
von Lady_Selena
Zusammen betraten sie eine helle Diele, die so gar nicht zu dem Todesser passen sollte. Macnair führte Selena weiter in ein gemütliches Wohnzimmer, welches Selena verwirrte. Es wirkte zu feminin, zu gemütlich. Einen Moment später erschien die Erklärung dieses Rätsels ebenfalls im Zimmer.
Eine herzlich wirkende Frau, ein paar Jahre jünger als Macnair vielleicht, trat ein und wirkte wegen dem unerwarteten Besuch überrascht. Mit hochgezogenen Augenbrauen wandte sie sich an ihren Gatten
»Walden, mein Lieber, Du hättest mir Bescheid geben können, dass Du Jemanden mitbringst.«
Der vorwurfsvolle Ton gefiel Selena und sie musste lächeln.
»Darf ich vorstellen? Lucinda, das ist Mylady Selena. Mylady, meine Frau Lucinda Macnair, geborene Bulstrode.«
»Mylady?« nuschelte Lucinda und sank in einen tiefen Knicks, den Kopf demütig gesenkt. Hilfesuchend wandte sie sich wieder an ihren Mann
»Die Lady? Die Gattin von Du-weißt-schon-wem?«, das letzte Wort war vielmehr ein Flüstern.
Selena antwortete selbst
»Ja, genau die. Allerdings frage ich mich, wieso sie mit diesem Arrangement vertraut sind.«
Eine charmante Röte stieg in die Wangen Lucindas, ihr Mann dagegen wurde kreidebleich, hatte er doch gegen eine direkte Order seines Herren verstoßen.
»Eure Ladyschaft, lasst es mich erklären!«, flehte er sie an.
Sie hob abwehrend eine Hand und deutete Lucinda an, weiterzusprechen.
Diese stockte erst, doch erzählte dann die Geschichte.
»Walden kam an jenem Tag ganz aufgewühlt nach Hause, Eure Ladyschaft. Er-dessen-Name-nicht-genannt-werden-darf hatte alle seiner Getreuen zu einer wichtigen Versammlung gerufen, dass wusste ich, doch noch nie war Walden so erschüttert zurückgekehrt. Er stammelte vor sich hin, dass ‚sie ihm so Leid tue’, ob ‚sie sich diesen Schritt gut überlegt hatte’, ins Verderben lief und dergleichen mehr. Natürlich weckte das alles meine Neugier.«
»Selbstverständlich« meinte Selena. Lucinda sprach unbeirrt weiter
»Doch Walden konnte oder wollte es mir nicht sagen, bis ich ihm anbot den Unbrechbaren Schwur zu leisten, um meine Lippen zu versiegeln. Wir riefen Augustus Rookwood hinzu, mit dem mein Mann schon seit Jahren verkehrte und der natürlich auch in das Geheimnis eingeweiht war. Er besiegelte den Schwur, sodass ich niemals in Gegenwart eines Uneingeweihten darüber sprechen dürfe.«
Selena fügte hinzu, dass Lucinda mit ihrer lapidaren Bemerkung eben, eine große Gefahr eingegangen war. Schließlich, wenn Selena nicht die Betreffende gewesen wäre, so wäre sie auf der Stelle getötet wurden.
»Ich weiß, Eure Ladyschaft.« lachte Lucinda nun »doch weiß ich auch, dass Walden schon geraume Zeit für Euch arbeitet und immer in den höchsten Tönen von Euch spricht. Wenn Walden Euch schon als ‚Mylady’ vorstellt, dachte ich mir, dass es sich wohl kaum um eine Andere handeln kann. Es gibt nicht viele Ladyschaften in unserer Welt, wie Euch sicherlich bewusst ist.«
Selena musste über diese einleuchtende Erklärung schmunzeln
»Ja, das ist mir durchaus bewusst.«, sagte sie nun.
»Ach! Was bin ich nur für eine Gastgeberin! Nehmt doch bitte Platz, Eure Ladyschaft. Ich werde schnell für einen Imbiss sorgen.« sie blickte kurz zu einer Uhr und fügte hinzu »Ihr kommt auch gerade zur richtigen Zeit für den Fünf-Uhr-Tee.«, damit wuselte sie davon und ließ Selena mit Walden Macnair allein. Selena setzte sich in einen Sessel, auf dessen Lehne ein Spitzendeckchen lag und Walden Macnair platzierte sich auf der Couch.
Sie wandte sich dann auch sogleich an ihn, noch immer ungläubig
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass Du verheiratet bist!«
Er lächelte und meinte
»Es hat sich auch nie eine Gelegenheit ergeben, das Thema anzusprechen.«
»Das ist allerdings richtig. Habt ihr denn auch Kinder?«
Ein trauriger Schatten stahl sich auf das Gesicht des Mannes.
»Wir hatten einen prächtigen Sohn, ja. Aber das Schicksal hat uns nicht vergönnt ihn aufwachsen zu sehen und weitere Kinder wurden uns auch nicht geschenkt. Er war zwölf.«
»Was ist passiert?« flüsterte Selena atemlos, die Hand an ihrem Bauch.
Er atmete tief durch, offensichtlich sprach er nicht gern darüber.
»Wir waren bei Bekannten. Sie züchteten Hippogreife. Alphard, so hieß er, wollte die Fohlen streicheln gehen. Eines ist durchgegangen und hat ihn zerfetzt. Es ging zu schnell, niemand konnte eingreifen.«
»Das ist ja entsetzlich!« entfuhr es Selena, Macnair nickte, dann kehrte seine Frau mit einem Tablett, auf dem sie eine Teekanne, Tassen und eine Keksdose trug, zurück.
Sie arrangierte alles mit ihrem Zauberstab auf dem Tisch und schenkte den Tee ein. Selena beobachtete jede Handbewegung, fasziniert, wie sicher ihr Handeln wirkte. Nachdem sie alles verteilt hatte, nahm auch Lucinda auf dem Sofa platz und Selena nippte an ihrem Tee, der heiß war, aber köstlich schmeckte.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass Macnair, verzeiht, Walden, verheiratet ist. Das hat mich jetzt wirklich überrascht.«, brach Selena das Schweigen.
Lucinda lächelte mild.
»Seit sechsundzwanzig Jahren.«, verkündete sie stolz.
»Gratulation.« meinte Selena begeistert.
»Wir hatten zwar auch schwere Zeiten, als Walden ins Gefängnis musste, zum Beispiel, aber wir haben immer zusammengehalten. Schließlich setzt sich Walden für eine gute Sache ein.«
Selena nickte zufrieden, wenngleich sie nicht wusste, ob Lucindas Äußerungen der Wahrheit entsprachen oder nur dazu dienten, die ‚Ladyschaft’ zufrieden zu stellen. Im Augenblick war ihr das allerdings gleichgültig.
Nach einer kurzen Gesprächspause tat Selena den Höflichkeitsfloskeln genüge und bemerkte, was für ein schönes Haus die Macnairs hatten. Bereitwillig griff Lucinda, die im Gegensatz zu ihrem recht schweigsamen Mann, sehr gesprächig zu sein schien, das Thema auf und begann zu erzählen
»Ja? Ich finde es auch traumhaft. Meine Eltern, Babette und Antoine Bulstrode, haben die Ehe zwischen uns arrangiert, in der Meinung, Walden sei eine gute Partie. War er auch und ich bin überglücklich mit ihm verheiratet zu sein. Wisst Ihr, am Anfang hatte ich meine Bedenken, wegen des Arrangements, aber kurz nach der Hochzeit muss ich mich wohl verliebt haben. Leider verlor der alte Macnair, der Vater von Walden, bei Spekulationen einen Großteil seines Vermögens und das schöne Herrenhaus musste verkauft werden und schmälerte das Erbe beträchtlich. Dennoch habe ich es besser getroffen, als manch andere Frau, er ist so ein fleißiger, herzensguter Mann, der für eine gute Sache eintritt.«
»Da haben Sie gewiss recht, Mrs. Macnair. Ich arbeite sehr gerne mit ihm zusammen.«
»Ich fühle ich geehrt, Mylady. Es ist ein hohes Lob für mich, solche Worte aus Eurem geschätzten Mund vernehmen zu dürfen.«, meldete sich nach langem Schweigen der Herr des Hauses zu Wort. »Doch sagt mir, Mylady, wenn ich Euch nicht zu nahe trete natürlich, wann und vor allem wie, glaubt ihr, wird der Dunkle Lord sich mit Euch in Verbindung setzen?«
»Da mache ich mir keine Sorgen. Du kennst doch Satan, meinen Raben? Er findet mich immer und überall.«
Lucinda stöhnte vernehmlich auf und wisperte dann
»Ihr habt einen Raben als Boten? Einen Boten des Todes?«
Selena lächelte ungerührt und antwortete
»Ja, einen Raben. Meinetwegen sind sie in der Mythologie als Todesboten verschrien, aber Satan kann auch nett sein, wenn er will… Oder wenn ich es will.« fügte sie nach einer kurzen Pause hinzu.
»Ist er denn nicht gefährlich?«
»Wenn ich ihn lasse, schon, aber ich habe ihn im Allgemeinen unter Kontrolle. Er ist ein äußerst gelehriges Tier.«
»Ihr seid eine außergewöhnliche Frau, Mylady, da passt solch ein außergewöhnlicher Bote sehr gut. Ich finde es ja so aufregend, Ihre Bekanntschaft zu machen.«
Selena nickte kühl, doch dann entschied sie sich doch für eine Antwort
»Das Kompliment kann ich nur zurückgeben. Es ist mir eine Freude, sie kennengelernt zu haben.«
»Ihr führt sicherlich ein aufregendes Leben, Mylady. Ihr werdet Euch gewiss nicht mit etwas Geringerem als dem Besten zufrieden geben. Ich stelle mir vor, das glänzende Kontakte und Einladungen dazugehören, wie die Luft zum Atmen.«
»Weniger als sie glauben mögen. Wir befinden uns im Krieg, daher bleibt wenig Zeit für Vergnügungen jeglicher Art. Mein Mann gestattet mir von Zeit zu Zeit kleinere Veranstaltungen auszutragen, leider sehr selten und immer nur mit ausgesuchten Gästen. Mein nächstes Projekt dieser Art wird eine Feierlichkeit zur Sonnenwende sein. Ein altes Ritual.«
Einen kurzen Moment fragte sich Selena, ob sie zu viel verraten hatte. Allmählich wurde ihr Lucinda auch zu aufdringlich. Sie hätte sich nicht hinreißen lassen sollen, zu viel über private Dinge zu plaudern. Zumal ihr Gatte noch nichts von ihrem Vorhaben wusste.
»Welches Ritual plant Ihr, Mylady?« knurrte Macnair, nun deutlich misstrauisch.
»Vergeltung.«
Lucinda blickte entsetzt drein, ihr Mann einfach nur erstaunt.
»Meines Wissens wurde dieses Ritual seit Jahrzehnten nicht mehr durchgeführt, Mylady.«, sagte Macnair dann.
»Mag sein. Ist das aber ein Grund, es in Vergessenheit geraten zu lassen?«
»Natürlich nicht, Mylady. Es erscheint mir nur, nunja, ungewöhnlich.«
»Ungwöhnlich? Wenn Du meinst, Walden. Zum Glück sieht mir der Dunkle Lord so manche Eigenheit nach.«
Beinahe vertraulich flüsterte Lucinda nun, vorneübergebeugt
»Ist es schwer an seiner Seite? Er ist so ein großer Magier, den alle fürchten.«
Macnair sog zischend die Luft ein und sah sie tadelnd an, sagte jedoch nichts.
Selena wählte ihre Worte mit Bedacht
»Mit Sicherheit ist er ein großartiger Zauberer und ein hervorragender Anführer und brillianter Stratege. Dennoch liegt mir nichts ferner, als darüber zu plaudern, wie mein Leben mit ihm verläuft. Dies bleibt bei ihm und mir und geht Außenstehende nicht das Geringste an. Lassen sie sich gesagt sein, dass ich seine Aufträge meist zu seiner vollsten Zufriedenheit ausführe und ich nehme sie an, ohne zu hinterfragen, was sie bezwecken.«
Ihre Stimme wurde immer kühler und zeigte ihrer Meinung nach sehr deutlich, dass sich Lucinda auf gefährliches Terrain begab. Dennoch fragte Mrs. Macnair unbeeindruckt weiter.
»Er schickt Euch an die Front, Mylady?«
Selena lachte kalt auf.
»Von welcher Front sprechen Sie? Es gibt keine. Doch ich werde Ihnen jetzt nicht erklären, wie dieser Krieg ausgefochten wird. Entweder erhalten sie die Informationen von Ihrem Gatten, oder gar nicht.«
Lucinda wich anscheinend gekränkt ein Stück zurück. Frostiges Schweigen breitete sich aus und Selena saß mit durchgedrücktem Rücken auf der Kante ihres Sessels und nippte an ihrem warmen Tee.
»Verzeiht, Mylady, wenn ich Euch zu nahe getreten bin«, murmelte Lucinda nach etlichen Minuten.
Walden Macnair erhob sich, stellte sich ans Fenster und sah hinaus. Erst da bemerkte Selena das leise Klappern, welches die Fensterläden durch den Wind verursachten, der offenbar aufgezogen war.
Ohne sich umzudrehen sagte er leise
»Ein Sturm zieht auf.«
Selena nickte doch dann fiel ihr ein, dass er es ja nicht sehen konnte und fügte hinzu
»Ja. Es wird auch Zeit, dass der Winter kommt.«
»Mylady? Darf ich Euch, wegen des unwirtlichen Wetters, anbieten, bis die Nachricht des Dunklen Lords eintrifft, in unserem bescheidenen Heim Quartier zu beziehen?«
Jäh spürte Selena die wachsende Zuneigung zu diesem Mann und ehrliche Dankbarkeit in sich aufsteigen. Dennoch entschied sie sich dazu, das Angebot auszuschlagen.
»Ich fühle mich geehrt, dass Du mir dies vorschlägst, doch um Gerüchten vorzubeugen, ist es wohl besser, wenn ich anderswo meine Zeit verbringe.«
»Wie Ihr wünscht, Mylady.«, sprach Macnair, ohne sich umzusehen.
Lucinda schaltete sich augenblicklich wieder ein, die Impertinenz in Person.
»Wo wollt Ihr denn stattdessen hin? Wir haben hier genug Platz, Euch würde es an nichts mangeln.«
Selena fragte sich, ob sie wahrheitsgemäß eingestehen sollte, dass sie sich nicht sicher war, entschied sich aber dagegen.
»Ich werde wohl einen Freund besuchen, er wird sich freuen, mich zu sehen.«
Die Lüge schmeckte bitter, da sie so etwas, wie Freunde schon lange nicht mehr hatte. Diese Erkenntnis schmerzte mehr, als sie sich einzugestehen bereit war.
Lucinda, die keinen Zweifel an der Aufrichtigkeit ihrer Gesprächspartnerin hegen musste, war sofort überzeugt.
»Wie schön. Natürlich geziemt es Eurem Rang, Kontakte und Bekanntschaften zu pflegen. Wahrlich merkt man schon an ihrer Haltung, welch edles Blut in Euern Adern fließt.«
»Ich danke Ihnen für das Kompliment. Schon als kleinem Mädchen wurde mir beigebracht, mir bewusst zu machen, was es heißt von reinstem Blute zu sein. In Durmstrang wurde uns Etikette gelehrt, die uns von Schlammblütern und anderem Abschaum unterscheiden sollte.«
»Schon als Kind wurden Euch diese Dinge gelehrt?«
»Ja, meine Eltern waren sehr streng, doch, da ich es nicht anders kannte, war ich gehorsam und habe mich den Regeln gefügt.«
»Mir scheint, Mylady, Ihr habt nicht den besten Kontakt zu Euren Eltern, oder irre ich diesbezüglich?«
Ein sanftes Lächeln umspielte Selenas Lippen, als sie antwortete
»Wenn Sie es genau wissen wollen, ich habe gar keinen Kontakt zu meinen Eltern. Sie sind tot. Man schätzte die gesunden Überzeugungen meiner Familie nicht.«
Erschüttert riss Lucinda die Augen auf und murmelte Beileidsworte. Selbst ihr Mann drehte sich wieder interessiert zu den beiden Frauen um.
»Das ist ja schrecklich!« entfuhr es Lucinda, Selena nickt bitter, ehe sie abschließend sagte
»Eine Tragödie, die mittlerweile kein Thema mehr für mich ist. Ich habe mich damit abgefunden.« nach einer kurzen Pause, noch bevor Lucinda weitere Fragen stellen konnte, meinte sie
»Ich werde mich jetzt auf den Weg zu meinem Bekannten machen. Ich möchte noch vor Einbruch der Dunkelheit dort sein. Ich danke euch beiden vielmals für den Tee und das Gespräch.«
Sie erhob sich und Lucinda sagte, den Kopf demütig gesenkt
»Es war mir eine große Freude, Eure hochgeschätzte Bekanntschaft zu machen, Mylady. Vielleicht führt Euch das Schicksal wieder einmal hierher in unser bescheidenes Heim.«
Selena nickte, dachte aber, dass dieser Fall so schnell nicht eintreten würde.
Walden brachte sie zur Tür und verneigte sich tief vor ihr.
»Mylady. Wenn ich noch etwas für Euch tun kann, so sagt es mir bitte.«
»Danke, Macnair. Aber im Augenblick sehe ich nichts, was in Deiner Macht stehen würde.« Sie öffnete die Tür und ein kalter Wind ließ ihren Umhang flattern und ihre Haare durcheinanderwirbeln.
»Bis bald.«, murmelte sie und verließ das Grundstück, ohne sich noch einmal umzuwenden. Kaum, dass sie das Gartentor passiert hatte, disapparierte sie.
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