
von S_ACD
Das Ding hat ein Eigenleben.
Es wird immer länger und länger. Oô
Hilfe...
Sehr emotional diesmal und auĂźerdem 'ne Menge Versuche, zwischenmenschliche Beziehungen darzustellen... tja. ^-^
~-~-~-~
Sein erster Gedanke war:
Klasse. Wer hatte bloĂź die bescheuerte Idee, den Schlitten mitzunehmen?
Der zweite und alle nachfolgenden ließen sich eigentlich in einem einzigen Wort zusammenfassen: Teich… Teich. TeichTeichTeichTeichTEICH!
Er machte Anstalten, dem Schlitten nachzuhechten, was sich als durch und durch blöde Idee herausstellte, denn einerseits war der Hand rutschig, er selbst war panisch und außerdem war Charlie gerade damit beschäftigt, genau dasselbe zu tun.
Bill war ihm dabei ganz offensichtlich im Weg.
Entweder das, oder er hatte den nötigen Bremsweg auf rutschigem Untergrund unterschätzt. Hätte er im Moment nicht vollkommen andere Sorgen gehabt, Bill hätte wohl auf letzteres getippt. Leider hatte er im Moment aber andere Sorgen.
Charlie rannte (oder rutschte, so genau wollte Bill sich da nicht festlegen) in ihn hinein, riss ihn von den FĂĽĂźen und dann verschmolz alles mit wirbelnder Geschwindigkeit ineinander.
Schnee-
Himmel-
Schnee-
Stiefel-
wieder Himmel-
noch mal Schnee-
Strauch-
Schnee, die Dritte, uuuund-
„Huiiiiii-“
PLATSCH.
Das Geräusch registrierte er auch noch im Fallen, trotz der eiskalten Luft, die ihm um die Ohren pfiff und trotz des Knies, dass ihm (unbeabsichtigt, wie er hoffte) von seinem jüngeren Bruder in die Magengegend gerammt wurde. Seine Panik verzehnfachte sich – jedoch nur für den Bruchteil einer Sekunde, weil unmittelbar danach etwas geschah, das kurzzeitig noch mehr Aufmerksamkeit forderte als jüngere Geschwister, die gerade in irgendwelchen Teichen gelandet waren.
Der Aufprall.
Er knallte mit dem Rücken auf den Boden und irgendwelche Äste stachen ihm schmerzhaft ins Kreuz. Ganz abgesehen davon, dass es einfach nass war, nass und feucht und kalt… und abgesehen davon, dass Charlie mit der Zielgenauigkeit eines Quidditch-Jägers der Profiliga genau auf ihm landete, eine schlicht und einfach schmerzhafte Erfahrung.
Das Gefühl, dass ihm sämtliche Luft aus den Lungen gepresst wurde war noch das kleinste Übel – sein Magen tat weh, sein Schultern auch, in seinem Kopf drehte sich alles und ganz allgemein hatte er das Gefühl, gleich unfreiwillig sein Mittagessen zum zweiten Mal sehen zu müssen. Seine rechte Gesichtshälfte war heiß und pochte unangenehm.
„Umpf. Scheiße.“
„Bill…“
„Uh“, machte er benommen, „J-ja. Was…?“
„Bill… Ron!!“
Und das war tatsächlich etwas, das sich noch viel beschissener anfühlte als mit seinem Bruder einen schneebedeckten Hang hinunterzufallen und von einem armseligen kleinen Strauch gebremst zu werden. Er machte den Versuch, Charlie von sich hinunterzustoßen und das ging wieder schief, weil der längst dabei war, sich hektisch aufzurappeln – was Bill nicht mitbekommen hatte, deshalb etwas zu viel Schwung nahm und (immer noch unbeholfen und desorientiert) nach vorne kippte.
Charlie war unterdessen längst wieder auf die Beine gekommen und wankte Richtung Teich, dessen Ufer sich, wie Bill erst jetzt registrierte, mit einem Mal nur mehr ein paar Meter entfernt befand. Unter etwas anderen Umständen hätte man das vielleicht als „glücklichen Zufall“ bezeichnen können.
Schrieb die aktuelle Situation allerdings vor, dass man seinen siebenjährigen Bruder zu retten hatte, der schon vor viel zu langer Zeit mitten rein ins eiskalte Wasser gerodelt war… nun ja, „glücklich“ war nicht unbedingt das erste Wort, das einem da in den Sinn kam.
Bill fuhr so schnell in die Höhe, dass ihm schwindelig wurde – und kapierte dann im ersten Moment nicht, warum Charlie bloß am Ufer stand und sich überhaupt nicht bewegte. Warum stand der Kerl nur da und hielt Maulaffenfeil?
Sie mussten-
„Bill…“, schniefte eine weinerliche Kinderstimme, „Mir is’ kalt…“
Er brauchte ein, zwei Sekunden, bevor die ganze Lage in ihrer Vollständigkeit begriffen hatte. Öhh… okay.
„Was…“, stotterte er, „Was in… aber…“
Keine vier Meter von ihm entfernt stand Ron, bis zur Taille in unruhig schwappendem Wasser verschwunden, zwischen nervös dümpelnden Eisbruchstücken und bot den sprichwörtlichen Anblick eines begossenen Pudels.
Sein Gesichtsausdruck war zum Herzerweichen.
Das war wohl auch der Grund dafür, warum Bill das tat, was er tat – etwas, das so bescheuert war, das es selber erst begriff, als es schon längst zu spät war.
Er sprang in den Teich.
Besser gesagt, er stieg in den Teich. (Die Dreckslacke war wirklich nicht besonders tief.) Und fluchte im Anschluss darauf gleich noch eine Runde, weil das Wasser absolut eisig war. Charlie gab ein überraschtes Geräusch von sich und sah ihn entgeistert an.
Für den Bruchteil einer Sekunde war Bill sich selber nicht sicher, ob er noch alle Tassen im Schrank hatte. Aber wenn er schon mal hier war…
Er watete hinüber zu Ron, hob ihn hoch und beförderte ihn zurück ans Ufer.
Den Schlitten (an dem er sich zu allem Überfluss auf halbem Weg den Fuß stieß) rettet er in einem gnädigen Anfall von Nächstenliebe auch noch.
Charlie nahm Ron entgegen („Hab ihn.“) wirkte sekundenlang unerfreut darüber, seine Ärmel nassmachen zu müssen und streckte Bill dann eine Hand entgegen, um ihm beim Herausklettern behilflich zu sein. In diesem Moment ertönte vom anderen Ufer ein prustendes Geräusch.
Bill wandte sich um und da standen sie, die beiden Hauptschuldigen an diesem ganzen Debakel – knochentrocken, sauber, unverletzt und gaben sich ganz offensichtlich wahnsinnige Mühe, nicht loszulachen. Er starrte sie nur an.
Das Vertrauen in seine Selbstbeherrschung war irgendwann zwischen dem Sturz und seinen klatschnassen, allmählich taub werdenden Füßen verloren gegangen. Er war sich nicht mal sicher, ob er es überhaupt wiederfinden wollte.
„Wir. Gehen.“, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und hatte dabei das Gefühl, noch ein Wort mehr und er würde anfangen, unkontrolliert herumzuschreien.
Charlies unsicherer Seitenblick entging ihm keineswegs.
Er hatte keine Ahnung, wie sein Gesicht im Augenblick aussah (und ganz ehrlich, gelinde gesagt war es ihm auch scheiĂźegal), aber alleine die Tatsache, dass die Zwillinge ein paar Zentimeter zusammengerĂĽckt waren, war ein eindeutiger Beweis dafĂĽr, dass er schon einmal netter dreingeschaut haben musste.
„Gib ihn her“, sagte er zu Charlie, der den schniefenden Ron immer noch auf den Armen hielt und nur mehr im Pullover dastand, weil er ihren jüngsten Bruder gerade in seinen eigenen Mantel wickelte.
„Lass nur“, murmelte Charlie gedämpft, „Hab’s schon.“
Bill überlegte eine Sekunde, nickte dann langsam und machte Anstalten, den Hügel wieder hinaufzuklettern. Inzwischen war es beinahe dunkel und seine unteren Extremitäten nahezu gefühllos. Was, rein objektiv betrachtet, vielleicht gar nicht mal so schlecht war.
„Ihr nehmt den verdammten Schlitten“, kommandierte er, ohne die Zwillinge eines Blickes zu würdigen und war sich trotzdem sicher, dass sie folgen würden. Die beiden wussten, wann sie die endgültige Grenze erreicht hatten.
Dann stapfte er los.
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Den Schlitten den blöden Hügel hinaufzubekommen, war schwerer als erwartet.
George zerrte, Fred schob und irgendwann auf halbem Weg tauschten sie Plätze. Bill machte keine Anstalten, auf sie zu warten und alles, was sie von Charlie bekamen, war ein rascher Blick über die Schulter, mit dem er sich vergewisserte, dass sie nicht zurückblieben.
Das einzige, was Ron tat war, ihnen einmal mehr die Zunge herauszustrecken – aber das verheulte Gesicht wollte nicht recht dazu passen.
„Mensch“, murrte George irgendwann so leise wie möglich (nicht, dass Bill jetzt auch noch dachte, sie würden sich heimlich über die ganze Situation lustig machen oder so was), „Weißt du, was am allerdoofsten ist?“
Fred schob sich die MĂĽtze aus den Augen.
„Dass der Teich viel zu seicht war, als dass da überhaupt Fische hätten drin sein können.“
„Jahh… warum is’ uns das vorher noch nie aufgefallen?“
„Weil du doof bist.“
„Ah ja? Wer hatten denn die tolle Idee, Eisfischen zu gehen, häh?“
„Das warst du.“
„War ich nicht.“
„Warst du wohl.“
„Gar nicht wahr!“
Für den Bruchteil einer Sekunde starrten sie sich erbost an, dann sahen sie beide schuldbewusst zur Seite. Der Rest der Welt war bereits stocksauer auf sie – das letzte, was sie da gebrauche konnten war, sich intern auch noch in die Wolle zu kriegen.
Das hatte Zeit bis irgendwann… später. Oder so.
Ach, Schwamm drĂĽber. Das war die Sache nicht wert.
Wenn man sich mit seinem Zwillingsbruder zerstritt, was hatte man dann noch?
Sie manövrierten den Schlitten um einen Baumstumpf herum. Die anderen waren mittlerweile bereits ein gutes Stück voraus.
„Blöde Fische“, brummte Fred irgendwann.
„Blöde, blöde Fische“, gab George ihm Recht.
Und damit war die Angelegenheit vom Tisch.
~-~-~-~
Bill betrachtete sich unbegeistert im Spiegel und fragte sich zum x-ten Mal, warum er sich ĂĽberhaupt MĂĽhe gab, einigermaĂźen gut fĂĽr eine zickige alte Frau auszusehen, die ihm sowieso wieder ein- und dieselbe Predigt halten wĂĽrde:
Seine Haare waren zu lange, seine Haltung nicht aufrecht genug, prinzipiell war er zu groß und sein Benehmen bei weitem nicht ernsthaft genug für einen „jungen Mann“ in seinem Alter.
Ihre Mutter war am Durchdrehen gewesen, als sie endlich im Fuchsbau aufgetaucht waren – atemlos, verschwitzt, teilweise nass, durchgefroren und vollkommen fertig. Das unmittelbare Donnerwetter war ihnen vorläufig erspart geblieben (in Anbetracht der Tatsache, dass Tante Muriel bereits jede Sekunde auf der Türschwelle stehen konnte), aber aufgeschoben war nicht aufgehoben, schon gar nicht, was ihre Mutter betraft.
Wenn es um so was ging, ließ die jedes Elefantengedächtnis alt aussehen.
Er seufzte. Und wenn schon.
Irgendwann wĂĽrde auch dieser Abend vorbeigehen.
Hoffte er zumindest.
Jemand klopfte an die Tür, öffnete sie einen Spaltbreit und wartete dann auf seine Antwort. Bill musste grinsen.
Im ganzen Haus gab es nur eine einzige Person, die das tat. Alle anderen warteten entweder bei geschlossener Tür – oder sie ließen das mit dem Klopfen gleich ganz bleiben.
„Hey, Charlie.“
Sein jüngerer Bruder schob sich mit missmutiger Miene herein. Es war ihm deutlich anzusehen, dass ihre Mutter auch ihm alles, was er heute Abend anziehen sollte, auf seinem Bett zurechtgelegt hatte… Socken inklusive.
„Hey.“
„Wow…“, Bill musterte ihn abschätzend, „Wo willst du denn in diesem Aufzug hin? Auf ’ne Hochzeit?“
„Halt die Klappe“, Charlie setzte sich aufs Bett, ohne Rücksicht auf Bills Klamotten zu nehmen, die ihre Mutter für ihn vorgesehen hatte und die geflissentlich ignoriert worden waren, „Und was ist mit dir? Du rebellierst oder wie sehe ich das?“
Bill verdrehte die Augen. „Das hat nichts mit Rebellion zu tun“, sagte er, „Nur… den Umhang ziehe ich nicht an. Das bisschen Selbstachtung habe ich noch.“
Charlie hob die Hände und grinste ebenfalls.
„Deine Entscheidung“, sagte er.
„Du bist doch bloß feige.“
„Nein… ich bin nur der Meinung, dass der Weg des geringsten Widerstands die beste Lösung ist, heute zumindest. Mum geht doch sowieso schon auf dem Zahnfleisch.“
„Ja, ich weiß“, Bill rieb sich den Nacken, „Na und? Ich meine, dass… ach weißt du was, sei einfach still.“
Jedes Mal. Irgendwas hatte Charlie an sich, mit seiner blöden, selbstbewussten, ruhigen Art, das ihn immer dazu brachte, noch mal über alle getroffenen Entscheidungen nachzudenken… und es wurde ganz eindeutig schlimmer, je älter sie wurden.
Charlie schmunzelte.
„Hab nichts gesagt“, murmelte er, stand dann auf und warf sich selber einen prüfenden Blick im Spiegel zu.
Bill fragte sich, was er dort sah.
Sein Bruder war kleiner als er, kräftiger gebaut und sah in Bills Augen auch genau so zuverlässig und anständig aus, wie er wirklich war. Mädchen standen auf so was, richtig?
Kurz ging ihm durch den Kopf, wie es wohl sein würde, diesen Gesichtsausdruck, der irgendwie ständig zwischen amüsiert und nachdenklich zu schwanken schien, nicht mehr jeden Tag sehen zu können.
Immerhin war er in gut einem Jahr aus Hogwarts raus… und was kam dann?
Charlie runzelte die Stirn. „Is’ was?“
Bill schüttelte den Kopf. „Nah“, sagte er, „Hab nur gerade überlegt… willst du deine Haare etwa so lassen?“
Die Frage war berechtigt. Charlie war die vergangenen drei Stunden mit MĂĽtze herumgerannt, hatte sie sich dann vom Kopf gerissen und war sich einmal abwesend mit der Hand durch die Haare gefahren.
Dementsprechend sah er auch aus.
„Ach“, sein jüngerer Bruder zog eine Augenbraue hoch, begann aber trotzdem damit, an den abstehenden Strähnen herumzuzupfen, „Ausgerechnet du willst mir was von wegen Frisur erzählen? Alter, ich warte seit ’nem halben Jahr darauf, dass Mum dir ’nen Schlaftrank ins Essen mischt, damit sie endlich mal mit ihrem Zauberstab an deine Haare kann.“
„Dann wünsche ich dir viel Spaß“, gab Bill grinsend zurück, „Auf den Tag wirst du nämlich warten, bis du schwarz wirst.“
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Percy war sich nicht ganz sicher, was ihm im Moment mehr auf die Nerven ging – keinerlei physische Gewalt anwenden zu können oder die Tatsache, nicht außerhalb der Schule zaubern zu dürfen.
„Ihr zieht das jetzt an!“, verkündete er in seinem besten Befehlstonfall, „Na los, wird’s bald?“
„Nein!“, schallte es zweistimmig zurück.
„Das ist alt und hässlich“, murrte einer der Zwillinge.
„Außerdem hast du uns gar nichts zu sagen“, ergänzte der andere.
Percy biss die Zähne zusammen. Brüder hin oder her, manchmal wünschte er…
Diese beiden Bälger waren die Pest. Und sie waren einfach immer, immer in der Überzahl. Welche Chance hatte man da bitteschön?
Aber er würde das hier hinkriegen. Ihre Mutter hatte ihn darum gebeten, ein Auge auf die Zwillinge zu haben, während sie sich um Ron kümmerte (der offenbar in irgendeinen See gefallen war oder so ähnlich… er hatte es in der allgemeinen Aufregung für besser gehalten, nicht genauer nachzufragen) und er würde es ganz sicher nicht vermasseln.
Niemand sollte denken, er wäre unfähig, mit zwei rotzfrechen Neunjährigen fertig zu werden.
Sie hatten sich mit verschränkten Armen vor ihm aufgebaut und er wusste ganz genau, der trotzige Gesichtsausdruck bedeutete, dass er die Sache komplett vergessen konnte. Wenn kein Wunder geschah, dann wurde das heute nichts mehr.
Da hatte er plötzlich eine Idee. Wenn er mit beiden auf einmal nicht fertig wurde, warum konnte er dann nicht einfach…
„Okay, das reicht“, er deutet auf den Zwilling mit dem leuchtend gelben „G“ auf dem Pullover (das, und dessen war er sich bewusst, bei weitem keine Garantie dafür war, dass er hier wirklich George vor sich hatte), „Raus mit dir.“
Sie starrten ihn bloĂź an.
„Ähh… was?“
„Raus“, wiederholte er, „Los, Abmarsch.“
Sie tauschten einen argwöhnischen Blick, setzten sich dann alle beide in Bewegung und er beeilte sich, den „F“-Zwilling abzufangen.
„Du nicht.“
Jetzt schien ihnen ein Licht aufzugehen. Für ihre neun Jahre, und das war ihm schon öfter aufgefallen, waren sie eigentlich verdammt schlau. Warum nur mussten sie diese Gabe ständig für irgendwelche schwachsinnigen, gefährlichen Ideen verschwenden?
Der Blick, der ihn traf, war pure Verachtung, gemischt mit einer winzigen Spur Mitleid.
„Vergiss es“, sagte der „G“-Zwilling, „Ich geh nicht.“
„Er bleibt hier“, bestätigte sein Bruder entschlossen.
Aber Percy hatte den Zeitpunkt, an dem noch Diskussionen möglich gewesen wären, längst hinter sich gelassen. Er machte einen Schritt nach vorn, seine jüngeren Brüder wichen zurück, er streckte die Hand aus und erwischte den „G“-Zwilling am Kragen.
„Was-“ „Hey!“
Sekundenlang erwartete er, es mit ernstem körperlichem Widerstand zu tun zu bekommen, aber dann schien den beiden Merlinseidank doch klar zu werden, dass es keine Trennung für die Ewigkeit war und sie sich in zwei Minuten wiedersehen würden.
Wenigstens nahm er das an.
Der „G“-Zwilling starrte ihn trotzdem an, als wäre er gerade dabei, irgendeine unverzeihliche Todsünde zu begehen, als Percy ihn auf den Gang hinausbeförderte und die Tür hinter ihm zuzog. Als er sich wieder umdrehte, saß der zurückgebliebene „F“-Zwilling im Schneidersitz auf dem Boden. Seine Augen funkelten gefährlich.
„Los, komm, umziehen“, sagte Percy und konnte nichts gegen die offensichtliche Erleichterung in seiner Stimme machen – in fünf Minuten würde diese Scharade hier vorbei sein, „Ihr habt euch ja gleich wieder.“
Der „F“-Zwilling blieb, wo er war und sagte gar nichts.
„Das…“, sagte Percy und versuchte es dann einfach auf gut Glück, „Fred, jetzt mach schon.“
Keine Reaktion. Kein „Ich will nicht.“, kein „Ich bin George.“, kein „Du kannst mich.“
Gar nichts.
In Percy keimte der dunkle Verdacht auf, dass das eben vielleicht doch keine allzu gute Idee gewesen war. Er ging in die Knie und der zurĂĽckgebliebene Zwilling erwiderte seinen Blick ohne mit der Wimper zu zucken.
Bitterböse war allenfalls ein Hilfsausdruck.
„Ich“, sagte er so überdeutlich, als würde er mit einem geistig Beschränkten reden, „…mach gar nichts, bevor George nich’ wieder da ist.“
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Charlie warf Bill einen ĂĽberraschten Blick zu.
„Na so was“, sie blieben beide vor Percy stehen, der gegenüber der Tür, die zu Fred und Georges Zimmer führte, mit genervtem Gesichtsausdruck an der Wand lehnte, „Was tust du denn hier?“
„Solltest du nicht ein Auge auf die beiden Balgen haben?“, ergänzte Bill.
Percy gab ein erschöpftes Geräusch von sich. „Bin gerade dabei.“
„Ah ja?“, Bill sah sich suchend um, „Tja, dann hab ich schlechte Neuigkeiten für dich, Kumpel… sie sind nirgendwo zu sehen.“
Percy warf ihm einen missbilligenden Blick zu.
„Da drin“, sagte er und deutet mit dem Kopf auf die geschlossene Tür, „Sie ähm… wollten ihre Privatsphäre haben.“
Auch ohne hinzusehen wusste Charlie, dass Bill grinste. Eigentlich hätte ihr Ältester nach dem heutigen Nachmittag alles Recht der Welt gehabt, stocksauer zu sein, aber Merlinseidank war er nicht nachtragend.
Noch nie gewesen.
Die meiste Zeit über hatte Charlie sogar den Verdacht, dass Bill – wenn er nicht gerade selber zu den Betroffenen gehörte – so was wie väterlichen Stolz entwickelte, wenn die Zwillinge irgendwelchen Mist bauten. (So lange es sich dabei nicht um potenziell lebensbedrohlichen Mist handelte.)
„Soso, Privatsphäre“, wiederholte er amüsiert, „Mach dir nichts draus, Perce… irgendwann findest schon du jemanden, der dich zusehen lässt.“
„Hey“, sagte Bill grinsend, „Mach ihm keine Hoffnungen.“
„Sehr witzig“, gab Percy trocken zurück, warf dann einen Blick auf seine Armbanduhr, „Hm. Schön langsam könnten die aber mal fertig werden.“
„Wie lange sind sie schon da drin?“
„Acht Minuten.“
Das war typisch. Jeder andere Mensch auf diesem Planeten hätte „bisschen was über fünf Minuten“ oder „bald zehn Minuten“ gesagt… aber nicht Percy. Bei dem gingen Zeitangaben nur auf die Sekunde genau.
Bill runzelte die Stirn und klopfte an die Tür. „Jungs?“
Stille.
Bill klopfte erneut. „Fred? George? Irgendjemand da?“
Niemand antwortete und sie tauschten alle miteinander einen alarmierten Blick.
„Ohh nein“, fauchte Percy aufgebracht, „Nein, nein, nein…“
Er hastete hinüber und riss die Tür auf. Sie spähten zu dritt hinein – das Zimmer war leer.
Das Fenster stand offen.
Sekundenlang herrschte Schweigen.
„Tja“, sagte Bill schließlich, „Gratuliere Perce… damit bist du offiziell Mitglied im heutigen Wie-verliere-ich-meine-Geschwister-Klub.“
Dann stieĂź er das Fenster ein StĂĽck weiter auf und schwang sich hinaus.
„W-was“, stotterte Percy und sah dabei so aus, als wüsste er nicht recht, ob er schockiert oder ärgerlich sein sollte, „Was machst du denn?!“
„Ihnen nach“, verkündete Bill vom Fensterbrett, „Die brechen die sich am Ende noch den Hals.“
Weg war er.
Charlie klopfte Percy aufmunternd auf die Schulter.
„Sieh’s mal positiv“, sagte er, „Du hast das Limit so ziemlich erreicht. Viel schlimmer kann’s also nicht mehr werden.“
„Ju~hungs!“, hallte da die aufgesetzt fröhliche Stimme ihrer Mutter herauf, die jetzt schon hart an der Grenze zur Verzweiflung lag, „Seid doch so gut und kommt runter! Unser Gast ist da!“
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„Wer is’n das überhaupt?“
Ron verdrehte die Augen. „Großtante Muriel“, erklärte er seiner kleinen Schwester, „Du hast sie doch schon mal getroffen.“
„Echt?“
„Ja.“
„Kann mich nich’ erinnern.“
„Warst ja auch noch klein.“
„Hm.“
Ginny schwieg einen Moment. Sie saĂź auf dem heruntergeklappten Toilettendeckel und baumelte mit den Beinen.
Ron betrachtet seine Schwester aus den Augenwinkeln. In letzter Zeit war sie richtiggehend in die Höhe geschossen, hatte ihn sogar beinahe eingeholt – und das ging ihm gegen den Strich. Er hatte sich sogar bei ihrer Mutter darüber beschwert, aber die hatte bloß gemeint, das sei eben so bei bloß einem Jahr Altersunterschied und es würde wieder schon wieder vorbeigehen.
Irgendwann.
Ging es nach Ron, konnte irgendwann gar nicht schnell genug sein.
„Sag mal…“, riss ihn Ginny aus seinen Gedanken, „Is’ die echt so furchtbar wie alle sagen?“
Er verzog das Gesicht. „Noch viel schlimmer.“
„Wie schlimm?“
„Sie… ach, keine Ahnung. So schlimm wie du’s dir vorstellen kannst und dann noch dreimal schlimmer.“
Ginny sah ihn zweifelnd an und kaute dabei auf ihrer Unterlippe herum. Dieser Gesichtsausdruck war bei ihr selten – was aber nicht bedeute, dass Ron ihn nicht kannte. Er seufzte und schob die eifersüchtigen Gedanken bezüglich ihres täglich schrumpfenden Größenunterschieds beiseite. Jetzt hatte erst mal etwas anderes Priorität.
„Was ist denn?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Gar nichts.“
„Ich bin nicht blöd. Was’n los?“
Der zweifelnde Gesichtsausdruck verstärkte sich. „Also… Tante- Tante Muriel… stimmt es, dass sie…“, ihre Stimme senkte sich auf ein Flüstern, „… na ja, dass sie mir jedes Mal einen Finger abhacken wird, wenn ich frech zu ihr bin?“
Sekundenlang war Ron verdutzt. „Öh. Was?“
Ginny rutschte unbehaglich hin und her. „Einen Finger“, wiederholte sie so leise, als befürchtete sie, das Schreckgespenst könnte gleich hinter dem Duschvorhang hervorspringen, „Du weißt schon…“
Ron wusste nicht, ob er lachen oder ungläubig schnauben sollte. So verbissen ernsthaft, wie seine Schwester ihn anstarrte, entschied er sich sicherheitshalber doch lieber für letzteres.
„Wo hast du den Blödsinn denn her?“
„Stimmt also nicht?“
„Mann! Natürlich nich’, bist du bescheuert?“
Auf ihrem Gesicht breitet sich ein erleichtertes Grinsen aus und einen Augenblick lang dachte Ron, dass ihr Wachstumsschub ihm vielleicht doch nicht so viel ausmachte wie befürchtet, weil sie plötzlich wieder so aussah wie der winzige Zwerg, der sie eigentlich sein sollte.
„Gut.“
„Wer hat dir das überhaupt erzählt?“
Sie zuckte mit den Schultern, das Grinsen wurde breiter.
„Is’ doch egal. Niemand.“
Niemand. Aber sicher doch.
Er schnaubte gleich noch einmal. „Die zwei Vollidioten, oder? …Mensch, ich hab dir doch schon tausendmal gesagt, dass du nich’ alles glauben sollst, was sie dir erzählen! Die reden doch nur Mist.“
Ginny schĂĽttelte hastig den Kopf. Aus irgendeinem Grund mochte sie Fred und George und Ron konnte beim besten Willen nicht verstehen warum.
„Nein“, murmelte sie verlegen, „Also, nich’ wirklich zumindest… weißt du, Percy hat ihnen das erzählt… mit dem Finger und so weiter und ich… nuuja, ich hab’s zufällig gehört…“
Ron betrachtete sie mit neu erwachtem Interesse.
„Und? Sie haben’s ihm doch nich’ etwa geglaubt, oder?“
Ginny schüttelte den Kopf. „Nö“, bestätigte sie fröhlich, „Die sind vor Lachen fast umgekippt.“
Okay, dachte Ron resigniert, das hörte sie tatsächlich ziemlich authentisch an. Schade.
Wäre ganz schön gewesen, wenn zur Abwechslung mal er einen Trumpf in der Hand gehabt hätte.
„Na siehst du“, sagte er zu Ginny, „Warum hast du dann auch-“
Dump.
Sie fuhren alle beide zusammen und Ron sah hastig zu Ginny. Sie war kalkweiĂź im Gesicht geworden.
Dump.
Irgendjemand klopfte ans Fenster. Aber… das hier war doch der erste Stock? Kam Tante Muriel vielleicht mit dem Besen? Das konnte er sich nicht wirklich vorstellen… in seiner Magengegend breitete sich ein mulmiges Gefühl aus.
Ginny war längst aufgesprungen und hinter seinem Rücken in Deckung gegangen, er spürte ihre Hand an seinem Rücken. Von wegen Wachstumsschub… ihre Finger fühlten sich unwahrscheinlich klein an.
Er schluckte und machte einen tapferen Schritt aufs Fenster zu.
Vielleicht-
„Mensch“, schallte da eine Stimme von draußen herein, die ihm nur allzu bekannt vorkam, „Macht ihr jetzt endlich mal auf? Is’ bescheuert kalt hier draußen!“
„Yep“, ergänzte eine andere Stimme, „Und aufs Abstürzen sind wir ehrlich gesagt auch nicht besonders scharf.“
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