Harry Potter und zwei Frauen - Ein ruhiger Samstag
von Caine
Anschlag auf die Pressefreiheit
Am Sonntag Gedenkfeier an die Gefallenen des Regimes von Ihm, dessen Name nicht genannt werden darf
von Barnabas Cuffe, Chefredakteur
Bei der gestrigen Pressekonferenz in Hogwarts (ausführlicher Bericht Seiten 2-7) kam es am Rande zu äußerst unschönen Vorkommnissen. Rita Kimmkorn, langjährige erfolgreiche und angesehene Reporterin des Tagespropheten und Autorin von „Leben und Lügen des Albus Dumbledore“, wurde verhaftet aufgrund bisher nicht bestätigter Vorwürfe, ein nicht registrierter Animagus zu sein.
Diese Vorwürfe wurden von niemand geringerem als Hermine Granger, langjähriger Freundin von Harry Potter, erhoben. Wie wir wissen hegt besagte Miss Granger schon seit etlichen Jahren eine tiefe Abneigung gegen unsere geschätzte Kollegin und scheut kein Mittel, die freie Presse mundtot zu machen.
Der gutgläubige Zaubereiminister Kingsley Shacklebolt, außerdem langjähriger Vertrauter von Potter und Granger, ließ Rita Kimmkorn sogleich von einem Auroren abführen und den Zauberstab abnehmen.
Der Tagesprophet lehnt diesen Anschlag auf die Pressefreiheit strickt ab und fordert umgehend den Rücktritt des ohnehin nur vorübergehend eingesetzten Zaubereiministers. Erst wenige Tage im Amt und schon missbraucht der Minister seine Macht schlimmer als seine Vorgänger.
Wenngleich Shacklebolt versicherte, Rita würde umgehend freigelassen werden, sollten sich die Vorwürfe nicht bewahrheiten, so ist ihr Ruf doch nachhaltig geschädigt. Der Tagesprophet stellt fest, dass Granger und Shacklebolt somit Rufmord begangen haben und fordert eine umgehende Entschuldigung der beiden.
Der Prophet erwartet diese Stellungnahme spätestens am Sonntag auf der zentralen Gedenkfeier an die Gefallenen des zweiten Krieges.
Diese Feier wird, wie auch schon die gestrige Pressekonferenz, in Hogwarts stattfinden und gegen zwei Uhr nachmittags beginnen. Jedermann ist herzlich eingeladen, zu erscheinen.
Lesen sie auf den weiteren Seiten:
Was uns all die Jahre über die Vorgänge in Hogwarts vorenthalten wurde. (Seiten 2 und 3)
Der Letzte Kampf des Dunklen Lords. (Seite 3)
Horkruxe - Was ist das? (Seiten 3 und 4)
Harry Potter - der nächste dunkle Lord? (Seite 4)
Wie geht es mit Hogwarts weiter? (Seiten 4 und 5)
Todesser - was mit ihnen tun? (Seiten 5 bis 7)
Harry legte angewidert den Tagespropheten zur Seite. „Diesem Cuffe sollte man echt mal die Meinung sagen. Also wirklich!“, erzürnte er sich. „Ich glaube, Slughorn hat ihn mal erwähnt. War er nicht auch einer seiner Lieblinge?“, sagte Ginny nachdenklich. Hermine, die hinter der aufgeschlagenen Zeitung verschwunden war, sagte merklich mies gelaunt: „Ich dachte wirklich, wenn Rita weg ist, dann ist Schluss mit diesem miesen Journalismus. Aber diese ganze Zeitung scheint nur so von denen durchdrungen zu sein.“ Sie blätterte eine Seite um. „Also wirklich! So was von reißerische, Stimmung machende Artikel habe ich echt noch nie gelesen. Was uns all die Jahre über die Vorgänge in Hogwarts vorenthalten wurde. Schüler angegriffen, Tote, Lehrer von Zentauren verschleppt. Die meinen bestimmt Umbridge. Kammer des Schreckens, Schüler gefoltert, wieder Umbridge. Dass der verschleppte Lehrer und die folternde Person ein und dieselben sind, erwähnen sie mit keinem Wort!“ Hermine redete sich in Rage. Später, etwas ruhiger geworden, sagte sie: „Die Artikel über die Schlacht und die Horkruxe sind ganz gut geschrieben, journalistisch einwandfrei und wertungsfrei. Wie guter Journalismus sein soll.“ Doch nach einiger Zeit fing sie derart an zu fluchen, dass auch Schüler an anderen Tischen ihr verstohlene Blicke zuwarfen. „Also wirklich! Jetzt gehen die aber zu weit! Harry der nächste dunkle Lord? Das ist doch die Höhe! Erst mir und Kingsley Rufmord vorwerfen und jetzt das!“
„Ganz ruhig, Mine! Die haben schonmal geschrieben, dass ich mein Heil in den dunklen Künsten suchen könnte. Die wärmen das nur wieder auf“, wandte Harry beschwichtigend ein.
„Aber das ist absolut unseriös! Jeder, der dich auch nur ein bisschen kennt oder dich auf der Pressekonferenz erlebt hat, wird sofort merken, dass du mit den dunklen Künsten ungefähr so viel gemeinsam hast wie dieses Schmierblatt hier mit seriösem Journalismus!“, erzürnte sich Hermine.
„Mein Dad hält den Tagespropheten auch für eine schlechte Zeitung“, sagte eine verträumte Stimme einige Plätze neben Hermine. Sie, Harry, Ginny und einige andere wandten sich Luna zu. „Das sagt er schon seit langem. Deswegen schreibt er über die Sachen, die ihm wichtig sind und nicht dem Tagespropheten.“
Hermine verdrehte die Augen. „Mal ehrlich, Hermine. Was kannst du schon gegen den Tagespropheten ausmachen? Der hat quasi ein Monopol auf die Tagesnachrichten. Soweit ich weiß gibt es sonst keine weiteren Zeitungen, oder?“, sagte Harry und sah Ginny fragend an.
Diese runzelte kurz nachdenklich die Stirn, dann sagte sie: „Die Hexenwoche gibts noch. Und halt den Klitterer von Lunas Dad. Und noch so ein paar kleinere Blätter, die spezielle Themen abhandeln, wie Verwandlung heute oder Angewandte Zaubertrankkunde. Diverse andere, seriösere Tageszeitungen gibt es auch noch, aber der Tagesprophet ist bei weitem die Größte. Achja und natürlich noch das Klatschblatt, die Hexenwoche.“ Harry seufzte. „Muss man sich hier wirklich um alles kümmern?“ „Heißt das, du willst eine Konkurrenzzeitung zum Tagespropheten aufbauen?“, wollte Hermine skeptisch wissen. Harry dachte kurz angestrengt nach. „Vielleicht“, antwortete er, „Das wäre wirklich einer Überlegung wert. Wirklich unabhängiger, vorurteilsfreier Journalismus. Mal was Neues in der Zaubererwelt“, sagte er, träumerisch ins Leere starrend.
„Und wieder einmal rettet Harry Potter die Zaubererwelt“, scherzte Ginny, worauf sie ein ungnädiges Brummen von Harry vernahm und er wandte ein: „Ich mache das nicht freiwillig, Ginny. Ich bin scheinbar der einzige, der auch die Mittel dazu hat. Es ist doch immer wieder das gleiche“, beschwerte er sich. Ginny lachte auf. „Ich weiß, du machst nur das, was alle machen würden.“
Minuten später waren Harry und Hermine auf dem Weg zu ihrer zweiten Lehrerversammlung.
„Hast du schon eine Idee, wie du das mit der Konkurrenzzeitung aufziehen willst, Harry?“, fragte Hermine begierig. „Noch nicht so wirklich. Ich denke, ich stelle das Geld zur Verfügung, mache die Bedingung, dass es freier Journalismus sein soll und mische mich nicht weiter ein. Warum fragst du mich eigentlich? Du hast doch bestimmt schon etliche Ideen im Kopf, wie du dem Propheten eins auswischen kannst, oder?“, antwortete Harry grinsend. Hermine nickte zustimmend. „Ich würde auf jeden Fall Kontakt mit Lunas Dad und mit Lee Jordan aufnehmen. Die zwei haben schon Erfahrung mit Journalismus und wissen, wie man so etwas aufzieht. Und dann Stellenanzeigen über die NMW und den Klitterer aufgeben. Geld hast du ja genug. Fehlen nur noch Räumlichkeiten.“
„Grimmauldplatz Nummer 12“, sagte Harry nach kurzer Überlegung, „Ich will das Haus nicht. So würde es einem guten Zweck zugeführt. Vorher müssten natürlich die diversen Schutzzauber von ihm genommen werden, es müsste gründlichst entkernt und renoviert werden und alles. Aber danach dürfte es ideal für diese Zwecke sein.“
„Gute Idee. Wann willst du dich darum kümmern?“, fragte Hermine und sah ihn mit einem komischen Blick an. „Ach weißt du, Mine. Ich gebe nur das Geld und lasse andere machen. Ich hatte, wenn überhaupt, nur die Idee. Ich merke schon, dass du dir darüber viel mehr Gedanken machst als ich. Warum übernimmst du nicht die Organisation?“ Hermines Gesicht strahlte plötzlich und sie umarmte ihn glücklich. „Danke, Harry!“ Er wusste, dass sie diese Gelegenheit, dem Tagespropheten eins auszuwischen, sehr gut nutzen würde und war überaus zufrieden mit der Entscheidung. Sie ließen voneinander ab und betraten das Lehrerzimmer.
Drei Stunden später verließen sie es wieder, mit einem gehörigen Packen an Pergamenten und vollkommen erschöpft. Harry hatte die Gelegenheit beim Schopfe gepackt und sich ungewohnt wortreich bei Professor McGonagall entschuldigt. Sie hatte das wohlwollend hingenommen und ihm gleich darauf die Lehrpläne für seine zukünftigen Klassen in die Hand gedrückt. Harry sah sie sich auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors schon einmal durch.
Die Zweite würden sie theoretisch in gedächtnis- und bewusstseinsverändernden Zaubern unterrichten. Für die dritte waren dunkle Geschöpfe vorgesehen. Daran hatte sich Lupin, wie Harry mit einem Stich feststellte, penibel genau gehalten. Für die vierte Klasse war die theoretische und praktische Abwehr feindseliger Zauber vorgesehen, wie der falsche Moody es tatsächlich auch getan hatte, und für die sechste praktische und theoretische Verteidigung gegen dunkle Geschöpfe. Und das mit ungesagten Zaubern. Es würde keine erste, fünfte und siebte Klasse geben, da sich hierfür keine Schüler gemeldet hatten. Genau dies hatte McGonagall ja bereits voraus gesehen.
Harry seufzte. Der Stundenplan war so eng gepackt, dass sie sogar am Samstag Nachmittagsunterricht geben würden. „Was seufzt du?“, wollte Hermine wissen. Sie hatte bereits in der Konferenz begonnen, den Unterricht zu planen und hielt bereits den Stoff für die dritte Klasse am Montag in der Hand.
„Ist dir klar, dass wir kaum Freizeit haben werden, Mine?“ „Tja, das ist das Los des Lehrenden. Schüler verkennen oftmals, wie viel Arbeit die Lehrer mit ihnen haben. Wir werden dann auch noch Hausaufgaben geben und benoten müssen. Und am Ende werden wir die Prüfungen ausarbeiten“, sagte Hermine ruhig. Harry seufzte noch einmal auf. Hatte er doch bisher gedacht, das Unterrichten würde im Gegensatz zu Voldemort ein Klacks werden, so war er sich dieser Einschätzung so langsam nicht mehr sicher.
Im Gemeinschaftsraum wurden sie von Ginny erwartet, die unbedingt alle Einzelheiten erfahren wollte. Sie war ganz begeistert davon, wie weit die Planung mit der Zeitung schon vorangeschritten war. „Ihr braucht auch einen Sportteil! Quidditch ist immer interessant und bringt Leser. Wisst ihr was? Warum wird das nicht so ähnlich wie Lees NMW? Dass die Zeitung auch Nachrichten aus der Muggelwelt bringt. Die Zauberer sind ja immer so abgeschnitten und bekommen überhaupt nichts von den Muggeln mit. Fußball würde bestimmt auch die Magier interessieren. Das ist ja der letzte Schrei bei vielen Muggeln. Dean hat gesagt, dass dieses Jahr die Weltmeisterschaft in Frankreich stattfindet, das wär doch schon mal was“, sprudelte es aus Ginny heraus.
Harry glotzte sie ziemlich blöde an. Solch ein Sprechtempo kannte er von Hermine, aber von Ginny war er das definitiv nicht gewöhnt. Die zwei lachten über Harrys dämliches Gesicht, was ihn wieder in die Gegenwart brachte: „Wisst ihr was? Wenn ihr euch schon so viele Gedanken darüber macht, warum erarbeitet ihr nicht gemeinsam ein Konzept? Ihr bekommt von mir das Gold und setzt es dann um.“
„Du willst dir ja nur keine Arbeit machen“, frotzelte Hermine. Harry lachte: „Das auch, Mine. Und außerdem könnt ihr das eh viel besser als ich. Ich wäre da eher der Klotz am Bein.“ Somit war es beschlossene Sache. Ginny und Hermine besprachen schon äußerst detailliert den möglichen Aufbau, das Layout und noch einige Sachen, von denen Harry keine Ahnung hatte. Er saß stumm daneben und fragte sich zwischendurch, von was zum Teufel die da eigentlich redeten. Als er merkte, dass er von den beiden vollkommen ignoriert wurde, beschloss er, doch einmal seine Verwandten zu besuchen. McGonagall hatte ihm nach der Versammlung mitgeteilt, in welchem Gästezimmer sich seine Tante und sein Cousin aufhielten.
War er doch noch recht entschlossen aus dem Gemeinschaftsraum gekommen, so war er sich seiner Sache mit jedem Schritt, den er auf die Räume seiner Verwandten zuging, immer unsicherer geworden. Nun stand er äußerst unentschlossen direkt vor ihrer Tür und konnte sich nicht überwinden, anzuklopfen. 16 Jahre Hass, Missachtung und Verabscheuung standen zwischen ihm und der Tür. Dies zu überwinden galt es nun, doch er konnte sich nicht wirklich dazu durchringen. Zu tief saßen die Verletzungen. Es waren keine sichtbaren, körperlichen Verletzungen. Nein, es waren vielmehr seelische, die ihn belasteten. 10 Jahre hatte er bei den Dursleys gelebt, bis Hagrid ihn nach Hogwarts gebracht hatte. 10 Jahre, in denen er nie die Liebe gespürt hatte, die einem so nahe Verwandte eigentlich hätten geben sollen. Mit Wehmut erinnerte er sich daran, wie er in jungen Jahren versucht hatte, nach schlimmen Alpträumen mit grünen Blitzen, zu Tante und Onkel ins Bett zu kriechen, um dort Schutz zu suchen. Der Onkel hatte ihn dann immer wieder abgewiesen und ihn zurück in sein eigenes Bett gebracht. Irgendwann war es Onkel Vernon zu viel geworden und er hatte Harry in den Schrank unter der Treppe gesteckt und ein Vorhängeschloss daran angebracht. Erstaunt stellte er fest, dass es wirklich immer nur Onkel Vernon gewesen war, der ihn zurückgewiesen hatte, niemals Tante Petunia. Doch sie hatte auch nichts unternommen, um ihren Gatten daran zu hindern.
Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, denn unvermittelt ging eben jene Tür auf, die Harry schon eine ganze Weile unentschlossen betrachtete, und er starrte in das verwirrte Gesicht Dudleys. Kurze Zeit später breitete sich ein breites Lächeln auf diesem aus und er begrüßte Harry freundlich: „Hallo, Harry. Komm doch rein! Schön, dass du da bist.“ Harry folgte stumm der Aufforderung seines Vetters.
Er betrat einen behaglich eingerichteten Raum, wohl ein Wohnzimmer. Auf dem Sofa vor dem Kamin, in dem ein prasselndes Feuer brannte, saß Tante Petunia, tief vertieft in die Geschichte Hogwarts. Harry musste zweimal hinsehen, ehe er diese Tatsache bewusst aufnahm. Dudley, der seinem Blick gefolgt war, sagte: „Mum wollte unbedingt alles über Hogwarts wissen und die Schulleiterin hat ihr das Buch empfohlen. Sie hat es sich gleich gestern Abend in eurer Bibliothek besorgt. Mann, diese Madam Pinsel ist vielleicht komisch drauf! Die hat uns die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen.“
Harry erwiderte: „Ich würde sagen, dass sie das erste mal Muggel in ihrer Bibliothek hatte. Außerdem war das bestimmt nicht nur zum Schutz ihrer Bücher, obwohl ihr die heilig sind, sondern auch zu eurem. Manche von den Dingern sind äußerst gefährlich. Ihr habt bestimmt die Abteilung gesehen, die abgesperrt ist.“ Dudley nickte. „Das ist die verbotene Abteilung. Da drin stehen auch Bücher über die dunkelste Magie. Da dürfen selbst Zauberer nur mit ausdrücklicher Genehmigung eines Lehrers rein.“
Dudley wirkte verblüfft. „Wie kann ein Buch denn gefährlich sein? Das ist doch nur Papier.“ Harry seufzte auf. Dudley war manchmal so naiv. „Hör mal zu, Dudley. Du musst jetzt in anderen Dimensionen denken. Du hast es hier mit Zauberei zu tun. Das ist absolut nicht zu vergleichen mit euren Büchern. Es gibt Bücher, die anfangen zu schreien, wenn man sie öffnet. Ich habe eins, das will dich beißen, wenn du es nicht streichelst. Es gibt Bücher, in denen man nicht aufhören kann zu lesen. Du musst dann ständig mit der Nase darin herumlaufen und alles mit nur einer Hand machen.“ Dudleys Augen weiteten sich.
„Oh! Hallo, Harry“, erklang Tante Petunias Stimme vom Sofa her. Offenbar war sie so in das Buch vertieft gewesen, dass sie überhaupt nicht gemerkt hatte, dass Harry eingetreten war. „Hallo, Tante Petunia“, erwiderte Harry etwas steifer als beabsichtigt. Petunia lächelte und deutete auf den Sessel ihr gegenüber. „Warum setzt du dich nicht und wir trinken etwas Tee zusammen?“, fragte sie. Während Harry sich setzte, ging Dudley zu einem Tisch und kam kurze Zeit später mit einer dampfenden Kanne Tee und drei Tassen zurück. Er stellte alles auf den Tisch, schenkte ein und setzte sich dann an die Seite seiner Mutter. Stille trat ein, in der jeder der drei an seiner Tasse nippte. „Was führt dich zu uns?“, fragte Tante Petunia schließlich. Harry schwieg zuerst, sorgfältig seine Antwort abwägend. Dann antwortete er: „Ich habe mir eure Worte von gestern noch einmal gründlich durch den Kopf gehen lassen. Ich denke, dass ich einen Neuanfang mit euch wagen könnte.“ Tante Petunia strahlte und auch Dudley sah recht froh aus. „Aber-“, fuhr Harry fort, „ich werde wohl nicht vergessen können, was ihr mir in den Jahren angetan habt. Dafür gibt es keine Entschuldigung. Ich habe von der Zeit bei euch keine einzige gute Erinnerung, abgesehen von den wenigen Momenten in denen ihr mich ausnahmsweise mal alleine im Haus gelassen hattet und ich machen konnte was ich wollte. Freundschaft, Liebe und das Gefühl eines Zuhauses habe ich erst hier in Hogwarts kennengelernt.“ Harry pausierte kurz, atmete einmal tief durch und fuhr dann fort: „Aber ihr seid meine einzigen lebenden Verwandten. Das und Ginnys, sowie Hermines Überredungskünste-“, Harry dachte kurz an den gestrigen Abend und konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, „sind nun die Gründe, warum ich euch eine Chance gebe. Ich hoffe, ihr nutzt sie und enttäuscht mich nicht.“
Harry endete und sah in die Gesichter seiner Tante und seines Cousins. Eine Mischung aus Trauer, Verständnis und Hoffnung war in ihnen zu lesen. Trauer über ihr vergangenes Verhalten, Verständnis über Harrys Empfinden und Hoffnung auf eine Annäherung. Tante Petunia räusperte sich und versuchte, ihrer Stimme Halt zu geben: „Harry, ich danke dir dass du uns die Möglichkeit gibst, unser Verhalten wenigstens etwas wieder gutzumachen. Ich hoffe, wir werden dich nicht enttäuschen.“ Dudley nickte zustimmend, brachte aber kein Wort heraus.
Sie gingen gemeinsam zum Mittagessen in die große Halle, obwohl die Dursleys ihr Mahl auch in ihren Räumen hätten einnehmen können. Harry hatte gehofft, dort Ginny und Hermine zu treffen, doch er wurde enttäuscht. Neville sagte ihm, dass die zwei schon gegessen hätten und dann in die Bibliothek gegangen wären. Die Gryffindors hatten Tante Petunia und Dudley freundlich, wenn auch etwas reserviert aufgenommen. Harrys schwere Kindheit und sein angespanntes Verhältnis waren allbekannt.
Am Nachmittag wollte Harry seinen Verwandten das Schloss und die Ländereien zeigen. Da die Bibliothek bereits von ihnen besucht worden war, begann er in der Eulerei. Er zeigte ihnen, wenn auch etwas wehmütig, den Astronomieturm. Ein mulmiges Gefühl hatte von ihm Besitz ergriffen, als er dort oben stand und mit ihnen den Blick über die Ländereien schweifen ließ. Das letzte Mal war er hier mit Dumbledore gewesen, am Abend von dessen Tod. Er brachte dies schnell hinter sich und setzte den Rundgang fort. Er hätte gerne Hermine dabeigehabt, denn diese hätte um einiges mehr über das Schloss erzählen können. Vielleicht sollte er doch irgendwann einmal einen Blick in die Geschichte Hogwarts werfen? Tante Petunia und Dudley folgten interessiert seinen Ausführungen und waren ums eine oder andere Mal äußerst erstaunt über die Möglichkeiten der Zauberer.
Harry setzte die Tour auf den Ländereien fort, ging mit ihnen an den See, zeigte ihnen die Gewächshäuser und das Qudditchfeld. Dort verweilten sie etwas länger, denn Dudley wollte unbedingt die Regeln erfahren. Außerdem waren dort ein paar Schüler in der Luft, die ein kleines Match spielten. Harry erkannte, dass die Spieler nicht sehr oft flogen. Ihre Bewegungen waren eher ungelenk und ihre Ballkontrolle eher miserabel. Dennoch hatten sie viel Spaß dabei. Dudley und Petunia interessierte nicht die mindere Qualität des Spieles, wenngleich sie diese garantiert nicht beurteilen konnten, als vielmehr die Tatsache, dass Besen tatsächlich flogen und es einen richtigen Sport darauf gab.
Die drei verließen das Qudditchfeld, hielten kurz an Dumbledores weißem Grabmal an, wo Tante Petunia einen Strauß frisch gepflückter Blumen niederlegte und gingen dann auf Hagrids Hütte zu.
Harry hatte den Besuch bei Hagrid mit Absicht ans Ende ihrer Tour gestellt. Sein letztes Zusammentreffen mit den Dursleys hatte er noch gut in Erinnerung. Hagrid hatte Dudley ein geringeltes Schweineschwänzchen verpasst, Onkel Vernons Schrotflinte verknotet und Harry gesagt, dass er ein Zauberer sei. Harry hoffte inständig, dass ihr heutiges Treffen besser laufen würde. Er klopfte und trat rasch einen Schritt zur Seite, just in dem Moment da sich die Tür öffnete. Fang, Hagrids Saurüde, kam prompt herausgestürmt, sprang an Dudley hoch und versuchte, ihm über das Gesicht zu lecken. Wäre Dudley nicht so ein Schrank von einem Menschen, er wäre unter diesem Ansturm glatt umgefallen, überlegte Harry. Hagrid, der zunächst nur Harry bemerkte, rief erfreut: „Harry! Schon, dich zu sehn. Komm rein, alter Junge! Hab grad nen Tässchen Tee gemacht.“ Er sah sich nach Fang um und stutzte. Harry konnte unter Hagrids Bart deutlich sehen, wie bei ihm die Rädchen ratterten, während er Dudley und Petunia anstarrte, die immer noch versuchten, Fang abzuwehren. Harry bereitete dem ein Ende, ehe Hagrid die falschen Schlüsse ziehen konnte: „Hagrid, das sind meine Tante Petunia, die Schwester meiner Mum, und ihr Sohn Dudley, mein Cousin. Du erinnerst dich vielleicht, ihm hast du an meinem elften Geburtstag ein Schweineschwänzchen verpasst“, sagte er grinsend.
„Wusst ichs doch, dass ich euch irgendwoher kenn“, sagte Hagrid nachdem sie alle an seinem großen Tisch Platz genommen hatten und jeder einen dampfenden Eimer Tee vor sich stehen hatte. Dazu servierte Hagrid seine üblichen Felsenkekse. Dudley griff beherzt zu, doch nach einem Knacken seiner Zähne, das Harry quer über den Tisch hatte hören können, beließ er es dabei. Nach der Erklärung, warum Harrys Verwandte vorerst in Hogwarts weilten, murmelte Hagrid: „Habs mir damals schon gedacht. Dieser Vernon hatte was Komisches. Schade, dass ihr ihn nich eher losgeworden seid. Aber wo die Liebe hinfällt, da kann man nix machen.“
Beim Abendessen trafen sie dann auch endlich wieder auf Ginny und Hermine, die sich bei Harry ausführlich entschuldigten. Solche Entschuldigungen könnte er öfter vertragen, dachte sich Harry grinsend nach zwei äußerst intensiven Küssen. Sie hatten in der Bibliothek gesessen und für die Zeitung recherchiert und hatten ihn über der Arbeit völlig vergessen. Interessiert lauschten sie Harrys Schilderung seines Tages mit den Dursleys und grinsten wissend bei der Erwähnung von Hagrids Felsenkeksen. „Mein Zahn tut immer noch weh“, stöhnte Dudley, der Harry gegenüber saß.
Harry wünschte seinen Verwandten eine gute Nacht und folgte seinen Damen in den Gemeinschaftsraum, wo sie ihm den restlichen Abend ihr Pläne für die Zeitung erörterten.
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Samstag, 01.07.
Freitag, 02.06.
Mittwoch, 24.05.
Ich war neulich bei Topshop und eine Frau, die dort arbeitete sagte zu mir: 'Witzig, du siehst genauso aus wie das Mädchen, das Hermine spielt!' - 'Äh ja, weil ich es bin.' - 'Bitte? Was? Wie bitte!?'
Emma Watson