Video - Interview mit Julie Walters

"Warum, glauben Sie, bin ich Schauspielerin geworden?"
In der Tat: Es war wirklich komplex, und es gab eine Menge Gründe dafür. So was ist nie wirklich einfach, oder?
Ich meine … Ich habe das Gefühl, dass ich immer dachte, es hätte mit der Tatsache zu tun, dass ich mich im Leben als nicht gut genug betrachtet habe, und ich glaube, dass ist eine zutiefst menschliche Sache - Leute haben oft dieses Gefühl. Und ich denke, das war ein Grund dafür [für meine Entscheidung]. Und ich denke, dass ich das Gefühl hatte, die Antwort auf das Leben (also wie man sein soll) läge in anderen Menschen, und ich wollte SIE sein, viel mehr, als ich ICH SELBST sein wollte. Ja, ich denke, es begann teilweise damit.
Ich denke auch, dass es gentisch bedingt war: Obwohl ich keine Großeltern oder Urgroßeltern oder ähnliches hatte, die Schauspieler waren, gab es doch ein Verlangen in meiner Familie danach, so etwas zu tun. Mein Großvater hat offenbar große und berühmte Gerichtsfälle zitiert. Ich glaube, er hat damit kein allzu großes Publikum gefunden, aber das hat er eben gemacht. Und mein Onkel hat bei Theaterstücken Regie geführt, bei Amteur-Theaterstücken - und deshalb leigt das bei uns in der Familie. Meine Mutter hatte ein großes Gespür fürDramatik, wisssen Sie, und mein Vater besaß einen großen Sinn für Humor. Und ich denke, das hat alles damit zu tun.
Ich denke aber auch, dass es darum geht, dass man generell die Wahrheit wissen will, zuallererst einmal in sich selbst - dass man wissen will, wer man tatsächlich ist.
Ich denke, wissen Sie, dass Schauspielen dafür wunderbar ist, weil man hierbei die Möglichkeit hat, etwas zu erschaffen. Sie bekommen die Möglichkeit, sich selbst eine Stimme zu geben für Dinge, für die Sie normalerweise keine Stimme [Ausdrucksmöglichkeit] hätten, wissen Sie … Zum Beispiel, in „Educating Rita“ [= Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks von Willy Russell aus dem Jahr 1983; dt. Titel: „Rita will es endlich wissen; Anm. d. Ü.] war ich in der Lage, alle meine eigenen Probleme über den [Schauspiel-]Unterricht zu spielen und sie infrage zu stellen und herauszufinden, dass ich wütend war über diese Art von Dingen, über … über … darüber, dass ich teilweise Dinge entbehrte, weil ich aus einer Arbeitklasse-Familie stammte und mich noch nicht wieder gut genug fühlte, wissen Sie.
Durch „Educating Rita“ war ich dazu in der Lage, dass zu erforschen und ein paar Wahrheiten darüber herauszufinden, wer ich war und was es bedeutet, zur Arbeiterklasse zu gehören und dann zum Mittelstand aufzusteigen und in der Welt zu stehe und … So …
Was haben Sie mich gleich noch mal gefragt?
Na, ich glaube, es ist Zeit, dass wir zu was anderem kommen, denn ich beginne beinahe schon, mich selbst zu langweilen, was alles andere als einfach ist. Klicken Sie weiter!

„Im wirklichen Leben sieht mein Haus ein bisschen aus wie das von Mrs Weasley - richtig oder falsch?“
Manche Leute denken, dass mein Haus im wirklichen Leben ein wenig so wie das von Mrs. Weasley ist, also von der Figur, die ich in den Harry-Potter-Filmen spiele, also sehr rustikal und ein bisschen chaotisch. Glauben Sie, dass das stimmt?
Antwort: Richtig! Es ist bestimmt sehr rustikal.
Ja, Sie haben recht; so ist es.
In der Tat war es so, als wir „Die Kammer des Schreckens“ drehten, also den zweiten Harry-Potter-Film, da hatten wir diese Szenen im Fuchsbau, wo sie Weasleys leben. Also, ich hätte, sobald das … Es war der göttlichste Set, der je, also, an dem ich jemals das Glück hatte drehen zu dürfen. Es war wunderbar. Es gab so viele Details. Man hätte den ganze Tag dort drinnen sitzen können und sich die ganzen Sachen anschauen, wissen Sie - Sachen wie das Waschbecken und Sachen, die sich von alleine erledigen.
Sowas haben wir nicht zu Hause. Aber im Spülbecken werden Teller abgespült, und das passiert tatsächlich. Es ist kein Special Effect. Das ist tatsächlich eine Maschine, wissen Sie, das wurde von einem Designer entworfen und gebaut. Der Mann ist sowas von clever … Und da wird auch gestrickt am Spülbecken, ein Pullover wird von einem Paar Nadeln gestrickt. Das ist absolut brillant.
Aber die Art von rustikaler chaotischer Beschaffenheit [, die dieser Set hat,] ist ein bisschen wie bei mir zu Hause, und deshalb habe ich das geliebt. Ich dachte, dies ist … Wissen Sie, ich bin keine Minimalistin, darauf will ich hinaus. Ich bin nicht wirklich eine Minimalistin. Ich bin mehr wie die Weasleys. Ich habe mich sehr zu Hause gefühlt im Fuchsbau. Aber, das muss gesagt werden; Jedem ging es dort so. Wir haben den Set alle total gern gehabt.
Deshalb denke ich mal, dass das stimmt, ja wirklich. Ich denke, wir sollten mehr Szenen haben, die im Fuchsbau spielen, also schreiben Sie doch [den Produzenten etc.; Anm. d. Ü.] und sagen es ihnen. Und natürlich auch mehr Szenen mit Mrs. Weasley, denn sie ist wirklich sehr wichtig.
Okay, und jetzt weiter, weiter - wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!

„Wie, glauben Sie, ist es, mit Victoria Wood zu arbeiten? Glauben Sie, dass es ein Alptraum ist? Oder einfach nur absolut grässlich?“
Seien Sie nicht albern! Es ist wirklich absolut wundervoll!
Aber ich muss sagen: Die Abende, wenn wir „Victoria Woos - As Seen on TV“ in den Studios aufgenommen haben, und ganz besonder auch „Dinnerladies“, das war beängstigend, weil es war wie Theaterspielen, bloß ohne Proben. Wir hatten also vier Tage, dann ging die Sache mit der Technik los, und dann mussten wir das machen. Und ich habe immer Petula gespielt; ich spiele Victorias Mutter Petula. Und natürlich sprach sie … Ich weiß nicht, warum man mich gecastet hat … denn sie hat unablässig gesprochen, und deshalb gab es da ziemlich viel zu lernen für die paar wenigen Tage, die wir dran gearbeitet haben, und ich war höllisch nervös. Ich hatte all diese alternative Medizin dabei, homöopathische Mittel für die Nerven und all sowas, und Kristalle, an denen ich schnüffelte und alles mögliche. Oh, halt, bitte denken Sie nicht … das klingt ja, als ob … Nein, also tatsächlich Kristalle, zum Beispiel Rosenquarz. Ich spreche hier nicht über Drogen!
Ich glaube, das müssen wir rausschneiden; die Leute bekommen sonst einen falschen Eindruck.
Auf jeden Fall: Jawohl, das war beängstigend, tatsächlich. Und nein: Abgesehen davon war alles dort, die Rollen und alles andere, wirklich absolut toll.

„Wie ist es, für einen Oscar nominiert zu werden?“(zieht ein Gesicht) So ist das! (überlegt) Es ist … sehr nett, oder nicht? Denn es ist ja ein dermaßen riesiges Brimborium, das drüben in Amerika veranstaltet wird. Bei uns geht das allmählich bei den BAFTAs [= die Awards der British Academy of Film and Television Arts; Anm. d. Ü.] ja auch los, doch als ich das erste Mal dort hin [= zu einer Oscar-Verleihung] gegangen bin, hatte ich zuvor noch nie etwas Ähnliches in meinem Leben gesehen.
Es war wie die zweite Geburt Jesu Christi! Die Leute haben dort geparkt, sie haben draußen vor dem Dorothy Chandler Pavillon campiert - dort wurde damals die Zeremonie angehalten. Und alle waren … alle waren …
Das war im Jahr 1984, und alle haben sie dort draußen gecampt. Bei den BAFTAs machen die so was heutzutage nicht. Aber … Und so … Alle TV-Sendungen haben schon mindestens eine Woche zuvor von nicht anderem geredet als von den Oscars.
Hier [= in England] dagegen ist alles, was wir haben und was man dort [= in Amerika] zu hören bekommt: „Ach, gestern Abend waren übrigens die BAFTAs, ja und so und so …“ Eine kleine Meldung in der Zeitung, und das war’s dann, wissen Sie.
Aber dort drüben ist das von gewaltiger, gewaltiger Bedeutung.
Doch wenn man das Ganze nicht wirklich ernst nimmt, dann macht es eine Menge Spaß. Wenn man denkt: „Ich MUSS gewinnen!“, dann … also wissen Sie, ich bitte Sie, das macht doch wirklich überhaupt keinen Sinn, ehrlich nicht. Außer natürlich wegen des Geldes …
Es ist wie … Es war wie … Der Tag ist wie … Tom Hanks hat gesagt: „Es ist wie eine Mischung aus Weihnachten und Deinem Hochzeitstag.“ Und so ist es wirklich, denn es kommen all diese Geschenke an, wissen Sie - fabelhafte Sachen, und Sie können sich von jemand massieren lassen, jemand kommt und macht Ihnen die Haare, und jemand anderes leiht Ihnen Diamanten, und wieder jemand anderes … Alles mögliche.
Leihen … Ich nehme mal an, wenn man jemand Piekfeines ist, dann darf man die Diamanten behalten; ich habe sie nur geliehen bekommen. Und, wissen Sie … Wunderschöne Schuhe werden für Sie angefertigt, und Leute designen Kleider für Sie und all so was. Das ist sehr nett, sehr erfreulich, aber man muss es trotzdem als das sehen, was es ist, wissen Sie.
Es heißt nicht notwendigerweise, dass Sie der beste Schauspieler oder die beste Schauspielerin der Welt sind - das geht an alle Schauspieler dort draußen, die sich das hier anschauen.
Ja, das war’s.

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