von Hauself
In einem kleinen Waldstück, in der Nähe von London, senkte sich langsam die Sonne dem Horizont entgegen und tauchte die schon herbstlich aussehenden Bäume in ihr Abendlicht. Die Vögel begannen ihr all abendliches Zwitscherkonzert, während die Tiere der Nacht erwachten und mit ihren Lauten den doch Tags so freundlichen Wald, in einen unheimlichen Ort verwandelten.
Doch auf einem der vielen entlegenen Waldwegen waren nicht nur die Geräusche der werdenden Nacht zu hören. Es waren Geräusche, die selbst die Tagscheuen für einen Augenblick verstummen ließen, sobald sie in ihre Nähe kamen. Die Geräusche wurden von zwei Muggeln verursacht, die sich lautstark unterhielten und mit ihren Mountainbikes einen kahlen Hügel entgegen fuhren.
"Hey, schau dir mal diesen Hügel vor uns an. Der schreit geradezu nach einem kleinen Downhill und würde unseren Adrenalinhaushalt mal wieder so richtig Schwung zu bringen." Der andere nickte. "Na, klar. Zum Abschluss des Tages noch mal richtig die Sau raus lassen. Dann lass uns mal hochfahren." Sie schaltete einen Gang rauf, um auf der Geraden noch mal richtig Schwung zu holen und so möglichst weit nach oben fahren zu können. Mit hoher Geschwindigkeit näherten sie sich dem Fuß des Hügels. Doch je näher sie kamen, desto mehr wich ihr Hochgefühl auf die bevorstehende Abfahrt einem Unwohlsamen Gefühl im Magen. Sie wussten nicht warum, aber sie hatten beide das Gefühl, wie durch Sirup zu fahren. Ihre Glieder wurden immer schwerer und die Beine fingen an zu schmerzen. Sie wurden langsamer.
Und nicht unweit vom Hügel entfernt, hielten sie plötzlich erschöpft an und schauten erstaunt auf das, was sich vor ihnen befand. Denn das, was sie von Weiten für einen einfachen Hügel gehalten hatten, erinnerte von Nahen noch nicht mal im Entferntesten an einen Hügel. Sie waren verwirrt. Wie hatten sie sich nur so täuschen können? Aber das Erstaunen darüber, was sich vor ihnen auftat, währte nur für einen kurzen Augenblick. Wie von Geisterhand legte sich ein dunkler Schleier auf ihre Augen und schien ihnen all ihre Sinne zu rauben. Sie verloren ihren Gleichgewichtsinn und fingen an ein wenig zu wanken.
Doch so plötzlich wie es gekommen war, so schnell verschwand es auch wieder. Sie sahen vor sich wieder den Hügel. „Hmm, also ich weiß nicht, es wird schon langsam dunkel, ich denke wir sollten wieder nach Hause fahren." Seine Stimme klang, als würde er wie in Trance sprechen. „Ich glaube, du hast Recht. Drehen wir um." Schwerfällig wendeten sie ihre Räder und fuhren träge den Weg zurück, den sie gekommen waren. Und nach und nach verschlang sie wieder die Dunkelheit des tiefen Waldes. Als einfache Muggel konnten sie nicht ahnen, dass sie gerade einem Verwirr- und Vergessenszauber erlegen waren. Aber auch wenn sie Zauberer gewesen wären, hätten sie sich nicht mehr daran erinnert, was sie eigentlich statt dem Hügel gesehen hatten.
Das, was sie sahen und wieder vergaßen, war ein Haus. Genauer gesagt eine alte Villa. Und als die Sonne von der Dunkelheit vollends verschlungen wurde, gingen im Haus die Lichter an. Dragoria stand am Fenster und beobachtete, wie die beiden Radfahrer sich wieder entfernten. Zufrieden darüber, dass die von ihm angelegten Schutzzauber um die Villa herum ihre Wirkung taten, trat er vom Fenster weg und zündete die Lichter an.
Unten im Verließ fing Rose langsam an zu frieren. Sie hauchte ihren warmen Atem in ihre Hände – die mittlerweile nicht mehr gefesselt waren - und steckte sie wieder zwischen ihre Beine. Aus der anderen Ecke erklang ein starkes Husten. Beunruhigt sah sie zu Quince hinüber. Er war schon länger hier unten der Kälte und Feuchtigkeit ausgesetzt und er war auch nicht mehr der Jüngste. Hoffentlich kamen sie bald hier raus. Sie hörte, wie jemand die Treppe herunter kam. Ein Schlüssel klapperte und mit einem quietschenden und knirschenden Geräusch öffnete sich die Tür zum Verließ. Ein wenig ängstlich drückte sich Rose tiefer in ihre Ecke hinein. Sie hatte Dragoria zwar gezeigt, dass sie sich zu wehren wusste, aber wenn nicht bald Hilfe kam, dann würde sie es wohl nicht schaffen, sich ewig zur Wehr zu setzen.
Durch die offene Tür fiel ein wenig Licht in das Verließ und Rose konnte gerade noch sehen, wie die Gestalt in der Tür ihren Arm hob und dabei etwas Längliches in der Hand hielt.
Ein heller Blitz schoss aus der Dunkelheit auf sie zu. Es kam jedoch so überraschend, dass sie es nicht mehr rechtzeitig schaffte auszuweichen. Aber selbst mit einer Vorwarnung hätte sie es nicht geschafft, dafür war sie schon viel zu steif. Der Blitz traf sie mit voller Wucht und sie fiel einfach zur Seite und konnte sich nicht mehr bewegen. „Na, du kleines Miststück, gefällt dir mein Schockzauber? Das wird dich lehren, mich noch mal an zu greifen.", grölte Dragoria ihr höhnisch zu. Dann wandte er sich zu Quince, der in der anderen Ecke des Kerkers hockte. Unsanft stieß er mit dem Fuß nach ihm. „Steh auf, du alter Sack, mein Meister will dich sehen. Los wird’s bald." Schwerfällig stand Quince vom dreckigen Boden auf. Dabei murmelte er ein paar Unverständliche Dinge, von denen Rose sicher war, dass es wohl nichts Nettes gewesen war.
Dragoria lachte hämisch. Er schritt auf Rose zu, die immer noch bewegungsunfähig auf der Seite lag. Er beugte sich zu ihr herunter und begrabschte mit seiner rechten Hand gierig ihr Hinterteil. Dann griff er so fest in eine ihrer Pobacken, dass sie vor Schmerzen leise aufschrie. „Und du meine Kleine, kommst auch mit." Alleine mit der Kraft seines rechten Armes zog er sie hoch und warf sie sich über seine Schulter. Dabei rutsche seine Hand genau zwischen ihre Beine und wollüstig begann er mit seinen Fingern dort rumzuspielen. Es blieb Rose nichts anderes übrig, als es über sich ergehen zu lassen. Sie hatte mal gehört, dass man in einer solchen Situation an etwas Schönes denken sollte. Und sie suchte in ihren Gedanken nach einem solchen Moment. Sie erinnerte sich an das erste Date mit Scorpius und ihren ersten richtigen Kuss mit ihm.
Ein wohliges Gefühl strömte plötzlich durch ihren Körper. Sie wünschte sich, dass er jetzt hier wäre und ihr helfen könnte. Wäre sie doch nur nicht so zurückhaltend ihm gegenüber gewesen. Schließlich war er in den letzten Wochen wirklich süß zu ihr gewesen und sie hatte immer mehr gemerkt, dass sie sich in seiner Gegenwart wohl fühlte.
Dennoch war sie vorsichtig geblieben. Sich Hals über Kopf in ihn zu verlieben, kam für sie einfach nicht in Frage. Sie war zwar neugierig auf mehr geworden, aber sie wollte ihn erstmal näher kennen lernen, bevor sie den nächsten Schritt zuließ. Die Angst, wieder enttäuscht zu werden, war einfach zu groß. Und doch mochte sie ihn und sie wünschte sich sehr, dass er der Richtige war und dass er ihre Träume wahr werden lassen könnte. Doch nun war sie hier gefangen und sie wusste nicht, was sie jetzt oben erwarten würde. Sie hoffte, dass er nicht aufgeben würde nach ihr zu suchen, dass er sie befreien kam und mehr alles andere hoffte sie, dass sie noch mal die Chance bekam, Scorpius wieder zusehen. Und dieser Gedanke würde ihr die nötige Kraft geben, durchzuhalten.
Sie betraten eine große Halle. Durch die großen Fenster konnte man wegen der Dunkelheit nichts erkennen. Rose hatte im Verließ jegliches Zeitgefühl verloren und war ein wenig überrascht, dass es immer noch Dunkel draußen war. Unsanft warf sie Dragoria auf einen Stuhl, der an einer reichlich mit Essen gedeckten Tafel stand. So langsam spürte sie auch wieder, wie Leben in ihre Glieder fuhr und sie schaffte es schon, ein paar Finger zu bewegen. Quince, der anscheinend nicht zum ersten Mal hier war, setzte sich sofort an den Tisch und griff sich ein paar der belegten Brote. Rose spürte ebenfalls, wie hungrig sie auf einmal wurde. Aber irgendwie kam es ihr wie eine Henkersmahlzeit vor.
Rose sah sich vorsichtig um. Der Raum sah sehr pompös aus, wie aus der viktorianischen Zeitepoche. Große, gebundene Vorhänge an den Fenstern, ein mit Mosaiken bedeckter Boden, die Kerzenleuchter, die ein schummriges Licht abgaben. Erst jetzt bemerkte Rose, dass am Kopfende des langen Tisches noch jemand saß. Er trug einen dunklen, aber eleganten Umhang und schien selbst im Sitzen recht groß zu sein. Die dunklen Haare waren zu einem Zopf nach hinten zusammengebunden und sein Gesicht strahlte einen wohlwollenden und ruhigen Ausdruck aus. Doch die kleinen kalten Augen konnten nicht verheimlichen, dass er alles andere als ein netter Mensch war.
„Danke, Dragan.", sprach er mit einer dunklen und leicht krächzenden Stimme. „Wie ich sehe haben wir einen neuen Gast." Sein Kopf drehte sich leicht in Rose Richtung. "Die Unannehmlichkeiten ihrer Unterkunft tun mir leid." Er breitet entschuldigend seine Arme auseinander. „Aber Sie waren schließlich auch nicht eingeladen. Trotzdem, es ist genug zu Essen für uns alle da. Greifen Sie zu, Sie werden bestimmt schon ganz hungrig sein." Einladend zeigte er auf die belegten Brote. Der Schockzauber verlor immer mehr an Wirkung und Rose konnte sich mittlerweile wieder fast normal bewegen. Doch auch wenn sie einen unbändigen Hunger verspürte rührte sie nichts von dem Essen an. „Ich will nichts von ihrem Essen. Aber ich will wissen, warum Sie mich gegen meinen Willen hier festhalten?" fragte sie stattdessen mit fester Stimme und versuchte zugleich ein ärgerliches Gesicht aufzusetzen. Angst wollte sie nicht zeigen. Er sollte schon merken, dass sie kein kleines Mädchen mehr war, das sich fürchtete.
"Meine Liebe, ich versichere Ihnen, das Essen ist nicht vergiftet. Sie können es also mit ruhigem Gewissen zu sich nehmen." Er schien sich bei seinen Worten ein wenig zu amüsieren und um seine Worte besser zu unterstreichen, griff er nach einem der Brote und biss geräuschvoll hinein. „Und warum ich Sie hier festhalte?" Er schluckte den Bissen herunter. „Nun, wie mir mein treuer Diener Dragan berichtete, haben sie ihn zusammen mit diesem Malfoy Jungen, auf seinem Weg hierher verfolgt. Er berichtete mir auch, dass sie eine geschickte Hexe auf dem Besen seien und er es wohl nicht geschafft hätte, sie abzuhängen. Leider ist Dragan nicht allzu gut auf dem Besen und so blieb ihm nur die Möglichkeit, Sie auszuschalten.
Dass er Sie jedoch gleich entführen musste, war sicherlich dumm, denn jetzt wird man nach Ihnen suchen und das verkompliziert nur alles. Aber nun ist es geschehen. Und wenn Sie auf eine Rettung hoffen, muss ich Sie leider enttäuschen. Wir sind hier recht gut geschützt, verschwenden Sie also Ihre Zeit nicht mit Hoffnung darauf." Er stand auf. „Und nun sind Sie mein Gast und werden es, so Leid es mir tut, auch für eine Weile bleiben. Solange bis ich entschieden haben, was ich mit Ihnen mache. Ich vermute jedoch, dass Dragan da schon seine eigenen Vorstellungen besitzt." Ein beklemmendes Gefühl der Angst und Abscheu überkam Rose.
„Und nun zu Ihnen, Mister Quince. Sie fangen langsam an, meine Gastfreundschaft über zu strapazieren." Er baute sich bedrohlich hinter Quince auf. „Ihre Gastfreundschaft? Sie haben mich entführen lassen und seit Wochen in einen dunklen feuchten Keller eingesperrt. Sie glauben doch wohl nicht, dass ich Ihnen auch nur in irgendeiner Weise, mit meinem Wissen helfen werde.", erbost warf er das angebissene Brot wieder zurück auf den Teller. „Nun, die Art Ihrer Unterbringung könnte sich schlagartig ändern, sobald Sie mir alles über die ersten Zauberer und Hexen und ganz besonders über den Squibel erzählen. Machen Sie es sich doch nicht unnötig schwer."
Ah, darum geht es ihm also, dachte Rose. Aber was könnte ein Squibel sein? Davon hatte sie noch nie gehört. Ob es vielleicht das ist, was Percy und die anderen ehemaligen Minister, unten in den Katakomben so beschützen? Schließlich gehörte der Lagerraum der ersten Hexe und Gründerin des ersten Zauberordens. Und sie bezweifelte, dass es ihm nur um Geschichtlichen Wissenshunger ging.
Der Orden hatte bestimmt etwas gefunden, dass sie schon damals, selbst mit ihrem vermutlich begrenzten Wissen, als so gefährlich eingestuft hatten, dass sie es versteckten und über die Jahrhunderte von ausgewählten Personen bewachen ließen. Sie überlegte, ob das Ministerium vielleicht aus diesem Grund genau über diesem Versteck gebaut wurde. Doch bevor sie darüber weiter nachdenken konnte, merkte sie auf einmal, dass sie beobachtet wurde. Ein Riese oder wohl eher ein Halbriese, denn er schien nicht ganz so gewaltig und groß zu sei wie die Riesen, die sie aus dem Schulunterricht kannte. Dennoch hatte sie ihn trotzt seiner immer noch übermenschlichen Größe, erstaunlicher Weise, nicht bemerkt. Er schien die ganze Zeit im Schatten der Säulen, die am Rand des Saales bis zu Decke reichten, zu lauern. Ob er so etwas wie ein Diener oder Leibwächter war? Ihre Gedanken wurden unterbrochen als, der Bösewicht wieder seiner Worte an sie richtete.
"Meine Liebe, wie ich sehe, haben Sie meinen treuen Diener Grumpf bemerkt. Nun, dann tritt doch näher Grumpf." Grumpf trat aus dem Schatten heraus und bewegte sich schwerfällig auf seinen Herrn zu. „Er ist ganz gegen seine Art, ein wenig scheu Fremden gegenüber. Aber lassen Sie sich davon nicht täuschen. Er würde mich mit seinem Leben verteidigen. Nicht wahr, Grumpf?" Der Halbriese stieß einen unverständlichen Grunzlaut aus, was in der großen Halle ein unheimliches Echo verursachte. Rose schauderte. Wie viele Gestalten hier wohl noch im dunklen Lauerten. „Ebenfalls ist Grumpf auch ein Meister darin, Informationen zu beschaffen. Wenn auch auf eine Art, die für den Informanten meistens nicht allzu glücklich endet.
Deswegen Mr. Quince, sollten Sie es sich noch einmal gründlich Überlegen, ob Sie mir nicht doch etwas zu erzählen haben. Denn Grumpf wird es mit Sicherheit aus Ihnen herausbekommen. Aber ich mag diese grobe Art nicht, ich bin ein kultivierter Mensch und mir ist eine gepflegte Unterhaltung in einer entspannten Atmosphäre lieber." Sein starrer Blick blieb weiterhin auf Quince geheftet. Und Rose stellte fest, dass Quince nun gar nicht mehr so selbstsicher aussah. Trotzdem hoffte sie, dass der alte Mann standhaft blieb. Denn, egal um was es bei diesen Informationen ging, sie schienen für den Bösewicht sehr wichtig zu sein. So sehr, dass er sogar rohe Gewalt angewandt hatte und weiterhin anwenden würde. Er durfte diese Informationen nicht bekommen. Aber Rose hatte leider auch keine Idee, wie sie es verhindern könnte.
„Ich habe ihnen nichts zu sagen. Sie haben doch meine Bücher und Unterlagen, lesen Sie doch einfach nach.", schlug Quince mit einem leichten Trotz in seiner Stimme vor. „Wenn es nur so einfach wäre. Doch leider habe ich in Ihren schlampig geführten Aufzeichnungen, nicht alles Wissenswerte gefunden. Und ich bin überzeugt, dass Sie noch viel mehr darüber wissen, als dass was Sie aufgeschrieben haben."
Sichtlich ärgerlich, schritt er mit verschränkten Händen auf dem Rücken durch die Halle. „Da Sie anscheinend nicht bereit sind, es mir auf die höfliche Art mitzuteilen, bleibt mir leider keine andere Wahl." Er blieb stehen. „Grumpf. Begleite doch Mr. Quince in unserem Nebenraum, ich möchte nicht, dass sein ganzes Blut hier auf dem Boden rumspritzt. Und dann darfst du dich so lange mit ihm beschäftigen, bis er einsichtig genug ist, mir alles mitzuteilen, was er weiß." „Ach ja. Ich glaube, dass, was jetzt folgt, ist nichts für die hübschen Ohren und Augen unserer liebreizenden Miss Weasley. Dragoria, bring sie wieder in ihren Keller zurück." Mit diesen Worten verließ er die Halle. Dragoria packte Rose hart an ihrer Schulter und riss sie von ihrem Stuhl hoch. „Los, beweg dich. Wir wollen doch nicht, dass du von dem, was gleich passiert, Albträume bekommst." Rose schaute hilflos zu Quince rüber. Wenn sie ihm doch nur helfen könnte, aber da wurde sie schon von Dragoria aus der Halle geschoben.
TBC
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