
von Lady_Selena
Als Selena am nächsten Morgen erwachte, war sie allein. Nirgendwo war eine Spur zu entdecken, dass ihr Gatte überhaupt zurückgekehrt war.
Träge schlüpfte sie aus dem Bett und lief ins Ankleidezimmer, um sich für den Tag fertig zu machen.
Danach lief sie die Wendeltreppe hinab in ihren Wohnbereich und schließlich bis zum Speisezimmer. Der Tisch war für eine Person gedeckt, vom Dunklen Lord entdeckte sie keine Spur.
Kaum hatte sie das Zimmer betreten, stürzten auch schon die beiden Hauselfen auf sie zu und verneigten sich tief und demütig.
»Wo ist der Herr?«, fragte sie schärfer, als beabsichtigt.
Baku antwortete leise, ohne den Blick zu erheben
»Er ist im Morgengrauen aufgestanden und fand den Tisch bereit, für seine Mahlzeit. Danach ist hat er das Haus verlassen und uns den Auftrag gegeben, Euch auszurichten, dass so bald nicht mit seiner Anwesenheit zu rechnen sei.«
Selena sackte innerlich zusammen. War er etwa nur zu ihr gekommen, um seine Gelüste zu befriedigen und dann wieder zu verschwinden?
Sie bewahrte jedoch Haltung, nickte und ließ sich am Tisch nieder. Lustlos stocherte sie auf ihrem Teller herum und schlürfte ihren Kaffee. Sie hatte beschlossen, sich wenigstens eine Tasse davon am Tag zu gönnen.
Schließlich hatte sie genug davon, ihren fast unberührten Teller anzustarren. Der Appetit war ihr gründlich vergangen.
Sie erhob sich und wünschte von den Elfen, nicht gestört zu werden. Ihr Plan für den heutigen Tag stand fest. Sie würde mit den fruchtlosen Versuchen aufhören, die Karte zu kopieren und mit dem Original die Burg erkunden.
Zielstrebig ging sie in die menschenleere Bibliothek und dann weiter zum Kartenregal. Mit einem Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtete, nahm sie die Karte der Burg an sich und ließ sie unter ihrem Umhang verschwinden. Vorsichtig lugte sie nach dem Verlassen der Bibliothek um jede Ecke, bevor sie die Korridore zu ihrem Zimmer entlangschritt.
Nachdem sie ihren Wohnbereich betreten hatte, verriegelte Selena zunächst einmal ihre Tür. Dies würde den Dunklen Lord zwar nicht lange aufhalten, falls er nach Hause käme, doch sie fühlte sich dadurch irgendwie sicherer, unbeobachteter.
Bedächtig zog sie nun die Pergamentrolle hervor und betrachtete sie eingehend. Auf der Karte war vermerkt, dass der Geheimgang, der sie am meisten interessierte, wenige Schritt neben dem Kamin seinen Eingang hatte. Selena suchte die Stelle, entdeckte aber nur die blanke Wand.
Zögerlich näherte sie sich der Stelle und musterte die unverputzte, graue Mauer. Nichts deutete darauf hin, dass sich diese großen Steinquader auch nur einen Millimeter von der Stelle bewegen würden. Sacht klopfte Selena mit ihren Knöcheln dagegen und erschrak beinahe, da das Geräusch weniger massiv wirkte, als sie erwartet hätte, sondern vielmehr einen verborgenen Hohlraum versprach. Eilig holte sie nun ihren Zauberstab hervor und tippte die Spitze erwartungsvoll gegen die Mauer. Nichts geschah.
Wieder versuchte Selena auf der Karte etwas zu erkennen, doch hier war nur der Geheimgang eingezeichnet, keine Notiz, wie man ihn benutzte.
Enttäuscht ließ sie sich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden sinken, doch plötzlich verlor sie den Halt und landete rücklings im Geheimgang.
Hektisch entzündete sie ihren Zauberstab und stütze sich in ihrer liegenden Position auf die Ellenbogen. Ihre Beine sah sie nicht, sie verschwanden in der, dem Anschein nach, soliden Mauer. Ihren Torso allerdings konnte sie deutlich erkennen. Das Gefühl war befremdlich, weshalb sie die Beine schnell nachzog. Schwer atmend vor Schreck fand sie sich im Gang wieder. An den ebenso kahlen Mauern befanden sich rechts und links Fackeln. Sie zielte mit ihrem Zauberstab auf eine davon, die sich sogleich entzündete und eine Kettenreaktion in Gang setzte.
Nacheinander fingen auch die anderen Fackeln Feuer und erhellten den engen Weg. Langsam erhob sich Selena und tastete vorsichtig mit den Fingerspitzen die Wand ab, oder vielmehr das, was wie eine Wand aussah, denn ihre Hände konnten nichts erspüren und verschwanden im so fest wirkenden Mauerwerk.
Sie drehte dem verborgenen Eingang schließlich den Rücken zu und machte sich auf den Weg das Ende des Tunnels zu suchen. Mehrere Minuten lief sie voran, ohne dass sich das Bild auch nur im Geringsten veränderte. Rechts und links von sich nur die spärlich von den Fackeln erleuchteten Mauern.
Doch plötzlich sah sie sich einer Sackgasse gegenüber. Der Ausgang war scheinbar zugemauert worden, doch noch gab sie die Hoffnung auf einen Ausweg aus ihrem Gefängnis nicht auf. Wieder streckte sie die Hände aus, doch dieses Mal berührte sie den kalten Stein.
Selena fühlte sich gefangen, sie hatte sich zu viele Hoffnungen gemacht und nun machte sich noch mehr tiefe Verzweiflung in ihr breit.
Ohne etwas zu erwarten stieß sie die Spitze ihres Zauberstabs gegen die Mauer, woraufhin die Wand einfach verschwand. Langsam und vorsichtig trat sie durch die Öffnung, die sich gerade aufgetan hatte und versuchte sich zu orientieren. Vor sich sah sie eine steinerne, kunstvoll gestaltete Grabplatte, an deren Kopfseite sie stand. Sie schien geradezu durch die Mauer dahinter getreten zu sein. In erhabenen Lettern erkannte sie den Namen eines Sir Merewood, der über dem Kopf des ebenso herausgearbeiteten Ritters in Rüstung die schwere Platte zierte. Selena erhob den Blick wieder und stellte erbleichend fest, dass sich die Öffnung wieder verschlossen hatte. Wenn sie sich nun ausgesperrt hatte, gab es für sie keine Möglichkeit mehr, in die Burg zurückzukehren.
Im Monet wagte sie sich nicht, erneut zu versuchen das Tor zum Geheimgang zu öffnen, aus Angst vor der möglichen Enttäuschung.
Es war eiskalt in diesem Steingebilde und der Wind pfiff unbarmherzig durch die Gitter, die die drei offenen Wände bedeckte. Zwischen den Gittertoren befanden sich Wände, die in einem Winkel angebracht waren, der auf einen achteckigen Grundriss schließen ließ.
Bleiches Sonnenlicht, welches durch eines der offenen Seiten fiel, zeigte Selena neben Merewoods Grabplatte zwei weitere, kleinere, die ebenfalls kunstvoll bearbeitet waren. An den Wänden hingen noch Steintafeln mit Geburts- und Sterbedaten einiger Adliger.
Selena trat zwischen zwei Platten hindurch und spähte durch das Gitter zu ihrer Linken.
Reihe um Reihe entdeckte sie dahinter Grabsteine, zum Teil mit frischen Blumen und Kränzen bestückt, andere machten einen eher verwahrlosten Eindruck.
Selena versuchte das Gitter zu öffnen, doch musste bald feststellen, dass es mit einer Kette und einem Schloss gesichert war. Amüsiert fragte sie sich, ob es der Abwehr unerwünschte Gäste von außen oder eher denen von innen diente.
Sie richtete ihren Zauberstab auf das Vorhängeschloss und murmelte »Alohomora«. Mit einem Klicken sprang der Bügel zurück und die Kette fiel, nachdem Selena das Schloss herausgezogen hatte, klirrend zu Boden.
Ängstlich ob des lauten Geräusches sah sie sich um. Vielleicht wäre es besser, sie würde beim Verlassen der Grabstätte nicht gesehen werden. Kurzerhand tippte sie mit dem Zauberstab auf ihren Kopf und spürte das kalte, nach unten tröpfelnde Gefühl des Desillusionierungszaubers. Laut Quietschend öffnete sie das Gitter und trat hinaus. Sorgsam legte sie mit unsichtbaren Händen die Kette wieder an und verschloss sie mit dem Zauberstab.
Wenn sie in diesem Moment zufällig von Muggeln beobachtet würde, so dächten diese mit Sicherheit auf dem Friedhof würde es spuken. Selena erfüllte dies mit grimmiger Genugtuung.
Unsichtbar raschelte sie nun durch das herabgefallene Laub und genoss die ruhige Atmosphäre des Friedhofs.
Ohne ein bestimmtes Ziel erreichte sie dennoch die alles überragende Kirche, mit ihren runden Bleiglasfensters. Unschlüssig blieb sie vor der Tür stehen und überflog im Glaskasten daneben die Verlautbarungen an die Gemeinde.
Selena fand nichts von Interesse auf diesen mit Magneten befestigten Zetteln. Sie stieg die wenigen Stufe zur Kirchentür hinauf und öffnete die knarrende Tür.
Zuerst mussten sich ihre Augen an das düstere, dämmerige Licht gewöhnen, das durch die Seitenfenster fiel. Vor dem Altar kniete ein Mann, wahrscheinlich gehörte er zu dieser Kirche, zumindest wirkte seine Kleidung dementsprechend, wie sie Selena einst auf Bildern von Pfarrern gesehen hatte. Er hielt demütig den Kopf gesenkt, als Selena eintrat.
Neben ihm eine ältere Frau, die flehentlich zum Kirchenkreuz aufblickte und lautlos die Lippen bewegte.
Der Pfarrer drehte sich herum, als er den Luftzug der geöffneten Tür spürte und hob verwundert die Augenbrauen. Selena ließ die Tür los und mit einem dumpfen Geräusch, das durch das ganze Kirchenschiff widerhallte fiel sie ins Schloss.
Noch immer blickte der Pfarrer durch Selena hindurch und versuchte den Störenfried ausfindig zu machen, was ihm jedoch nicht gelang.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem boshaften Grinsen, das niemals ein Mensch erblicken würde. Sie beschloss diesen beiden Muggeln das Fürchten zu lehren.
Vor einem Heiligenbild entdeckte sie mehrere Teelichter, einige brennend, die meisten jedoch frisch. Sie schritt beinahe lautlos auf sie zu und nahm eine der kleinen Kerzen in die Hand. An einer bereits Brennenden entzündete sie die ihre und stellte sie auf ihren ausgestreckten Handteller. Selbst für sie wirkte es, als würde die Kerze durch den Raum schweben.
Jedes überflüssige Geräusch vermeidend schlich sie von hinten an die beiden betenden Gestalten heran.
Vorsichtig führte sie das brennende Teelicht vor die geschlossenen Augen des Pfarrers und blies ihm sacht in den Nacken. Zufrieden bemerkte sie, wie er zuckte und sich seine Nackenhaare aufstellten.
Plötzlich zuckte er zusammen. Er hatte das schwebende Teelicht bemerkt, welches sich nun auf die betende Frau zubewegte. Er schlug ein Kreuz vor seiner Brust und nun reagierte die Frau auch endlich. Panisch warf sie ihre Hände über den Kopf und rannte zwischen den Kirchenbänken in Richtung Tür. Laute Schreie gellten schrill durch das Kirchenschiff. Immer wieder schrie sie, es würde spuken während sie hastig über den Stein schlitterte.
Selena genoß das Schauspiel, welches sich ihr darbot und beschloss es bei Gelegenheit zu wiederholen. Der Pfarrer starrte immer noch mit weit aufgerissenen Augen auf das schwebende Teelicht. Selena spürte langsam, wie sich das dünne Metall rundherum erhitzte, während das Wachs schmolz und bevor sie sich verbrannte blies sie es aus.
Achtlos ließ sie es fallen und beobachte, wie das flüssige Wachs über den Boden spritzte. Der Pfarrer rannte sofort zu einer Schale und besprenkte das nun zur Ruhe gekommene Teelicht mit Weihwasser, während er Bibelstellen murmelte, die es offensichtlich von bösen Geistern befreien sollten.
Selena indes schritt gemächlich das Kirchenschiff entlang und kurz bevor sie die Kirche verließ lachte sie einmal gellend auf, dann schlug sie die Tür laut von außen zu.
Selena war ausgesprochen euphorisch. Sie beschloss zunächst die nähere Umgebung zu erkundigen, ehe sie sich auf den Friedhof und damit auf den Heimweg begab.
Mit ihrem Mann rechnete sie dabei nicht. Sie bezweifelte, dass sie ihn so schnell würde wiedersehen.
Vor der Kirche führte ein schmaler Weg zu einem schmiedeeisernen Zaun, der zu einem kleinen Platz führte. In der Mitte des Platzes sah sie ein Denkmal. Selena besah sich dieses und stellte fest, dass es den tapferen Soldaten gedachte, die im zweiten Weltkrieg ihr Leben ließen. Selena wusste einiges über diesen Krieg, mehr noch, als diese ignoranten Muggel. Grindelwald, der einst ihre Schule besuchte, war der Auslöser dieser ganzen Geschichte. Selena fand es immer beeindruckend, was er für die Zauberergemeinschaft plante, wie er die Welt zu revolutionieren dachte. Doch schließlich landete er durch ignorante Gegner in dem Gefängnis, welches er selbst gebaut hatte. Ignorant waren sie alle, auch die Feinde ihres Mannes. Selena konnte nicht nachvollziehen, warum niemand die Überlegenheit der magisch begabten Menschen verstand.
Die Geräusche von Passanten holten sie wieder in die Gegenwart zurück. Sie lief langsam die Strassen entlang und schaute sich verschiedene Geschäfte und Häuser an. Sie fühlte sich seltsam fehl am Platze. Von nirgendwo war auch nur ein Hauch von Magie zu spüren und das machte sie traurig. In einer gerechten Welt sollte man sich als Hexe oder Zauberer nicht verstecken müssen. Doch genau dies schrieben diese ungerechten Gesetze und Statute vor. Eines Tages würde sich dies ändern, dessen war sie sich gewiss. Der Dunkle Lord würde zusammen mit seinen Anhängern dafür sorgen.
Sie würde sich dazu bekennen können, wer sie war, dass sie an seiner Seite stand, dass sie die Frau des Dunklen Lords war, genauso grausam und gerecht, wie er.
Mach Dich nicht lächerlich –sagte sie zu sich selbst- er wird Dich immer im Verborgenen halten, wie eine Schwäche. Er würde nie zulassen, dass er seine Macht teilt.
Selena seufzte laut auf, als ihr dies bewusst wurde, was irritierte Blicke nach allen Seiten von Passanten verursachte. Das Interesse hielt allerdings nicht lange an.
Sie beschloss zurückzukehren, da es hier für sie nichts mehr zu entdecken gab. Sie wusste nun, dass sie die Burg verlassen konnte, wenn sie wollte, wenngleich die Rückkehr noch ausstand. Nun würde sich zeigen, wie gründlich der Dunkle Lord mit seinen Schutzzaubern gewesen war. Selena hoffte zwar auf seine Nachlässigkeit, befürchtete jedoch das Schlimmste.
Vorsichtig näherte sie sich wieder dem Eingang zum Friedhof. Das Tor quietschte leise, als sie es öffnete und unsichtbar hindurchschlüpfte. Ob jemand bemerkte, wie sich das geschmiedtete Gatter, wie von Geisterhand, bewegte, war Selena gleichgültig. Sollten doch ruhig Spukgeschichten durch das Dorf dieser unbedarften Muggel kursieren.
Ohne besondere Vorsicht lief Selena zum Eingang des Geheimganges. Zweige und trockenes Laub knirschten unter ihren Füßen, doch auch darum kümmerte sich Selena nicht. Schlimmer wäre wohl Regen gewesen, der die irdenen Wege aufweichte und sie somit bei jedem Schritt hätte Fußabdrücke hinterlassen müssen.
Vor der Ruhestätte blickte sie sich kurz nach allen Seiten um, ehe sie ihren Zauberstab zog, um damit das Vorhängeschloss zu öffnen. Erneut schaute sie über ihre Schultern, ehe sie die Kette löste und schließlich durch das nun geöffnete Gitter schlüpfte. Ein Hauch von Bedrohung lag in der Luft, den Selena nicht näher bestimmen konnte, sondern nur ihre Nackenhaare prickeln ließ.
Sorgsam legte sie die Kette an, die sie noch problemlos von innen erreichen konnte, dann schob sie den Bügel durch die Glieder und ließ das Schloss einrasten.
Sie spürte ihr Herz in der Kehle schlagen, alles oder nichts. Kam sie zurück oder nicht?
Langsam nur näherte sie sich der Mauer, hinter der Grabplatte, vorsichtig streckte sie die Fingerspitzen aus, berührte den kalten Stein.
Die Wand machte einen massiven Eindruck, doch Selena hatte heute gelernt, dass sie sich davon nicht täuschen lassen durfte. Mit dem Zauberstab berührte sie einen der Steinquader und ehe sie sich versah, verschwand die Mauer, die eben noch so undurchdringlich schien.
Selena atmete vernehmlich aus. Sie hatte nicht bemerkt, dass sie den Atem überhaupt angehalten hatte. Freude, Genugtuung, Glück durchströmten ihre Körper. Sie wollte sich keine falschen Hoffnungen machen und war daher innerlich gegen das Schlimmste gewappnet. Doch dies war nur der halbe Weg, das erste Hindernis auf ihrem Weg zurück in die Burg.
Ohne zu zögern machte sie sich auf den langen Weg, der sie zum Ausgang des Tunnels führen sollte. Diesmal entzündete sie keine Fackeln, wusste sie doch, dass es keine Gefahren gab, die der Gang barg.
Immer weiter schritt sie durch die feuchtkalte Luft, nach einigen Minuten entzündete sie dann doch ihren Zauberstab. Das trübe Zauberstablicht erhellte den Boden und die Wände nur wenige Schritte und warf merkwürdige Schatten an die Mauer.
Bald schon näherte sie sich dem Ausgang, zumindest sah sie eine massive Wand vor sich auftauchen. Wieder hielt sie unwillkürlich die Luft an, ehe sie ihre Fingerspitzen ausstreckte, um den Stein zu berühren.
Sie fasste ins Leere, spürte keinerlei Widerstand. Unglaubliche Freude machte suich in ihr breit, dann schritt sie hindurch in ihr Gemach.
Niemand war zu sehen und so löste sie endlich auch den Desillusionierungszauber.
»Homenum revelio«, murmelte Selena. Nichts geschah, was sie sehr erleichterte.
Ohne über die weitere Vorgehensweise nachzudenken nahm sie auf dem kleinen Sofa platz, legte die Füße hoch und griff sich ein kleines Buch von einem Beistelltisch.
Sie fing an zu lesen und stellte bald fest, dass sie es schon einmal gelesen haben musste.
Nur wenige Minuten später, während Selena in den abgegriffenen Seiten blätterte und sich an die Handlung erinnern suchte, tauchte Baku auf, um ihr die Rückkehr des Dunklen Lords anzukündigen.
Schnell versuchte sie die Zeit einzuschätzen, es konnte kaum Mittag sein.
Ihr Herz schlug verräterisch schnell, als sie die Schritte von der anderen Seite der Tür vernahm, die sich mit Bestimmtheit näherten.
Sie atmete tief durch im Versuch sich zu beruhigen. Nebenbei schob sie die Gedanken an ihren Ungehorsam in einen verborgenen Winkel ihres Geistes, in der Hoffnung, er würde es nicht durchschauen.
Die Tür öffnete sich und seine schlanke Gestalt schob sich ins Zimmer.
Er musterte sie kurz in ihrer bequemen Haltung auf dem Sofa, mit dem Buch in der Hand.
»Willkommen zurück, Tom. Ich habe Dich heute morgen vermisst.«, hauchte Selena, um Gelassenheit bemüht war.
»Wichtige Geschäfte rissen mich aus dem Schlaf, die keine Verzögerung duldeten.«, antwortete er schlicht.
Selena setzte sich auf, um Zeit zu gewinnen. In ihrem Innern überschlugen sich die Gefühle.
»Du bist aufgewühlt.«, stellte er sachlich fest, ehe er fortfuhr »Bleibt die Frage: Warum?«
Selena versuchte noch immer sich zu beruhigen, doch ihr Herz schlug unbeirrt heftig gegen ihre Brust.
»Ich hatte Dich nicht zurückerwartet. Das ist alles. Ich war ein wenig erschrocken, da ich nicht damit gerechnet habe, Dich so bald wiederzusehen.«
»Das ist alles? Die Schwangerschaft bekommt Dir nicht, Du bist schreckhaft geworden.«
Ein genüssliches, kaltes Lächeln schlich auf seine Lippen, seine Augen bekamen einen seltsamen Glanz, er genoss sichtlich ihre erschrockene Reaktion, wie ihre Hand an ihren Bauch fuhr, ihre Augen sich entsetzt weiteten.
Noch bevor Selena sich soweit sammeln konnte, dass sie hätte antworten können, sprach er schon weiter.
»Du machst es mir wirklich einfach, nicht wahr, kleine Selena? Aber hab keine Angst, ich habe Dir versprochen, deinem Kind nichts anzutun und ich stehe für gewöhnlich zu meinem Wort.«
»Ich vertraue Dir, Tom. Doch, sag, warum bist Du zurückgekehrt? Was ist der Grund dafür?«
»Ich habe mir den Nachmittag freigenommen, um ein wenig Zeit mit meinem holden Weib zu verbringen, nicht mehr und nicht weniger.«
Selena wurde unruhig. Normalerweise kam er nicht auf solche Ideen. Normalerweise strafte er sie doch mit Gleichgültigkeit, doch auch auch je mehr sie darüber nachdachte, sie konnte sich keinen vernünftigen Beweggrund für sein plötzliches Interesse vorstellen.
»Ich habe nachgedacht, Selena. Über Dich.«
Selena schluckte. Irgendwie klang das überhaupt nicht gut. Beklommen nickte sie.
»Ich glaube, Du würdest früher oder später versuchen zu fliehen. Du bist nicht gern eingesperrt und ich habe verdrängt, dass Du Menschen um Dich herum brauchst, um glücklich zu sein.«
Wieder nickte sie.
»Du planst dieses Ereignis und da wird es wohl unerlässlich sein, gelegentlich das Haus zu verlassen, nicht wahr?«
Sie bestätigte auch dies stumm.
»Ich werde die Sicherheitsvorkehrungen ein wenig lockern. Dir soll erlaubt sein, Dich von Zeit zu Zeit außerhalb dieser Mauern mit Personen Deiner Wahl zu treffen, sowie alles in die Wege zu leiten, was für Dein Wohlbefinden und Deine Pläne nötig ist.«
Selenas Gesicht erstrahlte. Sie würde der Gefangenschaft entfliehen können. Hatte der Dunkle Lord nun doch ein Herz?
»Aber es gibt ein paar Bedingungen, die an diese Zuvorkommenheit meinerseits gebunden sind.«
Selena antwortete ihm nun, durch das lange schweigen, ein wenig heiser
»Welche Bedingungen?«
»Ganz einfache. Du wirst niemanden mit hierher nehmen; Du wirst hier sein, wenn ich es befehle und Du wirst nichts unternehmen, bevor ich darüber Kenntnis habe. Wenn ich damit einverstanden bin, erlaube ich Dir die Rückkehr, aber das versteht sich meines Erachtens von selbst.«
»Natürlich, Tom. Das versteht sich von selbst.«, murmelte Selena tonlos.
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