von Bella14
Hermine hatte schon immer gewusst, dass das Leben einmal anders kommen würde, als sie es sich je gedacht hatte. Früher war sie nur das kleine Mädchen ihrer Eltern gewesen, ein sehr begabtes und kluges Mädchen war sie gewesen. Sie hatte angenommen, dass sie nur eines dieser Kinder war, die einfach anders waren. Viele Freundinnen hatte sie nie gehabt. Dann hatte es die Zeit gegeben, in der sie nach Hogwarts gekommen war und in der ersten Zeit nur immer der kleine Bücherwurm gewesen war, die Kleine, die immer alles wusste, das gute Mädchen, die Kluge, mit der niemand wirklich gut auskommen wollte.
Doch es hatte die Zeit gegeben, in der sie die Freunde gefunden hatte, die man nur fand, wenn man jemand ganz besonderes war. Und sie, Hermine, hatte Menschen als Freunde gefunden, die besser waren, als alles andere. Die besser waren, als Bücher, als grenzenloses Wissen. Menschen, die ihre neue Familie geworden waren, eine Familie und Freunde für das ewige Leben. Sie hatte sich nie träumen lassen, dass ihr Name einmal auf einer Goldmedaille in ihrer ehemaligen Schule hängen würde, dass sie verehrt wurde für so viele großartige Taten, für ihren Beitrag an der Rettung der Zauberergemeinschaft.
Sie war nun Hermine Granger, die vieles aus dem Leben gelernt hatte. Sie hatte so vieles erlebt, so viele Abenteuer, so viele Gefahren und so schreckliche Dinge hatte sie gesehen, doch das, was sie gelernt hatte, war etwas anderes. Sie hatte gelernt, dass es nichts schöneres, wundervolleres und wichtigeres im Leben gab, als Freundschaft. Freundschaft und Liebe, zusammen mit einem blinden Vertrauen. Sie hatten angefangen, blind zu vertrauen. Und nun war sie hier angekommen, mit ihren neunundzwanzig Jahren. Sie hatte nun bald zwei Kinder, und lag in diesem Moment in den Armen des wunderbarsten Mannes, den sie sich vorstellen konnte. Früher war alles einmal anders gewesen- und tief in ihrem Inneren war sie vielleicht noch ein Teil des klugen, kleinen Mädchens mit ihren Büchern- doch nun war sie endlich dort angekommen, wo sie hingehörte. In eine Familie voller Liebe, Freundschaft, Vertrauen und Zusammenhalt. Noch immer hatte sie diese wunderbaren Freunde an ihrer Seite, sie hatte all das, was man sich nur wünschen konnte. Ging jedes Leben irgendwann einmal aus wie ein großes Märchen?
Es gab sicherlich viele Märchen auf dieser Welt, doch kein Märchen konnte so sein, wie ihr eigenes, ganz persönliches Märchen. Niemand, da war sie sich sicher, konnte ihre Gedanken in dieser Nacht verstehen, außer dem Menschen, der neben ihr lag und selben Gedanken nachhing, wie sie.
Auch Ron war einmal anders gewesen- bis Hermine ihm gezeigt hatte, was Leben und Lieben war. Sie hatten sich gegenseitig gezeigt, was das Leben für wunderbare Seiten bereit hielt. Für jeden Menschen. Und nicht nur für sie beide. Zusammen hatten sie so viele dunkle Stunden durchlebt, die niemand sonst verstehen konnte. So viele Verluste hatten sie bereits ereilt, so viele Menschen waren aus ihrem Leben getreten. Und doch wusste sie auf eine seltsame Art und Weise, dass diese Menschen es nicht anders gewollt hatten. Diese Menschen waren noch immer irgendwo bei ihnen, in einem Winkel ihres Herzens, dass sie sich gegenseitig geschenkt hatten und so würden sie diese Menschen niemals vergessen, die ihr Leben ein Stückchen lebenswerter gemacht hatten. Nun war auch Rons Vater von ihnen gegangen und sie mussten einander Halt geben. Aber sie wussten, dass dieser Halt immer da war und dass Arthur Weasley ihnen noch immer nahe war. Er hatte sie beide geliebt und liebte sie auch noch immer im Tode- welcher Mensch konnte nicht wissen, dass die Toten über ihre verbliebenen Freunde wachten? Sie würden Arthur Weasley niemals vergessen. Auch wenn sie sein dröhnendes Lachen nicht mehr hören konnten, wenn sie nicht mehr sehen konnten, wie er mit leicht schräg sitzender Brille nach Hause kam und seine Frau küsste, seine Kinder anlächelte und seine Liebe zu den vielen unbekannten Dingen der nichtmagischen Welt aussprach. Sie hatten ihn in ihre Erinnerungen eingeschlossen und niemals würden sie einen Menschen wie ihn vergessen. Sie konnten beide diesen Schmerz gemeinsam besiegen, der von seinem Verlust in ihnen ausgelöst wurde. Man musste diesen Schmerz zulassen, das wussten sie. Doch nun würde Arthur bei den anderen Sternen sein- bei seiner geliebten Molly, bei seinem verstorbenen Sohn Fred, der gekämpft hatte, wie es niemand anderes hätte tun können. Er hatte die Welt ebenso besser gemacht, wie sie alle.
Es waren wunderbare Erinnerungen an diese Menschen in ihren Herzen.
Und mit diesen Erinnerungen wiegten sie sich gegenseitig in den Schlaf und weinten leise an der Schulter des anderen, bis der Morgen anbrach und sie sich nur noch daran erinnern konnten, wie wunderbar das Leben mit diesen Menschen gewesen war und wie wunderbar das weitere Leben werden würde, das vor ihnen in der Zukunft lag.
In dieser Nacht lagen nicht nur sie allein in ihrem eignen Schlafzimmer- an ihrer Seite lagen andere Menschen, so viele Menschen, die gemeinsam Abschied nahmen. Dort lagen Harry und Ginny um ihren Sohn geschlungen beieinander und gaben sich halt, Percys Kopf ruhte im Schoß seiner Frau Audrey, die leise weinte. In der anderen Ecke saßen eng umschlungen vier Menschen schlafend beieinander, George mit seiner Frau Angelina und ihren beiden Kindern, die sich gegenseitig Trost spendeten. Freunde lagen zwischen ihnen auf ihren Matratzen und weinten in ihre Hände, doch die Tränen spendeten ihnen den Trost, den sie nun brauchten. Es waren so viele Verluste, die sie in den letzten Jahren nicht richtig hatten zulassen wollen und nun war die Zeit gekommen, es zu versuchen…
Ein weißes Bett, in dem Ron und Hermine lagen, stand noch immer in der Mitte des Raumes und leuchteten ihnen allen wie ein wärmendes Licht entgegen. Die kleinen Buchstaben am Ende des Bettes begannen sich plötzlich zu bewegen und ein winziges, kleines N fügte sich in verschlungenen Linien zwischen die beiden R´s und das H…und in diesem Moment wusste Hermine, dass es nun soweit war. Nathaniel ließ nicht mehr lange auf sich warten. In dieser Sekunde, als sie alle wieder zu sich fanden und Abschied nahmen, gesellte sich ein neues, wunderbares Leben zu ihnen, des seinerseits versuchen würde, das Leben noch ein bisschen besser zu machen.
Hallo, wisperte Hermine in sich selbst hinein und horchte.
Ich weiß nicht, ob du mich jetzt hören kannst...aber ich möchte dir sagen, dass wir uns schon sehr auf dich freuen, dein Papa und ich. Draußen ist es gerade sehr dunkel...und ihr drinnen auch, merkst du das dort drinnen, mein Kleiner?
„Wir müssen gehen“, flüsterte Hermine schließlich und drückte Rons Hand. Er verstand sofort und trug seine geliebte Hermine aus dem dunklen Zimmer. Niemand bemerkte, wie sie gingen, nicht einmal diejenigen unter ihnen, die nicht ganz in den Schlaf hinübergeglitten waren. Nathaniel würde in einer sehr ruhigen Stunde geboren werden, in einer sehr seltenen Stunde.
Ron brachte Hermine in den frühen Stunden des neuen Tages in das St. Mungo Hospital in London und stand den ganzen Tag über an ihrer Seite, während in seinem Haus die Familie zusammenlag und schlief, die Trauer aus ihrem Leben weinte.
Nathaniel kam mit einem winzigen Schrei auf die Welt, ehe Ron zum ersten Mal das kleine Köpfchen seines ersten Sohnes streicheln konnte.
Er war ein unglaubliches Kind. Und ein wunderschönes. Ron hielt Hermine und seinen kleinen Nathaniel den gesamten Tag in den Armen und auch noch in der nächsten Nacht, bis die letzten Tränen getrocknet waren und sie alle in einen sanften, traumlosen Schlaf glitten. Nathaniel legte seine winzigen Fäustchen an die Wange seiner Mutter und schlummerte zufrieden in seiner wohlbehüteten Familie.
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