Harry bewirkte Liebe und Hass auf der Welt

"Vor neun Jahren zeigte die Statistik, dass thailändische Menschen nur 7 Zeilen pro Jahr lesen", erklärt Kim Chong Satitwattana vom Nanmee Verlag in Thailand.

"Entsetzlich!", kann man Hermine Granger fast keuchen hören, bevor sie sich irgendeinen magischen Literaturtrank ausdenkt, den thailändische Kinder gezwungen werden könnten zu trinken.

In Wirklichkeit hat schon die einfache Übersetzung aller sieben Potter-Romane in Thai, zusammen mit geschicktem Marketing, Magie bewirkt.
"Harry Potter hat in Thailand eine so wichtige Rolle gespielt […] Thailänder lesen nun bis zu 5 Bücher im Jahr", fährt Satitwattana fort. "Wir haben nun Leseclubs mit 2 Millionen Mitgliedern und mehr Leseangebote in den Schulen."

Potter habe außerdem die brasilianische Jugend dazu motiviert, mehr zu lesen, sagt Lia Wyler, die alle Potter-Bücher ins Portugiesische übersetzt hat und nun so etwas wie ein Star in ihrer Heimat Brasilien ist.

"6 Millionen Exemplare sind verkauft worden, was enorm ist für Brasilien. Es ist ein großes Land, aber es gibt nur 2676 Buchhandlungen; das ist ca. ein Laden auf 70.000 Einwohner."

Wyler sagt, dass die Potter-Bücher geholfen haben, den Grammatikgebrauch der Kinder zu erweitern (Sie machte den Versuch, wieder mehr Zeiten mit ihre Übersetzung einzuführen) und die Zahl derer zu erhöhen, die Büchereien besuchen.

Und Wylers eigenes, beachtliches Leserfeedback zeigt, dass Potterfans aus allen Gesellschaftsschichten kommen, nicht nur aus dem üblichen Milieu der Gebildeten. "Eine Nagelpflegerin einer Freundin hat verzweifelt auf die Übersetzung des nächsten Bandes gewartet", lacht sie, bevor sie auf den beruhigenden Effekt hinweist, den das Potter-Lesen auf unruhige Jugendliche hatte.

"Du fängst an über Potter zu reden und sogar aggressive Jugendliche beruhigen sich. Es ist unglaublich."

Gili Bar-Hillel, die Übersetzerin ins Hebräische, ist in Israel ebenfalls ein Star geworden, wo das Potterphänomen riesig ist. Die Leute lasen das Buch in Hebräisch und kauften dann das englische Original um ihre Übersetzung zu "prüfen", während diejenigen, die nicht auf die hebräische Übersetzung warten konnten, es zuerst in Englisch lasen und dann die hebräische Übersetzung checkten. Sie findet, dass Potter die Lesegewohnheiten radikal wachgerüttelt habe.

"Leute versammeln sich um zu lesen. Es entwickelt sich eine neue Art von Gemeinschaft: Familien, in denen drei Generationen zusammen lesen."
Sie lesen sie außerdem immer und immer wieder. "Es ist eine Sucht", sagt sie.

Solch berühmte Romanliteratur in der eigenen Sprache könne ein Gefühl von Stolz auf diese Sprache wiederherstellen. Nicht zuletzt wenn sie als die Sprache des Unterdrückers angesehen werde, sagt Kobus Geldenhuys, der die letzten zwei HP Romane in Afrikaans übersetzt hat, eine der elf offiziellen Sprachen Südafrikas.

"Kinder der Afrikaans mit dem Milieu ihrer Muttersprache zu verbinden gibt ihnen das Gefühl, dass ihre Sprache gut genug ist. Afrikaans war gekennzeichnet als die Sprache des Unterdrückers, aber man weiß, dass sie nicht zu einer elitären Gruppe gehört; Afrikaans wird über alle sozialen Grenzen hinweg gesprochen."

Aber wie nutzen Sie diesen Schwung, um das Interesse der Kinder am Lesen zu erhalten?

Gili Bar-Hillel nutzt ihre Bekanntheit, um zu versuchen, die Verleger zu beeinflussen, damit diese ähnliche Titel finden, die einen süchtig machenden Effekt haben könnten. "Denn Kinder, die aus Sucht heraus lesen, werden gegenüber Büchern immer Respekt haben", erklärt sie.

Außerdem versucht sie auch selbst die "Kinder dazu zu bringen, auch anderes Zeug zu lesen", indem sie ihnen nahe bringt, dass es da draußen noch mehr als nur Harry Potter gibt.

Kim Satitwattana merkt an, dass Potter in Thailand schon viele neue, selbstgelernte Schreibtalente inspiriert hat, darunter der 24jährige Dr. Pop. "Seine 14 Abenteuer- und Fantasygeschichten haben sich 250.000 mal verkauft; eine erfolgreiches Buch verkauft sich durchschnittlich 3.000 mal", fügt sie hinzu.

Aber Harry Potter hat nicht überall auf der Welt Leser verzaubert. Ketevan Kanchashvili hat zwei der Potter-Bücher ins Georgische übersetzt und sagt, während die orthodoxe Kirche keine offizielles Aussage verlautbaren ließ, "gab es einige Leute, die [sie] bannten und verbrannten [...] und viele Lehrer sagten den Kindern, sie sollen die Bücher verbrennen und nicht berühren, weil es böse Bücher seien."

Potterfan zu sein sagt deshalb eine Menge über dich aus: "Ob man eine fundamental fromme gottesfürchtige Person ist oder ob man eine zum Westen orientierte, moderne Person des 21. Jahrhundert ist", schließt sie.
Oder eine Person des 4. Jahrhunderts vielleicht!

"Kein antiker Grieche hat auf mein Buch gewartet", sagt Andrew Wilson bescheiden. Seine Übersetzung von "Harry Potter und der Stein der Weisen" war das erste Werk der Romanliteratur seit 16 Jahrhunderten, das ins antike Griechisch übersetzt wurde. Er kämpfte mehr mit Übersetzungen von Mr. und Mrs. Dursley (zu der Zeit existierte nur der Begriff "Frau") als mit religiösen Empfindsamkeiten.

Anders als in Japan, Brasilien, Thailand und Israel, wo es Harry Potter regelmäßig in die Top 5 der Bestsellerliste schaffte, war es wahrscheinlich, dass die Ausgabe in antiken Griechisch nie ein Bestseller wird und bleibt so mehr eine "Kuriosität für Professoren und Gelehrte als für die Kinder, von denen J.K. Rowling hoffte, dass sie sich scharen würden, um Griechisch zu lernen."

Trotzdem räumt Wilson ein, dass es Aufsehen erregt hat: "Ich denke es zeigt, dass dennoch Leben in der alten Sprache ist. Sie ist nicht ganz antik."

Darüber hinaus zeigt sich, dass Harry Potter eine verblüffende Verbindung zum antiken Griechenland hat. Seine Geschichte wurzelt in Platons "Der Staat", dessen idealer Staat ein Klassensystem einschließt, das auf goldene, silberne und bronzene Menschen gegründet ist, die jeweils zu Regenten, Wächtern und Bauern aufsteigen.

"Allgemein gesprochen haben goldenen Menschen goldene Kinder", erklärt Wilson. "Ab und an wird allerdings ein goldenes Kind von bronzenen Eltern geboren und Harry ist dieses [deplatzierte] Kind. Er muss […] sich den Weg zu seinem rechtmäßigen Platz unter den Goldenen erarbeiten. Darum ist es allgemeingültig, die Geschichte des falsch platzierten Kinds.

Wirklich Leben und Lektionen in der alten Sprache!

Fenster schließen