von Hauself
Die Halloweenparty war bereits in vollem Gange, als Rose sich durch die Menge drängelte und den ein oder anderen begrüßte. Sie winkte Hannah kurz zu, die an der Theke stand und Percy gerade einen Feuerwhiskey in die Hand drückte, legte ihren Mantel ab und suchte sich erstmal ein Plätzchen, an dem sie mit beiden Beinen auf der Erde stehen konnte.
Sie hätte nicht gedacht, dass Albus’ und ihre Party so gut besucht sein würde. Nun gut, sie hatten einige Leute eingeladen, aber mindestens die Hälfte von den Gästen waren Bekannte und Freunde ihrer Eltern. Rose sah sich im „Tropfenden Kessel“ um. Er war zwar immer gut besucht, aber heute standen die Leute so dicht an dicht, dass auf der kleinen, improvisierten Tanzfläche kaum Platz war.
Die wenigen Paare, die zu dem grausigen Song, der momentan lief, tatsächlich tanzen wollten, hatten sich so dicht aneinander geschmiegt, dass es fast schon gar nicht mehr wie Tanzen aussah. Sie bewegten sich mit dem Oberkörper hin und her, denn für mehr war kaum noch Platz. Rose musste lächeln, als sie unter diesen Paaren ihre Eltern erkannte. Das war genau das Richtige für ihren Dad. Ihre Mutter hatte immer gerne getanzt und besaß auch ein Talent dafür. Ihr Vater jedoch besaß das Talent eher darin, auf die Füße seiner jeweiligen Tanzpartnerin zu treten. Nun, damit sollte er bei dem überfüllten Raum heute keine Probleme haben. Und solange er ihre Mutter zärtlich in den Armen hielt und nur den Oberkörper bewegte, sah er gar nicht mal schlecht aus als Tänzer.
Rose ließ die Augen weiter wandern. Kaum zwei Meter von ihr entfernt standen Mr. und Mrs. Malfoy. Rose unterdrückte ein Schnauben. Es war schon schlimm genug, dass Albus unbedingt Scorpius hatte einladen müssen, aber was dessen Eltern hier taten, war ihr schleierhaft. Schließlich waren die Freunde und Bekannten von Harry und Roses Dad hier, mit denen Draco Malfoy noch nie viel hatte anfangen können. Aber Rose musste sich eingestehen, dass aus der Feindschaft ihrer Eltern eher ein unausgesprochener Waffenstillstand geworden war. Was sollten sie auch anderes tun? Albus und Scorpius waren nun einmal befreundet und da konnten sich die Eltern nicht weiterhin anfeinden. Rose war eigentlich recht froh über den aktuellen Zustand, obwohl sie Scorpius und seine Familie trotzdem nicht leiden konnte.
„Hey, Rosie!“, hörte sie plötzlich eine Stimme an ihrem Ohr. Sie drehte sich um und fand sich sogleich in den Armen von Sam Finnigan wieder, dem Sohn von Parvati und Seamus. Rose war für einige Monate mit Sam zusammen gewesen, aber sie hatten sich letztendlich wieder getrennt, da ihre Interessen auseinander gingen und Sam leider auch nicht viel mit Roses Freunden anfangen konnte. Dennoch hegten sie weiterhin ein freundschaftliches Verhältnis zueinander und wenn die Zeit da war, trafen sie sich auch mal auf einen Kaffee oder ein Butterbier. „Hi, Sam. Wie geht’s dir?“, wollte Rose wissen und gab ihrem Exfreund lächelnd einen Kuss auf die Wange. Sie unterhielten sich ein paar Minuten, bis Sam sich verabschiedete.
Rose erhob sich von ihrem Platz, um nach Albus Ausschau zu halten. Immer wieder jedoch wurde sie aufgehalten und in ein Gespräch verwickelt. Schließlich entdeckte sie ihren Freund, gemeinsam mit – wie sie missbilligend feststellte – Scorpius in einer Ecke des Tropfenden Kessels. Albus hatte sie ebenfalls gesehen und winkte sie zu sich hinüber.
„Hi Rose! Wir dachten schon, du kommst nicht mehr.“, meinte er und zog sie in eine kurze, freundschaftliche Umarmung. „Wir?“, fragte Rose nach und nickte Scorpius zu, während sie sich aus Albus’ Armen befreite. „Ja, Scorpius und ich.“, erklärte Albus offenherzig und bemerkte nicht, wie sein Freund rote Wangen bekam. – Ganz im Gegensatz zu Rose, die Scorpius erstaunt ansah und sich fragte, was dies nun zu bedeuten hatte. Scorpius lächelte ihr schüchtern zu und war plötzlich ganz interessiert daran, die Gäste zu beobachten.
Dies nutzte Rose, um sich wieder Albus zuzuwenden. „Kann ich kurz mit dir sprechen?“, flüsterte sie. „Klar, was ist los?“ „Ich – eigentlich wollte ich dich unter vier Augen sprechen.“
„Wenn es um die Sache geht, die wir vor einigen Tagen besprochen haben, kannst du es mir ruhig in Scorpius’ Beisein erzählen. Er weiß Bescheid.“, unterrichtete Albus sie. „Was soll das heißen, er weiß Bescheid?“, fragte Rose so laut, dass Scorpius sich wieder zu ihnen drehte. „Ich bin nicht so schlecht, wie du immer denkst, Rose.“, murmelte Scorpius und blickte ihr direkt in die Augen. „Ich kann ein Geheimnis für mich behalten und das weiß Albus auch, sonst hätte er mir nichts erzählt.“
Einen Moment lang sah Rose in diese unglaublichen, sturmgrauen Augen und war fast ein wenig abgelenkt. Dann zuckte sie die Schultern und sagte: „Also okay. Ich bin so spät zur Party gekommen, weil…“ Sie senkte die Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. „…es wieder einen Fall gegeben hat.“ Scorpius stieß überrascht die Luft aus und Albus packte Rose aufgeregt am Arm. „Los, erzähl!“ „Es gibt nicht viel zu erzählen. Ich wollte gerade Feierabend machen, damit ich noch genug Zeit hatte, um mich für die Party umzuziehen. Dann bekam ich mit, wie einer der Heiler mit einer Schwester sprach und ihr sagte, dass wieder jemand eingeliefert worden wäre, der fast alle seine Zauberkräfte verloren hätte. Also bin ich geblieben, um mehr herauszufinden.“
„Wer ist es denn? Kennen wir ihn?“ „Nein, jemand aus Irland, wenn ich das richtig gehört habe. Sie haben ihn extra ins St. Mungo bringen lassen, da bei uns schon vorher so ein Fall aufgetreten ist. Aber viel mehr konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Sie achten darauf, dass so wenige Leute wie möglich davon Wind bekommen. Wir wissen nicht, wo die beiden Personen sind, die einen Teil ihrer Zauberkräfte verloren haben, oder wie es ihnen geht. Ich hab das nur erfahren, weil ich…“ Sie brach ab. „…Weil du gelauscht hast.“, vervollständigte Albus grinsend und ein wenig schadenfroh, da er Roses Verlegenheit bemerkte. Trotzig blickte sie ihn an. „Na und, dann hab ich eben gelauscht. – Eigentlich habe ich es eher zufällig gehört.“ Sie schnaubte entrüstet, als Scorpius und Albus ein Lachen nicht unterdrücken konnten. „Ihr wart ja nicht dabei und könnt das also gar nicht beurteilen. Jedenfalls denke ich, sollten wir so langsam etwas unternehmen.“
„Unternehmen? Wie meinst du das?“, wollte Scorpius wissen. Rose sah sich um und packte die beiden am Handgelenk, um sie ein wenig weiter in die Ecke zu drängen, in der sie nun kaum noch zu sehen waren. Sie bekam nicht mit, wie Albus Scorpius zweideutig zugrinste. Sie standen nun so eng zusammen, dass sich ihre Arme berührten.
„Wir sollten endlich beginnen, ein wenig mehr herauszufinden. Ich hab nach dem ersten Fall ein paar Bücher gewälzt. Nirgendwo steht etwas davon, dass jemals ein Zauberer seine Kräfte verloren hat. Es muss ein streng gehütetes Geheimnis sein, dass dies überhaupt möglich ist.“ „Wie wollen wir vorgehen?“, fragte Scorpius und er klang aufgeregt. „Ich hab eine Idee!“, wisperte Albus, obwohl sie aufgrund der lauten Musik sowieso niemand hören konnte. „Schau dir Percy mal an, Rose.“ Die drei wandten die Köpfe und suchten in der Menge nach dem Zaubereiminister. Sie fanden ihn auf der provisorischen Tanzfläche, auf der er, mutterseelenallein, hin und herschwankte, ein Glas Feuerwhiskey in der Hand.
Rose musste sich ein Lachen verkneifen. „Er ist betrunken!“, stellte sie überrascht fest. „Oh ja, das ist er!“, schmunzelte Albus. „Und ich hab die Erfahrung gemacht, dass Percy viel redseliger ist, wenn er ein wenig angeheitert ist. – Und das werde ich ausnutzen.“ Er grinste schelmisch. „Gute Idee. Und ich werde Dad mal anhauen. Er erzählt mir alles, was er vom Minister erfährt. Vielleicht weiß er bereits etwas.“ Scorpius verschwand schon im Getümmel, während Rose Albus ansah. „Und was mache ich?“ „Du mischst dich unter die Leute. Wir wollen doch keinen Verdacht schöpfen. In einer halben Stunde treffen wir uns wieder hier.“ Und damit war auch Albus verschwunden.
Rose blickte sich erneut, diesmal noch etwas genauer, im „Tropfenden Kessel“ um. Ihr schien es, als sei mindestens die Hälfte ihrer ehemaligen Mitschüler hier. Nicht weit entfernt entdeckte Rose den blonden Haarschopf von Scorpius, der sich eingehend mit seinem Vater zu unterhalten schien. Seine Mutter stand in der Nähe und wurde gleich von drei Männern umgarnt, bis Draco zu ihnen trat und die Männer schnell das Weite suchten. Roses Blick wanderte wieder zu Scorpius, der ungeduldig wartete, bis sein Vater zu ihm zurückkehrte.
Eigentlich sah er ja schon ganz süß aus, mit den etwas zu lang geratenen weißblonden Haaren, der muskulösen Statur – und den wunderbaren Augen. Rose wäre fast ein Seufzen entschlüpft, hätte sie sich nicht gerade rechtzeitig zurück gehalten. Was bei Merlins Bart dachte sie da eigentlich? Sie hatte Scorpius noch nie gemocht. Geduldet, ja, Albus zu Liebe. Aber mehr auch nicht. Scorpius sah nicht gut aus, sagte sie sich trotzig. – Und dennoch warf sie erneut einen kurzen Blick auf ihn.
In diesem Moment jedoch verabschiedete sich Scorpius von seinem Dad und seine Augen wanderten suchend umher, bis er Rose gefunden hatte. Einen Augenblick lang schien er zu überlegen, ob er zu ihr gehen sollte, denn Albus war noch nirgendwo zu sehen. Doch Rose schenkte ihm ein kleines Lächeln - wieso tat sie das? - und er kam zu ihr. Sie gingen zurück in die Ecke und Rose beugte sich zu ihm. „Hast du etwas erfahren?“, fragte sie auch sofort. „Nicht viel.“, gab Scorpius zu. „Dad sagt, es gibt eine Sache, die von Minister zu Minister weitergegeben wird. Es scheint total geheim zu sein und niemand, wirklich niemand sonst, weiß davon. Der Minister hat es selbst Dad nicht erzählt und er ist schließlich seine rechte Hand.“ Rose starrte vor sich hin. „Etwas, dass von Minister zu Minister weitergegeben wurde.“, murmelte sie. „Was soll das sein? Es kann praktisch alles sein.“
Zur selben Zeit ein paar Meter entfernt. „Hey, Percy.“, sagte Albus und ließ sich neben ihm auf den Stuhl fallen. Percy blickte auf und hatte einen so glasigen Blick, dass Albus sich das Lachen verkneifen musste. So, wie es aussah, würde es ganz einfach werden. „Amüsierst du dich gut?“ „Amüsieren? Och… jaaaah. Schon.“ Percy lächelte leicht und wirkte leicht weggetreten. Albus musste lachen und tarnte es gerade so als Niesen. „’sundheit.“, nuschelte Percy. „Danke. – Sag mal, Percy. Du als Minister, du weißt doch immer alles.“, schmeichelte Albus. „Ich hab von dem Zauberer gehört, der ins St. Mungo eingeliefert wurde und fast alle Zauberkräfte verloren hat.“
Percys Kinn war auf seine Brust gesackt und er schreckte hoch. „Keine Angst. Is’ alles unter Kontrolle… wurde nicht geöffnet…“ „Geöffnet?“, hackte Albus gespannt nach. „Was wurde nicht geöffnet?“ Percy öffnete schwerfällig die Augen und blinzelte. „Albus. Schön, dass du da bist. – Geöffnet? Wer hat denn was von geöffnet gesagt?“ Albus stöhnte innerlich auf. Er hätte eher auf die Idee kommen sollen, seinen Onkel zu befragen, bevor dieser zwei Flaschen Feuerwhiskey in sich hineingeschüttet hatte. „Du hast gesagt, sie wurde nicht geöffnet, Percy.“ „Hm? Jaaah, genau. Hab alles überprüft. – Wurde nich’ geöffnet…“ Mit diesen Worten sackte Percys Kinn wieder auf seine Brust und ein lauter Schnarcher kündigte an, dass er eingeschlafen war.
„Hey, Onkel Ron! Du solltest deinen Bruder vielleicht mal nach Hause bringen!“, rief Albus ihm zu, als er aufstand und sich auf die Suche nach Rose und Scorpius machte. Die beiden standen immer noch in der Ecke, so dicht beieinander, dass sich ihre Arme wieder berührten, und flüsterten. „He ihr beiden! Darf ich euch mal stören?“ Sie zuckten zusammen, als hätte Albus sie bei etwas anderem als reden gestört. „Schleich dich doch nicht so an, Albus! Ich hab mich zu Tode erschreckt.“ Rose hob die Hand an ihr Herz. Albus grinste dreckig. „Ihr wart so beschäftigt, dass ihr mich gar nicht gehört habt.“, verteidigte er sich und freute sich, als sowohl Scorpius, als auch Rose, rot wurden. „Nun sag schon, hast du was herausgefunden?“, fragte Scorpius aufgeregt. Albus nickte und so tauschten sie ihre Ergebnisse aus.
„Das ist nicht wirklich viel.“, meinte Rose kurze Zeit später und nippte an ihrem Butterbier. „Etwas, dass von Minister zu Minister weitergegeben wird und etwas, dass nicht geöffnet wurde. Könnte alles Mögliche sein.“ Die beiden jungen Männer stimmten ihr zu. „Ich werde Dad sagen, er soll mal ein bisschen herumschnüffeln. Vielleicht bekommt er noch was raus.“, sagte Scorpius und warf Rose immer wieder Blicke zu. Diese nickte. „Gute Idee. Und ich werde mich weiter im St. Mungo umhören. Vielleicht erfahre ich doch noch das Eine oder Andere. – Wir könnten uns wieder treffen, wenn wir etwas Neues herausgefunden haben.“
Da sie Albus ansah, bemerkte sie nicht, wie Scorpius’ Augen anfingen zu leuchten. Sie beschlossen, alles, was sie in Erfahrung brachten, den anderen mitzuteilen. Dann verabschiedete sich Rose von den beiden. „Es ist spät und ich hab morgen Bereitschaftsdienst.“, sagte sie seufzend. „Aber so ist das nun mal, wenn man in der Ausbildung ist. Viel Arbeit und wenig Schlaf. – Gute Nacht, ihr beiden. Bis demnächst!“ Sie umarmte Albus und strich Scorpius kurz über den Arm, dann drehte sie sich um und ging davon. „Hey, komm wieder auf die Erde zurück.“, lachte Albus und stieß seinen Freund an, der mit seiner rechten Hand über die Stelle fuhr, die Rose gerade berührt hatte und ihr mit einem fast vertrottelten Blick hinterher sah.
Zur selben Zeit, an einem anderen Ort:
„Ich hab dir doch gesagt, wie es richtig geht! Und du hast es immer noch nicht geschafft!“ Die Stimme war scharf und bedrohlich. „Ich… es hat nicht so funktioniert, wie es eigentlich sollte.“ „Rede dich nicht raus. Ich hab dir hundert Mal erklärt, wie man es macht. Aber das will wohl nicht in den mickriges Hirn!“ Die zweite Stimme zitterte, als sie murmelte: „Nächstes Mal werde ich es richtig machen. Ganz bestimmt.“ Die erste Stimme war nur noch ein leises Zischen. „Das will ich hoffen. Nächstes Mal muss es klappen. Beim nächsten Mal muss alles klappen. – Du weißt, was sonst passiert.“ Mit diesen Worten wandte sich dieser Jemand um und verschwand.
TBC
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