
von Lady_Selena
Als sie in Richtung des Gebäudes mit der Nummer 639 gingen, gab Selena noch letzte Anweisungen
»Ihr könnt heute eure richtigen Namen benutzen. Ich glaube die Typen nehmen dann erst recht an, dass es Pseudonyme sind. Tretet auf, wie ihr wollt. Am besten ihr flirtet ein wenig. Es darf nicht auffallen, dass wir irgendetwas im Schilde führen. Ich weiß nicht, ob noch andere Magier anwesend sein werden, aber ich bezweifle es. Wenn ich das Zeichen gebe, wirst Du, Bella, die Eingangstür verriegeln, Zissy, Du übernimmst die Hintertür, so es denn eine gibt. Ich werde einen Schild um den Garten legen. Keiner darf entkommen…«
Dann waren sie am geöffneten Tor der mittelgroßen Stadtvilla angekommen. Der gusseiserne Zaun war über und über mit Spinnweben, Kürbissen und künstlichen Fledermäusen behangen. Bellatrix zog im Vorbeigehen missbilligend die Augenbrauen nach oben und schüttelte den Kopf. Selena meinte zu hören, wie sie »Lächerlich!« wisperte.
Sie liefen durch den schmalen Vorgarten auf die Eingangstür zu und betätigten die Klingel. In der Ferne ertönte ein heller Gong, kurz darauf öffnete sich die Tür. Robert Wellington, in einem Kostüm, dass höchstwahrscheinlich einen Vampir darstellen sollte, stand mit einer Schüssel voll Naschwerk vor ihnen und musterte sie. Ein Zeichen des Erkennens huschte über sein Gesicht, dann bleckte er die künstlichen Eckzähne und meinte
»Ah! Keine Kinder, wie ich sehe. Herzlich willkommen in meinem bescheidenen Heim, Selena, Narzissa und…« fragend schaute er die Dritte im Bunde an.
Selena stellte sie kurzerhand vor
»Rob, dass ist meine gute Freundin Bellatrix, kurz Bella genannt, Bella, dass ist Rob, von dem ich Dir vorhin erzählt habe.« Eindringlich sah Selena sie an und hoffte, dass Bella verstand, dass dieser Mann ihr gehören würde.
»Sehr gut.« strahlte Rob und wies sie hinein. Die drei Hexen lehnten ab, ihre Umhänge auszuziehen, schließlich gehörten diese ja zur Verkleidung.
Selena kam es vor, als würde sie unendlich vielen Menschen vorgestellt werden. Alle gekleidet im Versuch, irgendwelche Wesen aus der magischen Welt darzustellen, an die sie dennoch nur sehr entfernt erinnerten.
Sie lernte schlecht gekleidete, blass angemalte Inferi kennen, die ihr als >Zombies< vorgestellt worden, eine Frau, die eine Elfe darstellen sollte, erinnerte mit ihrer weißblonden Perücke und der glitzenden Schminke aber eher an eine nicht besonders hübsche Veela, eine andere hätte Selena als Todesfee beschrieben, mit einem langen, schwarzen, ausgefransten Kleid und der schwarzen Perücke, aber ihr Gastgeber nannte sie nur Morticia. Angeblich aus einer bekannten Fernsehserie. Selena wurde beinahe schlecht, als ihr der Inhalt nahegebracht wurde. Sie beschloss aber die Etikette zu wahren und lächelte über ihre offensichtliche Bildungslücke. Dann trafen sie einen Mann, der über und über mit Mullbinden bedeckt war. Selena erkannte in diesem wenigstens die billige Kopie einer ägyptischen Mumie. Als nächstes wurden die drei Frauen zu einem Pärchen geführt, der Mann war grün im Gesicht und aus seinem Hals ragte rechts und links je eine Schraube heraus, sein kurzes, schwarzes Haar war mit Pomade an den Kopf angelegt. Was er darstellen sollte, wollte Selena gar nicht wirklich wissen, doch sie erfuhr trotzdem, dass es Frankensteins Monster war. Bevor Rob ihr das weiter erklären konnte, versuchte sie dreinzublicken, als ob sie diese Andeutung verstand. Die zugehörige Muggelfrau war noch merkwürdiger gekleidet: Sie trug einen Rock, der aber an allen Seiten zusammengenäht war und in einer Art Schwanzflosse auslief. Als Oberteil trug sie nur zwei Muscheln über ihren ansonsten nackten Brüsten, dazu das lange rotbraune Haar offen. Sie stellte sich als Meerjungfrau vor. Ähnlichkeiten, mit den Selena bekannten Meermenschen hatte sie jedoch nicht.
Im Laufe der nächsten halben Stunde lernte sie noch diverse Ritter, lächerliche Zauberer, Spukgestalten, die sie nicht benennen konnte und wollte. Nachdem Rob endlich von ihnen abgelassen hatte, gönnten sie sich erst einmal einen Drink.
»Mylady. Bitte lasst das bald vorbei sein.« flüsterte Narzissa leise.
»Warte noch, Zissy. Oh nein!« dieser Ausruf galt den drei Gestalten, die Selena unschwer als Rob und seine zwei Freunde vom Nachmittag erkannte. Die drei trugen allesamt lange Umhänge, nicht unähnlich denen, den die Hexen trugen, allerdings war es offensichtlich, dass diese von Muggelhand gefertigt waren. Es fehlten die versteckten Taschen und auch der Schnitt zeugte von wenig Professionalität auf dem Gebiet einen vernünftigen Zaubererumhang zu schneidern.
Ohne wirklich eine Wahl zu haben, wurden die drei Hexen von Rob, Samuel und Dylan in Beschlag genommen. Narzissa neben ihr seufzt ergeben und ließ sich von Samuel, der sich offensichtlich am Meisten für die blonde Frau interessierte, einen weiteren Drink bringen. Dylan nahm sich Bellatrix an, die auf seine Avancen mit einem versteinerten Gesicht reagierte. Eine Statue wäre womöglich noch ein besserer Gesprächspartner gewesen. Unauffällig versuchte Selena sie an ihren Befehl zu erinnern.
Selena berührte die ältere Hexe am Ellenbogen und als diese aufblickte, schaute die Jüngere ihr streng und mit aller Autorität, die sie aufbringen konnte, in die Augen. Bellatrix verstand sofort und taute auf.
Selenas schenkte nun ihrem Gastgeber ihre vollste Aufmerksamkeit und shcenkte ihm hin und wieder ein einnehmendes Lächeln. Nicht lange und er forderte sie zum Tanzen auf. Die Tanzfläche war, trotz der Kälte, auf der Terasse eingerichtet, im Haus gab es aufgrund diverser Sitzmöglichkeiten einfach nicht genug Platz dafür. Selena sprang sofort auf, fing aber noch einen verzweifelten Blick von Narzissa auf.
Mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht schlängelte sich Selena durch die Menge und war bald in der kühlen Luft der Herbstnacht angekommen. Rob verließ kurz nach ihr das Haus, ein anerkennender Ausdruck zeigte sich auf seinen Zügen. Er musterte sie kurz und nickte. Auf ihren fragenden Blick antwortete er lediglich
»Ich habe soeben bewundert, wie selbstsicher Du Dich in diesem Kostüm bewegst. So selbstverständlich, als würdest du kaum etwas anderes tragen.«
Mit Mühe unterdrückte Selena das Lachen, das sich seinen Weg bahnen wollte.
»Als ob ich so etwas jeden Tag trage! Wie würde das denn ausschauen? Nein, ich liebe Halloween über alles, mehr nicht.«
Rob hielt sie sanft an der Taille und führte sie über den Tanzboden. Fliesen aus Naturstein, wenn Selena sich nicht täuschte. Geschmeidig pflügten sie zum schnellen Rhythmus aus der Musikanlage durch die anderen Paare und unterhielten sich leise.
»Da bin ich aber beruhigt. Ich dachte schon, Du könntest zu diesen Freaks gehören, die sich tatsächlich für Hexen halten.« spötisch schüttelte er den Kopf. Aber Selena versteifte sich in seinen Armen. Freaks?
»Was ist denn, Liebste? Geht es Dir nicht gut? Habe ich etwas Falsches gesagt?« fragte dieser Abschaum auch noch. Selena entspannte sich, auch wenn sich ihr Innerstes dagegen sträubte und lächelte ihn an.
»Ach nichts. Ich hatte nur gerade so eine Idee… Kann man hier irgendwo… ungestört… sein?« verheißungsvoll ließ sie die Worte wirken, schlug die Augen ein wenig nieder und lächelte schüchtern. Die Wut in ihrem Bauch war kaum zu unterdrücken, aber das würde er bald bereuen. Bitter bereuen.
Er schien das grausame Glitzern in ihren Augen entweder nicht zu registrieren oder er vermutete andere Gefühle dahinter. Ihr boshaftes Lächeln konnte sie mit einiger Anstrengung verhindern, ihre Mundwinkel zuckten.
Auf Robs Gesicht sah man eindeutig Vorfreude auf die traute Zweisamkeit. Er führte sie schweigend in einen unbeleuchteten Teil des Gartens, der sich doch als größer erwies, als Selena angenommen hatte, an einem kleinen Tech vorbei, zu einer Hollywood-Schaukel. Sie wirkte alt, der Lack blätterte an verschiedenen Stellen vom Gestell, die Polster waren ausgeblichen von der Sonne und Selena fragte sich, wie viele Eroberungen Rob wohl schon hierher geführt hatte. Egal, sie würde die Letzte sein.
Rob setzte sich quietschend in die Mitte der schaukel und hilt erwartend die Arme ausgebreitet. Selena starrte ihn finster an. Sein Lächeln verblasste zu einer merkwürdigen Grimasse, er schien die Luft angehalten zu haben.
Selena rührte sich keinen Millimeter, nach schier endlosen Augenblicken sprach er
»Selena? Was ist Dir? Wenn ich etwas falsch…«
»Schweig!« schnitt sie ihm herrisch das Wort ab »Ich muss nachdenken, was ich als Nächstes mit Dir anstelle.«
Erst zeigte sich Entsetzen auf Robs Gesicht, dann wich die Anspannung allmählich und er grinste
»Ich wüsste da etwas…« anzüglich klopfte er mit der Hand auf den Platz neben sich.
Selena reichte es. Sie zog ihren Zauberstab und richtete ihn auf den Mann, den sie so sehr verabscheute.
»Incarcerus« murmelte sie beinahe lautlos. Schwarze Seile schlossen sich um den Körper des verhassten Muggels vor ihr und ganz gleich, wie sehr er sich abkämpfte, er konnte sich nicht befreien. Entsetzt schaute er sie an, aber durch das Seil, das einem Knebel gleich um seinen Mund geschlungen war, konnte er unmöglich sprechen.
Höhnisch lachte Selena auf.
»Das hattest Du Dir wohl ein wenig anders vorgestellt, nicht wahr, Abschaum?«
Entgeistert und zugleich flehend starrte er sie aus geweiteten Augen an.
»Merke Dir eins, Muggel! Nenn Unseresgleichen nie wieder Freaks! Wie Du gerade am eigenen Leib erfährst, sind es keineswegs nur Hirngespinste, Magie zu wirken. Ich kann mit Stolz behaupten, eine Hexe zu sein! Du glaubst gar nicht, welch erfreulichen und gleichermaßen törichten Fehler Du heute begangen hast, indem Du mich und meine zwei Untergebenen eingeladen hast! Wir werden euch alle vernichten und Du wirst nie Gelegenheit haben, vom heutigen Abend zu berichten. Mir wird es eine große Freude sein, Dich und Deinesgleichen zu töten.«
Selena genoss das Schauspiel auf seinem Gesicht. Erst Unverständnis, dann Belustigung, Entsetzen, Schock und zuletzt nichts als blanken Horror. Selbat im Tode noch würde die nackte Angst in sein Gesicht eingemeißelt sein, die er in den letzten Minuten seines armseligen Lebens fühlte.
Langsam lief Selena in Richtung der Schaukel, Mordlust auf ihren schönen Zügen. Mit jedem Schritt zuckte ihr Opfer vor ihr mehr zusammen, aber als sie ihren Dolch blank zog, an dessen Klinge sich das kalte Mondlicht spiegelte, wand er sich regelrecht in Panik vor ihr.
Beim ihm angekommen, zerschnitt sie die Fesseln vom Hals abwärts, ein wenig zu tief, als um nur die Fasern zu erwischen, aber das lag auch nie in ihrer Absicht. Dunkles Blut durchtränkte sein weißes Hemd, mit dem klaffenden Schnitt in der Mitte. Erstickt stöhnte er auf, als der Schmerz seine Nervenbahnen durchdrang und der Schock ihn nicht länger betäubte. Durch den Mut der Verzweiflung versuchte er die Arme freizubekommen, aber Selena stand schon über ihm und fesselte seine Handegelenke, mit den Resten des Seils an das wacklige Gestell der Schaukel. Er rüttelte daran, konnte aber nichts ausrichten. Die Knoten saßen zu fest.
Dann begann Selena mit ihrem Spiel. Langsam und qualvoll ritzte sie seine Konturen nach, durchdrang die Haut, mühte sich aber, sich zu zügeln und nicht zu tief durchzudringen. Zuerst den linken Unterarm, die Ellenbeuge, die Muskeln des Oberarms umritzte sie, damit die Form besser zur Geltung kam weiter führte ihr Weg sie zum Hals des Opfers, den sie nur ganz leicht einschnitt. Er sollte nicht zu früh verbluten und so seine Qual beenden. Das wäre nicht richtig.
»Ich nehme an, ich bin nicht die Erste, die Du hierhergeführt hast, hab ich recht?« fragt Selena süßlich.
Das zaghafte Nicken genügte als Antwort. Er atmete schwer und in der aussichtslosen Lage, in der er sich befand wagte er mit Sicherheit nicht, sie anzulügen.
»Ist es nicht schön zu wissen, was alle vermuten werden, was Du hier mit mir treibst? Und da uns gewiss keiner Deiner Freunde wird stören wollen, kann ich hier solange weitermachen, wie ich will.«
Panisch versuchte er weiter sich zu befreien. Selena machte unbeeindruckt weiter, einen waagerechten Schnitt knapp unterhalb des Kragens. Dann packte sie das Hemd und riss kräftig daran, bis es in Fetzen hing und lose im Wind flatterte. Selena war nicht herzlos genug, um die schön definierten Muskeln seines Oberkörpers zu ignorieren. Mit unverhohlener Bewunderung musterte sie diese nun. Dann machte sie weiter.
»Weißt Du, Dein Kostüm hat mich gerade zu einer interessanten Schlussfolgerung gebracht. Wäre ich ein Vampir, so würde mich der Geruch, nach frischem Blut, der hier in der Luft hängt, gewiss wahnsinnig machen.«
Zielgerichtet schnitt sie die Haut um die Erhebung seiner Brustmuskulatur auf und näherte sich ihm langsam mit dem Gesicht. Zärtlich leckte einmal rundherum um ihren Schnitt, eine ganz leichte Berührung mit der Zungenspitze, der ihm Gänsehaut bereitete.
Spöttisch schaute sie ihm ins Gesicht.
»Ist es nicht Irrsinn, wie ich Dich selbst noch in dieser Situation erregen kann?«
Er hielt die Luft an, keuchte dennoch, als sie den kalten Stahl des Dolches flach auf den oberen Schnitt in seiner Haut presste. Genüsslich bewegte sie das Messer unter seine Haut, dunkles Blut quoll aus der Verletzung. Nach etwa fünf Zentimetern drehte sich den Dolch sacht, er durchbrach die Haut und auf der anderen Seite der Klinge schnitt er kurz in seinen Muskel. Er stöhnte auf vor Schmerzen, hätte sie den Knebel nicht in seinem Mund belassen, so hätte er sicherlich geschrieen.
Flehend suchte er ihre kalten Augen.
Sie schüttelte boshaft grinsend den Kopf.
»Du willst doch nicht, dass ich keinen Spaß habe, wenn Du mich schon zu Deiner Liebesschaukel entführst, oder? Nein. Ich werde aufhören und Dich erlösen, wenn ich es für richtig halte.«
Der Ausdruck in seinen Augen wurde immer bittender, doch Selena ließ sich nicht erweichen. Genüsslich beobachte sie, wie das Blut seinen Arm und Oberkörper hinablief und schließlich im Bund seiner Hose versickerte. Ungerührt führte sie die Prozedur fort, seine rechte Brust, seine Schulter, sein Oberarm, die Ellenbeuge, bei der sie darauf Acht gab, die darunterliegenden Adern nicht zu verletzen, weiter den Unterarm entlang, bis zu seiner Handfläche. Die Berührung war zwar zart, wie bei zwei Liebenden, dennoch durchtrennte die scharfe Klinge mühelos die Haut ihres Opfers. Mit etwas Verzögerung füllten sich die Schnitte mit Blut, dann folgten die Tröpfchen, die sich an der Oberfläche bildeten der Spur, die das kalte Metall zog, über den Griff des Dolches bis auf die Fingerspitzen Selenas.
Sie ging einen Schritt zurück und betrachtete zufrieden ihr Werk. Völlig identisch spiegelten sich die Schnitte an seiner Körpermitte, abgesehen von dem kleinen Makel, den sie ihm auf der linken Brust zugefügt hatte. Gedankenverloren nahm sie den Dolch in die andere Hand und leckte sich Finger und Handflächen der Rechten sauber. Ekel ersetzte die Panik im Gesicht des Gefesselten. Er hatte wohl seine ausweglose Lage eingesehen und war durch die Verletzungen weit genug geschwächt, dass er aufhörte mit seinen Versuchen sich zu befreien. Scheinbar resigniert blickte er dem Tod ins Auge. Ein Ausdruck von Gleichmut zog über sein Gesicht.
»Hast Du einen letzten Wunsch, Muggel?«
Er straffte die Schultern und versuchte zu Sprechen, aber es gelang ihm nicht. Selena zog vorsichtshalber ihren Zauberstab, richtete ihn auf seine Kehle und befreite ihm von seinem Knebel. Er schielte auf die Spitze des Stabs und kam wohl zu dem Schluss, sein Schreien würde nichts nützen. Seine Haltung sackte wieder zusammen, dann fragte er leise
»Wer bist Du?«
»Ich frage Dich nach Deinem letzten Wunsch und Du willst wissen, wer ich bin? Nun gut.«
»Das war nicht mein letzter Wunsch, ich möchte es aber trotzdem wissen. Alles.«
»Da Du dieses Wissen mit ins Grab nehmen wirst, werde ich es Dir erzählen. Ich bin Selena Morgaine Riddle, geborene d’Esmerald. Letzte einer langen Reihe reinblütiger Zaubererfamilien. Mein Gatte ist der mächtigste schwarzmagische Zauberer, den die Welt je gesehen hat und ist verantwortlich für die ganzen Katasrophen, Morde und Entführungen, die in den vergangenen Jahren durch eure nichtsahnenden Medien gingen. Ich bin mit der Überzeugung aufgewachsen, Deinesgleichen, Muggel, Nichtmagier seien Abschaum, weshalb ich nicht einsehe euch in Frieden zu lassen. Deshalb bin ich hier und werde Dich und Deine Gäste mit Freude vernichten.«
Unglübig und doch geschockt schüttelte er den Kopf. Er schien um Worte zu ringen, die niemals den Weg zu seinen Lippen finden würden.
»Du sagtest, die Frage nach meiner Identität sei nicht Dein letzter Wunsch, wenn dem so ist, so bringe ihn jetzt vor!«
Tränen der Verzweiflung traten in seine Augen, während sie durch die Kälte in ihrer Stimme die Unausweichlichkeit ihrer Worte untermauererte.
Beinahe erstickt murmelte er
»Küss mich.«
Mit allem hatte Selena gerechnet, aber nicht damit. Konnte man einem Todgeweihten den letzten Wunsch abschlagen? Seit wann machte sie überhaupt solche Angebote?
»Nein.« zischte sie eiskalt.
»Dann könnte ich in Frieden sterben. Als ich Dich das erste Mal sah, heute Mittag. War das echt erst heute? Wollte ich Deine Lippen mit meinen berühren. Bitte sei gnädig und erfülle mir wenigstens diesen Wunsch, wenn ich schon sterben muss.«
»Ich bin nicht gnädig.« mit diesen Worten durchtrennte sie seine Kehle und beobachtete teilnahmslos seinen Todeskampf. Er röchelte und schnell strömte ein Blutschwall seinen Körper hinab. Dann knickten seine Beine Weg und er hing schlaff an seinen Fesseln. Das Pulsieren aus seinen Wunden nahm ein Ende. Er war tot.
Mit einem Schlenker ihres Zauberstabes ließ Selena die Reste der Fesseln verschwinden und die Leiche sackte zu Boden, wo sie mit merkwürdig verdrehten Gliedern liegen blieb.
Am Umhang des leblosen Muggels wischte sie ihren Dolch ab, dann schritt sie zurück in Richtung Haus. In Sichtweite des Gebäudes stellte sie sich in den Schatten und spann ein dichtes Netz von Schutzzaubern um den Garten, das jeden Fluchtversuch aufhalten sollte. Danach schlängelte sie sich über die Tanzfläche und betrat das Haus durch die verglaste Hintertür.
Narzissa, die dreinblickte, als hätte sie verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit gesucht, stürmte sofort auf sie zu
»Wo wart Ihr?«
Giftig zischte Selena zurück
»Zum hundertsten Mal! Heute bin ich Du.« dann in ruhigerem Ton »Ich habe mich gebührend um den Gastgeber gekümmert.« Ihre Augen glitzerten, als sie dies sagte.
»Ihr… äh… Du meinst, er ist tot?« das letzte Wort formten lediglich ihre Lippen. Selena nickte. Weit riss Narzissa die Augen auf. Selena schaute unbewegt in die Ecke, aus der Narzissa soeben gestürmt war. Samuel saß dort selbstgefällig auf einem kleinen Sofa, einen Arm auf der hinteren Lehne, der eben gewiss noch auf den Schultern der blondne Hexe ruhte.
»Wenn ich diesen Kerl da so anschaue, Zissy, würdest Du liebend gern dasselbe mit ihm anstellen, oder?«
Zu ihrer Überraschung nickte Narzissa knapp.
»Gleich ist es soweit. Wir müssen nur noch Bella finden.«
Narzissa schlug die Augen nieder, dann nuschelte sie
»Bella ist… oben«
Selena riss ihre Augen auf. Lautlos formten ihre Lippen das Wort oben und sie schaute zur Treppe, auf der die Gesuchte soeben erschien. Sie lächelte breit, anscheinend hatte sich der Besuch im oberen Stockwerk für sie gelohnt.
Misslaunig fing Selena ihren Blick auf und winkte sie zu sich. Überheblich durchschritt sie die Menge konnt kam auf Selena zu.
»Was hast Du Dir dabei gedacht, Bella?« fuhr Selena sie sofort an.
»Es sollte doch überzeugend sein, nicht wahr?«
»Aber keineswegs so überzeugend!« Selena schaute noch mal zur Treppe »Wo ist der Kerl?«
»Tot.« antwortete Bellatrix ungerührt. Selena verlor fast die Beherrschung. Was sollte dieses machtspielchen jetzt? Bellatrix hatte eindeutig auf ihren Befehl zu warten, egal was passierte. Sie versuche ruhig zu bleiben, atmete tief durch und flüsterte
»Wir sind soweit. Der Garten ist abgeriegelt. Kein Laut oder Blick wird hindurchdringen. Dennoch habe ich nicht unbedingt große Lust, die Muggel im dunklen Gestrüpp zu suchen. Also versuchen wir es so schnell wie möglich und mit so wenig Magie wie möglich hinter uns zu bringen. Schockt sie, aber verzichtet heute auf den Todesfluch. Schocken und dann tödlich verwunden.«
Unbemerkt von Selena, Narzissa und Bellatrix hatte sich eine Menschenmenge um sie gebildet. Es schien, als erwarteten sie irgendetwas von den drei Hexen, die aufgeregt tuschelten und die Köpfe zusammen gesteckt hatten.
Ruckartig fuhren die drei am Ende der Anweisungen auseinander und als Selena das allgemeine Interesse bemerkte ergriff die das Wort. Narzissa schaute sich skeptisch und auch ein wenig ängstlich um, in Bellatrix Augen glitzerte Mordlust.
»Herzlich willkommen, Freunde, auf dieser Halloween-Party. Ich hoffe ihr amüsiert euch ebenso prächtig wie wir.
Da wir nicht so recht wussten, was als Gastegeschenk angemessen wäre, so haben wir eine kleine Zaubershow vorbereitet. Würde bitte jemand das Licht löschen?«
Es wurde dunkel. Selena hörte Narzissa und Bellatrix Zauber murmeln, welche die Türen verriegeln würden. Dann, wie von Zauberhand entflammte Selena sämtliche Kerzen in der näheren Umgebung. Sie blinzelte, dann machte sie im gedämmten Licht die Sillouetten der umstehenden Muggel aus und wisperte mehrfach hintereinander »Stupor«. Nach diversen »Oh« und »Ah«, wegen der roten Lichtblitze, die auch aus Narzissas und Bellatrix Stäben geschossen waren, fielen die bewusstlosen Muggel dumpf zu Boden.
Dann brach das Chaos los. Erst blickten die zuschauenden Muggel auf die leblosen Körper, dann sahen sie geschockt zu den Hexen, bevor sie die Flucht ergriffen.
Selena schwankte noch, ob sie erst alle Muggel schocken sollten, oder erst die geschockten töten. Sie entschied sich für den Mittelweg und zog ihren Dolch. Damit schlitzte sie dreien, der am nächsten liegenden Opfern, die Kehlen durch. Dunkelrotes Blut sickerte in den Teppich und breitete sich rasch aus.
Narzissa und Bellatrix hatten sich schon auf die beiden Stockwerke verteilt, also öffnete Selena die Hintertür mit einem Schlenker ihres Zauberstabs und trat hinaus in die kühle Luft. Sie versuchte, so ruhig wie nur irgend möglich zu atmen, um die Muggel, von denen gewiss noch einige hier draußen waren, zu hören. Hinter sich verriegelte sie erneut die Tür.
Langsam schlich sie zwischen den Bäumen und Wiesen über den Gehweg und achtete auf das leiseste Geräusch.
Bei einem Knacken, rechts von ihr, wirbelte sie mit gezücktem Dolch und Zauberstab herum und schickte einen Schockzauber zur offensichtlichen Quelle. Ein Eichhörnchen kippte zur Seite. Doch der Lichtblitz des Zaubers hatte die Umgebung lange genug erhellt, dass sie zwei Paar Füße ausmachen konnte. Sie glitt beinahe lautlos zu der Stelle und schockte die beiden, in einem höchst unpassenden Moment. Ohne zu Zögern töte sie auch diese zwei Muggel.
Sie suchte weiter und drei weitere Männer, sowie zwei Frauen fielen ihrem unerbittlichen Dolch zum Opfer. Es war fast zu leicht.
Als sich schließlich eine Totenstille über den Garten ausgebreitet hatte, wie auf einem Friedhof ging sie zurück zum Haus. Dort warteten Narzissa und Bellatrix bereits auf sie.
»Habt ihr alle erwischt?« fragte Selena.
Bella nickte.
»Wir haben in jeder noch so kleinen Ritze nachgeschaut. In diesem Haus kann sich keiner mehr verstecken.«
»Habt ihr sie getötet, wie ich euch aufgetragen habe?«
»Wir?« spöttisch funkelte Bellatrix ihre Schwester an. »Zissy hat mir das Messer überlassen, damit ich sie töte.«
Selena zuckte nur die Achseln.
»Man kann niemanden zu seinem Glück zwingen. Wenn sie es nicht über sich bringen kann…«
Sie seufzte, dann murmelte sie »Homenum revelio«
Nichts geschah. Das Haus war also tatsächlich leer. Doch Selena wollte keinesfalls Zeugen hinterlassen. Gemeinsam und mit erleuchteten Zauberstäben durchforsteten sie jeden Winkel des Gartens, bis sie zu dem Schluss kamen, dass sie tatsächlich alle erwischt hatten.
Jetzt erst konnte sie das Hochgefühl so richtig genießen, welches sich, schon seit dem ersten Mord jenen Abend, versuchte, in ihr auszubreiten. Sie lachte laut auf und Bellatrix stimmte in ihr Siegesgeheul ein. Immer noch freudig erregt lösten sie die letzten Zauber auf, die sie auf das Gebiet gelegt hatten und apparierten nach Hause.
Bei ihrer Ankunft erfuhr Selena, dass der Dunkle Lord noch immer nicht zurückgekehrt war, beschloss aber, sich keine unnötigen Sorgen zu machen.
Die drei Frauen, die in dieser Nacht nebeneinander gekämpft und gesiegt hatten, saßen noch eine Weile zusammen bei einem Kelch Elfenwein. Sie waren bei bester Laune, als es plötzlich klopfte, Wurmschwanz eintrat und mit seiner piepsigen Stimme sagte
»Mylady? Der Dunkle Lord möchte Euch sprechen. Sofort.«
Irgendwas an der Art, wie der Diener dies sagte, ließ Selena nervös werden. Das verhieß sicherlich nichts Gutes.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel