von Fluffysmiley
Das Praktikum – Teil zwei
Seit dem Unfall im Labor war erneut eine Woche vergangen. Dieser eine, intime Moment zwischen ihnen, in dem er sie in den Armen gehalten hatte, bis Filch aufgetaucht war, hatte sich nicht wiederholt, doch die verbissene Distanz, mit der Snape Hermine die ganze Zeit über behandelt hatte, war verpufft.
Zurück blieb ein stummes Einverständnis, kein weiteres Wort über den Vorfall zu wechseln und das vage Gefühl, dass sie mehr verband als es den Anschein hatte.
Hermine war es als Zaubertrankpraktikantin gestattet, am Lehrertisch neben Snape zu sitzen und dort die Mahlzeiten einzunehmen – so war es auch heute beim Frühstück.
„Professor, könnten Sie mir bitte den Kaffee reichen?“
Professor McGonagall sah auf und lächelte flüchtig, während sie Hermine die gewünschte Kanne gab. „Wie kommen Sie übrigens mit dem Praktikum zurecht, Miss Granger? Ich fürchte, es wird wohl einige... nun... Differenzen zwischen Ihnen und Severus geben?“, erkundigte sie sich freundlich.
Hermine öffnete den Mund und stockte dann. Snape hatte soeben die Halle betreten. Er wirkte miesepetrig und abweisend wie jeden Morgen, doch als er aufsah und ihren Blick streifte, glättete sich seine Miene und er nickte ihr kaum merklich zu. Hermine versuchte den Anflug eines Lächelns – und siehe da: es wurde unauffällig erwidert.
Sie wollte sich eben zufrieden ihrem Kaffee zuwenden, als er plötzlich einfiel, dass sie sich eben noch unterhalten hatte. Hastig sah sie auf und begegnete McGonagalls Blick – doch er wirkte irgendwie anders als sonst, forschend, beinahe misstrauisch.
Ob sie ihren Blickwechsel mit Severus beobachtet hatte?
„Nun, Miss Granger, was ist Ihre Antwort auf meine Frage?“, hakte sie kühl nach.
„Ich... ich würde sagen, unser Verhältnis ist doch relativ... neutral. Wir können gut miteinander arbeiten, und darauf kommt es doch an, oder?“, fragte Hermine betont gleichgültig.
„Da haben Sie natürlich Recht...“
McGonagalls Tonfall war völlig gelassen, doch ihre Knopfaugen durchbohrten sie und huschten dann hinüber zu Severus.
War es denn so offensichtlich, dass Hermine und er sich... näher gekommen waren, als man vermutet hätte?
Dabei war wirklich nichts zwischen ihnen, was über die freundschaftliche Beziehung eines Lehrers und seiner Praktikantin hinausging! Zumindest nicht, wenn man diesen einen Kuss außer Acht ließ, der wie ein verblassender Traum über ihr schwebte.
Gedankenverloren starrte sie in den kalten Rest ihres Kaffees. Ob Severus – Professor Snape - wohl noch daran dachte? Bereute er es? Oder war es ihm gleichgültig, solange nur niemand etwas davon erfuhr?
Hermine wagte einen schnellen Blick zu ihm hinüber. Erschrocken bemerkte sie, dass er sie geradeheraus ansah. Als er ihren Blick auffing, nickte er ihr abermals zu und wandte sich gelassen ab.
Sie senkte den Blick und schaute scheinbar gedankenverloren auf ihren leeren Teller, doch in ihrem Kopf arbeitete es fieberhaft. Sie hatte nur noch zwei Wochen bis zum Ende des Praktikums – dann würde sie die Schule für immer verlassen. Die UTZe hatten die Siebtklässler ja schon vor dem Beginn dieses Projekts abgeschlossen und so rückte der Abschied tickend näher. Was sollte passieren, wenn sie bis dahin nicht den Mut aufbrachte, mit Severus zu reden? Würde sie schweigend gehen und ihn nie wiedersehen? Oder würde er vielleicht etwas sagen?
Sie wünschte es sich von ganzem Herzen, doch im Grunde wusste sie, dass er sie gehen lassen würde. Er dachte einfach zu sehr an alles andere – an die Tatsache, dass er ihr Vater sein könnte, dass er ihr Professor war, dass er seine Stelle verlieren würde und sie ihr Ansehen...
Doch was, wenn sie Hogwarts gar nicht verlassen würde? Was, wenn sie...
Plötzlich saß sie wieder aufrecht da. Sie hatte die Lösung! Oder, um genau zu sein, einen Schritt zur Lösung. Im Grunde war es doch nicht nur der Lehrer, zu dem sie sich hingezogen fühlte – auch die Zaubertränke an sich faszinierten sie schon immer! Wieso sollte sie sich nun nicht ihren alten Kindertraum erfüllen und sich als Referendarin bei Severus bewerben? Früher hatte sie ja immer nur die Tatsache davon abgehalten, dass es eben Snape war, bei dem sie ihre Bitte vorbringen - , dass es Snape war, der für sie ein gutes Wort einlegen musste, damit sie diese begehrte Stelle an so einer berühmten Schule bekam.
Aber jetzt... jetzt war es doch genau das, was sie wollte, oder?
Zufrieden lächelnd erhob sie sich schließlich und steuerte auf die Kerker zu. Severus war schon verschwunden, vermutlich wartete er bereits.
Zügig stieg sie die Treppen hinunter und betrat schließlich das Labor.
Snape sah auf, als sie eintrat. Lächelnd, doch allem Anschein nach unangemessen nervös trat sie auf ihn zu und öffnete den Mund. „Professor, ich wollte... Sie etwas fragen.“
Er wartete, doch sie schien der Mut verlassen zu haben.
„Nun fragen Sie schon, Mädchen! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!“, forderte er sie barsch auf, doch er wusste, dass sie es ihm nicht übel nahm, wenn er sie anfuhr, da sie nur zu genau wusste, dass er damit nur sein Interesse überspielen wollte. Schließlich sollte er sie eigentlich hassen und nicht an dem interessiert sein, was sie sagte.
Hermine holte tief Luft und sagte dann mit neuer Selbstsicherheit: „Nun, eigentlich ist es weniger eine Frage als vielmehr eine Bitte. Ich habe nämlich im Laufe des Praktikums begonnen zu erkennen, dass ich mich sehr für Zaubertränke interessiere und ich sehr gerne weiter damit arbeiten würde, auch nach Ablauf dieser acht Wochen. Und deshalb wäre ich Ihnen wirklich sehr dankbar, wenn Sie sich vielleicht vorstellen könnten, mich als Referendarin auszubilden und... mir auch die Testbögen... aushändigen...“
Beim Anblick seiner Miene verstummte sie verzagt.
Snape musterte sie so kühl und berechnend, wie er konnte. Er brauchte Zeit um nachzudenken – hatte sie wirklich gerade gesagt, sie würde gerne Zaubertränke unterrichten? Forschend musterte er ihre rose angelaufenen Wangen und die erwartungsvollen Augen.
Er wusste nicht, was er von diesem plötzlichen Anliegen halten sollte. Schon länger überlegte er, ob es nicht falsch war, freundlich zu ihr zu sein und ihr so vielleicht Hoffnungen zu machen. War sie wirklich an dem Schulfach interessiert oder eher...
Ärgerlich verscheuchte er den Gedanken. Konnte er sich denn nicht einmal einfach nur auf seinen Beruf konzentrieren?! Wenn man die Sache objektiv betrachtete, hatte sie tatsächlich alle Voraussetzungen für diese Ausbildung. Dass sie gut unterrichten konnte, hatte sie schon im Alter von elf Jahren anhand von Longbottom bewiesen, und dass sie ein Talent fürs Tränkebrauen hatte, war ebenfalls nicht zu bestreiten.
Also fasste er einen Entschluss.
„Nun, Miss Granger, ich gebe zu, dass das überraschend kommt, aber mir fällt kein Grund ein, der gegen Ihre Bitte spricht. Wenn Sie also wirklich Interesse haben, können Sie heute Abend noch mit in mein Büro kommen, um die Testbögen und alles Weitere durchzusehen. Jetzt machen Sie sich lieber an die Arbeit, sonst werden wir hier nie fertig.“
Hermines Augen begannen bei seinen Worten zu strahlen. Sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln und hatte es so eilig, seinen Anweisungen nachzugehen, dass sie versehentlich gegen einige Stühle polterte.
Er verbiss sich ein Grinsen und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
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