von Lady Black
Kapitel 3 – Fröhliches Festessen
Mein Mund fiel auf. Er war es tatsächlich – daran hatte ich keinen Zweifel. Ich erkannte sein braunes Haar, seine hohe Stirn, die unglaublich blauen Augen und seinen sehr guten Geschmack für Kleidung. Heute war er ganz in schwarz: Schuhe, Hose, Hemd und Krawatte.
Einige Sekunden lang starrte ich ihn nur an.
Dann bemerkte ich, dass alle Anwesenden mich anstarrten.
Ich schloss meinen Mund und befeuchtete kurz meine Lippen. Sei schlagfertig, verdammt!
„Das sagt Mister Ich-remple-unschuldige-Frauen-in-Bars-an-versaue-ihr-Outfit-und-beleidige-sie, ja?“, sagte ich, zugegeben etwas aggressiv.
Mein Gegenüber lächelte belustigt.
„Entschuldigung, aber Sie haben vor mein Schienbein getreten – und dann nennen Sie sich unschuldig?“, gluckste er.
Haha. Sehr witzig. Wirklich.
„Unschuld liegt im Auge des Betrachters“, erwiderte ich schlicht, leicht beleidigt. Grr.
„Sie kennen sich bereits?“, fragte McGonagall, bevor jemand etwas anderes sagen konnte. Ich nickte nur, bemüht möglichst grimmig zu gucken. Er aber antwortete.
„Sicher. Wir hatten schon das Vergnügen...“ Hey! Sarkasmus ist hier mein Part, ja?
„Sehr schön!“, freute sich Minerva, wobei sie den Sarkasmus in seiner Stimme vollkommen ignorierte.
„Würden Sie uns vielleicht trotzdem vorstellen, Minerva?“, mischte sich Severus nun ein.
„Ach, aber natürlich, Severus. Dies hier ist-“
„Danke, Minerva, ich kann das schon selbst. Mein Name ist Marian Crewdson und ich bin der neue Lehrer für Verwandlung“, unterbrach er sie.
Marian Crewdson also. Interessanter Name. Zugegeben, „Marian“ klang bescheuert. Aber trotzdem irgendwie hübsch... melodisch, irgendwie. Und nett. Womit der Name überhaupt nicht zu seinem Träger passte. Und Crewdson... irgendwo hatte ich den Namen schon einmal gehört. Jedenfalls kam es mir so vor...
„Julia?“, flüsterte Hardy, der noch immer neben mir stand, und stupste mich an. Scheinbar war ich in meinen Gedanken versunken gewesen, denn alle starrten mich an.
„Was?“, fragte ich, verwirrt.
„Sag einfach deinen Namen und dein Fach“, flüsterte Hardy, so leise, dass nur ich es hören konnte.
„Julia O’Brien, ich unterrichte Fliegen“, sagte ich mechanisch.
Severus lächelte mir aufmunternd zu. Er stand mindestens zwei Meter weg von mir, neben McGonagall.
„Sehr erfreut, Julia“, murmelte Crewdson schlicht.
Wie es sich herausstellte war Marian Crewdson nicht der einzige neue Lehrer. Auch das Fach Muggelkunde war neu besetzt worden. Die Lehrerin hieĂź Helen Walker, war etwa dreiĂźig Jahre alt, blond, irgendwie hĂĽbsch, aber unglaublich schĂĽchtern. Und sie hatte schreckliche Angst vor Snape. Warum auch immer.
Nachdem alle Lehrer eingetroffen waren und wir uns alle begrüßt hatten, wurde mir mitgeteilt, wo mein Büro und meine Räume waren. Dummerweise befand sich mein Büro in einem der Westtürme, am anderen Ende des Schlosses. Ziemlich weit weg also von meinem eigentlichen Arbeitsplatz – den Ländereien. Außerdem war es ziemlich klein. Scheinbar hatte es wirklich nur den Zweck, dass ich dort Arbeiten und meine Schüler dort nachsitzen konnten. Warum auch immer man Schüler im Flugunterricht nachsitzen lassen sollte! Aber ich hatte das Gefühl, dass ich darauf zurück kommen würde – wenn ich an eine Schülerin, aus dem siebten Jahrgang dachte...
Dafür waren meine Wohnräume ziemlich schön. Alles war in einem sehr hellen Holz gehalten, die Möbel und die Wandverkleidung. Die Teppiche und die Vorhänge meines Doppelbettes waren dunkelrot. Das Highlight war der Wohnraum – die wundervolle beigefarbene Couch, die vor einem Kamin – meinem Kamin – stand, war einfach nur bequem. Außerdem waren in dem Wohnraum mehrere Bücherregale – allesamt leer. Ich nahm mir vor, sie mit der Zeit zu füllen. Vielleicht auch erst einmal mit meinen alten Schulbüchern, die ich noch zu Hause hatte – nur damit es nicht so leer aussah.
Mir blieb leider nicht viel Zeit mein neues Reich zu genießen. Kaum hatte ich ausgepackt, musste ich mich auch schon umziehen. Da ich keine Schuluniform mehr tragen musste, wusste ich nicht, was ich tragen sollte. Für das Festessen heute Abend entschied ich mich für ein schwarzes Kleid. Schwarz war gut, ich würde nicht auffallen. Ja, das Kleid war nicht unbedingt für eine Lehrerin geeignet. Deswegen zog ich noch einen langen, schwarzen Umhang drüber – auch wenn mir nicht kalt war.
Und ĂĽber das, was ich anziehen durfte, wĂĽrde ich mir morgen Gedanken machen. Wenn ich meine erste Unterrichtsstunde hatte. Ich durfte gar nicht daran denken...
Gegen acht Uhr begab ich mich hinunter in die GroĂźe Halle. Die meisten SchĂĽler waren schon angekommen, also fiel ich nicht auf, als ich auf den Lehrertisch zu ging. Trotz meines Kleides und des wehenden Umhangs.
Der Tisch war fast voll besetzt. Ich wusste nicht genau, wo ich mich hinsetzen sollte. Suchend glitten meine Augen über die Anwesenden, Ausschau haltend nach einem Platz. Tatsächlich entdeckte ich Severus, zur Rechten McGonagalls, neben ihm ein Platz frei. Und es wunderte mich nicht.
Erleichtert nahm ich neben ihm Platz. Zu meiner Rechten saß noch niemand, allerdings hatte ich Marian Crewdson schon am anderen Ende des Tisches sitzen sehen – seine Gesellschaft würde mir also erspart bleiben, worauf ich sehr viel Wert legte.
„Ich mag keine Kinder“, murmelte Severus. Mit diesen vier Worten hatte er es geschafft, dass ich lachte. Meine Stimmung verbesserte sich um tausend Prozent. Sein Blick war einfach zu... niedlich.
„Glaub mir, ich auch nicht“, lächelte ich ihn aufmunternd an.
Und so war es auch. Ich mochte einfach keine Kinder – sie waren einfach viel zu... ja, kindisch. Severus dachte genauso. Warum wir dann beide Lehrer waren? Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung.
„Ist hier noch frei?“, fragte eine leise, schüchterne Stimme neben mir. Ich drehte den Kopf in die Richtung, aus der die Stimme kam, und erkannte Helen Walker. Ihr Gesichtsausdruck war verunsichert, doch ihre Augen strahlten förmlich.
„Nein, da sitzt Harvey, mein imaginärer Freund“, antwortete ich trocken. Natürlich saß niemand neben mir, aber das sah sie doch, verdammt.
„Oh“, sagte sie nur und runzelte die Stirn. Nein, das konnte nicht sein. Ein Mensch mehr, der keinen Sarkasmus verstand. Das konnte ja noch was geben mit uns.
„Das war ein Scherz. Setz' dich“, seufzte ich.
Walker zog den Stuhl zurĂĽck und lieĂź sich langsam darauf nieder.
Erst jetzt fiel mir auf, wie sie gekleidet war. Sie war wirklich hübsch – aber dieser hell braune Wollpullover ließ sie unglaublich farblos wirken. Die dunkelbraune Leinenhose, die sie dazu trug, verstärkte den Öko-Fuzzie-Eindruck, den sie bei mir machte. Wie sie da saß, mit eingezogenen Schultern, ab und zu verängstigt zu Severus herüber schielend, war sie mir mehr als suspekt.
McGonagall hatte sich erhoben und kündigte die Auswahlfeier an, Jack Hardy brachte den Stuhl und den sprechenden Hut heran, die Auswahlfeier begann. Hardy setzte sich neben Walker. Er sah mich kurz an und lächelte. Ich lächelte zurück. Gleichzeitig spürte ich eine Hand auf meinem Knie. Ich sah nach links und bemerkte, dass Severus zwar nach vorne sah, seine Hand aber auf meinem Knie lag. Ich legte meine Hand in seine und er streichelte mit seinem Daumen über meinen Handrücken. Wie unglaublich süß diese Geste war. Wie unglaublich viel sie aussagte.
Während der Auswahlfeier glitt mein Blick durch die große Halle. Ab und zu musste ich den neuen Erstklässlern applaudieren, sobald ihr Haus ausgerufen worden war, aber ansonsten konnte ich in aller Ruhe die Tische nach bekannten Gesichtern absuchen. Mein besondere Aufmerksamkeit schenkte ich dabei dem Gryffindortisch. Nach intensivem suchen entdeckte ich Ginny Weasley. In ihrer Nähe saß Joshua Schmidt, der letztes Jahr in meinem Quidditchteam gewesen war. Irgendwie war es ein komisches Gefühl, hier vorn zu sitzen, wenn meine alten Schulkameraden vor mir, als meine Schüler, saßen.
Beim Blick auf die Reihe der Erstklässler fiel mir auf, dass die Reihe nicht nur aus 11-jährigen bestand. Altersmäßig war die Reihe der neuen Schüler durchaus gemischt. Das musste daran liegen, dass nach dem Krieg einige Schüler aus Schulen, die zerstört worden waren, hierhin gekommen waren, um ihren Schulabschluss nachzuholen. So auch das Mädchen – oder besser die junge Frau – die jetzt von McGonagall aufgerufen wurde.
„Neeson, Niamh.“
Ich lachte, als Niamh extrem schĂĽchtern nach vorne trat und sich auf den Stuhl setzte, bevor Minerva ihr den Hut aufsetzte.
Gespannt wartete ich, bis der Hut sich entschied, in welches Haus meine beste Freundin – und jetzt Schülerin – kam.
SchlieĂźlich traf der Hut eine Entscheidung, die mich nicht besonders ĂĽberraschte.
„Gryffindor“, rief der Hut in vollster Lautstärke.
Begeistert stimmte ich in den Applaus ein.
Niamh nahm sich den Hut vom Kopf, legte ihn auf den Stuhl und drehte sich kurz um, um mir zu zulächeln – währenddessen färbten sich ihre Haare zu Gryffindor passend rot - bevor sie zum Gryffindortisch ging und sich neben Josh setzte, der sie energisch zu sich winkte.
Neben mir hörte ich Severus verächtlich schnauben. Scheinbar hatte er sich ein anderes Ergebnis für die Wahl des Hutes gewünscht. Klar, er war ja auch der Hauslehrer von Slytherin.
SchlieĂźlich war auch der letzte SchĂĽler seinem neuen Haus zugeteilt worden und Minerva hielt ihre erste Willkommens-Rede als Schulleiterin von Hogwarts. Erst begrĂĽĂźte sie die neuen SchĂĽler, dann wies sie auf das Verbot des Betretens des verbotenen Waldes hin und auf allerlei andere Dinge, die SpaĂź machten, aber verboten waren.
SchlieĂźlich fing sie an, die neuen Lehrer vorzustellen.
„Dieses Jahr haben wir einige neue Lehrer zu begrüßen. Zuerst einmal Helen Walker, die Mugglekunde unterrichten wird“, sagte Minerva. Mit einer ausladenden Geste zeigte sie zu Walker, die sich unsicher erhob und sofort wieder hinsetzte, währen einige Schüler applaudierten.
„Marian Crewdson“, fuhr sie fort und zeigte auf Crewdson, „wird Verwandlung unterrichten, was ich bisher unterrichtet hatte. Doch aufgrund meiner neuen Pflichten als Schulleiterin muss ich dieses Fach leider abgeben.“
Der Applaus war lauter, als der, den Helen Walker bekommen hatte. Okay, Crewdson sah gut aus, das hatte ich auch schon festgestellt.
Außerdem war er aufgestanden, hatte sich verbeugt und in die Menge gelächelt.
„Ebenfalls neu besetzt wurde der Posten der Lehrerin für den Flugunterricht. Dieses Fach wird in diesem Schuljahr von unserer ehemaligen Schülerin und jetzt neuen Kollegin Julia O’Brien unterrichtet.“
Severus drückte kurz meine Hand, dann stand ich auf, lächelte ebenfalls in die Menge und machte einen – vermeintlich – eleganten Knicks. Weil ich nicht wusste, wo ich hinsehen sollte, sah ich zu Niamh und Josh, die beide aufgestanden waren, wild applaudierten und kreischten.
Ich setzte mich wieder und der Applaus klang ab.
Gut, das hatten wir ĂĽberstanden.
Die erste Peinlichkeit war ĂĽberstanden, meine ehemaligen MitschĂĽler kannten mich jetzt als ihre neue Lehrerin. Morgen wĂĽrde ich einfach ganz ich selbst sein und kein bisschen Unsicherheit zeigen. Zumindest nahm ich mir das vor...
Ein bisschen abwesend und in meine Gedanken versunken bekam ich bloĂź noch das Ende von Minervas Rede mit.
„Der neue Hauslehrer von Gryffindor wird unser junger Kollege Jack Hardy, der selbst in seiner Schulzeit in diesem Haus war und sich bereit erklärt hat, diese Aufgabe zu übernehmen.“
Hardy erhob sich sehr elegant, strahlte in die Menge, verbeugte sich einige Male und bekam den mit Abstand lautesten Applaus.
Einige Stunden später fiel ich endlich – allein – in mein Bett.
Das Fest hatte noch länger gedauert und von den Lehrern wurde offenbar erwartet, dass sie da blieben, bis alle Schüler gegangen waren.
Ich war völlig fertig, die Lautstärke in der Großen Halle war mir auf Dauer wirklich einfach zu groß.
Irgendwann waren die letzten SchĂĽler gegangen und auch die Lehrer konnten endlich gehen.
Von Severus hatte ich mich an den Treppen zum Kerker verabschiedet – nach langer Zeit würden wir mal wieder getrennt voneinander schlafen.
Doch das störte mich in dieser Nacht weniger, denn nach diesem Tag wollte ich einfach bloß Ruhe, vor allem und Jedem.
Ich gähnte und kuschelte mich in mein Himmelbett.
Ungefähr drei Sekunden später klopfte es an der Tür und ich saß kerzengerade in meinem Bett.
TBC
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