
von Lady_Selena
»Ich habe eine Entscheidung getroffen.«, teilte sie dem Schreiner nach ihrer Rückkehr mit.
»Sehr schön.«, meinte er händereibend. »Dann werde ich rechtzeitig fertig. Können Sie mir ein Bild davon geben?«
»Ja.«, antwortete sie. »Geben Sie mir bitte etwas Pergament.«
Der Schreiner lief in eine Ecke der Werkstatt, öffnete einen großen Schrank und holte ein kleines Stück Pergament heraus und kehrte zu Selena zurück. Diese hatte indessen ihren Schlangenzauberstab gezogen.
Er übergab ihr das Stück und sie richtete die Spitze ihres Zauberstabs darauf. Dann murmelte sie
»Morsmordre.«, so dass es für den Schreiner unmöglich zu verstehen war. Ein beißender Geruch nach verbrannter Haut stieg von dem nun rauchenden Pergament empor. Selena beobachtete fasziniert, wie sich von der Stelle, auf die ihr Zauberstab gerichtet war, schwarze Linien in alle Richtungen wanderten und schließlich ein vollkommenes Bild des Dunklen Mals ergaben. Als nächstes wendete sie das Blatt und sagte deutlich
»Insigne d’Esmerald«
Ein Farbklecks erschien in der Mitte des Pergaments und nach kurzer Zeit trug es eine farbige Abbildung ihres Familienwappens.
Sie überreichte das fertige Bild dem Schreiner, der kurzzeitig verwirrt auf das Dunkle Mal schaute. Irgendwie blickte er geistesabwesend drein.
»Das hättest Du nicht tun sollen, Selena. Er hat es erkannt.«
»Du hast vorhin gemeint, es sei ungefährlich!«
»Ich habe mich geirrt…«
Der Schreiner schüttelte ein paar Mal den Kopf, als wenn er Wasser aus seinen Ohren schleudern wolle und sein Blick wurde wieder klarer.
»Sehr wohl, Mrs. Riddle. In ein paar Tagen werde ich liefern.«
»Wunderbar.«, meinte Selena überschwänglich, dann spürte sie ein Zupfen an ihrem Arm und gleich danach wurde sie aus der Werkstatt gezogen und sie verließen das Gelände.
»Woher wusstest Du, dass er es erkannt hat?« , fragte Selena atemlos.
»Weil ich die ganze Zeit in seinen Geist geblickt habe. Solche Vorsichtsmaßnahmen solltest Du Dir besser auch angewöhnen.«
»Ich werde es mir merken.« , grummelte sie.
»Nein, wirst Du nicht! Du wirst tun, was ich Dir sage. Ich befehle Dir hiermit vorsichtiger zu sein und mit Personen, die nicht meiner Kontrolle unterliegen, in den Geist zu blicken, sobald Du mit ihnen redest. Hast Du mich verstanden?«
»Laut und deutlich.«
»Ich hoffe es für Dich.«
»Was machen wir jetzt?«
»Wir werden jetzt zurückkehren und ich beabsichtige, mit Dir Deine Vorbereitungen abzuschließen. Als Zeremonienmeister steht es mir schließlich zu, mich um die Befindlichkeiten des Ehrengastes zu kümmern.«
»Durchaus.« , antwortete Selena erfreut. Sie empfand den Zeitpunkt zwar als zu früh gewählt, aber die Aussicht, dass der Dunkle Lord ihr dabei behilflich sein würde, wischte alle Bedenken hinfort. Unterdessen hatten sie die Straße erreicht, die aus dem Dorf führte.
»Ich denke das reicht.« , sagte er dann und zog sie in einen Hauseingang. Kurz hatte sie ein Gefühl, als wenn irgendetwas ihre Lippen streifte, womöglich sogar sein Mund, doch dann spürte sie nur noch das bedrückende Apparieren.
»Du hast mich wieder nicht vorgewarnt!«, rief Selena aufgebracht auf Englisch aus.
»Offensichtlich.«, erklang seine Stimme aus dem Nichts.
Einmal mehr blickte Selena sich um und fand sich in einer ihr unbekannten Umgebung wieder.
»Wo sind wir?« , fragte sie, diesmal auf Parsel.
»Selena. Muss jeder Ort für Dich einen Namen haben?«
Sie gestand sich ein, dass er recht hatte. Auch mit einem Namen hätte sie sich nicht orientieren können.
Er gluckste leise neben ihr und sagte dann
»Wen hast Du eigentlich für die tragende Rolle des Ehrengastes auserkoren?«
Selenas Körper spannte sich instinktiv an. Wie sollte sie das erklären?
»Ich habe Niemand bestimmten im Kopf. Ich wollte mich bei Gelegenheit in unserer näheren Umgebung umschauen, leider kam ich noch nicht dazu.«
»Wie bedauerlich. Ich schlage vor, wir holen Dein Versäumnis jetzt nach. Ich wurde von unseren Dienern darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Vorbereitungen auf der Burg abgeschlossen sind.«
»Danke für Deine Unterstützung, Tom.«
»Ich schlage vor, dass Du Dich auch unsichtbar machst.«
Sie nickte, holte ihren Zauberstab heraus, murmelte ein paar Worte und sogleich war ihr Körper verborgen.
Aus Selena vollkommen unverständlichen Gründe, schaffte er es, sie an der Taille zu umfassen und zusammen mit ihr weiterzulaufen. Sie spürte nur die Nähe und die Wärme seines Körpers.
Je weiter sie gingen, umso mehr bekam sie eine Vorstellung davon, wo sie sich befanden. Bald sah sie in der Ferne die Umrisse er Kirche auftauchen, die sie einst durch den Geheimgang entdeckt hatte. Sie vermutete nun stark, dass dieses Gebäude das Ziel ihres Mannes war. Sie behielt recht, denn kurze Zeit später erklommen sie gemeinsam die Vortreppe der Kirche.
Die Tür stand weit offen, ungeachtet des eiskalten Windes, der dadurch zwischen den Kirchenbänken hindurchfegte. Einzelne Blätter hatte er schon hineingetragen und wirbelte sie immer wieder auf, oder schob sie scharrend über die steinernen Fliesen.
Doch Selena bemerkte schnell, dass jenes vereinzelte Laub, die einzigen Besucher waren, ansonsten war die Kirche menschenleer.
»Und nun?« , wisperte sie auf Parsel in die Stille.
»Abwarten.« , sagte der Dunkle Lord schlicht und ließ sie los.
Selena schlenderte schließlich auf die brennenden Teelichter zu, die sie schon das letzte Mal bemerkt hatte und wärmte sich vorsichtig die Hände an den Flammen.
Nach einiger Zeit vernahm sie hallende Schritte auf dem steinernen Boden. Sie drehte sich nun wieder in Richtung des Mittelganges und versuchte die Quelle ausfindig zu machen.
Aus einem Seitengang erhaschte sie einen Blick auf den Kirchenmann, den sie nicht näher zu benennen wusste. Pfarrer? Priester? -Sie wusste es nicht.
Zielstrebig ging der Kirchenmann auf die offene Eingangstür zu, wahrscheinlich in der Absicht, sie zu schließen. Plötzlich kam in der Kirche eine Windböe auf und schlug sämtliche Türen zu. Auch verloschen zugleich sämtliche Kerzen innerhalb der Kirche. Das vernehmliche Klicken der Schlösser ließ sich dann aber nicht mehr auf eine Böe zurückführen.
Verwirrt blickte der Mann sich nun um und versuchte herauszufinden, was vor sich ging.
»Was…?«, murmelte er, doch weiter kam er nicht, da der Dunkle Lord ihn mit seiner eiskalten, emotionslosen Stimme unterbrach, die selbst Selena eine Gänsehaut bereitete.
»Kommst du freiwillig mit uns, oder müssen wir erst Gewalt anwenden?«
Der Kirchmann taumelte rückwärts und fand sich mit dem Rücken zur schweren Tür wieder. Hektisch fummelte er einen Schlüssel aus seiner Robe, doch dieser entglitt seinen Händen, um genau dort schweben zu bleiben, wo Selena ihren Gatten vorhin verlassen hatte.
Nun blickte der Mann alarmiert und ängstlich zugleich drein. Er beobachtete argwöhnisch den schwebenden Schlüssel. Mit zitternden Fingern hielt er sein Kreuz vor sich. Ob er sich davon Schutz versprach? –schoss es Selena durch den Kopf, doch sie fand es schlicht lächerlich.
»Welche Mächte…?«, doch wieder kam er nicht weiter, da das Kreuz in seinen Händen plötzlich Feuer fing.
Mit schreckgeweiteten Augen riss er sich die Kette vom Hals und nacheinander fielen Perlen mit hellen Klängen zu Boden, ehe sie davon sprangen und wegrollten.
Dann versuchte er, das Feuer auszutreten, doch es wollte ihm nicht gelingen.
»Ich frage Dich noch einmal. Gehst du freiwillig mit uns, oder müssen wir erst Gewalt anwenden?«
Tonlos formten die Lippen des Kirchenmannes das Wort »wir«. Doch dann straffte er seine Schultern und rief fest aus
»Zeige Dich, Dämon! Ich habe keine Angst vor Dir!«, von seinem Gürtel zog er ein Fläschchen mit Weihwasser und entkorkte es.
Ein ungläubig schnaubendes Geräusch erklang aus dem Nichts, ehe der schlangenhafte Kopf mit den rotglühenden Augen und den zu Schlitzen geformten Nüstern schier in der Luft zu schweben schien, bevor auch der Rest seiner schwarzgewandeten Gestalt auftauchte.
Die Augen des Kirchenmannes wurden immer größer, dann sank er auf die Knie und murmelte
»Allmächtiger!«
»Nicht ganz die korrekte Anrede, meiner Person, aber ich habe auch schon weniger schöne Titel gehört.«
Fassungslos starrte der am Boden kauernde Mann den Dunklen Lord an. Selbst für Selena war dieser Moment vorzüglich gewählt und sie bewunderte ihn für das Schauspiel, welches er ihr bot.
»Kommen wir also zurück zu meiner Frage: Freiwillig oder nicht?«
»Niemals, Dämon! Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen…«
Der Dunkle Lord lachte leise, ehe er ihn erneut unterbrach
»Ich bin kein Dämon, aber dazu können wir später kommen. Siehst du, wie erbärmlich Du bist? Normalerweise kriecht Abschaum, wie du, erst nach der Folter derart im Dreck vor mir. Selena? Zeige Dich und sorge dafür, dass unser Ehrengast angemessen in sein neues Quartier gelangt.«
Selena ließ sich das nicht zweimal sagen und löste den Zauber, der auf ihr lag. Einen Moment später stand sie in ihrer vollen Pracht vor dem Kirchenmann, der sie mit offenem Mund anstarrte. Sie musste ein beeindruckendes Bild abgeben, schoss es ihr durch den Kopf. Die Haare vom Wind zerzaust, die lange Narbe auf der Wange und unleugbar schwanger.
»Steh auf.«, befahl sie dem perplexen Mann, der strauchelnd nach oben kam. Er schwankte bedrohlich und sein Gesicht war unterdessen kalkweiß. Er hatte Angst und der Dunkle Lord weidete sich an diesem Anblick.
»Incarcerus.«, hauchte Selena genüsslich, den Zauberstab auf den schwankenden Mann gerichtet. Schwarze Seile umschlossen ihn fest, egal wie sehr er versuchte, sich zu befreien.
»Bringe ihn in sein Quartier.«
Daraufhin wirbelte der Dunkle Lord herum und verschwand im Nichts. Wenn es denn überhaupt möglich war, wurde der Zuschauer noch blasser. Selena störte dies nicht, auch wenn sie glaubte, er sei einer Ohnmacht nahe. Dann fasste sie ihn unsanft am Oberarm an und apparierte ebenfalls mit ihm aus der Kirche.
Auf der Wiese vor Fort Irvine tauchten sie wieder auf und nun hatte der Kirchenmann eine ungesunde grünliche Farbe angenommen. Selena wäre es im Moment lieber gewesen, er wäre ohnmächtig geworden, doch diesen Gefallen tat er ihr nicht. Stattdessen übergab er sich direkt vor ihren Füßen und Selena war gezwungen die Spritzer auf ihrem Kleid und ihrem Umhang mit einem kleinen Zauber zu entfernen.
Irgendwie schaffte sie es dann, ihn bis zum Tor zu schleifen, doch auf halben Wege den Hof entlang, wurde es ihr zu viel.
Sie richtete erneut den Zauberstab auf den taumelnden Mann und murmelte
»Stupor.«
Nachdem er in sich zusammengesackt war, ließ sie ihn schweben und bugsierte ihn ohne weitere Schwierigkeiten in die Zelle des Kellers, die sie hatte vorbereiten lassen.
Die Hauselfen hatten ihr Folge geleistet und es fanden sich einige Decken auf der steinernen Pritsche, auf die sie ihr Opfer nun niederließ.
Sie schaute sich kurz um und entdeckte an der Wand etliche säuberlich aufgerollter Ketten mit Manschetten an den Enden, sowie Haken an der Decke, den Wänden und dem Boden des Kerkers.
Sie brachte die Manschetten um seinen Handgelenken und Knöcheln an, um dann die anderen Ende an strategisch günstigen Haken zu fixieren. Der Ehrengast würde nun noch genug Freiraum haben, um sich angemessen zu bewegen, doch an ein Entkommen war nicht mehr zu denken.
Dann ordnete sie bei den Hauselfen an, ihm eine Mahlzeit, samt Getränken zukommen zu lassen. Nachdem Lola und Baku Teller und Krug abgestellt hatten, verschloss sie die Gittertür mit einem Zauber. Schließlich richtete sie ihn wieder auf ihr Opfer und sagte
»Ennervate.«
Doch noch ehe er wieder richtig zu sich gekommen war, hatte Selena den Keller bereits in Richtung ihrer eigenen Räume verlassen.
Sie traf ihren Gatten dort an, wie sie es erwartet hatte. Er stand mit dem Rücken zu ihr am Fenster und schaute hinaus. Er reagierte auch nicht im Geringsten auf ihr Eintreten.
Auf dem Weg in den Raum hinein sprach sie ihn an
»Danke, Tom.«
Er hob leicht die Schultern an und fragte
»Für was?«
»Dafür, dass Du mir dieses Geschenk gemacht hast, ich Dir assistieren durfte und dass Zeugin wurde von Deiner beeindruckenden Darbietung vorhin.«
»Nicht der Rede wert. Ist er sicher verwahrt?«, meinte er achselzuckend.
Selena nahm auf einem Sessel Platz und legte die Füße auf einen nahestehenden Schemel. Dann schloss sie die Augen und seufzte auf.
»Ja, ist er. Im ist das Apparieren nicht sonderlich gut bekommen, aber er ist nun angekettet im Kerker. Ich habe den Elfen aufgetragen, ihm Essen und zu Trinken zukommen zu lassen.«
»Warum?«
»Aus Grausamkeit, nehme ich an. Er weiß noch nicht, dass dies die letzte Mahlzeit auf der Welt ist. Er wird es bald bitter bereuen, zu voreilig gewesen zu sein. Zumal, wenn die Düfte aus der Küche herüberwehen…«
»Du beeindruckst mich. Den meisten Menschen wäre dieser Umstand wohl entgangen. Es gefällt mir, wie Du diese Dinge handhabst.«
Selena war sprachlos. Sie konnte sich nicht erinnern, ob der Dunkle Lord sie jemals gelobt hatte, denn dafür nahm sie es. Ein Lob. Sie schaute ihn kurz an und sah, dass er sich ihr zugewandt hatte und nun ihr gegenüber saß. Schließlich schloss sie die Augen wieder.
»Bist Du erschöpft, kleine Selena?«
»Ein wenig, ja. Außerdem habe ich Hunger.«
»Warum trägst Du dann unseren Dienern nicht auf, etwas zu servieren?«
»Mach ich dann schon noch.«, erwiderte sie unwirsch.
»Du amüsierst mich.«
Selena hob die Brauen und öffnete widerstrebend erneut die Augen.
»Ach ja? Wieso das?«
»Ich kann es nicht erklären. Du amüsierst mich eben von Zeit zu Zeit.«
»Schön. Das freut mich.«, antwortete Selena tonlos. Dann schloss sie erneut ihre Augen.
»Ich werde unser Mittagessen bereiten lassen, was hältst Du davon?«
»Seit wann fragst Du mich nach meiner Meinung?«
Sie blickte ihn erstaunt an und erschrak, dass er direkt vor ihr stand und sie schmunzelnd anblickte.
»Warum nicht?«
»Weil es nicht Deine Art ist.«
»Vielleicht will ich mich ändern?«
»Mach Dich nicht lächerlich.«
»Du hast recht. Es ist nicht meine Art.«
»Was willst Du dann?«
»Deine Seele, Deinen Körper, alles von Dir.«
»Du bist merkwürdig heute, weißt Du das?«
»Nenne es weihnachtliche Vorfreude.«
»Das ich nicht lache. Wobei ich glaube, der Wunsch nach meinem Körper treibt Dich gerade an.«
»Möglicherweise.«
»Dann beweise es mir.«
»Ich glaube nicht, dass Du in der Position bist, Forderungen zu stellen.«
Sie zuckte mit den Achseln.
»Einen Versuch ist es wert. Küss mich!«
Er gehorchte und sanft strichen seine Lippen ihren Mund. Doch dann überlegte er es sich offenbar anders und verließ den Raum. Selena blickte ihm enttäuscht hinterher, ehe sie ihm zum Mittagstisch folgte.
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