
von Lady_Selena
Macnair sank, sobald sie die Türschwelle betraten, auf seine Knie und rutschte so auf den Dunklen Lord zu, um ihm den Saum des Umhangs zu küssen. Mit einem gemurmelten »Mylord« und der stummen Aufforderung seines Herrn, erhob er sich wieder.
Selena indes, nahm ohne weitere Gesten auf ihrem Sessel platz und legte ihren Zauberstab auf den Beistelltisch.
Lord Voldemort ignorierte seinen Todesser einstweilen und wandte sich direkt an seine Frau, die ihm mit ausdrucksloser Miene entgegensah.
Auf Parsel sprach er sie an
»Nun? Wie ist es gelaufen?«
Selena antwortete auf Englisch, damit ihr gegebenenfalls Macnair weiterhelfen konnte, bei ihrem Bericht
»Es war…« sie suchte nach den richtigen Worten »…eine merkwürdige Erfahrung. Die Kultur, wenn man es so nennen kann, ist eine ganz andere, als die Unsere. Ihr hattet recht, Mylord, ich habe wirklich bemerkenswerte Erkenntnisse erlangt. Dennoch haben wir uns einer großen Gefahr aussetzen müssen, bei diesem Besuch. Als normalsterbliche Magier waren wir alles andere, als Willkommen. Selbst die Kinder wären uns womöglich liebend gern an die Gurgel gegangen, unserer bloßen Anwesenheit wegen.
Greyback war einen Augenblick sprachlos, als ich ihm seinen Zauberstab überreichte, wollte dann aber wissen, ob ich auf eigene Gefahr handle, oder ob Ihr, Mylord, es verfügt habt.
Ich habe ihn auch an den Pakt erinnert und er hat… nun ja… nicht sonderlich begeistert reagiert. Er meint, der Pakt sei hinfällig, solange sie nicht ihren Gelüsten entsprechen können und nur die Opfer angreifen, die Ihr erwäht, Mylord. Sie wollen sich nicht nach Euch richten, einem Herrscher, den sie nicht anerkennen.
Überdies hat Greyback ungehalten auf die Verschärfung der Gesetze reagiert, wenngleich er und seine Getreuen von der Strafverfolgung ausgeschlossen sind.«
Der Dunkle Lord ballte die Hände zu Fäusten, sie wurden ob der Anspannung noch bleicher, als sie ohnehin schon waren. Selena schwieg einen Moment verunsichert, dann machte ihr Mann eine ungeduldige Handbewegung und sie fuhr fort
»Das Gespräch nahm eine Wendung, die mir nicht behagte und Macnair erinnerte Greyback an die Vorzüge, die sie durch den Pakt genießen. Es vermochte den Werwolf nicht gänzlich zu besänftigen und er begann uns unterschwellig zu drohen, sprich, er meinte, als Geiseln würden wir ihm im Moment nichts nützen und er ließe uns gnädigerweise ziehen. Dennoch blieb ein ungutes Gefühl zurück.
Daneben hat er sich darüber ausgelassen, wen Ihr in das Territorium der Werwölfe geschickt habt. Den Henker und die Werwolfbeauftragte. Einen Moment schien ihn das tatsächlich zu belustigen, allerdings machte es unsere Situation nicht einfacher, nachdem wir gingen. Wir wurden angegriffen und mussten uns herauskämpfen.« Selena wurde bei diesen Worten immer leiser.
Der Dunkle Lord straffte seinen Rücken und flüsterte bedrohlich
»Was sagst Du da, Selena?«, dann wandte er sich zu Macnair um und durchbohrte ihn mit seinem eiskalten Blick.
Selena war von der frostigen Atmosphäre sofort eingeschüchtert.
Walden Macnair stellte sich neben sie und antwortete an ihrer statt
»Sie spricht die Wahrheit, Mylord. Wir waren gezwungen Gewalt anzuwenden, sonst könnten wir Euch jetzt nicht davon berichten. Sie wollten nicht nur unser Leben, sie wollten sich an unserem Fleisch ergötzen.«
»Wieviele?« zischte Lord Voldemort kalt.
Der Todesser kratzte sich am Kinn und meinte
»Schwer zu sagen. Nachdem wir einige getötet und geschockt hatten, sind wir nur noch um unser Leben gerannt. Eure Frau stolperte auf der Flucht und wurde angefallen. Dafür mussten diese dreckigen Hunde natürlich sterben.«
Die Augen des Dunklen Lords glühten rot auf.
»Angefallen? Du wurdest angefallen, Selena?« grausam und kalt lachte er auf, dann fügte er leise und mehr zu sich selbst hinzu
»Wäre ja noch schöner, verheiratet mit solch einem Abschaum.«
Selena war tief getroffen von diesen Worten. Würde er sie verlassen? Was würde aus dem Kind werden, das sie unter dem Herzen trug? Wie sollte es weitergehen, wenn sie infiziert wäre?
Zaghaft fragte sie, was ihr auf der Seele brannte
»Sie… sie waren doch nicht verwandelt. Sie können doch nicht ansteckend gewesen sein, oder? Es ist doch noch nicht Vollmond!«
Plötzlich sah der Dunkle Lord sie interessiert an, nicht, wie seine Frau, vielmehr wie ein wissenschaftliches Experiment.
Mit normaler Stimme sprach er weiter, nun nachdenklich geworden
»Eine sehr gute Frage, in der Tat. Mich wundert ebenso, dass diese Werwölfe die Vorliebe für menschliches Fleisch teilen. Ich vermag nicht zu sagen, ob es solch einen Fall schon einmal gab. Wir werden den Vollmond abwarten müssen.
Dennoch wisst ihr hoffentlich, dass euer Verhalten Konsequenzen nach sich ziehen wird. Ich, Lord Voldemort, werde mich mit Greyback herumschlagen müssen, damit die Situation nicht eskaliert. Durch euer törichtes Verhalten werde ich ihm Zugeständnisse machen müssen, damit er uns nicht den Krieg erklärt. Ich bekenne, dass ich enttäuscht bin.«
Selena und Macnair schwiegen betreten. Sie wussten beide, dass der Dunkle Lord nicht leicht verzieh und unweigerlich eine Strafe folgen musste.
Er erhob sich und schritt nachdenklich auf und ab. Die Stille und die Ungewissheit spannten Selenas Nerven aufs Äußerste an. Schon einmal hatte sie ein Kind durch den Cruciatusfluch verloren und sie war nicht gewillt es ein zweites Mal so weit kommen zu lassen. Sie dachte ernsthaft über Fluchtmöglichkeiten nach, ehe sie eine Strafe erdulden musste, doch eine war abstruser, als die andere. Trotzdem würde sie kämpfen.
In dem Moment, als sie diesen Entschluss fasste, stürzte Macnair kreischend zu Boden, getroffen vom Folterfluch seines Meisters. Selenas Augen weiteten sich erschrocken. Sie war so in Gedanken versunken gewesen, dass sie es nicht kommen sah.
Entsetzt suchte sie den Blick ihres Gatten und, nachdem sie seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, flüsterte sie auf Parsel
»Bitte verschone mich dieses eine Mal, Tom! Ich flehe Dich an!«
Kalt sah er auf seine Frau herab, noch immer den schreienden, sich windenden, Macnair vor sich, den er kaum zu beachten schien.
»Warum sollte ich Dich verschonen, Selena? Auch Du hast mich bitter enttäuscht. Du hast nicht den Hauch einer Ahnung, was eine Kriegserklärung von Greyback bedeuten würde, nicht wahr?«
Eigentlich hatte Selena schon eine Vorstellung davon, aber sie hielt es in diesem Moment für besser, ihre Meinung für sich zu behalten. Er deutete ihr Schweigen, wie er es sich dachte.
»Es würde keinen offenen Kampf geben, weil Greyback und seine Schergen wissen, sie würden unterliegen. Sie würden auf Vollmond warten, uns angreifen, wenn sie am Stärksten sind und uns eiskalt erwischen können. Ich werde zurückstecken müssen, weil ihr heute versagt habt und das gefällt mir ganz und gar nicht.«
»Versagt?« brauste Selena auf »Versagt? Wir haben versagt? Wie hättest Du denn reagiert, wenn Dich plötzlich eine Horde Werwölfe umzingelt und Dir mitteilt, dass Du auf der Speisekarte stehst? Jetzt sag bloß nicht, das war unsere Schuld! Wenn, war es allein Deine! Macnair hat mich auf meinen Wunsch hin begleitet. Du hättest mich dort elendig verrecken lassen! Wenn Walden nicht gewesen wäre, dann stünde ich nicht hier! Wirf mir alles vor, aber kein Versagen! Deine Aufträge sind wunschgemäß erfüllt worden. Wir wollten friedlich abziehen, wie es Boten unter zivilisierten Rassen zugestanden wird. Das sich diese räudigen Köter nicht an Etikette halten ist nicht unsere Schuld. Ich bitte Dich! Das kann doch nicht Dein Ernst sein!«
Der Dunkle Lord hielt inne. Seine Augen glühten rot auf, dennoch fiel der Fluch, der Macnair folterte, von diesem ab. Nachdenklich strich er mit seinem langen Zeigefinger über das Holz seines Zauberstabs.
Macnair wand sich zu seinen Füßen in den Nachwirkungen des Fluches, doch er wagte es anscheinend nicht, sich zu erheben.
Selena funkelte ihren Mann weiter wütend an. Die Sache war schlecht gelaufen, ja, kein Zweifel, aber der Auftrag war erfolgreich ausgeführt worden, der Zauberstab und die Warnung überbracht. Was danach gelaufen ist, stand doch wirklich nicht mehr in ihrer Macht.
»Mich, Lord Voldemort, hätten sie nicht angegriffen. Ich habe im Gegensatz zu Dir einen Namen, der Angst und Schrecken, auch unter Abschaum, verheißt. Also frage nicht, wie ich in der Situation gehandelt hätte.«
»Du machst es Dir aber sehr einfach! Ich bezweifle, dass sie Dich nicht angegriffen hätten. Sie erkennen Deine Macht nicht an. Für diese Köter bist Du auch nur ein nichtswürdiger Zauberer oder noch besser: Du bist Fleisch, köstliches Menschenfleisch! Mehr sehen sie in Dir auch nicht! Deine Arroganz beeindruckt mich. Warst Du jemals dort? Selbst die Kinder werden dazu erzogen Menschen zu hassen und in Normalsterblichen lediglich Futter zu sehen. Mehr würdest Du denen auch nicht bedeuten.«
»Halte Deine Zunge im Zaum, Weib! Sonst vergess ich mich!«
Selena war einen Moment versucht den zornigen Konter herunterzuschlucken, der ihr auf der Zunge lag, doch sie vermochte es nicht, sich zu bremsen. Ohne es zu bemerken, antwortete sie nicht mehr auf Parsel.
»Darf ich daraus schließen, dass Du schon selbst Bekanntschaft mit den Sitten der Werwölfe gemacht hast und zu feige warst, selbst zu gehen?«
Macnair schaute entsetzt zu ihr auf. Er hatte wohl nicht vermutet, dass Selena keineswegs immer takt- und respektvoll mit ihrem Mann sprach.
Zornig ballte der Dunkle Lord die Hände zu Fäusten, seine Augen glühten unheilvoll rot und seine Stimme war zu einem, kaum vernehmbaren, Zischen geworden, das einem Gänsehaut bereiten konnte.
»Geh mir aus den Augen, Weib. Komm erst zurück, wenn ich Dich rufen lasse, sonst garantiere ich Dir, Du wirst es nicht überleben!«
Dann wandte er sich an Macnair und ließ seine Wut ungehindert an ihm aus. Seine gellenden Schreie folgten Selena, als sie das Zimmer verließ. Ihr Gesicht war ausdruckslos, dennoch brodelte es gewaltig in ihrem Inneren. Immer noch zornig stieg sie die Treppen hinab, noch immer verfolgte sie das Geräusch von Macnairs heißeren Lauten.
Ratlos blickte sie sich um, als sie in der Eingangshalle ankam.
Wohin sollte sie jetzt gehen?
Wie lange würde sie warten müssen, ehe ihr Mann gnädig genug war, sie zurückzurufen?
Wollte sie dann überhaupt, wie ein Schoßhündchen zurückkehren? Woher nahm er nur diese Frechheit, sie so mit ihr zu spielen. Sie war doch seine Frau und nicht seine Marionette!
Zornig ballte sie die Fäuste an ihren Seiten, schloss die Augen und versuchte sich zu beruhigen. Einige Male atmete sie tief durch, doch es half nicht wirklich.
Wäre sie nicht schwanger, würde sie sich jetzt Zigaretten besorgen und ersteinmal eine rauchen. Ein unbegründeter Zorn machte sich in ihr breit, allein, weil sie von ihm schwanger war und sie dadurch um ihre Zigaretten gebracht wurde.
Plötzlich nahm sie einen Lufthauch war, der an ihrer Seite vorbeiwehte. Sie wurde sich ihrer Umgebung und ihrer Situation wieder bewusst. Selena öffnete die Augen und blickte direkt zu Macnair, der mitgenommen wirkte, sie dennoch unverhohlen musterte, wie sie so dastand.
Er verneigte sich, so tief es seine Schmerzen zuließen und murmelte
»Mylady.«
Majestätisch nickte sie in Anerkennung seiner Worte, doch schon im nächsten Moment brach ihre Fassade in tausend Scherben und sie verlor ihre Selbstbeherrschung. Ihre Schultern sackten herab, ihr Kopf senkte sich und stumme Tränen rannen über ihre Wangen.
»Was soll ich denn jetzt tun? Wohin soll ich jetzt gehen?«
Ihre Knie gaben nach und sie fand sich in den Armen von Walden Macnair wieder, der ein Taschentuch aus seinem Umhang zog und begann ihr die Tränen zu trocknen.
»Mylady. Ich bitte Euch um Haltung. Ich bringe Euch an die frische Luft, dann wird es Euch gewiss besser gehen.«
Selena musste trotz ihrer Verzweiflung schmunzeln. Offenbar kam der eiskalte Henker nicht mit den Tränen einer Frau zurecht.
Gemeinsam verließen sie das Haus und nach kurzer Zeit auch das Grundstück. Auf dem Feldweg gingen sie gemeinsam in Richtung Norden, unterdessen hatte sich Selena bei Macnair eingehakt und einigermaßen gefangen.
Schweigend liefen sie nebeneinander her, hingen ihren eigenen Gedanken nach. Zu gern hätte Selena diesem Mann ihr Leid geklagt, aber er stand zu hoch in der Gunst ihres Gatten und so blieben ihre Lippen verschlossen.
Lange waren sie schon außer Sichtweite des Anwesens, als Macnair doch das Schweigen brach
»Mylady? Verzeiht, aber was gedenkt Ihr jetzt zu tun? Die Order des Dunklen Lords war unmissverständlich, Ihr sollt auf seinen Ruf warten.«
Einen kurzen Moment dachte Selena über diese Worte nach, doch schnell drohten sie die Gefühle wieder zu übermannen. Deshalb sagte sie einfach die Wahrheit
»Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, wann er mich rufen wird, sonst wäre ich schon längst auf dem Weg nach Deutschland. Nach Hause.«, fügte sie ein wenig wehmütig hinzu. Wieder konnte sie ihre Tränen nicht halten und ihr war es im Augenblick auch gleichgültig, dass sie die Beherrschung vor einem Todesser ihres Gatten verlor.
Schluchzend sprach sie weiter
»Ich weiß nicht, was ich jetzt machen soll. Das letzte Mal hat er sich fast drei Monate nicht gemeldet!«
Neugierig zog ihr Gegenüber die Brauen nach oben
»Das letzte Mal?«
Selena errötete kurz, dann machte sie eine abwehrende Handbewegung
»Ach, da ist nichts. Wir hatten uns gestritten. Er ist verschwunden, kam wieder, nichts besonderes.«
»Ich möchte mich auch keineswegs einmischen, Mylady. Mein Respekt vor Euch und dem Dunklen Lord ist zu groß. So etwas würde ich mir nicht anmaßen. Habe ich trotzdem die Ehre, Euch auf einen Tee in meinem bescheidenen Quartier anzubieten?«
Selena gluckste. Sie fühlte sich miserabel und dieser Mann formulierte seine Einladung wie ein Kavalier alter Schule.
Sie nickte zustimmend und gleich darauf disapparierten sie gemeinsam.
»Wo sind wir?«, fragte Selena nachdem sie gelandet waren.
»Wales. Mein Haus liegt ein wenig westlich von Cardiff, direkt am Bristolkanal. Ihr interessiert Euch für Geografie?«
Damit setzte er sich in Bewegung und
»Nein, eigentlich nicht. Ich weiß nur gern, wo ich bin.«
»Dann solltet Ihr mit dem Studium der Geografie beginnen, Mylady. Es ist immer von Vorteil die Eigenheiten eines Gebietes zu kennen. Das bringt strategische Vorteile oder dient lediglich der Orientierung.«
»Ich werde es im Hinterkopf behalten, Macnair. Danke für den wertvollen Hinweis. Sag, wie weit ist es noch bis zu Dir?«
»Mein Haus liegt weit abseits der Muggel, mit Blick auf den Kanal. Es lässt sich nicht mit dem Anwesen der Malfoys, gewiss auch nicht mit dem Euren, vergleichen, dennoch genügt es meinen Ansprüchen. Einen Moment noch… dort könnt Ihr es schon sehen, Mylady.«
Selena blickte in die gezeigte Richtung und entdeckte ein schönes, weiß verputztes, einzeln stehendes Haus mit zwei Etagen. Ein kleiner Garten gehörte dazu, in dem offensichtlich magische Pflanzen wuchsen. Selena bewunderte, bei ihrem Eintreten, wie Macnair die Zeit aufbrachte sich noch um den Garten zu kümmern.
Mit einer anmutigen Bewegung seines Zauberstabs sperrte Macnair die Tür auf und Beide traten ein.
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