
von Lady_Selena
Sie landeten in einer Selena völlig unbekannten Stadt. Oder einem Städtchen, wie sie bei näherer Betrachtung feststellte. Der Herbst hatte hier, im scheinbaren Hochland bereits Einzug gehalten. Sie standen in einem schmalen Gässchen und Selena musterte die Umgebung. Als erstes die nicht allzu weit entfernten Berge, dicht mit Nadelbäumen bestanden, dann die kleinen Häuschen.
Doch bevor sie auch nur einen weiteren Gedanken um das wo und warum fassen konnte, wurde ihr schwarz vor Augen und sie sank besinnungslos zu Boden. Das letzte was sie noch mitbekam, war der hilflose Ausdruck in den Augen ihres Gatten.
Sie erwachte irgendwann nach ihrem traumlosen Schlaf in einem fremden Bett. Sie blinzelte mehrfach, dann nahm sie die Umgebung in sich auf.
Sie lag definitiv in einem Bett. Das Zimmer schien sehr hoch und weitläufig zu sein, wie sie über die Wandschirme, die ihr Bett vor Blicken schützten, erkannte. Es schien schon spät zu sein, die Beleuchtung war spärlich und große Fensterläden sperrten die Dunkelheit ein.
Die Erinnerung holte sie ein. Eben war sie doch noch vom Haus dieser alten Frau wegappariert in dieses Dorf, das sie nicht kannte. Es war doch noch Vormittag gewesen. Wie spät mochte es wohl sein?
Eine Armbanduhr besaß sie nicht und auch ihr Nachttisch war diesbezüglich wenig aussagekräftig. Wo, zur Hölle, war sie nur?
Voreilig setzte sich Selena im Bett auf und fiel gleich in die weichen Kissen zurück. Ihr war noch immer schwindlig. Unbewusst tastete sie nach ihrem Bauch und zwischen ihre Beine. Kein Blut, keine Schmerzen, sie meinte sogar Leben in sich zu spüren. Scheinbar war alles noch in bester Ordnung.
Sie wagte noch einen Versuch, sich vorsichtig und langsam vom Bett zu erheben. Sie trug immer noch ihr Kleid, das jetzt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit furchtbar zerknittert war. Nur ihr Mieder war geöffnet und ihre Schuhe standen ordentlich vor dem Bett.
Selena schwang ihre Beine von ihrem Lager und baumelte ein wenig damit um den Kreislauf anzukurbeln. Allmählich verging auch der Schwindel und sie wagte es, sich auf den Beistelltisch stützend, aufzustellen. Vorsichtig spähte sie zwischen den Wandschirmen hindurch und entdeckte noch mehr Betten, so wie ihres. Vor einigen versperrten ebensolche Wandschirme die Sicht auf den Patienten, in anderen lagen scheinbar schlafende Kinder. Kinder? Schoss es Selena durch den Kopf. Wo war sie nur?
Augenscheinlich in einem Krankenhaus oder wenigstens einem Krankenzimmer. Dazu noch auf einer Kinderstation. Aber wo genau?
Allmählich wurde ihr von diesen Fragen, die ihr im Kopf herumschwirrten, erneut schwindlig. Deshalb setzte sie sich zurück aufs Bett.
Den Kopf in die Hände gestützt, versuchte sie erneut Herr über diese Situation zu werden. Sie wusste definitiv, dass sie ohnmächtig geworden war und ihrem Mann vor die Füße gestürzt ist. Apropos ihr Mann. Wo war der denn überhaupt? Hatte er sie hierher geschafft? Sicher nicht. Schließlich war er alles andere als sozial. Wenn er sie nicht gleich hat liegengelassen, hat er wahrscheinlich einen seiner Untergebenen beauftragt, sie fortzuschaffen. Wohin auch immer, diesen nutzlosen, unbrauchbaren Gegenstand, der sie in diesem Moment mit Sicherheit für ihn war.
Entnervt stöhnte sie auf. Ein Laut, der plötzlich Bewegung in das Krankenzimmer zu bringen schien. Zumindest hörte Selena eindeutig, wie sich eine Tür öffnete und wieder schloss und sich etwas oder jemand mit raschelnden Röcken durch den Gang bewegte.
Ohne weitere Ankündigung schob sich ein Wandschirm zur Seite und eine Frau mittleren Alters, mit Schwesternhaube auf dem Kopf, kam zum Vorschein.
Entsetzt blickte diese auf Selena hinab und drückte sie mit sanfter Gewalt wieder in die Kissen. Dabei sagte sie
»Mrs Riddle, Sie müssen sich schonen. Sie waren mehrere Stunden bewusstlos. Ein Wunder, dass Ihrem Kind nichts passiert ist.«
Selena blickte die Frau, die sie als Heilerin identifizierte, verständnislos an.
»Wo bin ich? Was ist passiert? Wie bin ich hierhergekommen?«
Freundlich blickte die Heilerin auf Selena hinab.
»Sie sind in Hogwarts. Genaugenommen im Krankenflügel von Hogwarts. Mein Name ist Poppy Pomfrey und ich bin die Heilerin an der Schule. Madam Rosmerta, die Besitzerin des Pubs unten im Dorf, brachte Sie hierher und gab mir die Informationen, die ich brauchte. Scheinbar sind Sie nach Hogsmeade appariert und kurz darauf ohnmächtig geworden. Können Sie sich das erklären, Mrs Riddle?«
Hogsmeade? Hogwarts? Madam Rosmerta? Irgendwie machten diese Dinge keinen Sinn. Was wollte ihr Mann nur hier? Was machten sie an Toms alter Schule? Dann fiel ihr die Frage der Heilerin wieder ein und sie mühte sich, diese zu beantworten.
»Ja, nein, vielleicht. Ich weiß nicht genau, warum ich zusammengebrochen bin. Ich weiß nur, dass ich schwanger bin und krank war. Ich hatte Fieber und so etwas. Allerdings bin ich schon seit ein paar Tagen relativ genesen. Heute war ich das erste Mal wieder auf den Beinen und außerhalb des Hauses unterwegs. Vielleicht, war das noch zu viel für meinen Kreislauf.«
Die Heilerin hörte der Schilderung aufmerksam zu und runzelte die Stirn. Streng fragte sie
»Was haben sie gemacht, als sie heute unterwegs waren?«
Selena schwieg einen Augenblick, doch dann antwortete sie
»Wir haben eine… ähm… alte Bekannte, meines Mannes besucht.«
Der Blick von Madam Pomfrey glitt einen Moment in die Ferne.
»Riddle ist ihr Name, richtig?«
Selena schluckte kurz und nickte dann.
»Wir hatten vor Jahren, einen Schüler mit diesem Namen, einen Moment dachte ich… nein, das kann nicht sein… wie absurd der bloße Gedanke ist!« Sie lachte kurz auf, dann schüttelte sie traurig den Kopf »Er war so ein charmanter Schüler, aber was später aus ihm geworden ist… niemand hätte so etwas erwartet. Zurück zu Ihnen, Mrs Riddle. Bitte verzeihen Sie meine Gedanken. Haben Sie heute etwas Anstrengendes getan, bei diesem Besuch? Falls ja, was?«
Die aufrichtige Antwort war »Ja«, aber Selena entschied sich für das einzig Richtige, wie sie meinte
»Nein, Madam Pomfrey. Nichts, was diese Reaktion erklären könnte… Aber bitte sagen Sie mir, wie lange muss ich noch hierbleiben, beziehungsweise, wann kann ich wieder nach Hause apparieren?«
»Apparieren? Sie sind wohl von allen guten Geistern verlassen! Ich könnte Sie in diesem Zustand nie mit gutem Gewissen apparieren lassen. Niemals, sage ich. Ich würde vorschlagen, Sie bleiben die Nacht über hier, ich gebe Ihnen ein stärkendes Mittel und Morgen früh rufen wir den Fahrenden Ritter, der Sie sicher nach Hause bringt. Bitte befolgen Sie meinen Rat, sonst gefährden Sie wohlmöglich das Kind, Mrs Riddle. Soll ich vielleicht Ihren Mann informieren?«
Ein erschrockener Ausdruck legte sich auf Selenas Gesicht, stumm schüttelte sie den Kopf. Um diese Schwäche zu überspielen sagte sie
»Nein, nein. Das ist nicht nötig, Madam Pomfrey. Aber vielen Dank für das Angebot. Ich werde auch Ihren Rat befolgen und die Nacht hier verbringen.«
Dies passte Selena zwar überhaupt nicht in den Kram, dennoch musste sie an das Wohl ihres ungeborenen Kindes denken und zähneknirschend nachgeben.
Die Heilerin machte ein zufriedenes Gesicht, schüttelte noch einmal Selenas Bettdecke auf und murmelte dabei
»Ich wünsche Ihnen eine gute Nacht, Mrs Riddle und morgen früh werde ich den Fahrenden Ritter rufen, der Sie in Ihr Haus bringen wird. Schlafen Sie schön.«
»Danke.« antwortete Selena und gleich darauf verschwand Poppy Pomfrey wieder jenseits des Wandschirms.
Lange lag Selena noch wach und starrte ins gedämpfte Licht des Krankenflügels. Ein Gedanke jagte den nächsten. Warum waren sie nach Hogsmeade gekommen? Wo war ihr Mann jetzt? Ob er sich wohl Sorgen um sie machte? Aber die allerwichtigste Frage für sie blieb: Warum hatte diese Heilerin sie mit ihrem richtigen Namen angesprochen? Bedeutete dies, dass der Dunkle Lord nun endlich, nach dieser langen Zeit, endlich ihre Ehe bekanntgeben wollte? Oder wollte er ihr einfach die Schande ersparen, schwanger und unverheiratet auftreten zu müssen? Zumal sie einst einen relativ bekannten Namen trug. Früher…
Schließlich fand Selena in dieser Nacht doch Schlaf.
Am nächsten Morgen wurde sie so sanft geweckt, wie schon lange nicht mehr. Madam Pomfrey holte sie vorsichtig aus ihren Träumen.
»Guten Morgen, Mrs Riddle. Es ist an der Zeit, den neuen Tag zu begrüßen.«
»Guten Morgen.« grummelte Selena. »Gibt es hier zufällig die Chance auf heißen, starken Kaffee?« fragte sie hoffnungsvoll weiter.
Entsetzt starrte die Heilerin sie an. Schrill rief sie aus
»Kaffee? Sie sind wohl von Sinnen! Wollen Sie Ihr Kind gefährden? Nein, nein. Dinge, wie Kaffee und Alkohol schlagen Sie sich besser ganz schnell aus dem Kopf. Die halbe Nacht habe ich verbracht um Ihnen einen Stärkungstrank zu brauen, der für Schwangere ungefährlich ist und Sie verlangen nach Kaffee!« Das letzte Wort sprach Madam Pomfrey aus, als verlange Selena nach Gift. Ein wenig enttäuscht, dennoch matt gesetzt, ließ Selena sich zurück auf ihr Kissen fallen und murrte
»Sehr wohl, Madam Pomfrey. Keinen Kaffee und keinen Alkohol während der Schwangerschaft.« Sie fragte sich zwar, wie sie so jemals wieder wach werden sollte, dennoch behielt sie diesen Gedanken lieber für sich.
Dankbar nahm sie den Stärkungstrank entgegen und leerte ihn, so schnell es ihr möglich war. Dem Geschmack des Gebräus war die Schwangerschaftsverträglichkeit scheinbar nicht zuträglich gewesen. In ihr stieg eine wohlige Wärme auf und einen Moment später fühlte sich Selena deutlich belastbarer, als noch am Vortag.
Doch nach den Schwindelanfällen, die ihre bisherigen Aufstehversuche begleiteten, ging sie das Ganze nun vorsichtiger an. Langsam verließ sie das Bett und streckte die Arme aus, um sich gegebenenfalls auszubalancieren. Schnell bemerkte sie jedoch, dass diese Vorsicht nicht nötig war und sie sich sicher auf den Beinen halten konnte. Selena schlüpfte in ihre Schuhe und verließ, nachdem Poppy Pomfrey ihr erneut nahegelegt hatte, nicht zu apparieren, den Krankenflügel.
Einfach die Treppe hinunter, durch die Eingangshalle und hinaus aus dem Schloss. So hatte es die Heilerin erklärt. Doch am Fuß der ersten Treppe angekommen, blieb Selena wie angewurzelt stehen. Aus der Tür zu einer scheinbar gigantischen Halle, trat soeben Severus Snape, der sie einen Moment entsetzt anstarrte. Augenblicklich fiel ihr ein, dass er Schulleiter auf Hogwarts war und demzufolge mehr an diesen Ort gehörte, als sie. Er eilte sofort auf sie zu und zischte ihr ins Ohr
»Wo ist Er?«
Selena musste nicht erst fragen, wen Severus meinte.
»Beruhige Dich, Severus. Er ist nicht hier.«
»Was macht Ihr dann hier, Mylady Selena?«
Eine leichte Röte stieg ihr ins Gesicht. Verlegen murmelte sie.
»Mich von Madam Pomfrey zusammenflicken lassen, trifft es wohl am Ehesten.«
Severus zog leicht spöttisch die Augenbrauen hoch und fragte weiter
»Wie darf ich das denn verstehen?«
Ein wenig genervt schaute Selena an ihm vorbei und antwortete
»Eine kleine Unpässlichkeit meinerseits. Ich hatte gestern einen anstrengenden Tag und bin zusammengebrochen. So etwas kommt vor. Ich werde jetzt Dein Schloss verlassen, ganz so, als wäre ich nie hier gewesen.«
»Warum erfahre ich Eure Anwesenheit als Letzter?« presste er zwischen den Zähnen hervor. »Warum wart Ihr in Hogsmeade? War Er dabei? Was wolltet Ihr hier?«
Streng gab Selena zurück
»Ich bedaure sehr, dass Deine Angestellten Dir nicht Meldung über jedes Ereignis hier erstatten. Was wir in Hogsmeade wollten, geht nur meinen Mann und mich etwas an. Bei Fragen wende Dich bitte an ihn. Dennoch vielen Dank für die Gastfreundschaft.«
Mit diesen Worten verließ sie aufgebracht ob der Frechheit des Mannes das Schloss, warf alle guten Vorsätze über Bord und apparierte nach Malfoy Manor.
Freudig stellte Selena bei ihrem Eintreffen am Herrenhaus fest, dass ihr das apparieren keinesfalls geschadet hatte und sie sich noch immer sicher auf den Beinen hielt. Zielgerichtet lief sie in das Gebäude und begab sich in ihre Gemächer, ohne jemanden zu begegnen. Dem wäre es sicherlich auch nicht gut ergangen, nach diesem kleinen Intermezzo mit Severus Snape.
Bei ihrem Eintreten, erhob sich der Dunkle Lord nicht von seinen Platz. Kurz schaute er von seinem Sessel zu ihr herüber, dann studierte er weiter irgendwelche Unterlagen, die kreuz und quer auf dem Tisch verteilt lagen.
Provokativ setzte sie sich ihm gegenüber, gab keinen Laut von sich und blickte ihn abwartend an.
Mindestens ein halbe Stunde, saß sie so da, als ihr Mann endlich reagierte. Er schaute kurz auf und sagte auf Parsel
»Wie Du siehst, bin ich beschäftigt, Selena.« Selena holte tief Luft. Mit solch einer Aussage hatte sie beim besten Willen nicht gerechnet. Sie hielt mit großer Anstrengung ihre Stimme unter Kontrolle, sie war kurz vorm Explodieren. Dennoch sprach sie ruhig
»Fragst Du Dich nicht, wo ich gewesen bin?«
Erstaunt schaute er sie kurz an und antwortete
»Nein. Ich weiß wo Du gewesen bist. Auf Hogwarts im Krankenflügel. Dir geht es besser, sehr gut, was sollte ich sonst wissen wollen?«
Selena schluckte die bissige Bemerkung hinunter, die ihr auf der Zunge lag, verschränkte die Arme und ließ sich in ihren Sessel zurückfallen. Dort saß sie nun und starrte Löcher in die Luft, während der Dunkle Lord einmal mehr schwer beschäftigt schien.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel