
von Lady_Selena
„Würdet ihr mich auf einen Spaziergang begleiten, Selena?“ fragte der dunkle Lord, nachdem Wurmschwanz das Frühstücksgeschirr abgeräumt hatte.
„Natürlich, Mylord, ich hole nur noch schnell meinen Umhang.“ Normalerweise hätte sich Selena den Umhang von ihrer treuen Hauselfe bringen lassen, aber sie wollte allein sein, wenigstens einen Moment. Sie hatte zwar kurz gezögert, als sie seine Hand ergriff, aber, dass tatsächlich geschehen könnte, was sie gehofft und gleichzeitig gefürchtet hatte, daran hatte sie nie wirklich geglaubt! Es war einfach unmöglich, es musste ein böser Traum sein, dachte sie, während sie die Treppen hinauf in ihr Schlafgemach stieg.
Dort angekommen, ließ sie sich zunächst auf ihr Bett fallen und starrte zur Decke empor. Erst die piepsige Stimme Lolas riss sie aus ihren Gedanken. Sie setzte sich auf und sah das Geschöpf zu ihren Füßen stumm an.
„Herrin? Ist Euch nicht wohl? Soll Lola Euch etwas bringen?“
„Nein, Lola, ist schon gut. Ich wollte nur einen Moment allein sein. Gib mir meinen Umhang, ich werde einen Spaziergang machen.“
Beflissen reichte die Elfe der jungen Hexe ihren Umhang. Selena warf ihn über ihre Schultern und sah sich prüfend im angelaufenen Spiegel des alten Waschtisches an. ‚Ich bin schön’ dachte sie verzweifelt ‚aber der Mann, den ich begehre, wird mich niemals wollen, die Prophezeiung wird sich niemals erfüllen...’
Erst in diesem Moment wurde ihr klar, dass sie den Dunklen Lord wirklich wollte. Sie hatte immer geglaubt, wenn sie den Mann aus der Prophezeiung traf, würde sie ihn verabscheuen. Sich widerstrebend von ihm schwängern lassen, um die Prophezeiung zu erfüllen und den ‚Einen’ zu gebären ‚der die Welten verbinden’ wird. Was bedeutete dieser Schwachsinn überhaupt??? Von wegen die ‚Welten verbinden’??? Welche Welten?
Sie hatte schon einige Männer in ihrem Leben gehabt, aus verschiedenen Gründen, hatte Selena sie ausgenutzt. Muggel wie Zauberer, ohne Ansehen des Blutes. Die meisten ihrer verflossenen Liebhaber waren auch durch ihre Hand gestorben, nur so zum Spaß und weil sie es konnte... Aber jetzt?... Irgendetwas war anders...Diese Gefühle waren auch ihr neu, oder war es nur wieder dieses Begehren und Aufflackern der Leidenschaft, dass am Anfang jeder ihrer Liebschaften stand und das ebenso schnell kam wie ging? Sie wusste es nicht und das machte ihr Angst.
Selena riss sich aus ihren Gedanken und steckte ihrem Spiegelbild die Zunge heraus... Das war doch albern! Was kommt, das kommt und es ist sinnlos sich ĂĽber Dinge den Kopf zu zerbrechen, die erst noch geschehen mussten um wirklich relevant zu sein.
Mit diesem Gedanken stieg sie die Treppe hinunter und sah den Dunklen Lord bereits an der HaustĂĽr auf sie warten.
Unten angekommen, machte sie einen höflichen Knicks und sagte keck, um ihre Unsicherheit zu vertuschen:
„Verzeiht einer Frau ihre Eitelkeit, Mylord. Ich konnte mich nicht entscheiden, welchen Umhang ich tragen sollte, wenn ich mich mit Eurer Lordschaft in der Öffentlichkeit zeige.“
„Er scheint mir trefflich gewählt“ antwortete dieser mit einer spöttischen Verbeugung und wies sie somit durch die von Wurmschwanz geöffnete Tür. Selena schritt an beiden Männern vorbei und atmete die frische, klare Morgenluft ein.
„Ihr seit ein wahrer Gentleman, Mylord, einer Frau den Vortritt zu lassen...“ sagte sie als sich die Tür hinter ihnen schloss.
Er nickte nur kurz und Selena deutete dies als ‚gewöhnt Euch nicht zu sehr daran, der Vortritt gebührt eigentlich mir’
Forschen Schrittes gingen sie den Gartenpfad entlang, auf dem sich bereits Brombeerranken auszubreiten begannen, durch das schmiedeeiserne Gartentor, die gewundene Strasse entlang bis zum alten Friedhof. Es musste wirklich noch sehr frĂĽh am Morgen sein, sie trafen keine Menschenseele. Lord Voldemort fĂĽhrte Selena zielgerichtet bis zum Grab Tom Riddles, blieb stehen und sagte, sich umdrehend auf Parsel:
„Hier hat Euch Nagini gestern Abend also gefunden?“
„Ja, Mylord“ antwortete Selena verwirrt.
„Sie wollte Euch eigentlich angreifen und als Abendessen verspeisen, wusstet ihr das?“
„Ja, sie sagte es mir auf dem Weg zu Eurem Haus. Hätte ich kein Parsel benutzt, so hätte sie mich sicher getötet.“
„Da habt ihr Recht... Ihr habt mich heute Nacht ziemlich erschreckt, kleine Selena Morgaine d’Esmerald. Ihr wusstet mehr über mich, als ich für möglich gehalten hätte... Nur sehr wenige noch lebende Zauberer kennen meinen Geburtsnamen.“ Selena hielt den Atem an, sie wusste nun würde sich ihre Vermutung entweder bestätigen oder auch nicht, als er verächtlich hinzufügte: „Tom Marvolo Riddle“ Sie atmete hörbar aus und dachte bei sich ‚ich wusste es’. Der Dunkle Lord blickte von ihr zum Grabstein seines Vaters und fuhr fort
„Ich weiß nicht wie ihr von ihm“ er nickte in Richtung Grab „erfahren habt, Schließlich musste einst auch ich enttäuscht feststellen, dass er nur ein wertloser Muggel ist und ich, Lord Voldemort, der Erbe des großen Salazar Slytherins, ein Halbblut, Sohn einer reinblütigen Hexe und dieses Abschaums hier, bin. Ich habe ihn und seine Eltern getötet, als ich 16 Jahre alt war. Er hatte meine Mutter verlassen, als sie mit mir schwanger war. Sie starb kurz nach meiner Geburt und ich wuchs in einem Muggelwaisenhaus auf. Könnt ihr das glauben, kleine Selena? Lord Voldemort Sohn eines Muggels und unter Muggeln aufgewachsen?“ Bei seinen letzten Worten richtete er seinen Zauberstab auf das Grabmahl, ein grüner Blitz löste sich daraus und der Stein zerfiel in einer Dunstwolke zu Staub. In der sich senkenden Staubwolke meinte Selena einen leisen Schrei zu hören, war sich aber nicht sicher.
Als sich der Staub gesenkt hatte stand Lord Voldemort noch an derselben Stelle, wo Selena ihn zuletzt gesehen hatte, ein paar Schritte von ihr entfernt. Sie ging langsam, auf ihn zu und legte ihre Hand auf seine Schulter. Sie spürte deutlich seine Verzweiflung, diese Schmach musste ihn verfolgen. Sie, seit Ewigkeiten reinblütig, konnte, wollte sich gar nicht vorstellen, wie es wäre, solch einen Vater zu haben. Sie hatte zwar schon mit Muggeln geschlafen, doch immer aufgepasst, nicht schwanger zu werden. Diese Schande wollte sie sich, ihrer Familie und vor allem ihren Kindern ersparen.
„Ich weiß noch nicht einmal warum ich Euch dies alles erzähle, kleine Selena. Ich hatte heute nach dem Frühstück einfach das Bedürfnis, mit Euch hierher zu gehen, Euch meine Geschichte zu erzählen und dieses verfluchte Grab zu zerstören!“ Selena stellte sich vor ihn hin, griff in seinen Nacken und nahm ihn mit sanfter Gewalt in ihre Arme. Er wehrte sich nicht als sie sprach.
„Psst, Ihr braucht Euch nicht zu rechtfertigen, Mylord, es ist lange her und Ihr habt seither hundert- ja tausendfach bewiesen, was ihr von solchem Abschaum haltet. Auch ich musste unter Muggeln aufwachsen, Mylord! 9 lange Jahre, bis ich endlich volljährig wurde und über mein Vermögen verfügen konnte. 9 lange Jahre bis ich in mein Elternhaus zurückkehren durfte. 9 lange Jahre, bis ich meine Rache bekam und ihre Leichen endlich vor mir auf dem Boden lagen. Sie wollten mich umerziehen, aber eine d’Esmerald wird nicht zum Muggelfreund! Niemals! Genauso wenig wie ihr, egal welcher Abstammung ihr seid.“
Daraufhin löste er sich aus ihrer Umarmung, wirkte aber etwas verlegen.
„Verzeiht meine Schwäche, kleine Selena. Ich weiß auch nicht was mit mir los ist. Vielleicht eine sentimentale Nachwirkung, des Zaubers, den ihr beim Frühstück vorhin sicherlich auch gespürt habt.“
Oh ja, das hatte sie... mehr als deutlich.
„Gewiss, Mylord. Doch wie Ihr vorhin bereits bemerkt habt, hat es keinerlei Bedeutung für uns.“ ‚Oder doch?’ fügte sie in Gedanken hinzu und beim Blick in seine scharlachroten Augen wusste sie, dass er genau dasselbe dachte, wie sie.
Langsam und schweigend kehrten sie zum alten Riddlehaus zurück, wo Selena sich von ihm trennte und mehr oder weniger auf ihr Zimmer floh. Sie wollte allein sein. Allein mit ihren Gedanken... Selbst ihre Elfe schickte sie fort, als sie das Zimmer betrat und das kleine Geschöpf diensteifrig auf sie zukam. Noch in ihren Umhang gehüllt ließ sie sich auf das Bett fallen und begann zu weinen, auch wenn sie selbst nicht genau wusste warum.
Nach einer Weile klopfte es an der Tür und als Selena einfiel, das sie Lola weggeschickt hatte und diese folglich nicht im Zimmer war, stand sie auf und ging selbst nachsehen, wer sie da in ihrem Elend störte. In den Spiegel wollte sie gar nicht schauen, sie wusste, dass sie schrecklich aussehen musste, aber es half ja nichts. Auf die Gesellschaft ihrer Elfe hatte sie irgendwie keine Lust.
„Wer da?“ fragte sie durch das geschlossene Türblatt und war erschrocken, wie heiser sie klang. Sie rechnete fest damit, nun Wurmschwanz’ pfeifende Stimme zu hören die ihr sagte dass das Mittagessen fertig sei oder ähnlichen Blödsinn. Sie hatte ohnehin keinen Hunger.
Doch eine andere Stimme antwortete ihr, die des dunklen Lords.
„Darf ich eintreten, kleine Selena?“
„Gewiss, Mylord.“ Sagte sie, griff sich kurz an die Wangen um ihre Tränen fortzuwischen drehte den Schlüssel und öffnete die Tür.
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