von Caine
Es war eine scheußliche Wohnung. An den Wänden prangten hässliche Wandteller mit Katzenmotiven. Überall lagen Spitzendeckchen herum, auf denen künstliche Blumen standen. Auf der Couch saß eine kleine rundliche Frau mit kurzen grauen Locken. Sie lauschte reglos einem Radio, das vor ihr auf dem Couchtisch stand.
„Oh, komm und rühr meinen Kessel, bist du einer der's richtig macht, koch ich dir heiße, starke Liebe, die dich warm hält heute Nacht. So, Leute. Das war das erste und letzte Mal, dass ihr so etwas hier bei uns, der Neuen Magischen Welle, gehört habt. Mein Name ist John Lancaster, ich berichte live aus unserem Sendestudio in der Winkelgasse Nummer dreiundneunzig und es ist genau 12 Uhr. Normalerweise würde sie mein Chef, Lee Jordan, hier begrüßen, doch er befindet sich gerade auf dem Gelände der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei. Wir werden gleich live zu ihm schalten. Zuerst möchte ich euch bei uns willkommen heißen. Wir sind der brandneue, heiße Sender für den modernen Magier, der von der Welt etwas mitbekommen will. Wir verschließen unsere Augen nicht vor der Welt der Muggel und aus diesem Grund berichten wir zur vollen Stunde über die wichtigsten Themen aus Politik, Sport und was uns noch so wichtig erscheint. Und zwar aus beiden Welten. Denn wie wir im letzten Jahr gelernt haben, ist es doch besser, über beide Welten Bescheid zu wissen und nicht die Augen vor der der Muggel zu verschließen. Sie sind genauso Menschen wie wir und sind somit nicht weniger wert.“
Die Frau schnaufte verärgert auf und schüttelte angewidert den Kopf.
„Wir werden die Tradition von Potterwatch fortsetzen und unzensierte, vorurteilsfreie und schonungslose Berichterstattung bieten. Denn ihr verdient die Wahrheit. Natürlich werdet ihr von uns auch etwas für die Ohren bekommen. Die neuesten Charts der Muggel und der Zauberer werden bei uns zu hören sein. Und wir versichern euch, dass es keine Schlager sein werden. Wer so was hören möchte, der kann gerne zum Magischen Rundfunk zurückwechseln.
Bevor wir nun live zu Lee Jordan schalten möchte ich euch darauf aufmerksam machen, dass Weasleys zauberhafte Zauberscherze in der Winkelgasse Nummer dreiundneunzig ab Montag wieder geöffnet sein wird. George und Ron Weasley erwarten euch und sie werden euch mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn es darum geht, euren Freunden und Kollegen einen Streich zu spielen, ihr ein Feuerwerk machen wollt oder was euch sonst noch so einfällt. Ein Besuch lohnt sich auf jeden Fall.
So, und nun schalten wir live zu Lee Jordan. Lee, kannst du mich hören?
Hallo, John. Ja, ich kann dich hören.
Wie sieht es momentan in Hogwarts aus?
Hier sind schon ziemlich viele Menschen anwesend. Sie kommen natürlich alle, um Harry Potters Geschichte live miterleben zu können. Ich habe mich mit Professor McGonagall unterhalten und habe erfahren, dass sie 2000 Stühle hat aufstellen lassen. Und so, wie ich das sehe werden die wohl kaum reichen. Jetzt, gut eine Stunde vor Beginn der Pressekonferenz sind schon fast alle Sitzplätze besetzt. Zauberer aus allen Teilen des Landes sind angereist, um dabei zu sein. Ich habe ein paar Reporter gesprochen, die sogar aus Australien hergekommen sind. Auch dort herrscht wohl reges Interesse an unserem Helden.
Es gab im Vorfeld viele Spekulationen, was Harry in den vergangenen Monaten gemacht hat. Einiges davon scheint gesichert. So soll er im Ministerium eingedrungen sein, ebenso bei Gringotts. Sind schon weitere Einzelheiten über seine Arbeit im Untergrund bekannt geworden?
Nun, auf jeden Fall war er nicht im Himalaya unterwegs und hat den Jeti gesucht, wie es der Tagesprophet behauptet hat. Ich selbst war während der Schlacht anwesend und konnte den letzten Kampf Harry gegen Voldemort live verfolgen.
Wie kommt es, dass du seinen Namen verwendest, Lee?
Er ist tot, auf seinem Namen liegt kein Tabu mehr und er kann uns nichts mehr anhaben. Ich kann ihn auch bei seinem bürgerlichen Namen nennen, Tom Vorlost Riddle.
Ahja. Also kannst du uns genaueres zu seinem letzten Kampf erzählen? Dazu ist bisher noch nichts Genaueres an die Öffentlichkeit gelangt.
Gerne, John. Wir alle waren von ihm vor das Schloss gerufen worden. Angeblich hätte Tom Harry getötet, als er auf der Flucht gewesen sei. Und tatsächlich lag er wie tot vor seinen Füßen. Doch das hatte unseren Kampfeswillen nur noch gesteigert und so ging die Schlacht fort. Wir bekamen sogar noch einiges an Verstärkung. Die Zentauren aus dem Wald, Dorfbewohner aus Hogsmeade, Angehörige der schon Kämpfenden und sogar die Hauselfen von Hogwarts kamen uns zur Hilfe. Die Kämpfe verlagerten sich in die Große Halle. Es gelang uns, so gut wie alle Todesser zu besiegen. Die letzten, die noch kämpften, waren Voldemort persönlich und Bellatrix Lestrange. Sie wurde dann allerdings von Molly Weasley besiegt und Voldemort war alleine übrig. Dann plötzlich erschien Harry mitten unter uns und begann, sich mit Tom zu belauern.
Wie konnte Harry so plötzlich erscheinen? Ist er appariert?
Man kann innerhalb von Hogwarts nicht apparieren, John. Er hatte sich unter seinem Tarnumhang versteckt, um im richtigen Moment gegen Voldemort zuschlagen zu können.
Und was ist dann passiert?
Zuerst hat er irgendwas von Horkruxen gesagt. Dass es keine mehr gebe. Keine Ahnung, was das ist. Das ist auf alle Fälle eine der Fragen, die es nachher zu beantworten gibt. Und schließlich ging es darum, wer nun der wahre Herr von Voldemorts Zauberstab sei.
Was ist daran so wichtig?
Tja, das ist eine Gute Frage, John. Ich kann nur sagen, dass Voldemort dann einen Avada Kedavra und Harry einen Expelliarmus gesprochen hat. Die Flüche haben sich in der Luft getroffen und sind schließlich beide auf Tom losgegangen. Also hat er seinen eigenen Todesfluch abbekommen.
Sehr interessant, Lee. Was uns alle stark interessiert ist die Tatsache, dass Harry scheinbar angeregt hat, dass ein Porträt von Severus Snape…
Sorry, John. Aber ich muss dich unterbrechen. Mir wird gerade angezeigt, dass wir nun mit der Konferenz beginnen können. Wir hören uns gleich, wenn ich von der Bühne aus spreche.
Ihr hört es, werte Zuhörer. Lee Jordan wird nun die Moderation der Pressekonferenz übernehmen. Es müsste jeden Moment soweit sein, dass er zu uns sprechen wird. Wie ich schon im Voraus sagen kann, wird zuerst der vorerst eingesetzte Zaubereiminister, Kingsley Shacklebolt, ein paar Worte sagen. Dann wird Harry die Ereignisse der letzten Monate schildern, dann darf jeder Anwesende Fragen stellen. Ihr könnt uns auch von zu Hause anrufen, wenn ihr ein Telefon habt, und uns eure Frage mitteilen. Wir leiten sie dann an Lee Jordan weiter. Er wird sie dann in eurem Auftrag stellen. Die Telefonnummer erscheint auf eurer Anzeige, wenn ihr das Radio mit dem Zauberstab berührt.
Wie mir scheint, dauert es noch einen kurzen Moment. Deswegen gibts jetzt erstmal was auf die Ohren. Die aktuelle Nummer eins der UK-Single-Charts. „All Saints“ mit ihrer Coverversion von „Under the Bridge“.“
Während das Lied spielt, saß die Frau auf ihrer Couch und schlürfte gelegentlich an ihrem Tee. Sie hasste die Muggelmusik und hörte diesen abscheulichen Sender nur, weil sie die Pressekonferenz anhören wollte. Nach zwei Minuten wurde sie allerdings erlöst, denn das Lied brach abrupt ab.
„Es geht los, liebe Hörer. Wir schalten jetzt live nach Hogwarts.
Hallo, Leute. Mein Name ist Lee Jordan und ich bin heute ihr Moderator. Ich werde sie geleiten durch die spannende Vergangenheit unseres Helden, des Auserwählten, des Jungen der lebte. Ich darf mit ihnen auf dieser Bühne willkommen heißen: Lord Harry James Potter, Hermine Jean Granger und Ronald Bilius Weasley.“
Ohrenbetäubender Applaus drang aus dem Radio.
„Danke, Leute. Danke. Außerdem möchte ich noch unseren amtierenden Zaubereiminister begrüßen. Applaus für Kingsley Shacklebolt.“
Erneut war Beifall zu hören.
„So. Nun genug der Vorstellrunde. Unser geschätzter Zaubereiminister hat mich gebeten, am Anfang ein paar Worte sagen zu dürfen. Deswegen übergebe ich das Wort erstmal an ihn.
Danke, Lee. Ich freue mich, dass sie alle so zahlreich erschienen sind. Natürlich sind sie daran interessiert, was unsere Helden so getrieben haben in den letzten Monaten. Im Vorfeld gab es viele Spekulationen und wir halten diese Pressekonferenz nun ab, um endlich Klarheit zu verschaffen. Alle ihre Fragen dürfen sie hier stellen. Danach wird es keine weiteren Interviews mehr geben. Unser Held will sich dann endlich einmal eine Auszeit nehmen und ich denke, wir alle gönnen sie ihm. Danke.
Ja, Leute. Ihr habt es gehört. Alle Fragen dürft ihr heute stellen, doch hinterher nicht mehr. Also haltet euch ran. Zuerst einmal wollen Harry, Ron und Hermine die Ereignisse der letzten Monate beschreiben. Dann könnt ihr eure Fragen stellen, sollte es welche geben. Ich erteile nun Harry das Wort.
Danke, Lee. Es gab viele Spekulationen um mich und meine Verbindung zu Voldemort.“
Harrys Nervosität war deutlich an seiner Stimme zu hören.
„Die wohl interessanteste Frage ist die, warum er es damals nicht geschafft hat, mich zu töten. Dies ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass meine Mutter bei dem Versuch starb, mich zu retten. Dadurch entstand ein Schutz der Liebe, der es Voldemort unmöglich machte, mich zu töten. Der Avada Kedavra prallte ab und traf stattdessen ihn. Eigentlich hätte er ihn töten müssen, doch stattdessen wurde er nur aus seinem Körper gerissen und existierte weiter. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits unsterblich.
Und doch ist es dir gelungen, ihn letztendlich zu töten?
Ja, Lee. Das war das, woran wir gearbeitet haben in den letzten Monaten. Professor Dumbledore hatte herausgefunden, wie Tom Riddle es geschafft hatte, zur Unsterblichkeit zu gelangen. Und er hat mir in meinem sechsten Jahr verraten, wie dies rückgängig zu machen ist. Hermine wird euch das jetzt erklären. Sie ist besser als ich in solchen Dingen.
Danke, Harry. Voldemort hatte Horkruxe geschaffen. Dies sind zutiefst schwarzmagische Gegenstände, in denen der Erschaffer einen Teil seiner Seele einsperrt. Solange dieser Horkrux existiert kann der andere Teil seiner Seele nicht die irdische Existenz verlassen. Insgesamt hatte er sechs Horkruxe erschaffen: Ein Tagebuch, einen Ring von Salazar Slytherin, Slytherins Medaillon, der Becher von Helga Hufflepuff, das Diadem von Ravenclaw und seine Schlange Nagini. Er hat auch noch einen zusätzlichen Horkrux erschaffen, den er nie produzieren wollte. Als der Todesfluch an Harry scheiterte, spaltete sich seine Seele erneut und ein Teil klammerte sich an Harrys intakte Seele. Durch diese Verbindung konnte Harry Parsel sprechen und in Voldemorts Geist eindringen. Doch sie wurde von Voldemort zerstört und nun beherrscht Harry die Sprache der Schlangen nicht mehr. Ich will jeden dringendst davor warnen, einen Horkrux zu erstellen. Es ist zutiefst schwarzmagisch und böse. Wenn ihr dies tut, dann habt ihr fortan nur noch ein halbes, ein verfluchtes Leben. Das ist auf keinen Fall erstrebenswert. Und wie wir gesehen haben, schützen sie auch nicht endgültig vor dem Tod. Denn sie können gefunden und zerstört werden.
Das ist sehr interessant, Hermine. Die Frage ist nun: Woher wusstet ihr, welche Gegenstände Voldemort in seine Horkruxe verwandelt hat und wie habt ihr sie gefunden? Ja, Harry?
Nun, vieles war Spekulation. Sie erwiesen sich im Nachhinein allerdings fast alle als richtig. Dumbledore hatte Erinnerungen über Voldemorts Jugend und seine Zeit nach Hogwarts gesammelt und daraus schlossen wir gemeinsam, wieviele Horkruxe er erschaffen hatte und welche dies waren. Sein Tagebuch hatte ich bereits während meines zweiten Schuljahres zerstört. Damals hatte Tom durch sein Tagebuch meine Freundin Ginny Weasley verhext und sie gezwungen, die Kammer des Schreckens zu öffnen und den Basilisken darin auf die Schüler zu hetzen. Den Ring von Salazar Slytherin fand Dumbledore in der Hütte, in der Voldemorts Mutter einst gelebt hatte. Er konnte ihn zerstören, bekam allerdings einen Fluch ab, der seine Hand absterben ließ. In der Nacht als Dumbledore starb, kamen wir gerade aus einer Höhle zurück, in der wir das Medaillon von Slytherin vermuteten. Um an es ran zu kommen musste Dumbledore einen Trank schlucken, der ihm fast alle seiner Kräfte raubte. Leider stellte sich heraus, dass das Medaillon schon vor langer Zeit gegen ein anderes ausgetauscht worden war.
Entschuldige, dass ich dich unterbreche, Harry. Aber diese Nacht interessiert doch viele von uns. Damals hat Severus Snape Dumbledore getötet. Du selbst hast ihn dessen beschuldigt. Und nun hast du scheinbar veranlasst, dass ihm doch noch die Ehre erwiesen wird, in die heiligen Reihen der gestorbenen Schulleiter aufgenommen zu werden. Darf ich fragen, warum?
Natürlich, Lee. Ja, Severus Snape hat Professor Dumbledore getötet. Allerdings geschah dies auf Dumbledores persönlichen Wunsch hin. Er war zutiefst geschwächt von dem Trank und wäre ohnehin bald gestorben. Dadurch, dass Snape ihn tötete, wurde ihm ein schreckliches Schicksal erspart und Snape selbst stieg in der Gunst Voldemorts. Wie sich letztes Wochenende herausstellte, war Snape wirklich immer loyal zur guten Seite. Und zwar von dem Zeitpunkt an, dass Voldemort Jagd auf meine Mutter gemacht hatte. Snape war unsterblich in sie verliebt und hatte Dumbledore geschworen, ihm zu helfen Voldemort zu besiegen. Und er hat mir am Ende die entscheidenden Informationen gegeben, wie ich Tom endgültig besiegen konnte.
Danke, Harry. Dein letzter bekannter Aufenthaltsort bevor ihr verschwandet, war der Fuchsbau, das Zuhause der Familie Weasley. Was geschah, nachdem das Ministerium gefallen war und ihr von der Hochzeit von Rons ältestem Bruder fliehen musstet?“
Das Klopfen an ihrer Haustür ließ Dolores Jane Umbridge aus ihrem Sofa hochfahren. Wer wagte es, sie zur Mittagszeit zu stören? Welcher unverschämte Wicht traute sich, die Untersekretärin des Ministers an ihrem freien Tag zu Hause aufzusuchen? Sie ging in den Flur und öffnete die Tür. Davor stand ein rüstiger Mann mit grauen Haaren. Umbridge schätzte ihn auf etwa 80 bis 90 Jahre ein. Er trug einen Umhang der Aurorenbrigade.
„Guten Tag, Madame Umbridge“, sagte er in freundlichem Ton.
„Guten Tag“, erwiderte sie knapp in ihrer süßlichen Mädchenstimme.
„Mein Name ist Fance. Ich bin Auror. Jedenfalls vorübergehend wieder. Der Minister hat mich aus dem Ruhestand zurückgeholt. Ich muss sie bitten, mitzukommen.“
„Wie bitte? Sie wollen mich abführen?“
„Wenn sie es so ausdrücken wollen“, erwiderte der Auror immernoch freundlich. „Sie haben wohl keine Ahnung, wen sie hier vor sich haben? Ich bin Dolores Jane Umbridge, erste Untersekretärin des Ministers und Leiterin der Registrierungskommission von Muggelstämmigen. Ich lasse mich nicht einfach von einem dahergelaufenen Auror im Ruhestand abführen“, ereiferte sich die in Rosa gekleidete Frau.
„Natürlich nicht, Madame. Allerdings habe ich hier zwei Urkundenkopien“, er zog sie hervor, „Eine beinhaltet ihre Entlassung als Untersekretärin und die andere die Auflösung der Registrierungskommission Muggelstämmiger.“ Er zog eine weitere Rolle hervor. „Und hier habe ich einen Haftbefehl. Gegen sie wird ermittelt wegen des Verdachtes auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit, der Folter, des Amtsmissbrauches, sowie des Missbrauchs Schutzbefohlener“, las er vor. „Wenn sie nun bitte mitkommen würden?“, fragte er höflich.
Umbridge hatte dem Vortrag mit versteinerter Miene zugehört. „Das dürfen sie nicht machen! Ich habe nichts Unrechtes getan. Ich weigere mich, mitzugehen. Eher kämpfe ich, als solch eine Erniedrigung hinzunehmen“, keifte sie mit sich überschlagender Stimme. Bei den letzten Worten zog sie ihren extrem kurzen Zauberstab. Doch sie kam nicht mehr dazu, ihn zu erheben. Sie kippte schon, von einem Ganzkörperklammerfluch getroffen, nach hinten. Der Auror war trotz seiner Jahre noch sehr flink. Er ließ ihren erstarrten Körper neben sich schweben. „Gut, wie sie wünschen. Dann kommen sie eben nicht freiwillig mit. Wenn diese Beförderung weniger demütigend für sie ist, als erhobenen Hauptes in das Ministerium zu gehen, dann soll es eben so sein“, sagte er mit erheblichem Spott in der Stimme. Umbridges Augen verengten sich verärgert.
Kurz darauf apparierte der Auror mit ihr ins Ministerium und übergab sie der magischen Strafverfolgungspatrouille, die sie in den neu geschaffenen elften Stock verfrachteten. Dieses Stockwerk war noch unter den Gerichtsräumen geschaffen worden, um vorübergehend Gefangene im Ministerium aufnehmen zu können.
Harry atmete erleichtert auf. Sie hatten ihre Geschichte geschildert. An ein paar Stellen hatten sie die Wahrheit etwas hingebogen, aber das war wohl besser so. Sie hatten den Streit mit Ron und seine Rückkehr in die Schule so dargestellt, dass er aus Absprache dorthin zurückgekehrt war, um den dortigen Horkrux zu finden. Die Geschehnisse um das Schwert Gryffindors ließen sie außen vor und taten so, als ob sie es die ganze Zeit dabei gehabt hatten. Auch ihren Einbruch in Gringotts schilderten sie nicht detailliert. Die Heiligtümer des Todes ließen sie ganz außen vor und den Elderstab beschrieben sie nur als Dumbledores Stab. Das alles hatten sie im Vorfeld miteinander abgesprochen.
Während ihrer Erzählungen hatte angespannte Ruhe unter den Zuhörern geherrscht. Doch nun da es geendet hatte, kam es zu munterem Getuschel. Nun würden die Zuschauer Fragen stellen dürfen. Er sah sich in dem großen Publikum um. Vereinzelt sah er schon erhobene Hände. Während er den Blick schweifen ließ, gingen noch mehr Meldungen in die Höhe. Vorne in der ersten Reihe entdeckte er Ginny, die ihm strahlend zulächelte. Er lächelte zurück.
Lee ließ ein magisches Mikrofon auf einen Mann in der Mitte zuschweben, der das Mirkofon auffing und aufstand: „Ich möchte euch dreien und ganz besonders Harry erst einmal danken, dass ihr uns befreit habt.“ Tosender Applaus unterbrach ihn. „Mich würde interessieren, wie die Horkruxe zerstört werden.“
„Haben wir das nicht erklärt? Hermine, du enttäuschst mich“, sagte Ron schmunzelnd.
„Das habe ich halt vorhin vergessen, Ronald. Das passiert auch mir einmal. Horkruxe können nur zerstört werden, indem man sie mit etwas magischem angreift, unter dessen Einwirkung sie sich nicht selbst wieder reparieren können. Einfach mit dem Hammer draufschlagen funktioniert nicht. Es muss eine wirklich starke und dauerhafte Zerstörung sein. Das Gift eines Basilisken und eine damit behandelte koboldgearbeitete Waffe haben uns dabei geholfen. Ein Dämonsfeuer würde auch funktionieren, aber das konnten und wollten wir nicht versuchen.“ „Wie sind sie an Basiliskengift gekommen und was für eine Waffe ist das?“, fragte der Mann interessiert. „Harry hat in unserem zweiten Schuljahr einen Basilisken in der Kammer des Schreckens getötet. Sein Gift haben wir genommen. Er hatte dazu das Schwert von Godric Gryffindor genutzt. Koboldgearbeitete Waffen nehmen nur auf was sie stärkt müssen sie wissen. Schmutz weisen sie ab, aber Basiliskengift macht sie um ein vielfaches wirkungsvoller. Denn für sein Gift gibt es nur ein einziges Gegenmittel. Das sind die Tränen eines Phönixes und die sind unglaublich selten. Das Schwert hatte etwas von dem Gift aufgenommen und war dadurch geeignet, Horkruxe zu zerstören.“
Weitere Zuhörer bekamen noch die Gelegenheit, Fragen zu stellen. Es waren auch welche darunter, die Geschehnisse während der Schule beinhalteten. So wurde noch einmal genauer nach der Kammer des Schreckens gefragt und vor allem interessierte die Leute die Rückkehr des dunklen Lordes in ihrem vierten Jahr. Es fiel Harry schwer, über diese Nacht zu sprechen.
Erleichtert atmete er auf, als diese unangenehmen Fragen endlich ein Ende nahmen. Die Stimmung kochte noch einmal hoch, als es um das fünfte Schuljahr ging und somit um Umbridges Umtriebe in Hogwarts. Die Menge reagierte mehr als geschockt, als er ihnen erzählte, wie er seinen eigenen Handrücken mit den Worten 'Ich soll keine Lügen erzählen' hatte malträtieren müssen und ihnen seine Hand präsentierte. Lee reagierte schnell und ließ eine vergrößerte Projektion seines Handrückens in den Himmel steigen, um jedem die Narben zu zeigen.
Die Konferenz neigte sich offenbar dem Ende zu. Es waren nur noch sehr wenige Hände erhoben. Eine Person, zu der einer der Hände gehörte, konnte Harry selbst aus der Entfernung gut erkennen. Er verstand, warum Lee sie bisher immer ausgelassen hatte bei der Verteilung des magischen Mikrofons. Doch leider würde er sie nun nicht mehr übergehen können, auch wenn Lee offenbar gehofft hatte, sie entmutigen zu können, indem er ihr nicht das Wort übergab. Doch eine Rita Kimmkorn gab nicht auf. Nicht, wenn es einen Ruf zu schädigen gab. Erst recht nicht, wenn es um den begehrtesten Zauberer des Planeten ging. Nun war sie die einzige, die noch ihre Hand empor streckte. Nun endlich musste Lee ihr das Mikrofon übergeben.
„Hallo, Harry. Wie wir in den vergangen Tagen verfolgen konnten, hast du dir einen kleinen Harem zusammengestellt. Spielst du mit dem Gedanken, diesem noch weitere Mädchen hinzuzufügen? Willst du mit den jungen Damen die Liebe erfahren, die dir deine Eltern nie gegeben haben?“
„Ich habe diese Liebe meiner Eltern mein gesamtes bisheriges Leben lang gehabt. Die Liebe meiner Mutter hat mich vor Voldemort geschützt und es ihm unmöglich gemacht, mich zu töten. Ich wünsche nicht, dass mein Privatleben öffentlich zur Schau gestellt wird“, kanzelte Harry sie ab.
„Hat Miss Granger wieder einen Liebestrank gebraut, um sie gefügig zu machen? Wie sie es in ihrem vierten Jahr während des trimagischen Turniers mit ihnen und dem bulgarischen Sucher Viktor Krum getan hatte?“, fragte Rita energisch weiter. Sie ließ sich nicht so einfach abschütteln.
„Nein, habe ich nicht. Ich habe noch nie einen Liebestrank gebraut, Rita“, entrüstete sich Hermine. „Und außerdem-“, sie lächelte triumphierend, „haben sie ihre Informationen über angeblich von mir gebraute Liebestränke unter absolut zwielichtigen Umständen von nicht gerade vertrauenswürdigen Informanten bekommen.“ Das sonst so breite Lächeln verschwand augenblicklich von Ritas Gesicht.
Hermine wandte sich an Kingsley, der etwas abseits auf einem Stuhl saß: „Herr Minister, was ist eigentlich die Konsequenz, wenn man ein nicht registrierter Animagus ist?“, fragte sie mit zuckersüßer Stimme.
Kingsley runzelte die Stirn. „Kommt auf die Umstände an. Ob mit der Animagusgestalt Straftaten begangen wurden und ähnliches.“
„Und wie sieht es aus, wenn man seine Animagusgestalt dazu nutzt, um unerlaubt irgendwo einzudringen und Leute zu belauschen, um an vertrauenswürdige Informationen heranzukommen und diese dann als Reporter zu veröffentlichen?“, bohrte sie nach. Langsam machte sich Erkenntnis in Kingsleys Gesicht breit. „Miss Granger, wollen sie damit sagen, dass Rita Kimmkorn ein nicht registrierter Animagus ist?“
„Genau so ist es, Herr Minister. Rita Kimmkorn kann sich in einen Käfer verwandeln. So ist sie auf dem Hogwartsgelände herumgeschwirrt, trotz Hausverbotes, hat Gespräche belauscht, Interviews mit Slytherins gemacht und andere Sachen beobachtet. So konnte sie während des trimagischen Turniers all die kleinen Skandale um Harry veröffentlichen“, sagte Hermine. Sie konnte kaum den Triumph in ihrer Stimme unterdrücken.
Kingsley stand auf und sah auf die verschreckte Rita Kimmkorn. „Miss Kimmkorn. Sie sind vorläufig festgenommen, aufgrund der gegen sie erhobenen Vorwürfe. Übergeben sie ihren Zauberstab an Savage und wagen sie es ja nicht, sich zu verwandeln. Es wird geprüft werden, ob sie wirklich ein nicht registrierter Animagus sind und ob sie in ihrer Animagusform Straftaten begangen haben.“ Angesprochener Auror tauchte schon hinter Kimmkorn auf und legte ihr magische Fesseln an. Er nahm ihren Zauberstab an sich und belegte sie mit einem Fluch gegen Animagiverwandlungen. „Das ist ein Anschlag auf die Pressefreiheit! Das können sie nicht tun! Ich verlange, dass sie mich sofort wieder freilassen!“, rief Kimmkorn. „Wenn sich die Anschuldigungen als falsch erweisen, dann werden sie natürlich wieder freikommen“, erwiderte Kingsley gelassen vom Podest herunter. Während Savage Kimmkorn vom Schlossgelände führte und sie ebenfalls in die neu eingerichtete Gefängnisetage des Ministeriums brachte, sah sich Kingsley noch einmal in der Menge um. „Gibt es noch weitere Wortmeldungen?“, fragte er die still gewordene Menge. Keine Hand erhob sich. „Gut. Dann erkläre ich die Pressekonferenz gleich für beendet. Vorher habe ich noch eine Ankündigung zu machen: Während dieser Konferenz haben vertrauenswürdige Auroren gemeinsam mit reaktivierten Ruheständlern im ganzen Land mutmaßliche Unterstützer des dunklen Regimes festgenommen. Ihnen wird demnächst der Prozess gemacht werden. Für die verbliebenen Todesser, die sich nicht an der Schlacht hier in Hogwarts beteiligt haben, wurde eine Sonderkommission eingerichtet. Sie hat die alleinige Aufgabe, die Flüchtigen zu fassen und der Gerichtsbarkeit zuzuführen. Ich danke ihnen für ihre Aufmerksamkeit und verabschiede mich nun. Ich bedanke mich bei Harry, Ron und Hermine, dass sie uns so bereitwillig unseren Fragen Rede und Antwort gestanden haben.“
Als der Minister geendet hatte, brandete tosender Applaus auf und die drei stiegen vom Podium herab.
„Klasse, Hermine. Wie du die Kimmkorn fertig gemacht hast. Einfach spitze“, wurde sie von Ron gelobt. „Den Seitenhieb, dass ich vergessen habe wie man Horkruxe zerstört hättest du dir aber sparen können, Ronald“, giftete Hermine zurück. „Da macht man dir mal ein Kompliment und du wirst wieder sauer“, entgegnete Ron traurig, doch er wurde von Lavender aufgeheitert, die auf ihn zugestürmt kam und ihn begeistert abküsste.
„Lass uns gehen, Mine“, sagte Harry beschwichtigend und hielt ihr lächelnd die Hand hin. Hermine ergriff sie und ihre Miene heiterte sich sichtbar auf. Gemeinsam gingen sie durch die Menge, auf der Suche nach Ginny. Vereinzelt wurden sie noch einmal angesprochen, doch wurden ihnen keine Fragen mehr gestellt.
Sie fanden Ginny schließlich am Rande der Menge, in ein Gespräch mit zwei Personen vertieft. Als Harry diese erkannte, blieb er abrupt stehen. „Was macht ihr denn hier?“, fragte er schockiert.
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