von Lady Black
Kapitel 8 – Die Freuden des Lehrerdaseins
Ich hüstelte, um mein Lachen zu überspielen und lehnte mich ein bisschen weiter über meinen Schreibtisch. Es war Freitagabend, meine erste Woche hier war vergangen und pünktlich um sieben Uhr hatte es an meiner Tür geklopft, Ginny Weasley war eingetreten und hatte sich auf den anderen Stuhl in meinem sehr kleinen Büro gesetzt. Ich ließ sie nachsitzen.
Warum? Nun, weil Ginny Ginny war.
Und wenn Ginny meinte, dass sie mit mir machen konnte, was sie wollte, nur weil wir im letzten Jahr viel zusammen gewesen waren, dann hatte Ginny leider keine Ahnung vom Leben. Und von mir. Sie war mir einfach zu frech gewesen, am Donnerstag im Unterricht, deswegen durfte sie nachsitzen. Mein erstes Nachsitzen überhaupt – also, als Lehrerin. Okay, sie war nicht frecher gewesen als Niamh oder Josh – aber sie war nun einmal Ginny und ich wollte sie schon immer mal nachsitzen lassen. Gemein? Nein. Ausgleichende Gerechtigkeit. Ich hatte nicht vergessen, dass sie mich im letzten Jahr willentlich fast getötet hatte.
Deswegen durfte Ginny jetzt nachsitzen. Deswegen war sie durch meine Tür gekommen – weswegen ich lachen musste, was ich durch ein Hüsteln überdeckte – und deswegen saß sie jetzt mir gegenüber und sah mich an. Leider hatte ich keine Ahnung, was man beim Nachsitzen normalerweise machte. Meine persönlichen Erfahrungen beim Nachsitzen beschränkten sich auf Erfahrungen mit Severus Snape. Und ehrlich gesagt wollte ich mit Ginny nicht das machen, was ich damals mit Severus gemacht hatte – denn hauptsächlich saß ich auf dem Schreibtisch und er stand zwischen meinen Beinen.
Bei diesem Gedanken musste ich unweigerlich grinsen. Nein, das wollte ich sicher nicht mit Ginny tun.
Deswegen hatte ich den Hausmeister darum gegeben, mir eine unglaublich langweilige Aufgabe für Ginny zu geben, die jetzt darin bestand, dass sie archivierte Strafaufsätze von Schülern, die mittlerweile fast verblasst waren, noch einmal abschreiben durfte. Was eine völlig überflüssige und hirnlose Aufgabe ist, wenn man bedenkt, dass diese Aufsätze für überhaupt nichts benötigt oder benutzt werden.
Mir gefiel es aber, Ginny etwas völlig Überflüssiges und Hirnloses tun zu lassen. Und das mehrere Stunden lang. Um acht Uhr fragte Ginny das erste Mal nach der Uhrzeit, denn in meinem Büro hing keine Uhr. „Noch nicht spät genug“, war meine Antwort. Es war ja so toll, böse zu sein!
Vielleicht war es Snapes Einfluss auf mich, den er zweifellos hatte. Er machte mich zu einer bösen Lehrerin, weil er selbst so böse war. Vielleicht lag es aber auch wirklich bloß daran, dass ich dieses Mädchen überhaupt nicht leiden konnte.
Um zehn Uhr war mir selbst langweilig, deswegen ließ ich Ginny gehen. Sie war froh, endlich hier heraus zu kommen und ich war es auch.
Müde, und fertig von meiner ersten Woche, verließ ich mein Büro.
Das erste Mal seit einigen Stunden breitete sich eine Art Glücksgefühl in mir aus, als ich mich auf mein Sofa fallen ließ, meine Schuhe auszog, meinen Umhang abstreifte und meine Füße auf den Tisch legte.
Was für eine erste Woche! Ich war mir nicht sicher, ob es stressiger war Schüler und neu an der Schule oder Lehrer und neu an der Schule zu sein. Beides war anstrengend und meine Woche war wirklich nicht schön gewesen. Severus hatte keinen einzigen Abend der restlichen Woche für mich Zeit gehabt, immer hatte er eine andere Ausrede. Auch Jack Hardy schien mir aus dem Weg zu gehen. Ich führte sein Verhalten auf den Abend zurück, als er bei mir war und wir von Severus unterbrochen wurden. Mir war wirklich langweilig! Denn wenn man es genau betrachtete, machte ich im Unterricht immer das selbe. Fliegen, Quidditch spielen, fliegen, Quidditch spielen – und so weiter. Oh, und Schüler anschreien und in den Krankenflügel bringen. Es war wirklich erstaunlich, wie viele von ihnen vom Besen fielen. Jaja, die Schwerkraft.
Als es an der Tür klopfte, schreckte ich aus meinen Gedanken und vom Sofa hoch.
Erschrocken stand ich im Raum und starrte auf die Tür, als es wieder klopfte. Wer war das denn jetzt? Severus?
Hektisch fuhr ich mir durch die Haare, drehte mich zum Spiegel an der Wand und versuchte mein verwischtes Make-Up ab zu wischen, sah an mir herunter und stellte fest, dass ich ihn in diesen Klamotten in keinem Fall empfangen konnte. Es klopfte wieder. Ja, das musste Severus sein, so stur war er. „Moment!“, rief ich.
Hektisch zog ich mir mein Shirt über den Kopf, während ich in mein Schlafzimmer stürzte und meinen Kleiderschrank öffnete. Mit einer Hand schmiss ich alle Klamotten, die sich darin befanden, durcheinander, auf der Suche nach etwas, das ich anziehen konnte, mit der anderen Hand streifte ich auch noch meine Hose ab. Ich fand schließlich ein kurzes, sehr enges schwarzes Kleid, das an der Seite geschlitzt war. Ich streifte mir das Kleid über, zog den Reißverschluss, der sich an der Seite befand, zu und meine Socken aus. Während ich zurück ins Wohnzimmer stürzte, zog ich meine schwarzen Pumps an und räumte mit einem Schlenker meines Zauberstabes das Chaos rund um mein Sofa auf.
Dann beeilte ich mich zur Tür. Die ganze Aktion hatte vielleicht zwei Minuten gedauert. Ich atmete noch einmal tief durch, damit meine Atmung sich wieder beruhigen konnte und lehnte mich lässig an den Türrahmen, während ich selbige öffnete. Ich setzte mein schönstes, verführerischstes Lächeln auf und blickte zu der Person, die eigentlich Severus sein sollte.
„Niamh, scheiße!“, stöhnte ich, ließ die Schultern hängen und schaute meine beste Freundin grimmig an.
„Es ist auch sehr schön dich zu sehen, Jules“, grinste diese nur.
„Du hast offenbar nicht mit mir gerechnet, oder?“, fragte sie, noch breiter grinsend und ging an mir vorbei in meine Räume. Ich seufzte.
„Komm doch rein“, murmelte ich und schloss die Tür hinter ihr.
„Nein, ich habe nicht mit dir gerechnet“, sagte ich, während ich zum Sofa ging und mich neben sie setzte. Ich streifte – wieder – meine Schuhe ab und legte meine Füße auf den Tisch.
„Schade“, seufzte Niamh und legte ihre Füße ebenfalls auf meinen Tisch, „für mich hat noch nie jemand so ein Kleid angezogen.“
„Blöde Kuh!“, quiekte ich und schlug sie mit dem Sofakissen. Dann mussten wir beide lachen.
„Also“, begann Niamh, als wir uns wieder beruhigt hatten, „wen hast du erwartet?“
„Blöde Frage, wen wohl. Severus natürlich“, murmelte ich kleinlaut. Niamh lachte.
„Natürlich, den Herrn Professor!“
In Ermangelung einer besseren Idee streckte ich ihr die Zunge heraus.
„Scherz beiseite... Weißt du eigentlich, dass kein einziger Schüler auch nur vermutet, dass zwischen euch was läuft?“, fragte sie mich.
„Nein, das wusste ich nicht“, gab ich ehrlich überrascht zu.
Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet. Nicht einer? Ich hätte gedacht, dass unser Verhalten offensichtlich war.
Nein, eigentlich nicht, eigentlich verhielt sich Severus in der Öffentlichkeit mir gegenüber genau so, wie allen anderen gegenüber...
„Na dann weißt du es jetzt. Josh steht übrigens noch immer auf dich“, zwinkerte mir Niamh zu.
Ich stöhnte. Wann würde er endlich damit aufhören?
„Schade. Ich finde ihn heiß“, fügte sie dann hinzu. Einige Sekunden war es still, dann lachten wir wieder.
Wir redeten noch ein bisschen weiter über Joshua und Niamhs anderen Freunde. Offenbar konnte sie Colin Creevey, aus ihrem Jahrgang, überhaupt nicht leiden, freundete sich aber dafür mit Chloe McNeil an, die letztes Jahr in meiner Quidditchmannschaft gewesen war.
Beides konnte ich sehr gut nachvollziehen.
Irgendwann lag mein Kopf in Niamhs Schoß und wir starrten beide ins Feuer, während sie gedankenverloren mit meinem Haar spielte.
„Sag mal...“, brach ich das lange Schweigen, „weißt du eigentlich, was Harry und die anderen momentan treiben? Weil... weil ich habe seit unserem Abschied vor den Ferien nichts mehr von ihnen gehört... jedenfalls nichts, was nicht in der Zeitung stand.“
Das Einzige, was ich dort gelesen hatte, war, dass Harry jetzt tatsächlich eine Ausbildung zum Auror im Ministerium machte. Auch, wenn ich jeden Morgen den Propheten las und dabei immer genau darauf achtete, hatte ich noch keine Anzeige zur Hochzeit von Ron und Hermine gefunden, deswegen vermutete ich, dass die beiden noch nicht geheiratet hatten.
„Nein, ich glaub ich bin genauso unwissend wie du“, seufzte Niahm.
Ich setzte mich auf.
„Meinst du... meinst du wir sollten ihnen einen Brief schreiben?“, fragte ich unsicher und sah meiner besten Freundin in die Augen. Dabei fiel mir auf, dass diese genau die selbe Farbe hatten, wie Jacks Augen...
„Ja, vielleicht sollten wir das tun“, erwiderte Niamh nach einem kurzen Zögern.
Ich nickte, schwang meinen Zauberstab und holte uns mit einem stummen Aufrufezauber Papier, Feder und Tinte herbei.
Wir brauchten die ganze Nacht um drei halbwegs anständige Briefe zustande zu bringen, die nicht zu viele Vorwürfe enthielten, dass sich die drei nicht gemeldet hatten und die nicht zu neugierig klangen, weil wir wirklich wissen wollten, ob bloß unser Leben gerade so langweilig war.
Aber gegen vier Uhr nachts waren die Briefe endlich fertig und ich beschloss so schnell wie möglich in die Eulerei zu gehen, um die Briefe abzuschicken. Außerdem machte ich mir eine geistige Notiz, dass ich endlich eine eigene Eule brauchte.
Niamh gähnte und trank den letzten Rest des Kaffees, den wir uns vor Stunden von einer Hauselfe hatten bringen lassen. Die Vorteile des Lehrerdaseins.
„Ich muss ins Bett“, gähnte sie wieder. Ich nickte bloß, zum sprechen war ich zu müde.
Niamh erhob sich und streckte sich.
Müde sah ich sie an, wobei mir auffiel, dass nicht bloß ihre Augen die gleiche Farbe hatten, wie die von Hardy, sondern dass auch ihre Haarfarbe eine auffallende Ähnlichkeit zu seiner aufwies...
„Niamh, warum siehst du aus wie Hardy?“, fragte ich, zu müde um zu bemerken, dass meine Frage keinen Sinn machte.
Niamh sah mich verdutzt an. Scheinbar konnte sie noch klar denken.
„Ich seh nicht aus wie Hardy“, murmelte sie und errötete ein wenig. Ich runzelte die Stirn.
„Deine Haarfarbe ist seine Haarfarbe und deine Augen sehen aus wie seine“, stellte ich fest.
Niamh wandte sich ab und wurde noch röter.
„Niamh, was ist da zwischen dir und Jack?“, fragte ich, wobei meine Stimme idiotischer Weise einen leichten eifersüchtigen Unterton hatte.
„Nichts“, seufzte sie. „Absolut nichts.“ Sie klang ehrlich, aber nicht glücklich darüber.
„Und Süße“, fuhr sie fort und lehnte sich zu mir herunter, „wenn ich so aussehen würde wie Hardy“, sie kniff die Augen zusammen und Sekunden später stand Jack Hardy in Niamhs Kleidung vor mir, „dann würde ich so aussehen.“
Niamh – oder Hardy in Niamhs Kleidung – beugte sich zu mir herunter und gab mir einen Kuss auf die Wange.
„Gute Nacht, Jules“, murmelte sie. Oder er.
„Nacht, Ni“, murmelte ich. Niamh lachte noch einmal, kniff die Augen wieder zusammen und sah wieder so aus, wie vor ihrem Ausflug in die Welt des anderen Geschlechts.
Sie winkte noch einmal und verließ schließlich meine Räume.
Ich selbst erhob mich schwerfällig vom Sofa, schleppte mich zu meinem Bett und ließ mich darauf fallen. Ich schlief fast sofort ein, noch immer dieses viel zu enge Kleid an und in Gedanken noch immer bei Hardy in Frauenkleidung.
TBC
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