von Selina Malfoy
„Raus aus den Federn, Schlafmütze. Es ist schon fast Mittag…“
Fred drehte sich mit einen gequälten Stöhnen auf den Bauch und zog sich die Decke über den Kopf. Im Stillen verfluchte er jeden einzelnen Schluck Feuerwhisky, den er letzte Nacht getrunken hatte. Sein Kopf fühlte sich an, als würde er jeden Moment explodieren und er hatte einen Geschmack im Mund, der viel zu widerlich war um ihn näher identifizieren zu wollen. Außerdem fühlte er sich so gerädert und erschöpft, als hätte er in den letzten Wochen nicht bloß schlecht, sondern überhaupt nicht geschlafen. Nun zumindest für diese letzte Nacht war das nicht völlig falsch.
Bis zum Morgengrauen war er immer wieder aus seinem wirren Traumdurcheinander aufgewacht- und jedes Mal hatte sein erster Blick dem Bett auf der anderen Seite des Zimmers gegolten. Doch selbst als es im Haus völlig still geworden war und draußen die ersten Vögel angefangen hatten zu singen, war es leer geblieben. Nachdem ihm klar geworden war, dass George nicht mehr kommen würde, um sich mit ihm auszusprechen, hatte er dann durch geschlafen, aber sein schlechtes Gewissen hatte ihn mit strafendem Blick und gewisperten Vorhaltungen in seine Träume von verschlungenen Körpern und heiseren Liebesschwüren verfolgt. Er rollte sich mit einem frustrierten Seufzen auf der Seite zusammen. Nicht einmal in seinen Träumen konnte er sie jetzt noch so berühren wie er es sich wünschte…
„Na komm schon. So schlimm kann es doch gar nicht sein.“
Fred hätte beinahe vor Schreck aufgeschrien als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Und als er sich mit zitternden Händen und wild klopfendem Herzen aufsetzte, fiel ihm wieder ein, was ihn dieses Mal überhaupt aufgeweckt hatte- eine kühle Hand auf seiner Stirn und leise Worte, das vertraue Gefühl, dass sich jemand zu ihm auf die Bettkante gesetzt hatte und mehr als alles andere der alberne Gedanke, dass er immer noch träumen musste. Denn eigentlich konnte es nur ein Traum sein, dass sie bei ihm am Bett saß.
„Merlin! Du hast mich fast zu Tode erschreckt, Hermine.“
„Oh, das tut mir leid.“ Sie schmunzelte, als er sich mit verschlafen zusammengekniffenen Augen und einem herzhaften Gähnen durch seine Haare fuhr, die wild in alle Richtungen abstanden. Offensichtlich war Ron nicht der einzige Morgenmuffel bei den Weasleys. Es schien viel eher eine Art Familientradition unter den Männern zu sein, dem neuen Tag mit soviel Unmut wie möglich gegenüber zu treten. Aber zum Glück waren Molly und sie ja da, um sich um die brummige Meute zu kümmern.
„Deine Mutter und ich dachten, du könntest sicher etwas gegen Kopfschmerzen gebrauchen.“
„Ihr dachtet wohl eher >>Strafe muss sein<<.“, bemerkte Fred trocken und warf einen finsteren Seitenblick auf das Glas in Hermines Hand, das randvoll mit einer etwas zäh aussehenden, braunen Flüssigkeit gefüllt war. Er hatte schon auf den ersten Blick den Trank erkannt, den seine Mutter immer dann benutze, wenn es darum ging jedweder Art von Kopfschmerzen zu Leibe zu rücken- dieses Zeug schmeckte noch viel ekelhafter, als es aussah. „Eure Fürsorge ist wirklich rührend, aber wenn ich es mir recht überlege, fühle ich mich in meinem Elend ganz wohl. Sag mal, hatte ich nicht gestern Nacht die Zimmertür abgeschlossen?“
„Sag mal, kann es sein, dass ich zaubern kann?“ erwiderte Hermine gut gelaunt und drückte ihm mit sanfter Gewalt das Glas in die Hand. „Austrinken. Mit etwas Glück bist du bis zum Mittagessen wieder auf den Beinen. Das Frühstück hast du leider verschlafen.“
„Ich glaube nicht, dass ich hiernach noch etwas essen möchte.“ Fred verzog angewidert das Gesicht, setzte das Glas an die Lippen und stürzte es in einem schnellen Zug herunter. „Merlin…“ Er schüttelte sich und gab Hermine das leere Glas zurück. „Nein, ich bin wirklich nicht besonders hungrig.“
Er lehnte sich mit geschlossenen Augen zurück und wartete, dass die schlimmste Welle der plötzlichen Übelkeit abebbte. Er fühlte sich in Hermines Gegenwart schon unwohl genug, er wollte sich nicht auch noch vor ihren Augen übergeben müssen. Je länger sie bei ihm am Bett saß, desto mehr wurde ihm bewusst, wie er gerade auf sie wirken musste. Er trug immer noch die Sachen, die er am Vorabend angehabt hatte, denn als er irgendwann während der Nacht aufgewacht war, hatte er es nur noch gerade so geschafft seine Schuhe abzustreifen, bevor er wieder eingeschlafen war. Und wahrscheinlich roch er auch noch genau so wie er aussah- nach einem Mann, der viel zuviel getrunken und dann in seinen Sachen geschlafen hatte. Am Liebsten wäre er auf der Stelle im Boden versunken.
Warum war nicht seine Mutter gekommen, um ihn zu wecken? Sie hatte sich zweiundzwanzig Jahre über die verschlossenen Türen in diesem Haus hinweggesetzt- oft genug zu Recht, wenn er bedachte was George und er meistens hinter selbigen ausgeheckt hatten. Warum hatte sie ausgerechnet heute damit anfangen müssen ihre Gewohnheiten zu ändern? Es kam ihm so vor, als hätte sich das ganze Universum gegen ihn verschworen, seit er sich in Hermine verliebt hatte.
Warum sonst kam er ihr mit jedem Schritt, den er von ihr weg machte, nur noch näher? Egal wie sehr er sich bemühte das Richtige zu tun, es wurde mit jedem Tag schlimmer. „Warum du?“
Fred riss erschrocken die Augen auf, als ihm klar wurde, dass er die Frage laut ausgesprochen hatte.
„Warum ich?“ Hermine war aufgestanden um die Vorhänge aufzuziehen und etwas frische Luft ins Zimmer zu lassen. Bei Freds plötzlicher Frage, ließ sie jedoch überrascht die Hände sinken und drehte sich zu ihm um. „Wie meinst du das?“
„Na ja, wir sind immerhin eine Großfamilie. Ich habe meine Eltern und außer George noch fünf andere Geschwister, die sich sonst in einfach alles einmischen- trotzdem warst in den letzten Wochen immer nur du da, während die anderen mir aus dem Weg gegangen sind, als hätte ich eine ansteckende Krankheit.“ Fred mied ihren Blick, als sie zurück zum Bett kam und sich wieder setzte. Er hasste es, dass er sich in ihrer Gegenwart nicht mehr Griff hatte. Ständig fürchtete er, dass der nächste Augenkontakt ihn verraten würde. „Wir sind zwar Freunde, aber das wir so gute Freunde sind, war mir bis jetzt nicht klar.“
„Oh, ach so...“ Erst als Fred den gekränkten Unterton in Hermines Stimme hörte, wurde ihm richtig bewusst, was er gerade gesagt hatte und wie sehr man es missverstehen konnte. Er wollte sich sofort entschuldigen und ihr sagen, dass er es nicht so gemeint hatte, aber als er seinen Blick hob und den verletzten Ausdruck in ihren Augen sah, wusste er plötzlich, dass er genau in diesem Moment die Chance hatte, der ganzen Sache ein Ende zu machen, bevor er endgültig die Kontrolle verlor.
Also sagte er nichts und unter Aufbietung all seiner Selbstbeherrschung, hielt er mit betont ausdruckslosem Gesicht ihrem Blick stand. „Ron sagt mir schon die ganze Zeit, dass ich übertreibe…“ Sie schlug die Augen nieder und sah auf ihre im Schoß gefalteten Hände. Für einen kurzen Moment dachte Fred, sie würde anfangen zu weinen und bekam Panik. Doch dann sprang sie vom Bett auf und verschränkte mit einem wütenden Funkeln in den Augen, das Fred an die Zeit erinnerte, als sie für ihn einfach nur „Granger“ gewesen war und als sie für ihn und seinen Bruder nicht mehr als missbilligende Seitenblicke übrig gehabt hatte, die Arme vor der Brust. „Du hättest mir ruhig früher sagen können, dass ich dir lästig bin!“
Seine Kehle war wie zugeschnürt. Er räusperte sich, brachte es aber einfach nicht über sich mehr zu sagen. Er hatte in einem Krieg gekämpft, hatte unter Einsatz seines Lebens Propaganda gegen die Todesser gemacht und war bei der Schlacht um Hogwarts fast ums Leben gekommen, trotzdem konnte er sich in diesem Moment nicht daran erinnern, dass es ihm jemals vorher so schlecht gegangen war.
Doch dann dachte er an Ron, seinen kleinen Bruder, der es im Vergleich zu ihm immer so schwer gehabt hatte; daran wie er Tag für Tag an seinem Bett im St. Mungos gesessen hatte und daran wie seine Augen jedesmal leuchteten wenn er Hermine ansah. Und plötzlich fiel es ihm leichter sich selbst das Herz zu brechen.
„Ich wollte einfach deine Gefühle nicht verletzen.“ er schluckte. „Aber Ron hat Recht. Du übertreibst... und es nervt. Such dir bitte ein anderes Projekt und lass mich in Ruhe...“
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.