von Caine
Als Harry die große Halle betrat, fiel sein Blick zuerst auf den Slytherintisch. Erstaunt stellte er fest, dass etwa zwei Dutzend Schüler dort saßen. Er ging etwas versteckt hinter Hermine und Ginny auf den Gryffindortisch zu. Als er etwa die Hälfte der Halle durchquert hatte, bemerkten ihn ein paar Schüler. Sie standen auf und fingen an zu klatschen. In nur wenigen Momenten tobte die ganze Halle. Viele Schüler, Lehrer und auch Eltern stürmten auf ihn ein. Sie schüttelten ihm die Hand, umarmten ihn und bedankten sich überschwänglich. „Wir haben ihnen so viel zu verdanken, Mr Potter!“, „Sie sind der Held des Jahrhunderts, Mr Potter!“, „Danke, dass sie uns von Du-weißt-schon-wem befreit haben.“ waren einige der Sprüche, mit denen Harry gedankt wurde.
Ihm war die ganze Sache einfach nur lästig und peinlich. Er wollte kein Held sein, er wollte ein ganz normales Leben führen. Doch jetzt, wo alles vorbei war, schien der Kult um ihn nur noch schlimmer geworden zu sein. Er bedankte sich bei den Gratulanten und betonte mit Nachdruck, dass er Hunger habe und gerne ungestört essen würde. Sie ließen ihn nur widerwillig gehen. Er steuerte nun direkt auf den Gryffindortisch zu, fest entschlossen sich nicht wieder aufhalten zu lassen. Doch daraus wurde nichts. Cho Chang stellte sich ihm in den Weg. „Hi, Harry“, sagte sie verlegen.
„Hallo, Cho. Wie gehts dir?“, sagte er leicht genervt.
„Ganz gut. Und dir?“
„Auch gut. Was wolltest du?“ Er sah sie direkt an und stellte fest, dass sie rot wurde.
„Ich- ich wollte dich was fragen.“
„Dann beeil dich bitte! Ich würde gerne etwas essen“, sagte Harry ungeduldig.
„Du- ich- Wir hatten damals einen schlechten Start, oder?“, Harry starrte sie einen Moment an, doch dann fing es langsam an zu dämmern, „Ich denke, wenn wir es noch mal versuchen würden, dann würde es besser klappen. Hast du noch Interesse, Harry?“
„Cho- Ich liebe eine andere. Das mit uns würde auch dieses Mal nicht klappen. Glaub mir“, mit diesen Worten lies er sie stehen und setzte sich an den Gryffindortisch, genau zwischen Ginny und Hermine.
„Was wollte die denn?“, fragte Ginny eifersüchtig.
„Hat mich gefragt, ob wir es noch mal versuchen wollen.“, sagte Harry und zuckte mit den Schultern.
„Du hast ihr scheinbar eine ziemlich rüde Abfuhr erteilt, was?“, grinste Hermine.
„Mh? Wieso?“, fragte Harry unsicher.
„Weil sie gleich heulend rausgerannt ist, nachdem du sie hast stehen lassen“, antwortete sie gelassen.
Harry sah tatsächlich etwas peinlich berührt aus, grinste dann aber sofort wieder. „Was soll ich mit noch einem Mädchen? Ich hab doch schon zwei Freundinnen, die ich liebe.“ Er gab beiden einen Kuss auf die Wange. Sie richtig zu küssen traute er sich in der Öffentlichkeit noch nicht. „Wir lieben dich auch, Harry“, kam es leise zurück. Ron, der ihnen gegenüber saß und sich gerade seinen zweiten Teller Eintopf in den Mund schaufelte, verschluckte sich bei diesen Worten. Lavender, die neben ihm saß, klopfte ihm stark auf den Rücken und schnell war sein Hals wieder frei. Sie hatte nichts von dem mitbekommen, was Harry gesagt hatte, da sie sich gerade mit Parvati unterhalten hatte.
Ron sah Ginny, Harry und Hermine der Reihe nach an und sagte dann verdattert: „Das ist nicht euer Ernst, oder? Ihr drei-“, doch Ginny unterbrach ihn. „Hör mal zu, Brüderchen! Stell du uns keine Fragen und wir stellen dir keine Fragen dazu, was du die Nacht mit Lavender getrieben hast, klar?“, fuhr sie ihn in bester Fred-und-George-Manier an. Rons Gesicht nahm schlagartig die Farbe seiner Haare an und er widmete sich schnell wieder seinem Teller. Ginny kicherte. „Na also, geht doch.“ Sie und die anderen zwei wandten sich nun auch ihren Tellern zu. Als Harry sich gerade Nachschlag von seinem Lieblingsnachtisch auf den Teller schaufeln wollte, ertönte hinter ihm eine forsche Stimme. „Mr Potter!“ Harry sah sich um und sein Blick fiel auf Professor McGonagall. “Ja, Professor?” „Würden sie bitte in das Schulleiterbüro kommen, wenn sie fertig sind? Das Passwort lautet Dumbledore.“ „Natürlich, Professor“, antwortete Harry verdutzt. Als sie gegangen war, wandte er sich an Ginny und Hermine: „Was sie wohl von mir will?“ „Na was schon? Sie will dir gratulieren“, antwortete Hermine leicht genervt. „Aber das hätte sie auch hier machen können“, warf Ginny berechtigterweise ein. Harry seufzte. „Ich werde es ja dann erfahren, oder?“
Als er fertig gegessen hatte, verabschiedete er sich mit zwei schnellen Küssen auf die Wange von Ginny und Hermine und nickte Ron kurz zu. Dieser nickte mit hochrotem Gesicht und starrem Gesichtsausdruck zurück. Als er die große Halle verließ, zog er den Tarnumhang aus der Tasche und warf ihn sich über. Er wollte nicht noch einmal in solch eine Menschentraube geraten. Raschen Schrittes ging er zum Schulleiterbüro. Unterwegs traf er auf eine Spur der Verwüstung, doch an einigen Stellen waren die Instandsetzungsarbeiten offensichtlich schon in vollem Gange. Der Wasserspeier, der den Eingang zum Büro des Schulleiters bewachte, war bereits wieder repariert und versah seinen üblichen Dienst. Er nannte das Passwort, „Dumbledore“, und der Wasserspeier lies ihn eintreten. Oben angekommen klopfte er an, doch niemand antwortete obwohl er ein leises Tuscheln vernahm. Er klopfte erneut. Wieder keine Antwort. Er überlegte kurz und drückte dann die Klinke herunter. Das Büro sah noch exakt so aus, wie er es vor über 24 Stunden verlassen hatte. Das Denkarium stand noch genau da, wo er es hinterlassen hatte. Ausnahmslos alle Schulleiter waren da und beobachteten ihn interessiert. „Guten Tag“, sagte er schüchtern. „Guten Tag, Harry“, kam es vom größten Porträt, direkt hinter dem Schreibtisch des Schulleiters. „Guten Tag, Professor Dumbledore. Wie geht es ihnen?“ „Och, ganz gut. Wie es einem halt so geht, wenn man tot ist“, sagte er mit einem Schmunzeln. „Ah, Potter!“, erklang eine schneidende Stimme. Harry drehte sich ihr zu. „Guten Tag, Professor Black! Wie geht es ihnen?“ „Es würde mir bedeutend besser gehen, wenn ich in meinem anderen Porträt nicht ständig auf einen Haufen Bücher und anderen Krimskrams starren müsste“, sagte dieser herablassend. „Ich werde dafür sorgen, dass ihr Bildnis wieder an seinen alten Platz kommen wird. Und jetzt entschuldigen sie mich bitte. Ich wollte mich gerade unterhalten“, würgte er den ehemaligen Slytherin ab. Professor Dumbledore hatte dem Schlagabtausch amüsiert zugesehen und gluckste vergnügt. „Harry, Harry! So kannst du doch nicht mit einem ehemaligen Schulleiter sprechen!“, sagte er gespielt ärgerlich, konnte das Lächeln auf seinem Gesicht allerdings nicht unterdrücken. „Soso, Harry-“, fuhr er lächelnd nach einer kurzen Pause fort, „mir ist zu Ohren gekommen, dass du in letzter Zeit viel Liebe verteilst.“ Harry sah ihn starr an und brachte nur heraus: „Wie? Woher?“ „Harry, mein Lieber. Du solltest doch mittlerweile wissen, dass mir nur sehr wenig entgeht, selbst wenn ich tot bin“, er schüttelte belustigt den Kopf. Harry starrte ihn an. „Außerdem unterhalte ich mich öfters mit den Hauselfen“, setzte er schmunzelnd hinzu. Harry wurde stark rot im Gesicht. „Harry- Du musst dich nicht für die Liebe schämen. Sie ist eine großartige Sache. Ich bin stolz auf dich, dass du genug Liebe für zwei Frauen in dir trägst. Ich will dich nur vorwarnen: Eine eifersüchtige Frau kann schlimmer sein als ein wütender Tom Riddle. Verscherze es dir lieber weder mit Miss Weasley noch mit Miss Granger. Verteile deine Liebe mit Bedacht und vernachlässige keine von ihnen“, fuhr er schmunzelnd und mit erhobenem Zeigefinger fort. Harry schluckte und antwortete: „Ich liebe sie beide und könnte mich nicht zwischen ihnen entscheiden, wenn ich das müsste.“ „Das ist schön, Harry. Aber jetzt lassen wir es besser. Ich glaube, Minerva wird gleich hier sein“, sagte Professor Dumbledore. „Und wir wollen ihr doch nicht gleich solch einen großen Schrecken einjagen. Sie wird es schon noch früh genug erfahren“, fügte er mit einem Augenzwinkern hinzu. Just als er geendet hatte, flog die Tür zum Büro auf und McGonagall kam herein.
„Ah, Mister Potter! Schön, dass sie kommen konnten.“ Sie deutete auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch und Harry setzte sich. McGonagall ging um den Schreibtisch herum, grüßte Dumbledore und setzte sich ebenfalls.
„Nun, Mister Potter. Sie fragen sich sicher, warum ich sie hierher gebeten habe.“ Harry nickte. „Zuerst einmal möchte ich ihnen gratulieren zum Sieg über Voldemort. Des Weiteren werde ich dem Schulrat den Vorschlag unterbreiten, ihnen die Auszeichnung für besondere Verdienste um die Schule zu-“
Harry unterbrach sie: „Danke, Professor. Aber ich werde sie nicht annehmen. Wenn sie mir diese Auszeichnung geben wollen, dann müssen sie sie auch jedem anderen erteilen, der an der Verteidigung teilgenommen hat. Ich habe auch nicht mehr dazu beigetragen als viele andere.“ Professor McGonagall sah ihn einige Zeit eindringlich an.
„Sie haben Recht, Harry.“ Nach einem Zögern fuhr sie fort: „Ich wollte mich aber auch mit ihnen über ihre Zukunft unterhalten. Haben sie diesbezüglich schon irgendwelche Pläne?“
„Ja Professor, die habe ich. Ich würde gerne mein siebtes Schuljahr nachholen, wenn das geht und Hogwarts nächstes Schuljahr wieder aufgemacht wird.“
„Ich denke, dass das kein Problem sein sollte, Mr Potter. Ich denke, viele Schüler würden dieses Schuljahr gerne wiederholen. Ich werde mich diesbezüglich mit den Schulräten beraten.“
„Meine Freundin Ginny würde allerdings gerne nächstes Jahr mit mir und Hermine in die Siebte Klasse gehen, ginge das auch?“ McGonagall sah ihn einige Zeit nachdenklich an, dann sagte sie: „Ich fürchte, das dürfte ein Problem werden. Ich darf sie nicht ohne bestandene Prüfungen versetzen. Und unter den momentanen Umständen dürfte es sehr schwer werden, diese zu bestehen.“ Wieder trat Schweigen ein. Harry zermarterte sich das Hirn und hatte eine Idee: „Professor, dürfte ich einen Vorschlag machen?“ Diese sah ihn kurz an und nickte dann.
„Natürlich, Harry.“ Ihm fiel auf, dass sie ständig zwischen 'Harry' und 'Mister Potter' wechselte, doch ein System konnte er darin nicht entdecken.
„Nun-“, fing Harry langsam an, „Wie wäre es, wenn sie den Schülern jetzt eine Woche Ferien geben? Sie würden diese heute Abend ankündigen und den Schülern mitteilen dass die Möglichkeit besteht, das Jahr zu wiederholen. Wenn der Schüler das möchte, dann würde der Hogwartsexpress nächsten Sonntag für ihn abfahren, da es dann eh keinen Sinn machen würde ihn weiter zu unterrichten. Möchte der Schüler allerdings das Jahr beenden, dann würde er noch einen Monat intensivierten Unterricht bekommen und dann seine Prüfung ablegen können. Die Schüler könnten sich bis Samstag entscheiden und ihren Hauslehrern Bescheid geben.“ Professor McGonagall sah ihn mit starrem Blick an. Harry meinte zu erkennen, wie ihr Gehirn arbeitete. Dann sagte sie: „Das ist sehr gut durchdacht, Harry. Doch sehe ich da leider ein Problem.“ „Welches, Professor?“ „Wir haben mal wieder keinen Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste. Und der letzte hat die Dunklen Künste gelehrt. Das wollen wir nun wirklich nicht in einer Prüfung abfragen“, seufzte sie.
„Verzeihung, Minerva. Wenn ich mich kurz einmischen dürfte?“, kam es von dem Porträt hinter ihrem Stuhl. Harry und sie drehten sich zu Dumbledores Porträt. „Natürlich dürfen sie, Albus.“ „Danke, Minerva. Also ich finde die Idee brillant. Und ihr Problem dürfte sich auch lösen lassen.“ „Sie haben einen Lehrer für mich?“, fragte McGonagall fassungslos. „Ich denke schon, Minerva. Aber derjenige wird bestimmt nicht wollen. Wir zwei werden ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten müssen. Aber ich denke, er ist für die Stelle bestens geeignet“, sagte er grinsend und zwinkerte ihr zu. „Tatsächlich?“, erwiderte McGonagall ungläubig. „An wen dachten sie, Albus?“ Harry starrte seinen ehemaligen Schulleiter fassungslos an. Ihm schwante Übles. Dumbledore hatte so ein Funkeln in den Augen, das nichts Gutes für ihn bedeuten konnte. Und er sollte mit seiner Befürchtung Recht behalten.
Dumbledores Blick wanderte nun zu Harry. Er musste glucksen, als er in das schreckensstarre Gesicht seines ehemaligen Schülers sah. „Ich denke, die Lösung unseres Problems sitzt hier im Raum“, sagte er feixend. McGonagalls Blick wanderte zwischen dem versteinerten Harry und dem kichernden Porträt Dumbledores hin und her. „Sie meinen Potter?“, fragte sie verdutzt. „Natürlich meine ich Harry. Ich wüsste niemanden, der momentan besser dazu geeignet wäre. Ich habe vollstes Vertrauen in ihn. Ich denke, er wird es schaffen, die Schüler innerhalb eines Monates auf die Prüfungen vorzubereiten. Ich gehe allerdings davon aus, dass höchstens ein Viertel der Schüler überhaupt noch ihre Prüfungen dieses Jahr ablegen werden wollen. Dementsprechend wird der Stundenplan auch gestrafft werden können und Harry wird reichlich Zeit haben den Schülern genug beizubringen, um sie sicher durch die Prüfung zu bekommen. Allerdings dürfte die Ankündigung, dass Harry Verteidigung übernimmt erst gemacht werden, wenn sich die Schüler verbindlich eingeschrieben haben. Denn andernfalls befürchte ich, dass sehr viel mehr da bleiben wollen“, sagte er mit seinem gütigen Lächeln auf dem Gesicht.
Nun erwachte Harry aus seiner Starre. „Professor Dumbledore, ich denke nicht, dass ich dazu in der Lage wäre. Schließlich hab ich das siebte Schuljahr nicht abgeschlossen und-“ Doch Dumbledore unterbrach ihn lächelnd. „Mein lieber Harry, du unterschätzt dich wieder einmal gewaltig. Ich denke, du wirst diese Aufgabe glänzend meistern. Außerdem denke ich, dass Miss Granger dich sehr gerne unterstützen wird. Sie kann ja, sagen wir es mal so, den etwas theorielastigeren Unterricht übernehmen. Ich glaube, in dem Punkt hast du recht. Du bist eher der praktischere Typ.“ McGonagall hatte bisher nur schweigend dabei gesessen. „Ich finde die Idee gar nicht mal so schlecht, Albus. Mr Potter, auch ich denke dass sie dafür der Richtige wären. Allerdings kann ich das nicht alleine entscheiden. Ich werde für heute Abend eine Versammlung der Schulräte einberufen und die Angelegenheit mit ihnen erörtern. Natürlich nur, wenn sie einverstanden sind.“
Harry dachte nach. Eigentlich hatte er andere Pläne. Aber die wollte er nicht ohne Ginny und Hermine verwirklichen. Und Ginny würde auf jeden Fall die Prüfung ablegen wollen. Er seufzte und sah noch einmal von Dumbledore zu McGonagall und zurück. Diese beobachteten ihn gespannt. Er seufzte und sagte dann: „Also gut, ich machs. Aber nur bis zu den Prüfungen. Nächstes Jahr will ich mal als ganz normaler Schüler Hogwarts besuchen und nicht in irgendwelche Abenteuer verstrickt werden.“ Dumbledore gluckste: „Ja, Harry. Das kann ich gut verstehen.“
„Vielen Dank, Harry. Ich werde mich dann heute Abend mit den Schulräten beraten und ihnen morgen die Entscheidung mitteilen. Beim Abendessen werde ich den Schülern auch mitteilen, dass sie erst einmal eine Woche Ferien bekommen. Morgen werde ich dann die weiteren Schritte bekanntgeben.“ Harry nickte. „Kann ich dann gehen, Professor?“ „So leid es mir tut, Harry. Aber das können sie nicht. Der Minister erwartet sie und ich habe ihr Kommen bereits zugesagt.“
Harry sah sie finster an und erwiderte barsch: „Wenn der glaubt, ich lasse mich jetzt doch noch zum Vorzeigejungen des Ministeriums machen, dann hat er sich geschnitten!“ McGonagall sah ihn starr an und sagte: „Ich glaube nicht, dass der NEUE Zaubereiminister sie zum Vorzeigejungen machen will, Mr Potter! Wie sie vielleicht mitbekommen haben, war der alte ein Todesser. Gestern Morgen wurde Kingsley Shacklebolt zum einstweiligen Minister ernannt. Und er hat mich darum gebeten, eine Unterredung mit ihnen zu arrangieren.“ „Kann das nicht noch ein wenig warten?“, entgegnete Harry leicht gereizt.
„Der Minister hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es dringend sei“, erwiderte McGonagall nun auch etwas ärgerlich.
„Nun gut, dann geh ich gleich ins Ministerium“, sagte Harry resignierend und stand auf. „Auf Wiedersehen, Professor McGonagall. Professor Dumbledore.“ Er ging auf die Tür zu.
„Wo wollen sie hin, Mr Potter?“, fragte McGonagall scharf. „Na zum Ministerium“, entgegnete Harry verwirrt, „Sie haben doch eben selbst zu mir gesagt, dass ich dort erwartet werde.“ „Und sie wollen sich durch Unmengen von Journalisten durchboxen um zum Minister zu gelangen, ja?“, fragte McGonagall mit einem leichten Lächeln auf den strengen Lippen.
Das hatte Harry nicht bedacht. Bestimmt die ganze Presse Britanniens, wenn nicht gar die der ganzen Welt, wollte garantiert mit ihm sprechen. Er sah McGonagall mit einem leicht gehetzten Blick an und fragte sie fast schon panisch: „Wie komm ich dann zum Minister?“
„Sie dürfen meinen Kamin benutzen. Er ist direkt mit dem Büro des Ministers verbunden. Sie müssen einfach nur 'Büro Zaubereiminister' sagen und schon sind sie bei ihm. Das Flohpulver steht auf dem Kaminsims. Gute Reise.“ Harry bedankte sich bei ihr und verabschiedete sich. Dann flohte er direkt in das Büro des Zaubereiministers.
Kingsley Shacklebolt blickte von seinen Dokumenten auf, als Harry aus dem Kamin trat. Er hatte sich überhaupt nicht verändert. Noch immer trug er seinen großen Ohrring.
„Ah. Hallo, Harry“, begrüßte er ihn mit seiner tiefen, beruhigenden Stimme, „Setz dich doch bitte“, er wies auf eine bequeme Sitzgruppe in der Ecke seines Büros.
„Guten Tag, Minister“, begrüßte ihn Harry höflich.
„Du kannst ruhig Kingsley zu mir sagen, Harry. Oder bestehst du auf das sie? Dann sag ich auch Mister Potter zu di.“, sagte Kingsley, während er sich Harry gegenüber auf einen Sessel setzte.
„Nein. Harry reicht vollkommen, Kingsley“, erwiderte er schmunzelnd.
„Sehr gut. Kann ich dir etwas anbieten? Tee, Wasser, Kürbissaft, Butterbier?“
„Ein Tee wäre nicht schlecht, danke.“ Kingsley schenkte ihnen beiden Tee ein und setzte sich wieder.
„Nun, ich will mich nicht lange mit Smalltalk aufhalten, Harry. Ich habe momentan sehr viel zu tun. Deswegen komme ich gleich zur Sache.“
„Kein Problem, Kingsley. Ich würde auch gerne schnell erfahren, warum du mich so dringend sprechen willst.“
„Nun-“, begann der Minister, „zuerst einmal möchte ich dir zum Sieg über Voldemort gratulieren.“ Harry verzog das Gesicht, worauf Kingsley auflachte. „Ich weiß, das gefällt dir nicht so. Aber das wirst du in Zukunft noch öfters hören. Des Weiteren bin ich, genauso wie die gesamte Zaubererschaft, überaus neugierig was du die letzten Monate seit dem Fall des Ministeriums an die dunkle Seite getrieben hast.“
„Ich habe daran gearbeitet, Voldemort zu vernichten“, entgegnete Harry ausweichend. Kingsley grinste. „Das kann man sich denken. Aber woran die Menschen interessiert sind ist, was genau du gemacht hast. Es gab doch bestimmt gute Gründe für die Einbrüche im Ministerium und bei Gringotts, oder?“
Harry musste schmunzeln. „Ja, die gab es.“
„Was hältst du von folgendem Vorschlag? Du hältst eine Pressekonferenz ab und erzählst der Welt, was sie wissen will. Das würde dir so einige lästige Fragen ersparen. Du musst mir darauf nicht gleich antworten, lass dir Zeit zum Überlegen. Aber bedenke eines: Je schneller du das hinter dich bringst, desto eher hast du wieder Ruhe.“
Harry dachte nach. Eigentlich hatte Kingsley recht. Doch der Gedanke, sich so der Öffentlichkeit zu präsentieren, missfiel ihm. „Ich werde darüber nachdenken, Kingsley.“
„Wunderbar. Gibst du mir dann Bescheid, wenn du eine Entscheidung getroffen hast?“ Harry nickte. „Gut. Dann kommen wir zur zweiten Angelegenheit. Hast du dir schon überlegt, was du jetzt machen willst?“ Harry nickte und antwortete: „Ich werde erst Mal mein siebtes Schuljahr nachholen und dann werde ich weiter sehen.“ Kingsley nickte bedächtig. „Dann kommen wir zum dritten Punkt“, fuhr er fort, „Ich fürchte, es wird dir nicht gefallen. Aber wir kommen nicht umhin, dir den Orden des Merlin 1. Klasse zu verleihen.“ „Muss das sein?“, warf Harry ein und verzog angewidert das Gesicht. „Ja, Harry. Das muss sein. Die Zauberergemeinschaft fordert lauthals, dass du geehrt wirst und sie würden mich in der Luft zerreißen, sollte ich es nicht tun“, fuhr Kingsley fort. Harry nickte resignierend und meinte: „Na gut, wenn es denn unbedingt sein muss.“ Kingsley lächelte nachsichtig.
„Als letztes muss ich dich bitten, mich zu Gringotts zu begleiten“, sagte Kingsley nach einer Weile. Harry riss die Augen auf.
„Spinnst du? Ich bin dort vor nicht mal zwei Tagen eingebrochen! Da kann ich doch jetzt nicht einfach bei denen reinspazieren!“, sagte Harry entsetzt. Doch Kingsley tat dies mit einer Handbewegung ab: „Du kannst schon. Schließlich kommst du mit dem Zaubereiminister. Und außerdem ist unser Besuch dort schon angekündigt. Die Kobolde sind ganz scharf darauf zu erfahren wie du es geschafft hast in eins ihrer Hochsicherheitsverliese einzubrechen.“ Grinsend fügte er hinzu: „Sie haben sogar versprochen, dir nicht den Kopf abzureißen wenn du ihnen die Informationen gibst.“
„Das sind ja tolle Aussichten. Gibt es noch einen Grund, warum ich dorthin muss?“, erwiderte Harry mit sarkastischem Unterton.
„Ja, den gibt es. Es stehen noch ein paar Erbschaftsangelegenheiten aus. Die musst du innerhalb eines Jahres nach deiner Volljährigkeit klären und da wir einmal da sind, können wir das ja in einem Rutsch erledigen.“
„Erbschaften? Aber ich hab doch schon geerbt. Von meinen Eltern, Sirius und Dumbledore“, wandte Harry ungläubig ein. Kingsley lachte auf und schüttelte belustigt den Kopf.
„Harry, Harry. Die Potters und die Blacks gehören zu den ältesten, reichsten und wohl auch bedeutendsten Familien der Zauberergemeinschaft Britanniens. Glaubst du echt, dass du schon das gesamte Erbe erhalten hast? Das volle Erbe wird erst mit der Volljährigkeit des Erben überstellt. Du kannst dich auf alle Fälle auf die eine oder andere Überraschung gefasst machen. Ich glaube ich verrate nicht zu viel wenn ich dir schon mal ankündige, dass du dich nach dem Gringottsbesuch noch nicht ausruhen kannst für heute.“ Harry sah Kingsley mit großen Augen an. Dann fragte er: „Ist es möglich, noch zwei Begleiter zu Gringotts mitzunehmen?“ „Natürlich, Harry. Wer soll es denn sein?“ „Ich würde gerne Ginny Weasley und Hermine Granger mitnehmen, wenn die zwei wollen.“ „Kein Problem, ich sag Minerva Bescheid, dass sie die Zwei herschicken soll. Dann können wir alle zusammen zu Gringotts“, sagte Kingsley. Dann ging er hinüber zum Kamin, kniete sich hin und steckte den Kopf in die Flammen. Harry hörte, wie er mit McGonagall sprach. Als Kingsley seinen Kopf wieder aus dem Feuer zog, teilte er Harry mit, dass die Mädchen gleich kommen würden.
Und keine fünf Minuten später erschienen die gewünschten Damen im Büro des Ministers. Sie begrüßten Kingsley höflich. Dann bekomm Harry von jeder einen kleinen Begrüßungskuss. Kingsley sah sie verwirrt an, sagte aber nichts. Sie wollten wissen, was McGonagall mit ihm besprochen hatte und warum er jetzt beim Zaubereiminister sei. Harry winkte ab und sagte: „Erzähl ich euch später. Würdet ihr mich bitte zu Gringotts begleiten? Kingsley und ich müssen da noch ein paar Sachen abklären.“
„Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist, Harry. Wir sind dort vor nicht einmal zwei Tagen eingebrochen und ich glaube nicht, dass die Kobolde momentan besonders erpicht wären, uns zu sehen“, warf Hermine nachdenklich ein.
„Mach dir da keine Sorgen drum, Hermine. Das ist schon alles mit den Kobolden abgeklärt. Sie haben versprochen, euch nicht den Kopf abzureißen“, erwiderte Kingsley grinsend. Er sah auf die Uhr. „Ohje. Wir müssen uns sputen! Ich habe einen Termin für drei Uhr ausgemacht und bis dahin sind es nur noch fünf Minuten.“ Er ging zum Kamin und hielt ihnen den Topf Flohpulver hin. „Nach ihnen, junge Damen“, sagte er ganz gentlemanlike. Diese kicherten kurz und flohten dann zu Gringotts. Harry und Kingsley folgten ihnen.
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