Öffne dich! Er brauchte nicht einmal etwas Schlangenartiges zu sehen, damit es ihm gelang: Dobby und Knobby und einige andere Hauselfen, die gerade in der Nähe gewesen waren, wichen erschrocken zurück, also hatte er tatsächlich wie eine Schlange gezischelt. Und dann begann es.
Im großen Innenraum des Kamins – dort, wo Feuer entflammt wurde – regte sich etwas. Die Ziegel. Sie bewegten sich. Harrys Herz raste; mit angehaltenem Atem sah er zu, wie ein Ziegel nach dem anderen sich seitlich in die Wand schob. Das war es – das war der Eingang zu dem Versteck eines Horkruxes!
Viele Hauselfen blieben nun stehen, um dem Spektakel zuzusehen. Die Ziegel verschwanden der Reihe nach; immer größer wurde das entstandene Loch. Bald würde es groß genug für Harry sein, um hindurchzugehen … Nicht einmal die Dunkelheit konnte Harry abschrecken: Das Loch in der Wand führte dem zufolge, was Harry sehen konnte, in schwarzes Nichts. Aber es war ihm egal. Die Aufregung schnürte ihm zwar die Kehle zu, aber es war ihm egal. Er war so kurz davor, endlich Erfolg zu haben …
Der letzte Ziegel hatte sich in die Wand geschoben. Der Eingang war frei.
„Was – was ist das, Harry Potter?“
Harry antwortete Dobby nicht. Stattdessen sprang er einfach in den Kamin – und trat in die Finsternis dahinter.
Sofort verschwand die Dunkelheit. Harry erschrak, als sich neben ihm mit einem lauten Geräusch eine Fackel an der Wand von selbst entflammte. Ein paar Meter weiter weg tat es ihr eine weitere gleich, dann die nächste, und noch eine, und noch eine. Und schließlich erhellten zwölf Fackeln den Raum, in dem Harry nun stand, und der eines von Voldemorts dunklen Geheimnissen seit vielen Jahren verbarg.
Es war ein runder Raum. Die hohen Wände wirkten erdrückend: Sie waren aus kaltem, grauem Stein, und die Fenster zwischen den Fackeln waren mit schwarzen Platten verdeckt. Es war ein kalter, trostloser, farbloser Raum. Nur die Flammen der Fackeln brachten ein bisschen Wärme und Farbe hinein.
Denn sogar die kleine Kiste, die in der Mitte der Halle stand, war schwarz.
Dort war es. In dieser Kiste verborgen lag ein Horkrux. Vermutlich der Becher. Und es war so einfach gewesen …
Viel zu einfach.
Die Kiste war ungeschützt, keine gefährlichen Kreaturen waren zu sehen, kein See, kein Becken mit grünem Gift. Da konnte etwas nicht stimmen. Das war eine Falle. Bestimmt konnte Harry nicht einfach so zur Kiste hinüber gehen, sie aufheben und öffnen, den Horkrux hervorholen … oder doch?
Er hatte ja ohnehin keine andere Wahl. Harry atmete tief durch, ging einen Schritt auf die Kiste zu –prallte gegen eine unsichtbare Mauer und wurde zu Boden geschleudert.
„Hätt ich mir ja denken können“, zischte er wütend. Und zwar zischte er es im wahrsten Sinne des Wortes: Er hatte schon wieder Parsel gesprochen, unbewusst. Anstatt sich davon beeindrucken zu lassen, nutzte er die Idee, auf die ihn das gebracht hat.
Er stand auf und rief erneut öffne dich in Parsel, diesmal zu der unsichtbaren Mauer. Er streckte die Hand aus – und berührte etwas Hartes. Sie war immer noch da. Er versuchte es mit Verschwinde!, Lass mich durch!, Ich verlange Zutritt! – nichts half etwas, die Wand war immer noch da.
Er brannte vor Zorn, ein Kopf schmerzte vor Wut. Das konnte doch nicht wahr sein! Aufgehalten von einer dummen Mauer, wenn er so kurz davor war!
Obwohl er wusste, dass es nichts nutzte, wandte er jetzt rohe Gewalt an. Er warf sich gegen die Wand, stieß sie an, trat zu. Nichts half. Jetzt drückte er sie so fest wie möglich; vielleicht konnte er sie verschieben.
„Was tut Harry Potter da?“
Dobby und Knobby waren ihm in den Raum gefolgt. Dobby sah ihn verwirrt an.
„Kann Dobby Ihnen helfen, Sir?“
Anstatt zu fragen, war Knobby einfach dazu übergegangen, ebenfalls gegen die unsichtbare Mauer zu drücken. Harry hingegen hatte aufgehört; er war überrascht, dass außer den beiden keiner in den Geheimraum gefolgt war. Die Hauselfen versammelten sich stattdessen vor dem Kamin um ihn herum und beobachteten ihn.
„Ja, Dobby“, sagte Harry, „versuch doch bitte auch, zu drücken.“ Dann hatte er wieder eine Idee. „Oder wendet eure Elfenmagie an, ihr beiden! Vielleicht klappt das!“
Harry sah zu, wie Knobby und Dobby die Augen schlossen, sich konzentrierten – und schnippten. Er griff nach der Wand – sie war noch da.
„Verdammt!“
„Nicht aufregen, Harry Potter, bitte nicht aufregen!“, rief Dobby, wobei er selbst hektisch umhersprang; Harry war nun wieder dabei, mit seinem ganzen Körper gegen die Wand zu drücken. „Lassen Sie Dobby helfen!“ Der Elf sprang hastig an Harrys Seite, hob die Arme und drückte –
Und Harry und Dobby fielen beide kopfĂĽber durch die Luft, dort, wo eben noch eine unsichtbare Wand gestanden hatte, und flogen mit den Gesichtern auf dem harten Steinboden auf.
„Es tut mir Leid, Harry Potter!“ Als sie sich aufrichteten und Dobby sah, dass Harrys Nase blutete, stieß er einen entsetzten Schrei aus. „Oh nein, was hat Dobby angerichtet!“
„Nichts, Dobby!“, nuschelte Harry; er hatte seine Hand über seine Nase und seinen Mund gelegt, um sich davon abzuhalten, Blut zu schlucken. „Nichts! Im Gegenteil! Das ist toll!“
Er hatte keine Ahnung, wie sie das angestellt hatten. Aber sie waren durch die Mauer gekommen!
„Lassen Sie Dobby das richten!“ Dobby schnippte erneut mit den Fingern – die Blutung war gestoppt, und das Blut, das schon über seine Hand geronnen war, verschwand.
„Danke, Dobby.“ Harry stand auf. „Danke für alles! Was hast du gemacht, damit die Wand verschwindet?“
„Gar nichts, Harry Potter, Sir!“, piepste Dobby; er strahlte vor Glück, dass Harry sich bei ihm bedankt hatte. „Dobby schwört es, er weiß es nicht! Dobby hat nur gedrückt – aber da war überhaupt nichts zu drücken!“
„Schon gut“, sagte Harry. Er wandte sich um, um zur Kiste zu laufen – aber er erschrak, als hinter ihm jemand einen Schmerzensschrei ausstieß. Er riss seinen Kopf herum, und sah Knobby, ebenfalls mit blutiger Nase.
„Die Wand ist wieder da!“, rief er wütend.
Dobby lief zu dem anderen Elfen, um ihm zu helfen. Harry wollte ihn schon warnen, dass er auch gegen die Wand laufen würde – aber es geschah nicht. Dobby kam problemlos durch die Mauer durch, konnte Knobby helfen und wieder an Harrys Seite zurückkehren. Als Knobby in der Luft umhertastete (und ziemlich blöd dabei aussah), schüttelte er aber den Kopf.
„Wenn Knobby durch will, ist da eine Wand, aber Harry Potter und Dobby kommen durch!“ Er drehte sich um. „Kommt und versucht es auch!“
Es wurde gezögert, aber ein paar der anderen Hauselfen kamen tatsächlich in den Geheimraum. Mit eingeschüchterten Mienen sahen sie sich um. Harry hatte dafür keine Zeit; als die ersten Hauselfen gegen die Mauer liefen, wandte er sich ab. Jetzt musste er sich um die Kiste kümmern – endlich einen Horkrux finden.
„Warten Sie, Mr Potter!“ Dobby lief ihm hinterher. „Ich helfe Ihnen!“
Harry nickte und blieb kurz stehen. Sollte er Ron und Hermine holen? Sie wollten sicher auch helfen … Nein, auch dafür war jetzt keine Zeit.
Mit Dobby an seiner Seite ging Harry zu der schwarzen Box, die da am Boden lag. Sie war kleiner als Harrys Schulkoffer, nur etwa doppelt so groĂź wie sein Rucksack. Hufflepuffs Becher wĂĽrde jedenfalls dreimal reinpassen.
Sie blieben neben der Kiste stehen. Obwohl sie so klein war, so unscheinbar – das schwarze Objekt strahlte etwas aus. Etwas Unangenehmes. Harry fühlte es wie ein Kribbeln auf seiner Haut.
„Wissen Sie, was da drin ist, Mr Potter, Sir?“, fragte Dobby. Seine Stimme war wieder seltsam leise, so, wie sie gewesen war, als er über Voldemort gesprochen hatte.
„Vielleicht“, antwortete Harry. Und dann war es so weit.
Er bückte sich. Langsam, ganz langsam. Er wusste gar nicht, warum er sich so langsam bewegte. Er hatte es doch eilig! Und trotzdem … er wollte sich nicht schneller bewegen. Konnte es gar nicht.
Er blendete die irritierten Rufe der Hauselfen aus, die den großen Teil des Raumes nicht betreten konnten. Er blendete Dobby aus, der ihm, wie er entfernt wahrnahm, mit ängstlicher Stimme davon abriet, die Kiste zu berühren. Es gab nur noch diese schwarze Box für ihn, in der ein Horkrux von Lord Voldemort verborgen war …
Und dann berührten seine Finger die Kiste. Sein Herz schlug immer wilder, es fühlte sich an, als würde es bis in seinen Hals hoch schlagen. Er umklammerte die Kiste mit schwitzenden Händen. Und hob sie an.
Sie war schwerer als er erwartet hatte. Abgesehen von dem Becher war da wohl noch etwas innen versteckt, oder die Kiste war aus so massivem Material. Er schaffte es nur mit MĂĽhe, sie unter seinen Arm zu klemmen.
Und in dem Moment, als er das tat, geschah etwas, mit dem Harry nicht gerechnet hatte: Der ganze Raum begann zu beben. Er wäre beinahe wieder hingefallen, als der Boden unter seinen Füßen wild durchgerüttelt wurde. Kleine Steine begannen, von der Decke zu fallen; alle Hauselfen außer Dobby liefen schreiend zurück in die Küche.
„Wir müssen fliehen, Mr Potter!“ Dobby griff nach Harrys Arm. „Schnell!“
„Ja“, sagte Harry, obwohl das eigentlich unnötig war. Sie liefen los – und blieben sofort wieder stehen. Dobby stieß einen panischen Schrei aus, aber Harry brachte nichts hervor.
Im Boden vor ihnen öffnete sich ein Spalt. Erst war er relativ klein; dann wuchs er, wurde größer und länger. Schnell reichte er von der einen Seite des Raumes zur anderen. Und dann weitete sich der Spalt, kam immer näher auf Harry und Dobby zu, trennte sie von der anderen Seite – der Seite, auf der sich der Ausgang befand. Die Fackeln an den Wänden erloschen, entflammten, erloschen, entflammten. Die Hoffnung bestand für Harry, dass das einfach nur ein Erdbeben war – aber im Grunde war ihm klar, dass es nicht so sein konnte.
„Wir müssen disapparieren, schnell!“, rief er Dobby zu. Der nickte entschlossen und griff erneut nach Harrys Arm – als sich die Erde direkt unter seinen Füßen auftat.
„DOBBY!“
Harry stürzte nach vor, warf sich auf den Boden, die Kiste immer noch unter seinen Arm geklemmt. Die freie Hand stieß er in den Spalt hinunter – er erwischte gerade noch den Kragen von Dobbys Hemd.
„Harry – Potter – Hilfe!“ Dobby klang verzweifelt, ängstlich; es war so schrecklich, ihn so zu hören.
„Ja, ich hab dich, Dobby!“, rief Harry. Die Steine rieselten immer noch von der Decke herab, fielen in den Spalt im Boden – und, wie Harry jetzt sah, tief, tief hinunter in die Erde. Der Boden dieser Schlucht war nicht zu erkennen. Panik machte sich in Harrys Bauch breit. „Ich zieh dich hoch, Dobby, keine Angst!“
Aber er schaffte es nicht; aus irgendeinem Grund war der Elf zu schwer fĂĽr ich, um ihn hochzuziehen.
„Mach dich nicht so schwer, Dobby!“
„Sehen Sie, Harry Potter! Sehen Sie!“
„Was denn!“
„Da!“
Harry presste die Zähne zusammen. Konnte Dobby nicht einfach sagen, was er meinte? Aber mit Mühe – darauf achtend, dass er Dobby nicht losließ – robbte er näher an den Abgrund heran und sah hinunter. Und als er erblickte, was Dobby meinte, hätte er ihn doch beinahe fallen gelassen.
Etwas hatte Dobbys Füße umklammert. Etwas, das von ganz unten, vom Boden der Schlucht zu kommen schien. Zuerst hielt Harry es für eine riesige Schlange – doch dann erkannte er, was es tatsächlich war. Eine Pflanze.
Teufelsschlinge.
„DOBBY, DU MUSST DISAPPARIEREN!“, brüllte Harry; die Panik hatte nun auch seinen Kopf erreicht, Besitz von ihm ergriffen. Er selbst konnte nicht disapparieren: Abgesehen davon, dass Voldemort wohl Vorkehrungen dagegen getroffen hatte (und Harry zudem in Hogwarts war), bäuchte er einen Zauberstab in seiner Hand und musste die Drehbewegung dazu machen, um es zu versuchen. Aber Dobby durfte nichts passieren! Nein! Nicht hier, nicht jetzt! Er wäre Schuld, es wäre alles wieder seine Schuld! Das durfte nicht sein!
„Wenn – Dobby – disappariert – nimmt – er – Mr – Potter – nicht – mit!“ Harry hörte, dass Dobby Schwierigkeiten beim Sprechen hatte, dass er keuchte. Natürlich: Harry würgte ihn dadurch, dass er ihn hinten am Hemdkragen packte. Aber Dobby hatte Recht: Solange Harry ihn nicht direkt auf der Haut berührte, würde Dobby ohne ihn disapparieren.
„DANN DISAPPARIERE UND HOL MICH DANN!“
„Dobby – kann – Harry – Potter – nicht – zurück –“ Der Elf atmete plötzlich laut ein – er bekam wirklich kaum noch Luft. „Teufelsschlinge – zu – schnell!“
Harry verstand, was Dobby sagte. Es war nicht garantiert, dass Dobby rechtzeitig wieder zurückkehren würde, bevor die Teufelsschlinge Harry schon erwischt und in den Abgrund gezogen hatte. Aber das war egal! Besser er als Dobby! Harry wollte das gerade Dobby zurufen – als ihm etwas einfiel.
„FEUER, DOBBY, FEUER! BESCHWÖR FEUER, DAS VERTREIBT SIE!“
Harry sah zu, wie Dobby mit offensichtlich großer Mühe die Hand hob und schnippte. Eine Flamme schoss wie aus dem Nichts auf die Schlingen zu – und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Harry Dobby gerettet. Er stieß einen Triumphschrei aus, als die Schlingen von Dobby abließen und Harry schon spürte, wie der Elf von dem Rückschlag nach hinten geschleudert wurde; als plötzlich ein weiteres lautes Krachen das Erscheinen zweier weiterer Schlingen ankündigte, die aus der Wand des Erdspalts direkt unter Dobbys Füßen hervorschossen und sich um seine Füße wickelten; Harry hatte noch nie erlebt, dass so viel in so unglaublich kurzer Zeit geschah.
„VERDAMMT!“
„Harry – loslassen –“
„NEIN!“
„Wenn – Dobby – disappariert!“
„DAS IST EGAL! DU MUSST DICH RETTEN, DOBBY, ODER DIE TEUFELSSCHLINGE ZIEHT DICH DA RUNTER!“
„Dobby – weiß –“
„DOBBY, VERSCHWINDE ENDLICH!“
„Dobby – ist – egal!“ Dobby hustete. „Dobby – Dobby – ich – bin – egal! Muss – Harry – retten! Muss – dich –“
„DU BIST NICHT EGAL! VERSCHWINDE!“
„Wenn – nicht – loslässt –“
Er sprach nicht weiter, sondern brach in einen Hustenanfall aus. Aber Harry wusste, was er sagen wollte. Wenn er ihn nicht losließ, dann würde die Teufelsschlinge Dobby mitsamt ihm selbst hinunter in die Tiefe ziehen …
„ICH LASS DICH NICHT LOS!“
„Harry – muss –“
„NIEMALS!“
Dobby drehte seinen Kopf herum. Es musste ihm viel Anstrengung kosten, aber er tat es. Und Harrys Mund fiel auf, so überrascht war er: Dobby rannen zwar die Tränen die Wangen hinunter; aber seine Fledermausaugen leuchteten – und Dobby lächelte.
„Dobby – ist – geehrt. Dobby – nein – ich – ich liebe dich auch, Harry Potter.“
Und dann tat Dobby etwas, das Harry sicher nie vergessen würde. Er hob die Hand – schnippte – und Harrys Hand, die Dobbys Hemdkragen festhielt, begann plötzlich fürchterlich zu brennen und zu schmerzen. So sehr, dass Harry loslassen musste.
„NEIN!“
Aber da fiel Dobby schon.


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