
von Lady_Selena
Selena stöhnte halb frustriert und halb erleichtert auf. Dann schob sie ihren Lehnstuhl zurück und stand auf. Der Dunkle Lord wartete bereits an der Tür auf sie.
Gemeinsam begaben sie sich hinaus auf den Korridor und auf den Weg ins Speisezimmer.
»Du wirkst unzufrieden, Selena. Läuft etwas nicht, wie Du es Dir vorgestellt hast?«
»Nein, alles in bester Ordnung.«, presste sie zwischen den Zähnen hervor.
»Warum denn gleich so gereizt, meine Liebe?«
Um einen ruhigen Ton bemüht, obzwar es in ihrem Inneren brodelte, antwortete sie
»Es ist wirklich nichts, Tom.«
»Selena, Du bist eine schlechte Lügnerin, weißt Du das? Ich kann Dir auch genau sagen, was Dich stört: Meine Anwesenheit. Deine Okklumentikfähigkeiten lassen in letzter Zeit sehr zu wünschen übrig.«, meinte er kalt.
»Warum sollte ich auch versuchen Dir etwas zu verheimlichen? Du würdest es sowieso durchschauen und außerdem habe ich keine Geheimnisse vor Dir.«
»Lügnerin.«, hauchte er sanft, was seinem Wort noch mehr Bedrohlichkeit verlieh.
Selena blieb stehen und sah im fest in die Augen. Dann wechselte sie in ihre Muttersprache um einige Zeilen zu rezitieren, die sie einst irgendwo aufgeschnappt hatte und ihr jetzt plötzlich in den Sinn kamen
»Heiß mich nicht reden, heiß mich schweigen, denn mein Geheimnis ist mir Pflicht. Ich möchte Dir mein ganzes Inn’re zeigen, allein das Schicksal will es nicht.«
Offensichtlich verwirrt blickte Lord Voldemort sie einen Augenblick an, ehe sie triumphierend weiterging.
»Was hast Du eben zu mir gesagt?«, zischte er ihr finster hinterher.
»Oh. Das tut mir aber Leid, dass Du mich nicht verstanden hast.«, lachte Selena ohne sich umzudrehen. Sie bereute ihre Aufmüpfigkeit, sobald sie die schwarzen Seile spürte, die sie unbarmherzig einschnürten. Sie konnte sich kaum noch rühren, doch sie vernahm die Schritte hinter sich, die langsam auf sie zukamen.
Der Dunkle Lord umrundete sie und führte sein Gesicht, bis auf wenige Zentimeter von ihrem entfernt, an sie heran. Seine Augen glühten scharlachrot, ein sicheres Zeichen für seinen Zorn.
»Ich habe Dich etwas gefragt!«, zischte er bedrohlich leise.
Selena versuchte ihre Arme und Beine zu bewegen und funkelte ihn an.
»Wenn Du mich befreist, antworte ich Dir oder willst Du mich weiter verschnürt, wie ein Paket, hier herumstehen lassen?«
Allmählich wurden ihre Fingerspitzen und Zehen taub, so fest saßen die magisch heraufbeschworenen Seile.
»Erst wirst Du mir antworten!«
»Nein. Zuerst wirst Du mich befreien.«
»Selena! Ich warne Dich!«
»Patt, Liebster. Ich denke nicht daran aufzugeben.«
»Du wagst es, mir, Lord Voldemort, zu widersprechen?«
Plötzlich sah Selena aus dem Augenwinkel die Spitze seines Zauberstabs dicht an ihrem Gesicht.
»Ja, ich wage es, Tom.«
»Treibe es nicht zu weit!«
Selena hörte auf gegen die Fesseln anzukämpfen und schüttelte ungläubig den Kopf, soweit es die Fesselung zuließ.
»Warum streiten wir uns eigentlich? Nur weil Du mich nicht verstanden hast?«
Kurzzeitig war der Dunkle Lord sprachlos. Offenbar wurde auch ihm die Sinnlosigkeit der Diskussion bewusst.
»Verstehst Du nicht, dass es mir ums Prinzip geht, Selena? Wenn ich Dich etwas frage, so hast Du zu antworten, ohne Widerrede! Wir können in zwei Sprachen miteinander kommunizieren! Da wird es doch nicht so schwer sein, eine davon auszuwählen, um mir Deine Gedanken mitzuteilen. Aber nein, meine Frau muss ja ihren eigenen Kopf durchsetzen. Ich verlange künftig von Dir in meiner Gegenwart entweder Parsel oder Englisch zu sprechen, sonst vergesse ich mich! Hast Du das jetzt verstanden?«
»Ja, ich habe Dich verstanden und werde mich künftig hüten etwas in meiner Muttersprache zu sagen, auch wenn es nur ein Zitat ist, welches ich irgendwann einmal irgendwo aufgeschnappt habe. Entfernst Du jetzt bitte die Seile?«
»Übersetze mir zuerst, was Du zu mir gesagt hast!«
»Das lässt sich nicht übersetzen! Verstehst Du das denn nicht? Es ist, glaube ich, ein Gedicht und das würde seine Schönheit verlieren, wenn ich es einfach übertrage!«
»Musst Du weiter diskutieren? Ich habe Dir versprochen, Dein Kind nicht zu gefährden, aber Du bist nur einen kleinen Schritt davor, zu weit zu gehen und dann garantiere ich für nichts mehr!«
Selena sah ein, dass sie nun einlenken musste. Sie war sich bewusst, dass sie sich angreifbar machte, wenn er erkannte, wie leicht sie sich mit ihrem Kind erpressen ließ. Aber wahrscheinlich wusste er bereits, wie sehr er sie in der Hand hatte.
Sie holte so gut es ging tief Luft und übertrug das Gedicht so gut es ging ins Englische. Danach schlug sie die Augen nieder. Scham machte sich in ihrem Inneren breit. Sie fühlte sich besiegt.
Sie wartete, dass die Beklemmung nachließ, die die Seile erzeugten, doch der Dunkle Lord hatte offensichtlich beschlossen sich an ihrem geschlagenen Anblick zu weiden.
Erst, als sie die Augen wieder öffnete und flehentlich seinem Blick begegnete, ließ er sie frei.
Die Seile lösten sich in schwarzem Rauch auf und Selena bewegte vorsichtig ihre steifen Glieder.
Eine ruckartige Bewegung seines Kopfes wies sie an, ihm zu folgen und ihr blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen.
Lustlos stocherte sie dann in ihrem Essen herum, der Appetit war ihr gründlich vergangen.
Der Dunkle Lord beoachtete sie die ganze Zeit über und warf kaum einen Blick auf seinen Teller.
»Du bist unglücklich.«, stellte er schließlich genüsslich fest.
Selena funkelte ihn an, sagte jedoch nichts.
»Weißt Du«, gedehnt sprach er weiter »Ich überlege jetzt schon die ganze Zeit, was Du mit diesem Zitat ausdrücken wolltest. Was hast Du auf dem Herzen, Selena?«
»Seit wann interessiert Dich, was in mir vorgeht?«
Er reagierte nicht, wie Selena erwartet hätte. Er war anscheinend in Plauderstimmung und ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Noch nicht. Selena wusste nur zu gut, dass es nur eine Frage der Zeit war. Sie schwieg. Eine reine Vorsichtsmaßnahme.
»Würde sich Mylady jetzt endlich dazu herablassen, mir zu antworten?«
Dieses Mal auf Parsel, begann sie langsam zu sprechen
»Heiß mich nicht reden, heiß mich Schweigen. Denn mein Geheimnis ist mir Pflicht. Ich möchte Dir mein ganzes Inn’re zeigen, allein das Schicksal will es nicht.
Was ich damit sagen will ist folgendes: Du willst immer alles wissen, Tom. Doch es gibt Dinge, die ich Dir nicht sagen kann, da Du sie nicht verstehen würdest. Ich habe die Worte, die ich Dir einst geschworen habe, mehr als ernst genommen. Ich wollte Dir einst meine ganze Liebe, mein Leben, mein Schicksal, alles, was ich besitze schenken. Doch Du warst nie bereit, mein Geschenk anzunehmen. Du bist wie eine Wand, gegen die ich pausenlos anrenne, im Versuch, irgendwann vielleicht dahinterzublicken oder sie gar zu überwinden, aber Du lässt das nicht zu. Du versuchst systematisch mich zu zerstören, wahrscheinlich aus reinem Selbstschutz vor meinen Angriffen. Doch ich greife Dich nicht an, will Dir nichts Böses. Ich möchte nur einmal die Gelegenheit bekommen, dem Tom Riddle zu begegnen, der Du wirklich bist. Ich möchte erkennen, ob ich meine Liebe vergebens in Dich investiert habe, oder ob Du sie wirklich verdienst. Ich glaube fest daran, dass Letzteres der Fall ist, aber Du machst es mir schwer, Dich zu lieben.
Du hast vielleicht in Deiner Kindheit, Deiner Jugend und so weiter niemals Liebe erfahren, aber Du kannst immer noch lernen, wenn Du willst. Doch ich vermute, dass Du das gar nicht willst. Du siehst mich als Spielzeug, mit dem Du machen kannst, was Du willst. Eines Tages wirst Du zu weit gehen und Dein Ziel erreichen und mich zu zerstören. Nun gut, wenn das mein Schicksal sein soll, so muss ich es annehmen und dennoch habe ich immer noch die Hoffnung, dass dies niemals geschieht. Ich möchte nur einmal in Dein Inneres blicken, um zu erkennen, wer Du wirklich bist.
Dein Groll auf die Welt hat mit Sicherheit einen Grund, einen Guten noch dazu, möchte ich meinen.
Du erlaubst mir, Dein Kind, welches Du nicht willst oder anerkennst, auszutragen, wahrscheinlich im Glauben, Du tätest mir damit einen Gefallen. Den tust Du auch, keine Frage, aber hast Du auch nur den Hauch einer Ahnung, wie viel es mir bedeuten würde, wenn Du ein klein wenig Interesse an dem Kleinen zeigtest?
Von Zeit zu Zeit gestattest Du mir, meinen Interessen nachzugehen, aber weißt Du, dass ich es überhaupt nicht gewohnt bin, derart eingeengt zu sein? Ich liebe die Freiheit mehr, als ich sagen kann. Es ist wunderschön hier, keine Frage, aber es ist und bleibt ein goldener Käfig und ich meine, dass dies Dir vollauf bewusst ist.
Ich weiß auch, dass ich mich gerade um Kopf und Kragen rede, doch Du hast mir befohlen zu sprechen und ich werde mich hüten Deine Befehle zu missachten. Wenigstens das hast Du mir beigebracht.
Du strafst mich ständig mit Einsamkeit, da es mein Rang nicht erlaubt, mich mit niederen Kreaturen abzugeben. Doch glaubst Du die Gesellschaft der allerniedersten Geschöpfe, zweier Hauselfen, könne mich auf Dauer unterhalten?
Du hast ja schon persönlich dafür Sorge getragen, dass es niemanden mehr gibt, dem ich vertrauen oder gar Freund nennen kann.«
Ein wenig erschöpft nach diesem langen Monolog sank sie auf ihrem Stuhl zusammen. Der Dunkle Lord hatte die ganze Zeit über geschwiegen und schaute nun nachdenklich drein.
Noch immer gab er keinen Ton von sich und Selena befürchtete schon das Schlimmste. Seine Augen glühten erneut unheilvoll.
»Was erwartest Du nun von mir, Selena?«, fragte er nach einer kleinen Ewigkeit. Sein Ton war ruhig, so, als wählte er die Worte mit bedacht.
»Gar nichts. Ich weiß, dass ich nicht in der Position bin irgendetwas von Dir zu verlangen. Ich möchte Dich nur bitten, über meine Worte nachzudenken. Ich bezweifle, dass sich jemals etwas ändern wird, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.«
»Liebst Du mich noch?«
Selena zögerte, ehe sie antwortete
»Manchmal. Es ist nicht mehr dasselbe. Einst war ich glücklich, sobald ich Dich erblickt habe, doch heute sehe ich mehr. Wenn ich Dich anschaue kommen die Erinnerungen zurück, was Du mir angetan hast und welchen Preis ich für Deine Nähe zahlen musste. Von Zeit zu Zeit schaffe ich es, alles zu verdrängen, doch diese Situationen sind seltener geworden. Ich glaube, ich schütze mich vielmehr selbst damit, keine Gefühle für Dich zuzulassen, auch wenn ich mir etwas anderes wünschen würde. Ich finde Dich noch immer attraktiv und anziehend, teils wegen Deiner Macht, teils wegen Deines Antlitzes. Doch vor Deinem Inneren fürchte ich mich mitunter.«
Spöttisch entgegnete er ihr darauf
»So geht es beinahe der ganzen Zauberergemeinschaft und die fürchten zu recht noch einiges mehr. Meinen Namen, meine Person, mein Äußeres, mein Inneres, meinen Zauberstab, meine Macht. Einfach Alles. Weißt Du, Selena, das habe ich an Dir immer bewundert. Ich halte es für unmöglich eine zweite Frau zu finden, die so bereitwillig Tisch und Bett mit mir teilen würde und noch die Frechheit besitzt, mir zu widersprechen.«
Selena fiel auf Anhieb eine Hexe ein, die nur zu gern mit ihr getauscht hätte.
»Ach Selena, lass doch Bella aus dem Spiel.«, antwortete er auf ihren unausgesprochenen Gedanken. »Du weißt doch selbst, dass ich sie nichts weiter für mich ist, als eine Untergebene. Ja, sie ist eine treue Todesserin, aber darüber hinaus ein Nichts.«
Selena versuchte ihre Gedanken zu unterdrücken, doch es gelang ihr nicht.
»Was empfindest Du eigentlich für mich, Tom?«
»Selena. Was ist das für eine Frage?«
»Du hast mir beinahe dieselbe Frage gestellt. Ich bitte Dich zu antworten.«
Er wich ihrem Blick aus und holte einmal tief Luft, ehe er antwortete
»Ich weiß es nicht, Selena. Ich kann es Dir nicht sagen.«
»Du kannst es mir sagen, Du willst nur nicht, habe ich recht?«
»Nein, Du irrst. Ich weiß es wirklich nicht.«
»Wie schade. Ich hätte es zu gern gewusst.«
»Reicht es nicht, dass ich Deine Gesellschaft genieße, Dir gestatte Deinen Sohn zu bekommen, Dir auch bei vielen anderen Dingen freie Hand lasse und mit Dir Tisch und Bett teile?«
»Du hast ja recht, Tom. Ich sollte mich glücklich schätzen.«
Er erhob sich langsam und sagte dann
»Ich möchte jetzt allein sein. Falls Du mich suchst, ich bin in der Bibliothek, doch wünsche ich nicht, wegen Nichtigkeiten gestört zu werden.«
»Sehr wohl, Tom. Ich werde meine Einladungen beenden.«
Dann verließ er den Raum und Selena stocherte wieder in ihrer mittlerweile kalten Mahlzeit herum, bis sie genug davon hatte und in ihr Zimmer zurückkehrte.
Dort angekommen setzte sie sich an ihren Schreibtisch und starrte lange aus dem Fenster.
Schließlich verdrängte sie ihre, sich im Kreis drehenden, Gedanken und beschriftete die Umschläge.
Nachdem sie fertig war, stapelte sie diese ordentlich auf und versank in einem Liebesroman, den sie in ihrem Schreibtisch fand.
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