von Caine
Sie folgten Sagnor wieder in dessen Büro, um sich dort von ihm zu verabschieden. Harry rief Kreacher, damit dieser die vier Truhen in den Grimmauldplatz bringen würde. Der Chefkobold verabschiedete sich um einiges freundlicher als er sie begrüßt hatte, auch wenn dies bei einem Kobold nicht viel hieß. Vor der Tür wartete nun nur noch der Empfangskobold, ihre Leibwache war nicht mehr da. Scheinbar waren die anderen Kobolde schon über Harrys Aussage informiert worden und so wurden sie nun nicht mehr so feindselig behandelt, wenn auch doch noch mit einer gewissen Skepsis. „Würden sie mir bitte folgen?“, fragte der Empfangskobold. Harry nickte und sie folgten dem Kobold durch die Marmorhalle und das drachenförmige Loch in die Abfahrtshalle der Karren. Er pfiff einmal kurz und ein Karren ratterte herbei. Harry und der Kobold setzten sich nach vorne, während die Mädchen hinten Platz nahmen. „Welches ihrer fünf Verliese wünschen sie zuerst zu sehen?“, fragte der Kobold und fuhr los. Die Fahrt zu den Hochsicherheitsverliesen würde lange genug dauern, um das zu entscheiden.
Harry drehte sich zu den Mädchen um, die gerade ihre lädierten Hände mit von Hermine heraufbeschworenen Eisbeuteln kühlten. Harry fragte schuldbewusst: „Alles in Ordnung? Tut mir Leid, dass eure Hände so leiden mussten. Ich mach es wieder gut.“ „Das will ich auch schwer hoffen, mein Lieber. Du wirst dafür leiden müssen“, antwortete Ginny mit einem gehässigen Grinsen auf dem Gesicht. „Oh ja, das wirst du“, stimmte Hermine zu. „Wo wollt ihr als erstes hin?“, fragte Harry, um vom Thema abzulenken. „In die Goldverliese müssen wir ja eigentlich nicht. Da ist ja nur eine Unmenge an Gold drin“, rekapitulierte Hermine. „'Nur' ist gut. Harry hat so viel Geld, dass er alleine von den Zinsen gut leben“, warf Ginny ein. „Entschuldigen sie, wenn ich mich einmischen dürfte? Mister Potter verdient durch Zinsen genug, dass er sich theoretisch pro Woche vier Feuerblitze kaufen könnte und er würde trotzdem ständig reicher werden“, sagte der Kobold beiläufig, als wäre es das natürlichste auf der Welt. Harry starrte den Kobold an. Vier Feuerblitze pro Woche! So langsam kam das Ausmaß seines Reichtums wirklich zu seinem Gehirn durch. „Wow!“, hauchte er. Ginny und Hermine ging es nicht viel anders. Hermine war es dann, die sich als erste wieder fing: „Also ich denke, dass wir zuerst das Wertsachenverlies der Familie Black aufsuchen und anschließend das Pottersche. Wir werden in deinem Familienverlies wohl mehr Zeit brauchen, Harry.“ Harry nickte und wandte sich dann an den Kobold: „Also, wir würden gerne zuerst zu dem Wertsachenverlies Black.“
Während der Karren dahinratterte, hing Harry seinen Gedanken nach. Sein Leben hatte innerhalb von noch nicht einmal zwei Tagen eine komplette Wende hingelegt. Vorgestern Morgen war er aufgebrochen, um bei Gringotts einzubrechen, gestern Morgen hatte er Voldemort besiegt und heute Morgen war er mit zwei wunderschönen Mädchen im Bett aufgewacht. Und so wie es momentan aussah, würde sich dies noch viele Morgen wiederholen. Er freute sich auf die gemeinsame friedliche Zeit. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht als er daran dachte, was sie alles auf seiner Insel würden machen können und wieder machte sich ein Kribbeln in seinen Lenden breit, als er sich Ginny und Hermine in Badesachen vorstellte. Warum eigentlich Badesachen tragen auf einer Privatinsel? Bei diesem Gedanken wurde sein Grinsen noch breiter.
Der Karren stoppte, als sie das Verlies der Familie Black erreichten. Es war nicht weit von dem der Lestranges entfernt, wie Harry feststellte. Der Kobold stieg aus und ging auf den Verlieseingang zu. Harry half den Damen beim Aussteigen. „Glaub ja nicht, dass das reicht um unsere Hände wieder gutzumachen“, sagte Hermine mit einem überlegenen Lächeln auf den Lippen. „Schade. Das hatte ich gehofft“, sagte Harry gespielt niedergeschlagen. „Aber es ist schon mal ein Anfang, Harry. Weiter so und wir verzeihen dir“, munterte Ginny ihn auf. Harry wollte sie zum Dank küssen, doch Ginny hielt ihn auf. „Nene, Mister Potter. Erst, wenn sie ihre Schuld abbezahlt haben“, sagte sie grinsend. Harry seufzte. Von dem Kobold an der Verliestür kam ein Hüsteln. „Würden sie nun bitte kommen?“ „Natürlich“, antwortete Harry. „Eine Frage hätte ich aber noch. Wieso haben sie die Klirrer nicht mitgenommen?“ „Die sind nicht mehr nötig. Wir hatten nur einen Drachen hier unten und der ist dank ihnen wohl jetzt schon in Irland“, antwortete der Kobold barsch und öffnete das Verlies und Harry blickte auf das Vermächtnis der Familie Black. Es war, wie auch nicht anders zu erwarten, sehr slytherinlastig. Die Farben Silber und Grün dominierten das ganze Gewölbe. Riesige Banner mit der Schlange waren vorhanden. Das Wappen der Blacks prangte auf unzähligen silbernen Kelchen, Tellern, Besteck und anderen Gegenständen. Es gab auch einige alte Rüstungen und Schrumpfköpfe, wahrscheinlich von Kreachers Vorfahren. Alles in allem war das Verlies nicht sonderlich spannend und sie gingen auch schnell wieder. Der Kobold führte sie zu Fuß zu einem Verlies zwei Türen weiter. „Dies ist das Wertsachenverlies der Familie Potter“, sagte er und öffnete die Kammer.
Sie hätte nicht gegensätzlicher sein können. Alles war in den warmen Tönen des Hauses Gryffindor gehalten. Harry stand der Mund offen. Hermine und Ginny ging es nicht anders. Hermine fragte ihn aufgeregt: „Harry, dürfen wir uns umsehen?“ „Natürlich, Mine. Tut euch keinen Zwang an“, antwortete er und die drei verteilten sich. Ginny ging links herum, Hermine rechts und Harry einfach mittenrein. Hier und da sah er einige interessante Dinge. Auf vielen prangte ein Wappen, das er noch nie gesehen hatte. Er besah sich einen Teller näher und stellte fest, dass es dem Gryffindorwappen nicht unähnlich war. Tatsächlich war darauf ein goldener Löwe auf rotem Grund abgebildet. Doch eine Auffälligkeit hatte das Wappen: Es war kein normaler Löwe, sondern ein geflügelter. Harry wusste nicht, was das zu bedeuten hatte. Er nahm sich fest vor, Hermine bei Gelegenheit danach zu fragen. Da hallte ein aufgeregter Schrei zu ihm herüber: „Harry! Komm schnell her! Das ist unglaublich!“ Er ging, so schnell es bei dem ganzen Zeug in dem Verlies möglich war, zu Hermine. Sie hielt ihm ein in dickes Leder eingebundenes Buch entgegnen. Harry stöhnte auf. „Mine! Ich hab heute schon genug Bücher bekommen. Was will ich mit noch einem?“ „So ein Buch hast du garantiert noch nicht“, erwiderte Hermine total hippelig. „Was ist denn an diesem Buch so besonders?“, fragte Ginny und beäugte es skeptisch. „Das Harry- ist dein Stammbuch“, antwortete Hermine noch aufgeregter. „Mein was?“, fragte Harry und beäugte das Buch ebenso skeptisch wie Ginny. „Mensch, Harry! Wenn du genauso schnell gehen würdest wie du denkst, dann würdest du Ron schon fast ernsthafte Konkurrenz machen im Rückwärtslaufen. In diesem Buch stehen alle Potters. Eine Art Stammbaum. Und der erste Eintrag ist Ignotus Peverell.“ „Mine- Ich weiß schon, dass ich vom dritten Bruder abstamme. Das ist keine großartige Neuigkeit“, erwiderte Harry, „Deswegen brauchst du doch nicht solch einen Aufstand zu machen.“ Harry wollte sich schon wieder umdrehen, aber Hermine hielt ihn am Arm fest. „Ich weiß, dass du weißt dass du von Ignotus abstammst“, zischte sie ärgerlich. „Ich wollte dir aber etwas anderes zeigen“, sagte sie, schlug das Buch auf und hielt es ihm hin. Harry und Ginny beugten sich darüber und lasen die Einträge. An einem Namen blieb Harrys Blick wie magisch hängen. „Godric Gryffindor!“, keuchte Ginny auf. „Harry, das heißt ja-“, doch Hermine fuhr fort, „-du bist ein direkter Nachfahre Godric Gryffindors!“ Ob dieses Schockes musste Harry sich erst einmal setzen. Er fand eine stabile Truhe gleich in der Nähe und ließ sich darauf nieder. „Gryffindor-“, murmelte er. Er nahm einen Kelch vor ihm in die Hand und betrachtete noch einmal sein Wappen. „Jetzt versteh ich auch-“ „Die Überraschungen nehmen heute einfach kein Ende, oder?“, seufzte Ginny. „Mine? Hast du dir mal das Wappen meiner Familie genauer angesehen? Es sieht dem Wappen Gryffindors zwar ähnlich, aber es ist nicht seins.“ „Natürlich nicht, Harry! Dein Wappen geht wahrscheinlich auf Ignotus Peverell zurück und Gryffindor wollte es nicht für sein Hogwartswappen missbrauchen, also hat er es ein bisschen einfacher gestaltet.“ „Du könntest
Recht haben, aber warum ein geflügelter Löwe? Hast du darüber schon einmal was gelesen?“ „Nun- es gibt Legenden, wonach es in der Familie Gryffindor sehr viele Animagi gab. Sie sollen wohl eine gewisse Vererbbarkeit aufweisen. Das heißt, dass sie alle ohne große Anstrengungen Animagi werden konnten und ihr bevorzugtes Tier war wohl der geflügelte Löwe. Er vereint die Stärke des Löwen-“ „Mein Dad war ein Animagus“, unterbrach er ihre Ausführungen. „Und du stammst von Gryffindor ab, mein Katerchen“, grinste Ginny. „Also dürftest du, sollten die Legenden stimmen, mit Leichtigkeit auch einer werden können. Ich glaube, da dürfte uns Dumbledores Buch gut behilflich sein können“, schlussfolgerte Hermine. „Ich bin kein Kater! Ich bin ein Löwe!“, sagte Harry mit Nachdruck. Ginny umarmte ihn und sagte frech: „Du wirst immer unser Schmusekater bleiben. Und denk dran: Löwen sind auch nur große Katzen.“ Harry stand auf und wollte wieder in die Mitte des Kerkers gehen, als sein Blick auf die Truhe fiel, auf der er gesessen hatte. Lily und James Potter stand da geschrieben. Er hielt in seiner Bewegung inne und starrte auf die Lettern. Ginny und Hermine folgten seinem Blick und stießen nahezu gleichzeitig einen spitzen Schrei aus. Harry kniete sich hin und wollte die Truhe öffnen. Doch sie hatte weder ein Schloss noch sonst irgendeinen Verschluss. Sie hatte augenscheinlich nicht einmal einen Deckel. Sie schien wie aus einem Stück gefertigt. Er versuchte es mit einem Alohomora, doch nichts rührte sich. Er berührte die Kiste. Als er die Kiste mit der nackten Hand berührte, erklang eine Stimme in seinem Kopf: „Bist du ein Potter dann zeige Mut- Schreibe deinen Namen mit eigenem Blut.“ Er sah sich um und fand, was er gesucht hatte. Ein kleiner Dolch lag nur wenige Schritte von ihm entfernt. Er griff danach und stach sich in den Zeigefinger. Hermine und Ginny keuchten auf. Ginny fragte: „Harry, was tust du da?“ Doch Harry ignorierte sie. Er schrieb seinen Namen auf den Deckel. Als er fertig war, erstrahlte um die Truhe herum ein goldener Kranz und der Spalt war sichtbar. Doch kein Scharnier oder Schloss war vorhanden. Er berührte die Truhe erneut und wieder erklang eine Stimme in seinem Kopf: „Willst du ein wahrer Gryffindor sein, dann ist deine Liebe wahr und rein.“ Er grinste, als er die Bedeutung dieser Worte erkannte. Er ging zu Ginny und Hermine hinüber, die ihn misstrauisch beobachteten. Er schlang die Arme um Hermine und küsste sie voll Zärtlichkeit und Liebe. Sie brauchte einen Moment, um ihre Überraschung zu überwinden. Doch dann erwiderte sie den Kuss leidenschaftlich. Dasselbe tat er auch bei Ginny. Sie ging schneller auf den Kuss ein. Als er sich von ihr löste, erstrahlte die Kiste erneut golden und an der Rückseite bildeten sich Scharniere. Doch sie ließ sich immer noch nicht öffnen, da sie an der Vorderseite noch immer keinen Riegel aufwies. Hermine und Ginny sahen nun noch verwirrter aus. „Harry, würdest du uns bitte endlich erklären was das soll?“, fragte Hermine gereizt, doch Harry legte ihr einen Finger auf die Lippen. „Gleich, Mine“, sagte er sanft und ging zurück zu der Truhe. Erneut legte er die Hand darauf und wieder ertönte eine Stimme in seinem Kopf: „Bist du der wahre Sohn des dritten Peverells, dann zeige was rettete lange seinen Hals.“ Hier brauchte Harry etwas länger, um die Bedeutung der Worte zu verstehen. Sein Blick glitt über die versammelten Kostbarkeiten. Was rettete Ignotus den Hals? Was hatte er, das ihm den Hals rettete? Der Tarnumhang, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er verbarg Ignotus dem Märchen nach viele Jahre lang vor dem Tod. Harry zog den Umhang aus seiner Innentasche und warf ihn über. Glücklicherweise hatte er sich angewöhnt, ihn immer dabei zu haben, egal wohin er ging. Als der Umhang ihn gänzlich bedeckte, machte es Klick und die Truhe schwang von alleine auf.
Er zog den Umhang wieder vom Kopf und sah in zwei völlig fassungslose Gesichter, die ihn anstarrten. „Wie- wie hast du das gemacht?“, wollte Hermine begierig wissen, während Ginny schon anfing die Truhe zu untersuchen. „Das war ein Test um zu beweisen, dass ich auch wirklich berechtigt bin, die Truhe zu öffnen. Zuerst musste ich meinen Namen mit meinem eigenen Blut schreiben, was Mut erfordert da man sich ja selbst verletzen muss. Das war die Aufgabe der Potters. Dann musste ich beweisen dass meine Liebe wahr und rein ist, die Aufgabe Gryffindors. Und schließlich zeigen dass ich Ignotus' wahrer Sohn sei und den Tarnumhang geerbt habe“, antwortete Harry grinsend. „Wow!“, brachte Hermine nur hervor. Von Ginny kam ein aufgeregtes Quietschen. „Was gibt's, Ginny? Irgendwas Interessantes?“, wollte Harry wissen. „Das kannst du laut sagen. Das ist alles sehr interessant“, antwortete sie aufgeregt. Sie stand auf und hielt ein weißes Kleid hoch. Hermine zog scharf die Luft ein und Harrys Augen fielen ihm fast aus dem Kopf. „Das- ist- das- Hoch- zeits- kleid- meiner- Mom!“, stotterte er und ging darauf zu. Er nahm es in die Hand und fühlte den Seidenstoff. Er hatte etwas in der Hand, das tatsächlich einmal die warme Haut seiner Mutter berührt hatte. Mit einem Mal, gänzlich ohne Vorankündigung, überkam ihn starke Trauer. Er hatte seine Eltern nie kennen gelernt. Und dieses Kleid war nun endlich einmal ein Beweis außer Fotos, dass sie wirklich gelebt hatten. Ginny und Hermine, die merkten wie es in ihm arbeitete, schlossen ihn in eine feste Dreierumarmung. Er zog sie fest an sich, sog ihren betörenden Duft ein und schluchzte zwischen ihren Köpfen. Noch immer hielt er das Kleid fest in seiner Hand. „Willst du dich weiter umschauen oder lieber gehen?“, fragte Ginny nach einer Weile sanft und strich ihm sacht über den Rücken. Harry löste sich von den Mädchen und schaute beiden nacheinander tief in die Augen. „Wusstet ihr, dass ihr ganz ähnliche Augen habt?“, versuchte er zu scherzen. Hermine knuffte ihn in die Seite. „Lenk nicht ab!“ „Ja, ich möchte mich hier weiter umsehen“, sagte Harry, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und kniete sich vor die Truhe. Ginny und Hermine taten es ihm zu seinen Seiten gleich. Vorsichtig faltete er das Kleid zusammen und hängte es über den Rand. Dann besah er sich den Inhalt der Truhe genauer. Er nahm eine kleine Schatulle heraus und öffnete sie. Darin lagen die schönsten Ringe, die er je gesehen hatte. Sie schimmerten rotgolden. Offenbar hatte er die Eheringe seiner Eltern gefunden. Harry stutzte und hielt die Schatulle den Mädchen hin. „Seht ihr das gleiche was ich sehe?“, fragte er sie verblüfft. Ginny und Hermine besahen sich den Inhalt genauer und verstanden was er meinte. „Warum sind da zwei Ringe für die Frau drin?“, fragte Hermine. „Gute Frage“, pflichtete Ginny bei, „Ein Verlobungsring kann es jedenfalls nicht sein. Die zwei sehen absolut identisch aus.“ „Könnte es sein, dass das magische Ringe sind?“, überlegte Hermine. „Gut möglich. Ich lass sie mal bei einem Juwelier untersuchen“, sagte Harry und steckte sie, nicht ohne Hintergedanken, in seine Tasche. Sie widmeten sich wieder dem Inhalt der Truhe und Hermine zog zwei längliche Schachteln heraus. Als sie sie öffnete, fanden sie zwei Zauberstäbe. „Das müssen die Stäbe deiner Eltern sein, Harry“, stellte sie fest. Harry nahm sich einen und betrachtete ihn genauer. Als er nichts Besonderes feststellen konnte, legte er ihn zurück und griff nach dem anderen. Als sich seine Finger um den zweiten Stab schlossen, fühlte er eine starke Wärme von ihm ausgehen. Er nahm ihn aus der Schachtel und goldene Funken traten aus ihm hervor. Es schien, dass der Stab nur auf ihn gewartet hätte und nun zu seinem Herrn zurückgefunden habe. Er reichte ihn Hermine: „Könntest du mir sagen, aus was der ist?“ Sie untersuchte ihn kurz und stellte fest, dass er aus Mahagoni war. In Harrys Kopf formte sich jäh das Bild von Ollivander, wie er ihm vor fast sieben Jahren das erste Mal begegnet war.
Mr Ollivander trat näher. Harry wünschte, er würde einmal blinzeln. Diese silbernen Augen waren etwas gruslig. „Ihr Vater hingegen wollte lieber einen Zauberstab aus Mahagoni. Elf Zoll. Elastisch. Ein wenig mehr Kraft und hervorragend geeignet für Verwandlungen. Nun ja, ich sage, ihr Vater wollte ihn- im Grunde ist es natürlich der Zauberstab, der sich den Zauberer aussucht.“
„Das ist der Zauberstab von meinem Dad!“, keuchte er und besah sich den Stab genauer. Die Wärme war nicht so stark wie bei seinem eigenen Stab aus Stechpalme und Phoenixfeder doch sie war da. „Er hat dich als seinen Herrn anerkannt, ja?“, fragte Hermine wissbegierig. „Scheint so“, erwiderte Harry nachdenklich, „Aber warum?“ „Er muss wohl spüren, dass du das gleiche Blut wie dein Vater in dir trägst. Deswegen wird er dir nun dienen, denke ich.“ Harry nickte und steckte den Stab zu seinem eigenen. Ginny sah ihn erstaunt an. „Was willst du mit noch einem Zauberstab? Das ist schon dein dritter.“ „Falsch, sein vierter. Sein eigener, Voldemorts, Dracos und jetzt der von seinem Dad“, warf Hermine ein. „Na, jetzt übertreibst du es aber schon ein wenig. Meinst du nicht auch?“, sagte Ginny. Harry erwiderte: „Den Elderstab will ich nicht. Ich bringe ihn dorthin zurück, wo er hingehört. Malfoy geb ich seinen vielleicht zurück. Und einen Stab in der Hinterhand zu haben, ist immer von Vorteil. Es war grauenvoll, keinen zu haben als meiner zu Weihnachten zerbrochen ist.“ Hermine legte den Stab seiner Mutter wieder zurück in die Schachtel und diese zusammen mit der leeren wieder in die Truhe. Ginny hatte unterdessen ein großes Buch aus der Truhe herausgeholt. Harry stöhnte auf. „Nicht NOCH ein Buch!“ Ginny schlug es auf und erstarrte. Ein strahlender einjähriger Harry winkte ihr aus einem Zaubererfoto entgegen. „Du warst ja ein richtig süßes Baby“, sagte sie grinsend. Harry und Hermine beugten sich zu ihr hinüber. „Ja, das war er“, sagte Hermine in Gedanken versunken. „Ach und jetzt bin ich wohl nicht mehr süß, was?“, erwiderte Harry gespielt ärgerlich. „Natürlich bist du das. Oder, Ginny?“, entgegnete Hermine besänftigend. Ginny nickte und Harry bekam je einen sanften Kuss auf die Wange. „Sind da noch mehr Fotoalben drin?“, wollte Harry wissen und Ginny schaute nach. Tatsächlich fanden sich noch drei weitere Alben darin. „Nehmen wir sie mit und schauen sie uns später an“, bestimmte Harry. Hermine nickte und beschwor einen Rucksack herauf, in den sie die vier Bücher steckte. „Gehen wir jetzt? Es ist bestimmt schon Zeit fürs Abendessen“, maulte Ginny und wie zur Bestätigung gab ihr Magen ein knurrendes Geräusch von sich. Die Weasleygene hatten wieder durchgeschlagen. Harry sah auf die Uhr und stellte fest, dass sie Recht hatte. Es war schon kurz vor sechs. „Na dann machen wir Schluss und gehen im Tropfenden Kessel was essen. Ich lad euch ein“, sagte er und folgte den Frauen aus dem Verlies. Unterwegs hielt er kurz an und steckte zwei schöne silberne Ketten in die Tasche. Draußen wartet immer noch der Kobold. „Haben sie noch einen Wunsch?“ „Ja, ich würde gerne noch zu einem Goldverlies.“ Der Kobold nickte, führte ihn eine Tür weiter und öffnete diese. Harry fielen fast die Augen aus dem Kopf, als er die riesigen Haufen von Galleonen erblickte. Er hatte sich schon damit abgefunden, dass er ziemlich reich war, aber es nun so vor sich zu sehen war etwas ganz anderes. Der Kobold deutete Harrys Gesicht richtig und meinte trocken: „Mister Potter! Das ist noch das kleinste ihrer drei Goldverliese. Sie sollten sich am Besten an den Anblick gewöhnen.“ Harry nickte und steckte sich schnell einige Münzen in seinen Geldbeutel. „Wie kommen wir eigentlich zurück nach Hogwarts?“, wollte Ginny auf der Fahrt nach oben wissen. „Wir nehmen einfach Harrys Portschlüssel, wenn er zur Versammlung der Schulräte muss. Ich denke die ist in Hogwarts und so kommen wir wohl am Besten dorthin zurück“, antwortete Hermine. Harry nickte und betrachtete gedankenversunken seine Ringe. So richtig konnte er sich noch nicht daran gewöhnen, plötzlich mitten in der Politik zu stecken. Sitze im Gamot und im Schulbeirat waren schon eine große Verantwortung. Er wurde erst aus seinen Gedanken gerissen, als sie wieder die Oberfläche erreicht hatten. Die drei verabschiedeten sich von dem Kobold und traten auf die Winkelgasse.
Obwohl schon recht spät und noch dazu Sonntag, waren noch sehr viele Menschen unterwegs. Scheinbar hatten die Läden sehr schnell nach Voldemorts Fall wieder geöffnet und als Extra gleich auch am Sonntag aufgemacht. Die Leute hatten sehr viel nachzuholen, dachte sich Harry. Er seufzte. Der Tropfende Kessel lag am anderen Ende der Gasse und unterwegs würde er wohl auf viele begeisterte Gratulanten stoßen. Hermine, die offenbar Harrys Gedanken gelesen hatte, sagte leise zu ihm: „Zieh deinen Tarnumhang über.“ Das war eine glänzende Idee und so ging er unter dem Tarnumhang verborgen hinter Ginny und Hermine zum Tropfenden Kessel. Dort bat Hermine bei dem zahnlosen Wirt Tom um einen ungestörten Tisch und ein Essen für Drei. Tom stutzte kurz, da er natürlich nur zwei Menschen vor sich sah, nickte dann aber. Er führte sie in einen Nebenraum und bot ihnen dort einen Tisch an. Hermine bestellte auch gleich noch drei Butterbier. Harry zog den Tarnumhang vom Kopf und setzte sich. „Klasse Idee, Hermine“, lobte er sie. Hermine lächelte geschmeichelt und wurde leicht rot. Als Tom den Raum betrat und dort Harry erblickte, ließ er prompt die drei Krüge mit Butterbier fallen und sie zerschellten mit einem ohrenbetäubenden Splittern. „Mister Potter- Was für eine Ehre“, stammelte er. „Guten Abend, Tom. Ich hoffe ich kann auf sie zählen dass sie niemandem verraten dass ich hier bin. Ich würde gerne einfach nur zu Abend essen und nicht gleich von Reportern umlagert werden.“ „Natürlich, Mister Potter. Es ist mir eine Ehre, sie hier willkommen zu heißen“, sagte der alte Wirt und verbeugte sich. Er verschwand kurz und kam mit drei neuen Krügen Butterbier zurück. Kurz darauf brachte er auch das Essen. Die drei machten sich über das Roastbeef her und schon nach zwanzig Minuten waren sie pappsatt. Harry überzeugte Tom, dass er für das Essen bezahlen würde und es nicht wie von Tom angeboten umsonst bekäme.
Sie traten wieder auf die Winkelgasse, die sich schon merklich geleert hatte. „Was machen wir jetzt?“, wollte Ginny wissen. „Ich würde gern erst einmal zu Ollivander“, sagte Harry bestimmt. Die Mädchen nickten und so machten sie sich auf den Weg zu dem Zauberstabmacher. Unterwegs sah sich Harry dieses Mal genauer um. Die Spuren der Schreckensherrschaft waren noch gut zu erkennen. Noch viele Geschäfte waren mit Brettern verrammelt, hatten aber schon geöffnet. Hier und da waren die Ladenbesitzer dabei, ihre Schaufenster wieder herzurichten. Florean Fortescues Eissalon war noch immer wie ausgestorben. Harry beschloss, Kingsley nach ihm zu fragen wenn er ihn das nächste Mal sah. Als sie den Laden des Zauberstabmachers betraten, fanden sie ein riesiges Durcheinander hunderter Schachteln vor. Zwischen ihnen lief ein aufgeregter Ollivander herum und versuchte Ordnung zu schaffen. Er erblickte Ginny und Hermine. „Guten Abend, meine Damen. Ich muss sie leider noch vertrösten. Im Moment verkaufe ich noch nicht wieder. Sie müssen verstehen, der Laden muss erst wieder in Ordnung gebracht werden“, erklärte er. Dann erkannte er Hermine und seine Augen weiteten sich. „Miss Granger. Was-“ Harry zog sich den Tarnumhang vom Kopf und sprach den alten Mann an: „Guten Abend, Mister Ollivander. Wir verstehen natürlich, aber wir wollten eigentlich keine Stäbe kaufen.“ „Mister Potter! Was für eine Überraschung. Ich muss ihnen danken! Nicht nur, dass sie mich aus der Gefangenschaft von Ihm, dessen Name nicht genannt werden darf, befreit haben. Nun haben sie die gesamte Zaubererschaft befreit. Wenn ich irgendetwas für sie tun kann, dann stehe ich natürlich zu ihren Diensten“, sagte er und schüttelte Harry die Hand. „Danke, Mister Ollivander. Sie können tatsächlich etwas für mich tun“, sagte er und zog den Stab seines Vaters hervor. „Könnten sie feststellen, wem der gehört hat?“, wollte er von dem Zauberstabmacher wissen. Er fragte dies, obwohl er die Antwort schon kannte, aber eine hundertprozentige Sicherheit würde es erst durch Ollivander geben. Dessen Augen weiteten sich, als er den Stab entgegennahm und untersuchte. „Mister Potter- Dieser Stab gehörte ihrem Vater. Wo haben sie ihn gefunden? Ich dachte er wäre verschollen seit dem Angriff damals.“ „Ich habe ihn aus dem Familienverlies meiner Vorfahren. Er war dort eingelagert“, erklärte Harry. „Und hat er sie gleich erkannt, als sie ihn in die Hand nahmen?“, wollte Ollivander begierig wissen. „Ja, das hat er. Er hat zwar nicht so heftig reagiert wie mein eigener, aber er hat eindeutig auf mich reagiert. Gibt es irgendeine Möglichkeit, ihn besser an mich anzupassen?“ „Die gibt es tatsächlich. Mein Sohn ist selber Zauberstabmacher und hat nach so etwas geforscht. Er hat herausgefunden, dass alte keltische Zauberer ihre Werkzeuge oft mit Runen verstärkt haben. Diese müssen an den Träger des Stabes angepasst werden. Könnten sie mir bitte einmal etwas vorzaubern?“ „Was für einen Zauber wünschen sie, Mister Ollivander?“ „Irgendeinen Zauber, der für sie typisch ist.“ Harry brauchte nicht lange zu überlegen. Er sah Hermine an, die sofort verstand und ihrerseits ihren Stab zog. Er richtete seinen auf sie und rief: „Expelliarmus!“ Der Stab flog aus Hermines Hand und Harry fing ihn mit der Gewandtheit des Suchers auf. „Ah- Der Entwaffnungszauber. Sehr ungewöhnlich- Wirklich sehr ungewöhnlich. Aber wie man hört haben sie den dunklen Lord mit diesem Zauber besiegt“, sagte der Zauberstabmacher ehrfürchtig. Harry nickte. „Gut, gut. Ich glaube, ich habe genug gesehen. Würden sie mir nun bitte den Stab geben?“ Harry reichte ihn dem Zauberstabmacher und dieser verschwand damit im Hinterzimmer. Nach fünf Minuten kam er wieder heraus und reichte den Stab zurück an Harry. Dieser untersuchte ihn und entdeckte drei kleine Runen kurz über dem Griff. Er reichte ihn Hermine und bat sie, ihm die Bedeutung der Runen zu erklären. Sie teilte ihm mit, dass es die Runen für Opferbereitschaft, Liebe und Außergewöhnlichkeit waren. Mr Ollivander nickte: „Sie haben sehr gut aufgepasst in Alte Runen, Miss Granger. Diese Runen beschreiben meiner Meinung nach Mister Potters Charakter am Besten. Dürfte ich sie bitten, einmal einen Schildzauber zu vollführen, Mister Potter?“ Harry tat wie geheißen und ließ einen Schildzauber entstehen. Dieser war stärker als alle, die er bisher je hatte erschaffen können. Zufrieden mit dem Ergebnis steckte er seinen zukünftigen Zweitstab weg und zog seinen Stab aus Stechpalme hervor. Die blasssilbernen Augen des alten Mannes weiteten sich. „Mister Potter! Das ist doch ihr eigener Stab. Wie konnten sie ihn reparieren?“, fragte er aufgeregt und starrte Harry an. Dann machte sich die Erkenntnis in seinem Gesicht breit. „Ich glaube ich verstehe. Sie haben den Elderstab gefunden und sind sein wahrer Herr, nicht wahr?“ Harry nickte. „Dann verstehe ich auch, wie sie ihren Stab aus Stechpalme und Phoenixfeder reparieren konnten.“ „Aber ich will den Elderstab nicht. Er ist böse und ich fühle mich mit meinem besser.“ Ollivander schmunzelte. „Ich lag mit meiner Einschätzung ihres Charakters wohl goldrichtig. Ihr Handeln ist sehr ungewöhnlich, Mister Potter. Die Meisten anderen Zauberer würden für den Elderstab alles tun. Sie sind sein Herr und wollen ihn nicht. Ich wusste schon vor fast sieben Jahren, dass wir großes von ihnen zu erwarten haben, erinnern sie sich?“ Und ob Harry sich erinnerte. Schon damals wusste er nicht, was er von dem Zauberstabmacher halten sollte. Damals hatte dieser ihm mitgeteilt, dass seiner und Voldemorts Stab den gleichen Kern hätten. Die Zaubererschaft habe großes von ihm zu erwarten, weil ja der Zwillingsstab auch großes, wenn auch schreckliches, vollbracht hätte. „Und heute wissen wir, dass ich richtig lag. Sie haben wirklich großes geleistet“, fuhr der Zauberstabmacher fort.
„Nun, Mister Ollivander. Eigentlich wollte ich sie fragen, ob sie den Stab untersuchen und mir sagen könnten ob mit ihm alles in Ordnung ist.“ „Natürlich kann ich das. Soll ich ihn auch gleich modifizieren, damit er ihre bestimmt seit damals gestiegenen magischen Fähigkeiten besser kanalisieren kann? Der Stab lernt zwar mit dem Zauberer, aber ein bisschen Nachhelfen ist immer möglich. Vor allem, wenn die Magie des Zauberers zu groß für den armen Stab wird.“ Harry reichte dem Stabmacher seinen Zauberstab und sagte: „Vielen Dank, Mister Ollivander. Das wäre großartig.“ Wieder verschwand der alte Mann und kehrte nach fünf Minuten wieder. Er versicherte Harry, dass mit dem Stab alles in Ordnung sei und er einwandfrei funktioniere. Wieder beschwor Harry seinen Protego. Von der Macht dieses Schildes wurden Ollivander, Hermine und Ginny einige Meter nach hinten gedrängt. Auch einige Zauberstäbe mitsamt ihren Schachteln flogen davon. Auf dem Schild bildeten sich kleine Energieblitze, die darauf herumtanzten. Harry brach ab und betrachtete seinen Stab geschockt. „Wow. Das war Wahnsinn, Harry! Als ob du endlich herausgefunden hättest, wie man in den nächsten Gang kommt“, sagte Hermine ehrfürchtig. „Was will Harry in einem zweiten Korridor?“, fragte Ginny verwirrt. Harry gluckste und wandte sich an Hermine: „Erklärs du ihr, Mine.“ Während Hermine versuchte, Ginny die Funktionsweise eines Autogetriebes zu erklären, wandte sich Harry an Ollivander: „Vielen Dank, Mister Ollivander. Was bin ich ihnen schuldig?“ Dieser winkte ab: „Nichts, Mister Potter. Es war mir eine Ehre und das Mindeste, was ich für sie tun konnte.“ Nach einigem Hin und Her bezahlte Harry schließlich zehn Galleonen. Er hatte darauf bestanden und Ollivander hatte schließlich eingewilligt. Er betrat, erneut unter dem Tarnumhang verborgen, mit Ginny und Hermine wieder die Winkelgasse. „Also die Muggel haben echt was drauf. Vielleicht mach ich doch nen Muggelführerschein, wenn ich achtzehn bin“, schwärmte Ginny. „Dein Dad wäre davon bestimmt begeistert“, sagte Hermine grinsend. „Aber deine Mum garantiert nicht“, warf Harry ein. „Ach! Die wird sich schon dran gewöhnen“, sagte Ginny achselzuckend. „Wie lange haben wir noch?“, wollte Hermine wissen. „Der Ring hat gerade angefangen grün zu leuchten. Also haben wir noch etwas weniger als eine Stunde“, antwortete Harry nach einem Blick auf seine Hand.
Ginny drehte sich plötzlich zu Hermine, Harry konnte sie ja nicht sehen, und fragte aufgeregt: „Lust auf was ganz Verrücktes?“ „Was verrücktes? Ginny, wir haben in den letzten Tagen und Wochen genug Verrücktes erlebt. Könnten wir uns nicht mal ein bisschen Ruhe gönnen?“, erwiderte Harry. „Nicht so was verrücktes. Was tolles Verrücktes!“, entgegnete Ginny. „Schieß los!“, wurde sie von Hermine aufgefordert. Ginny antwortete nicht, sondern zog Hermine am Arm hinter sich her. Harry musste schon fast rennen, solch eine Geschwindigkeit legte Ginny an den Tag. Sie stoppte erst in einer kleinen Seitenstraße vor einem winzig aussehenden Geschäft. Über dem Eingang prangte ein Schild: Magische Tätowierungen für den Magier mit Stil Hermine grinste bis über beide Ohren und sagte: „Gute Idee. Gehen wir rein!“, und sie schritt durch die Tür. Harry und Ginny folgten ihr. Im Hineingehen zog sich Harry den Tarnumhang vom Kopf. Im Laden selber gab es nur eine Pritsche und zwei Stühle. Die restliche Einrichtung beschränkte sich auf Zaubererfotos von Tätowierungen. Sie sahen sich gerade um, als ein kleiner Mann mittleren Alters aus einer verborgenen Tür trat. „Guten Abend, meine Herrschaften. Wie kann ich ihnen helfen?“ „Guten Abend. Zuerst einmal würde mich interessieren, was magische Tattoos von denen der Muggel unterscheidet“, wollte Hermine wissen. Der Mann antwortete geschäftstüchtig: „Nun, das hervorstechendste Merkmal ist, dass ein magisches Tattoo sich frei über den Körper bewegen können, sollte es sich um ein Tier oder ein anderes Lenewesen handeln. Man kann ihm dann einen Namen geben und ihm sogar Befehle erteilen, die es dann ausführt. So zum Beispiel, dass es sich verstecken soll. Dann bewegt es sich zu einem nicht gezeigten Körperteil und hält sich dort auf, bis der Befehl widerrufen wird. Auch kann es bei Berührung auf einen anderen Körper wechseln und dort mit gegebenenfalls vorhandenen Tattoos interagieren. Und natürlich sind sie jederzeit wieder entfernbar, anders als bei den Muggeln.“ „Klasse. Ist das Herstellen eines Tattoos schmerzhaft?“, wollte Ginny wissen. Der Ladeninhaber verneinte und fragte, ob sie Hilfe beim Aussuchen bräuchten. Alle drei verneinten und sahen dann die jeweils anderen erstaunt an. „Ihr wisst schon, was ihr wollt?“, fragte Harry begierig. Beide Mädchen nickten. „Und was soll es sein?“ „Lass dich überraschen“, sagte Ginny grinsend. „Du zuerst!“, pflichtete Hermine bei. „Gut. Wenn sie sich dann bitte hinlegen und den Oberkörper freimachen würden, Mister-?“, fragte der Inhaber und sah Harry das erste Mal genauer an. Seine Augen weiteten sich, als sein Blick auf Harrys Stirn und somit auf die Narbe fiel. „Mister Potter-“, stammelte er, „Es ist mir eine Ehre, sie in meinem bescheidenen Laden bedienen zu dürfen. Was für eine Tätowierung hätten sie denn gerne?“ Harry zog Umhang und T-Shirt aus. Er spürte, wie Hermines und Ginnys Augen auf seinem Oberkörper verweilten und musste grinsen. Er legte sich hin und sagte zu dem Zauberer: „Ich hätte gerne einen schwarzen ungarischen Hornschwanz.“ Er musste erneut grinsen, als er in die verblüfften Gesichter seiner Freundinnen sah. Der Ladeninhaber nickte und machte sich an die Arbeit. Er murmelte Beschwörungen und eine schwarze Rauchwolke erschien. Während sie sich auf seine Brust senkte, fragte Harry die Mädchen: „Was denn? So schockiert?“ „Eigentlich nicht. Mich würde nur mal interessieren, wie du auf die Idee gekommen bist?“, fragte Hermine. Ginny kicherte und antwortete an Harrys Stelle: „Erinnerst du dich, dass Romilda Vane mich mal gefragt hat ob es stimme, dass Harry ein Hippogreiftattoo habe?“ „Ja-“, antwortete Hermine langsam. „Und da hatte ich ihr geantwortet, dass es ein Ungarischer Hornschwanz sei.“ Harry nickte. „Daran hab ich unter anderem gedacht, als ich mich dafür entschieden habe.“ „Lass mich raten. Ein anderer Beweggrund war nicht zufällig eine Situation während deines vierten Jahres?“, warf Hermine grinsend ein. Harry nickte. „So. Fertig, Mister Potter“, sagte der Tattoowierer nach einer Weile und Harry besah sich das Werk. Er war sehr zufrieden damit. Der Drachen machte sich sofort auf zur Erkundung seines Reviers und verschwand im Bund von Harrys Jeans. Harry fragte sich kurz, ob der Drache wirklich Zugang zu ALLEN Körperteilen hatte, verwarf den Gedanken aber schnell wieder. Er zog sich wieder an und beobachtete dann, wie Ginny und Hermine ihre Tätowierungen bekamen. Sie hatten sich lustigerweise beide für das gleiche entschieden. Beide wollten einen schwarzen Kater mit grünen Augen. Hermine entschied sich dann aber zur besseren Unterscheidung dafür, dass ihrer wenigstens weiße Pfötchen bekommen sollte. Sie mussten nicht den Oberkörper frei machen, sondern nur ihren Arm entblößen, was Harry ungemein erleichterte. Nach dreißig Minuten waren sie dann wieder auf der Straße. Erneut hatte Harry eine kleinere Auseinandersetzung mit dem Ladeninhaber über die Bezahlung gehabt. Schlussendlich hatte er dann pro Tattoo acht Galleonen bezahlt. Schließlich hatte Harry Druck gemacht, denn sein Ring hatte bereits rot zu leuchten begonnen. Auf der Straße tippte er ihn dann mit seinem Zauberstab an und murmelte „Portus!“ Der Ring leuchtete kurz blau auf und Harry zählte von Zehn rückwärts. Die Mädchen legten jeweils einen kleinen Finger darauf und als Harry bei Null angekommen war, spürte er das bekannte ziehen in der Nabelgegend.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel