
von Bella14
Es war nicht leicht, in ihrem Kleid zu atmen. Das glänzende weiß wirkte so falsch und penetrant, dass man sich darin spiegeln konnte. Glitzernde Rosen durchflochten ihren langen braunen Zopf, vor ihrem geschminkten Gesicht wallte ein silberner Schleier. Die Dornen der weißen Rosen in ihrer rechten stachen in ihre Finger.
Sie konnte den künstlichen Geschmack des blutroten Lippenstiftes auf ihrer Zunge spüren. Ihr Hals war trocken, sie hielt die Luft erneut an. Der kirchliche Mann vor ihren Augen sprach, doch sie hörte seine Worte nicht. Als hätte sie ihre Ohren mit Watte verstopft. Sein Mund schloss und öffnete sich wieder, um die Worte auszusprechen, die Hermine Granger mit Viktor Krum verbinden sollten. Sie hatte darauf bestanden, dass sie ihren Namen behielt.
Es war kein Leichtes gewesen, Viktors Familie davon zu überzeugen, doch ihnen war es letztendlich gleichgültig gewesen. Wieder erklang die Musik und jemand schien die Watte aus ihren Ohren gezogen zu haben, denn sie wandte ihr falsches Lächeln Viktor zu, der vor Glück nur so strahlte. Es tat ihr weh, ihn so zu sehen. Sie wollte ihn nicht verletzen. Und sie liebte ihn. Ja, sie liebte diesen Mann, warum fiel es ihr so schwer, noch einmal zu heiraten? Weil sie diesmal den Richtigen heiratete?
Viktor nahm ihre eiskalte Hand in seine und steckte ihr den goldenen Ring an, den er für sie gekauft hatte. Er musste Unmengen gekostet haben. Hermine wackelte probehalber mit den Fingern und spürte, wie schwer das Gold an ihrer Hand war. Doch er sah wirklich schön aus an ihrem Finger. Sie nahm Viktors Hand und besiegelte ihren Ringtausch. Er lächelte ihr glücklich zu und schaute wieder zu dem Mann hinauf, der die letzten Worte sprach.
„Wenn es jemanden gibt, der etwas gegen den Bund der Ehe dieser jungen Menschen einzuwenden hat, möge er jetzt sprechen. Oder für immer schwiegen“.
Schluchzen und glückliche Gesichter aus den Zuschauerrängen der Kirche. Es roch nach frischen Blumen und Parfum der Damen. Niemand erhob sich, kein Wort wurde gesprochen.
„Dann erkläre ich euch hiermit zu Mann und Frau. Sie dürfen die Braut nun küssen“.
Hermine sah, wie Viktor ihr lächelnd den Schleier abstreifte und sein Gesicht sich ihrem näherte. Tosender Beifall ertönte, sie hörte ihre Freundinnen zufrieden applaudieren.
Sie gab sich einen Ruck und lächelte. Ließ ihre Lippen auf deren Viktors gleiten, spürte, wie seine Hände sie in eine wohltuende Umarmung zogen. Und sie wusste, dass sie das Richtige getan hatte. Niemand konnte sie so glücklich machen, wie Viktor. Nun würde alles anders werden. Besser werden. Richtig werden.
Die Menge jubelte und klatschte immer noch, als die frisch Verheirateten sich voneinander lösten und zu ihnen hinab sahen.
Urplötzlich hörte man draußen einen ohrenbetäubenden Knall. Es wurde still. Hermine hielt Viktors Hand umklammerte und er legte seinen Arm schützend um sie.
Die Tür der Kirche flog auf und jemand kam mit wütendem Gesichtsausdruck und verrutschter Krawatte herein. Das rote Haar war ordentlich zurück gekämmt, er trug einen schwarzen Anzug mit roten Hemd und goldener Krawatte…Es war Ron. Und seine Lippe blutete stark, die Männer vor der Tür hatten ihn aufhalten wollen, doch Ron Weasley tobte wie ein wild gewordener Stier.
„EINSPRUCH!“, rief er und blieb am Ende der Zuschauerplätze stehen. Sah Hermine direkt in ihre schönen Augen. Sie zitterte und starrte auf Ron hinab, der dort in seinem Hochzeitsanzug stand und sie flehend ansah.
„Tut mir leid, junger Herr, doch sie haben-“, unterbrach der Pfarrer die Stille, doch Ron schnitt ihm das Wort ab.
„Ich werde nicht zulassen, dass diese beiden Menschen diese Kirche als Ehepaar verlassen“.
Keuchen und erschrockene Rufe ertönten in der Menge, einige fingen an, Ron wüst zu beschimpfen.
„Werft ihn raus!“
„Ja, los, raus mit dem Kerl, er hat hier nichts verloren!“
Doch es war Hermines bebende Stimme, die Ron erschrak.
„Du zerstörst alles, Ron. Geh“. Ihr kalter Blick wanderte zu Viktor und wieder zu Ron zurück, der wie vom Blitz getroffen da stand und zu ihr hinauf schaute.
„Aber…“
„Ich sagte, GEH!“, brüllte sie und stapfte wie eine Furie zu ihm hinunter. Dann packte sie ihn am Kragen, ließ ihren Rosenstrauß fallen und schleifte ihn bis zur Tür der Kirche. Dann verschwand sie mit ihm aus dem Haus und die zur knallte hinter ihnen ins Schloss. Viktor und die Menge stand da, wie versteinert. Der Bräutigam ohne seine Braut, die Menge ohne Fest, die Hochzeit ohne Ehepaar, der Pfarrer ohne endgültiges Eheversprechen.
Hermine war verschwunden.
„Fahr“. Wütend warf sie Ron die Autoschlüssel ihres kleinen Fords entgegen, setzte sich auf den Beifahrerplatz und schlug die Tür zu. Mit geballten Fäusten schwang sich Ron hinter das Steuer und raste auf die Landstraße hinaus. Verräterisch schön strahlte die Sonne auf sie hinab. Keiner sprach ein Wort, doch man konnte das aufgeladene Knistern im Wagen förmlich spüren. Hermine griff urplötzlich ins Lenkrad und ließ Ron abbiegen.
Sie fuhren reifenquietschend auf einen langen Kiesweg, der hinauf zu einer tadellos weißen und gigantischen Villa führte. Ron hielt an und atmete aus. Die Autotür flog auf, Hermine war ausgestiegen und zerrte nun auch ihn aus dem Wagen.
Mit stampfenden Schritten, wobei ihre Absätze bedrohlich wackelten, öffnete sie die Eingangstür. Ron trat ein. Sie warf ihm keinen einzigen Blick zu, ihre Kälte und Abneigung war wie ein stechender Blitz direkt in sein Hirn.
Die Tür schlug hinter hier zu, als sie auch schon angefangen hatte zu schreien.
„DU HAST ALLES RUINIERT!“, brüllte sie entsetzt und riss sich wutentbrannt den Schleier vom Kopf.
„KANNST DU MICH NICHT EINFACH IN RUHE LASSEN?!“
Die Wimperntusche aus ihren Augen verlief wild über ihr Gesicht und vermischte sich mit dem Make-up, als die ersten Tränen ihren Weg fanden. Ihr Haar löste sich aus seinem eleganten Zopf und sie zitterte am ganzen Leib. Ihre Wut war nicht zu bändigen.
„Du weißt, dass das nicht stimmt. ICH BESCHÜTZE DICH DOCH NUR!“, schrie Ron zurück und wich einen Schritt von ihr.
„Du- WAS? BESCHÜTZEN?! DU VERSAUST MEIN LEBEN, RONALD WEASLEY!“
„ICH? DU HAST DOCH UNSER KIND GETÖTET!“
Hermine erstarrte. Ron schluckte und ihm wurde klar, was er gesagt hatte. Betreten sah er zu Boden. „Entschuldige, dass…“
„Du sollst einfach gehen“, flüsterte Hermine boshaft und ihr verschmiertes Gesicht kam immer näher auf ihn zu. Sie sah aus wie eine Furie.
„Ist das denn ZU VIEL VERLANGT?!“
Ron sah gerade noch, wie sie ihre Hand mit dem goldenen Ehering hob, dann gab sie ihm eine schallende Ohrfeige. Ihre Fingernägel hinterließen einen blutigen Striemen an seiner Wange. Ein roter Fleck breitete sich in Rons Gesicht aus und er starrte sie entgeistert an. Hermine keuchte und starrte auf ihre Hand, als hätte diese sich selbstständig gemacht. Der goldene Ring war von ihrem Finger gerutscht und rollte nun klappernd über das edle Parkett.
Ron sah ihm gedankenverloren nach, dann fragte er leise:
„Was hast du mit unserem Ring gemacht?“
Hermine schluchzte und weinte, ihr Kleid war durchnässt und schmutzig, ihr Haar stand ihr wild vom Kopf ab.
„ICH HAB IHN IM KLO RUNTERGESPÜLT!“, brüllte sie, sank auf den Boden und vergrub das Gesicht in ihren Händen.
Ron nickte nur und berührte die brennende Stelle in seinem Gesicht. Ein dünnes Rinnsal Blut lief in seinen Kragen.
Da wurde ganz leise die Tür geöffnet und ein kleines Mädchen in weißem Kleid kam herein.
Die Gemeinde war ihnen hinterhergefahren.
„Komm, Rose“, sagte Ron, als er seine Tochter in der Tür erblickte, die starr auf ihre am Boden sitzende Mutter schaute, und nahm sie auf den Arm.
„Es ist besser, wenn du heute bei mir bleibst“.
Rose nickte nur und kuschelte sich gedankenverloren an Rons Brust, als er mit ihr das Haus verließ und die Tür hinter sich schloss.
„LASS DICH NIE WIEDER HIER BLICKEN!“, brüllte Hermine von drinnen und man hörte ihre verzweifelten Schluchzer und Schreie bis auf den Hof.
Ron ging seelenruhig an der gaffenden Menge vorbei, niemand sagte ein Wort, als er mit seiner Tochter auf dem Arm an ihnen vorbei schritt. Nicht einmal Viktor ergriff die Initiative, um etwas zu tun.
In seinen Gedanken versunken trug Ron seine Tochter über die Landstraße auf einen Feldweg und starrte über die grünen Wiesen. Es duftete nach frischen Gräsern und Raps, man hörte kleine Insekten summen und die Sonne strahlte hoch am wolkenlosen Himmel von England. Ein selten schöner Tag war dieser Freitag.
„Ihr hasst euch, nicht wahr, Daddy?“, fragte Rose leise und sah in seinen Armen zu ihm auf.
„Dein, Schätzchen. Wir brauchen nur…ein wenig Zeit“.
Rose schloss die Augen und schlief ein, während Ron bis zum späten Abend mit ihr durch das Feld lief, bis sie endlich in der Stadt ankamen und er seine Wohnung auf schloss.
Er bettete Rose auf das Sofa und sie seufzte zufrieden.
Dann ging er ins Badezimmer und beträufelte ein Stück Watte mit einer Substanz, um seine Wunde zu versorgen. Das Blut war längst getrocknet und die Wunde war verkrustet.
Er verzog das Gesicht vor Schmerz, als die Flüssigkeit in der Wunde brannte und seine Augen füllten sich mit Tränen. Denn auch sein Herz blutete vor Qualen, die niemand löschen konnte.
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