von LittleElventhing
Das Telefon klingelte schrill und riss James jäh aus seinem Nachmittags-Schlaf.
„… binnnich… ssuhause…”, murmelte er schlaftrunken und drehte sich auf die andere Seite, um weiter zu dösen. Als nach dem zwölften Klingeln immer noch kein Ende des nervtötenden Lärms abzusehen war, gab James sich einen Ruck und stand noch immer etwas benommen vom Wohnzimmer-Sofa auf. Er hatte gewusst, dass er es einmal bereuen würde, dass mit Lily auch der ganze Muggel-Quatsch Einzug in sein Leben genommen hatte.
Er kämpfe sich seinen Weg zum Telefon, wobei er über diverse leere Pizzakartons steigen musste und beinah über eine herumliegende Feuerwhiskey-Flasche gestolpert wäre.
„Jamesssss Potter!“
„Ich hab’s geahnt! Das betrunkene, lispelnde „s“! Stell sofort den Feuerwhiskey weg!“ Trotz der ironischen Worte, duldete Remus Stimme keinen Widerspruch!
Resigniert stellte James das halbvolle Glas wieder auf die Kommode zurück, welches förmlich nur darauf gewartet zu haben schien, dass jemand anrief, damit James es wieder bemerkte.
„Ich binnich betrunken.“ James fand, dass er sehr überzeugend klang.
Remus fand das wohl weniger.
James konnte förmlich hören, wie dieser in der nun entstandenen Stille argwöhnisch seine linke Augenbraue hochzog.
„ …ganz klitze-bissssssschen vielleicht…“, räumte James ein.
Stille am anderen Ende der Leitung.
„…grossses bissschen…??!!“
„Jetzt hör mir mal zu, du Pantoffel-Held. Hast du eine Ahnung der wievielte heute ist?“
James blickte auf den Kalender, der an der Wand ĂĽber der Kommode hing.
Er zeigte den 17. November. James wusste nicht wie lange er das schon tat.
„Essiss nich Lily Geburtstag, richtich? Und auch nich meiner…..“
„Wärmer, wärmer, …“
„Jahrestag?!“
“Kaaaalt , ganz kaaaalt…..”
“Sag mir nich, dassesss schon Weihnachten iss!!!“
„Okay, dann sag ich’s dir nicht. Dann würd’ ich’s dir aber wärmstens ans Herz legen, dir ne Zeitung zu kaufen und aufs Datum zu gucken – vorausgesetzt du findest deine Haustür noch.
Aber ich kann dich beruhigen: Es ist erst Heilig Abend, du hast also noch einen Tag Zeit, um ein Geschenk für Lily zu besorgen. Und ich rate dir: Besorg eins! Sonst lass’ ich dich morgen nicht rein! Aber wehe du kommst nicht! Dann müssen Sirius und ich dich wohl leider persönlich abholen und du weißt, dass wir ein paar ganz unangenehme Tricks kennen für selbstmitleidige Leute, die Widerstand leisten.“
„Mmmmhhhhm.“
James war zur Standart-Leier übergegangen, die er seit ein paar Wochen für solche Art von Telefon-Gesprächen parat hatte.
„Du kommst!“
„Mhmmhhhmm.“
„Und jetzt mach dich endlich fertig und besorg ein Geschenk für Lily.“
Klick.
Remus hatte aufgelegt.
War wohl auch besser so.
James Hand wanderte wieder zum Whiskey-Glas, doch er hielt inne und stampfte säuerlich zum Sofa zurück.
Die Lust am Trinken war ihm jetzt vergangen.
Herzlichen Dank, Remus.
Grummelnd lieĂź James sich auf das schwarze Leder-Sofa fallen.
Er drehte sich auf die Seite, um damit weiter zumachen, wobei Remus Anruf ihn unterbrochen hatte: Schlafen. Aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund war er jetzt hellwach.
Noch einmal Danke, werter Mister Moony.
Wütend warf James sich auf den Rücken und verschränkte die Arme vor der Brust.
Es war still im Haus.
Sehr still.
Wieder fĂĽhlte James das beklemmende GefĂĽhl der Leere in sich aufsteigen.
So leer wie dieses Haus.
Normalerweise war dies der Zeitpunkt, an dem er sich nachschenkte, bis er irgendwann einschlief. Doch Remus Worte hatten ihre Wirkung nicht verfehlt.
Beim alleinigen Anblick der zahllosen Dosen und Flaschen auf dem FuĂźboden fĂĽhlte James sich richtig dreckig.
Es war Weihachten und er erstickte hier einsam in seinem eigenen Dreck und was noch viel schlimmer war, verlor langsam alle seine Freunde durch sein schieres Desinteresse.
Am Anfang hatte es Mitleid gegeben. Kuchen, Kekse, Tee, Trauerkarten und Gesellschaft. Und dann… Dann hatten sie einfach alle weitergelebt, diese Schweine. Weitergelebt als wäre nichts gewesen. Als wäre nicht die Welt stehen geblieben. Und was noch viel schlimmer war: Sie erwarteten es auch von ihm. Täglich rief einer von ihnen an, wollte reden. Wollte wissen wie es ihm geht, wollte ihn zu irgendwelchen Einsätzen einteilen, wollte ihn irgendwie dazu bewegen das Haus zu verlassen. Aber er konnte nicht. Die letzte Zeit, konnte er sich nicht einmal mehr nüchtern melden. Wobei er nicht wusste, was er mehr zu unterdrücken versuchte: Die grausamen Geschehnisse der Vergangenheit oder seine jämmerliche Existenz in der Gegenwart
James stand auf und ging die Treppe hinauf in sein Schlafzimmer. Als er in den groĂźen Spiegel des Kleiderschrankes blickte, merkte er erst, wie schlimm es um ihn stand. Seine Freunde hatten Recht, sich um ihn zu Sorgen.
Crazy, but I believe this time
Begging for sweet relief
A blessing in disguise
Wann hatte er eigentlich das letzte Mal geduscht?
Nach einem kurzen Schlenker des Zauberstabs und ein paar gemurmelten EntnĂĽchterungs-Zaubern, machte James sich auf den weg ins Bad. Jetzt hatte er zwar tierische Kopfschmerzen, aber immerhin reduzierte er so die Gefahr auf den glatten Fliesen auszurutschen und sich alle Knochen zu brechen, um ein vielfaches.
Als das warme Wasser auf seinen RĂĽcken prasselte, fingen James Lebensgeister an zurĂĽck zu kehren.
Sein Kopf fühlte sich ungewohnt klar an. Und sofort drängten sich ihm die Gedanken auf, die er seit Tagen mit etwas Hilfe erfolgreich unterdrückt hatte.
Lily!
Remus hatte gesagt, er solle ihr etwas schenken.
James lachte bitter. Sie würde garantiert nicht einmal ein „Frohe Weihachten“ von ihm haben wollen.
Lily….
Sie war eine derjenigen gewesen, die täglich angerufen hatten, nachdem er seinen Anschluss bei der Flohnetzwerk-Verbindungstelle gekündigt hatte. (Wie, in Merlins Namen, brachte man dieses Muggel-Teufelszeug dazu nicht mehr zu klingeln, um unerreichbar zu sein?!)
Ihr Verständnis und ihre Geduld hatten sich so unverdient angefühlt. Und er so lästig.
Doch sie hatte jeden Tag wieder angerufen, ihn mit Engelszungen versucht dazu zu bewegen nach drauĂźen zu gehen. Bis er sie eines Tages betrunken angebrĂĽllt hatte, sie solle ihn endlich in Ruhe lassen.
Seit dem klingelte das Telefon nur noch alle drei Tage zu einer der obligatorischen Remus-Predigten.
Er vermisste sie.
I'm dying behind these tired eyes
I've been losing sleep
Please come to me tonight
James drehte das Wasser ab und trat aus der Duschkabine. Er band sich ein Handtuch um die HĂĽfte und tapste auf nassen FĂĽĂźen zurĂĽck in sein Zimmer. Sein Herz schmerzte, bei dem Gedanken daran, dass ihn niemand mehr dafĂĽr zu Recht weisen wĂĽrde.
Er zog sich schnell frische Sachen ĂĽber und flog dann zurĂĽck hinunter in die KĂĽche, um sich einen Kopfschmerztrank zu kochen. DafĂĽr wĂĽrden seine Schulkenntnisse von Professor Slughorn wohl hoffentlich gerade noch reichen.
Nachdem er das merkwürdig bläulich schimmernde Gebräu hinunter gewürgt hatte, fühlte er sich seit Tagen das erste Mal wieder annähernd lebendig.
Er grinste.
Remus wĂĽrde stolz auf ihn sein.
Vor allem wenn er wüsste, dass er längst ein Geschenk für Lily hatte. Er hatte es schon Anfang Oktober besorgt. Das war gewesen, bevor…
James ging ins Wohnzimmer und öffnete die kleine Kommode.
Geheimnisvoll strahlend, lag darin eine dunkelblaue Schatulle. Behutsam nahm er sie heraus und öffnete sie vorsichtig. Drin lag ein silbernes Medallion mit einem herzförmigen Anhänger, welcher mit einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt war.
Das Metall fĂĽhlte sich warm an.
Hands on a miracle
I got my hands on a miracle
Believe it or not
Hands on a miracle
And there ain't no way, that you take it away
Es gab keinen stärkeren Glückbringer, keinen besserer Fluchbrecher, keinen mächtigeren Beschützer, als diesen roten Anhänger.
Auch in der Magie gibt es kaum etwas, dass stärker ist als Liebe.
Und seine Liebe zu Lily war stark. Stärker, als alles, was er bisher empfunden hatte.
Und es viel ihm keine erdenkliche Möglichkeit ein, wie sich das würde ändern können.
Everything that we've survived
It's gonna be alright
Just lucky we're alive
James spĂĽrte, wie sich mit einem Mal ein wohlig, warmes GefĂĽhl in ihm ausbreitete.
Sie beide waren am Leben. Das war das einzige, was zählte.
Der Krieg hatte viele Opfer gefordert, auch seine Eltern. Und sie wĂĽrden bestimmt nicht die Letzten sein. Doch er durfte nicht zu lassen, dass sein Leben dadurch nicht weiter ging.
Sein Leben mit Lily.
James schloss die Schatulle wieder und stellte sie neben das Telefon.
Was war er doch fĂĽr ein Idiot gewesen!
Got no vision
I've been blind
Searching everywhere
You're right there in my sight
In diesem Moment klingelte das Telefon. James zuckte zusammen.
Hektisch nahm er den Höhrer ab.
„James Potter.“
„James…?“ Lilys Stimme klang unsicher.
Sein Herz klopfte wie wild. So was nannte man dann wohl ein Weihnachtswunder.
„Ja…“ Mehr bekam er nicht heraus. Sein Mund fühlte sich mit einem mal ganz trocken an und dieses Mal konnte er nicht den Whiskey dafür verantwortlich machen.
„Kann ich rein kommen?“
Wie bitte? Die letzten Worte brachten James vollkommen aus der Fassung. Das Telefon samt Schnur noch immer in der Hand, ging er die paar Schritte bis zur Tür und öffnete sie.
DrauĂźen stand Lily und hielt sich ein kleines, flaches, schnurloses Miniatur-Telefon ans Ohr.
Er würde sich nie an diesen Muggel-Quatsch gewöhnen!
„Hi!“ Lily lächelte schüchtern.
Er konnte sie nur anstarren. Sie war in den Wochen in denen er sie nicht gesehen hatte noch schöner geworden.
„Darf ich jetzt reinkommen?“ Sie zog eine ihrer roten Augenbrauen fragen nach oben.
„Ähhh… klar…“ James hatte endlich seine Sprache wieder gefunden und trat nun einen Schritt beiseite, um Lily den Weg ins Haus frei zu machen.
Selbstsicher hing diese ihren Mantel auf und ging in Richtung Wohnzimmer. James folgte ihr, aber nicht ohne die blaue Schatulle mitzunehmen.
„….. Für dich….“, sagte er als sie sich wieder gegenüber standen.
Lilys strahlendes Lächeln und ihr glückseliger Blick, als sie den Anhänger erblickte, waren die schönsten Geschenke, die James sich denken konnte. Er roch ihr Pfirsich-Shampoo, als er hinter ihr stand, um ihr die Kette anzulegen. Wie hatte er nur ohne sie auch nur einen Tag überleben können?
„Frohe Weihnachten, Evans.“ Er küsste sie aufs Haar.
„Herzlich Willkommen zurück im Leben“, kicherte Lily, während sie sich umdrehte und ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange drückte.
„Gib’s schon zu Remus schickt dich.“, lachte James und fing an sie in die Seite zu pieksen.
„Ey lass das!!!!” Lily hielt seine Hände fest. „Ich enttäusche dich ja nur ungern, aber ich bin aus freien Stücken hier, Potter.“ Sie drehte sich lachen um und sah ihn mit blitzenden Augen an.
„So, so… die Dame ist also freiwillig hier….“, grinste James. „Und wo ist dann mein Geschenk?“ Er zog einen übertriebenen Schmollmund.
“Genau deshalb bin ich hier.” Ihre Stimme hatte auf einmal etwas Verschwörerisches. Sie lächelte ihn geheimnissvoll an. Er konnte nicht anders, als zurück zu lächeln, auch wenn er nicht genau wusste, was das hier werden sollte.
Dann nahm Lily seine Hand und fĂĽhrte sie langsam, ganz langsam unter ihren Pullover und ihr Shirt und legte sie auf ihren Bauch.
„Frohe Weihnachten!“
Hands on a miracle
I got my hands on a miracle
Believe it or not
Hands on a miracle
And there ain't no way, that you take it away
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