von Elli
4. Kapitel
Ein zeitlang saĂźen wir noch am Tisch, unterhielten uns und aĂźen von den hervorragenden Speisen, die unser Koch fĂĽr uns zubereitet hatte.
Was unseren Haushalt betraf, so unterschieden wir uns ein wenig von den anderen reinblütigen Familien, die wir kannten. Aufgrund unserer adeligen Abstammung war es uns von jeher verwehrt, uns von Muggeln fern zu halten. Deswegen war uns also auch nicht möglich, uns lediglich von Hauselfen bedienen zu lassen. Die meisten unserer Angestellten waren Squibs, die zwischen der magischen Welt und der Muggelwelt aufgewachsen waren. Mary beispielsweise war ein Sprössling einer alten reinblütigen Familie. Ihr einziger „Fehler“ war nur, dass sie keine magischen Fähigkeiten besaß und so von ihren Eltern im Alter von elf Jahren verstoßen wurde. Meine Eltern boten sich an, sie aufzunehmen, wenn sie sich im Gegensatz dazu von unserer ehemaligen Angestellten Sue zum Hausmädchen ausbilden ließ. Und diese Stellung hat sie nun seit 20 Jahren bei uns inne.
Nach Beendigung des Mahls begaben wir uns wieder zurĂĽck in den Salon.
„Nun erzählen Sie doch einmal von sich, Mr. Riddle. Man muss Ihnen ja alles aus der Nase ziehen“, scherzte Vater mal wieder. Mr. Riddle schien ihm schon fast so sehr ans Herz gewachsen zu sein wie Henry. Normalerweise war er bei solchen Veranstaltungen sehr auf seinen Ruf und seine Umgangsformen bedacht. Mutter hingegen beäugte ihn, wie sie damals schon Henry begutachtet hatte: als einen Eindringling in die Familie, jemand der ihr ihre kleinen lieben Töchter wegnehmen möchte … Wie amüsant.
„Mr. Slytherin…“ Er sprach diesen Namen mit soviel Ehrfurcht aus, man könnte meinen, Vater wäre jetzt schon sein großes Vorbild. „…über mich gibt es nicht viel zu berichten: Ich ging mit 11 Jahren nach Hogwarts, war Schüler des Hauses Slytherin, wurde im fünften Schuljahr Vertrauensschüler, im letzten Schuljahr wurde ich Schulsprecher und schloss die Schule mit Bestnoten in allen Fächern ab. Nichts Besonderes also.“ Er lächelte schüchtern, als wäre dies tatsächlich nichts Besonderes. Ich bin mir sicher, dass er sich seiner Worte bewusst war, denn Mutter und Vater staunten nicht schlecht. Silvana hingegen lächelte stolz, als hätte sie dies alles vollbracht.
„Ein Jammer, dass unsere Töchter nicht in Hogwarts waren. Dann hätte unsere Silvana Sie schon eher kennen gelernt. Aber um den Willen der Geheimhaltung mussten wir sie außerhalb zur Schule schicken. Es wäre doch sehr aufgefallen, wenn sie in Schottland gewesen wären, das wäre dem Adel natürlich aufgefallen. So haben wir ihnen mitgeteilt, sie wären in ein gutes Internat im Ausland und würden dort ihre Schullaufbahn beenden. Und glücklicherweise hat es geklappt, auch wenn sie nicht im Hause einer der Gründerzauberer und ihres Vorfahren Salazar Slytherins unterrichtet werden konnten.“ Wieder blitzten Mr. Riddles Augen auf.
„Sie sind direkte Nachfahren Salazars? Daher auch ihr Name, wenn ich das richtig verstehe?“ Vater war begeistert von ihm. Seine Augen strahlten regelrecht, wenn sein Lieblingsthema angeschnitten wurde.
„Oh ja, Salazar Slytherin ist einer meiner Urgroßväter. Ihm verdanke ich meinen Namen und auch einige materielle Dinge. Darf ich Ihnen etwas zeigen?“ Vater erhob sich und ging zu einer Vitrine, in der unsere Familienerbstücke aufbewahrt wurden. Neben allerlei verzierten, teuer aussehenden Bechern lag ein Armreif. Ein Armreif, der aus zwei silbernen Schlangen bestand, die ineinander übergingen. Verziert mit Smaragden.
„Dies ist ein Geschenk Salazars an seine Frau. Über sie ist nicht viel bekannt, man weiß aber, sie war Reinblüterin. Jedenfalls wurde dieser Armreif von Generation zu Generation von der Mutter an ihre älteste Tochter vererbt. Da ich allerdings das einzige Kind meiner Eltern war, vererbte meine Mutter mir diesen Armreif. Und wenn es so weit ist, wird meine liebe Silvana dieses Schmuckstück bekommen“, prahlte Vater.
„Verzeihen Sie mir meine Neugier, Mr. Slytherin…“, setzte Mr. Riddle an.
„Oh, bitte. Nennen Sie mich Philip“, entgegnete Vater und lächelte ihn wohlwollend an. Ein weiteres untrügerisches Zeichen dafür, dass er Mr. Riddle gerne mochte.
„Das ist zu freundlich von Ihnen, Philip. Nun, aber was meinen Sie damit, wenn es so weit ist?“, fragte er schüchtern.
„Es ist so weit, wenn unsere Silvana heiratet. Sie hat bereits einige Anträge bekommen, aber die waren alle nicht gut genug, in die Dynastie der Slytherins einzuheiraten“, sagte Vater fast entschuldigend. Beinahe hätte ich meine gute Erziehung vergessen und lauthals gelacht. Tatsächlich war es nämlich anders gewesen. Wie bereits erwähnt, hatte man versucht Orion Black mit mir zu vermählen. Zuvor allerdings hatte er um Silvana geworben. Sie allerdings sah in ihm nicht mehr als einen aufgeblasenen Reinblüter, der versuchte seine gesellschaftliche Stellung zu heben, indem er eine Slytherin heiratete. Eiskalt hatte sie in stehen gelassen, als er ihr einen Antrag gemacht hatte. Und bei den anderen beiden Malen ebenfalls…
Nun beteiligte sich Silvana auch an dem Gespräch.
„Vater, wusstest du, dass wir einen gemeinsamen Vorfahren haben? Mr. Riddles Familie stammt ebenfalls von Slytherin ab“, verkündete sie stolz. Mr. Riddle lief rot an, als wäre es ihm peinlich, dies von sich Preis zu geben. Mutter und Vater waren freudig überrascht über diese Neuigkeit.
„Tatsächlich? Wieso erwähnten Sie das nicht bereits?“, fragte Mutter leicht tadelnd. Mit einem Male gab sie sich ganz anders ihm gegenüber. Ein Nachfahre Slytherins war allemal gut genug für ihre älteste Tochter.
„Ich hielt es nicht für erwähnenswert…“, entschuldigte sich Mr. Riddle.
„Nicht erwähnenswert? Aber das ist doch etwas, worauf Sie stolz sein können. Sehr stolz sogar. Ich wusste allerdings nicht, dass es auch Riddles im Stammbaum des Slytherins gibt…“, meinte Vater nachdenklich.
„Das dürfte wohl daran liegen, dass mein Vater mit Nachnamen Riddle hieß. Es war aber die Familie meiner Mutter, die von ihm abstammte“, erklärte er schüchtern.
„Sie sprechen in der Vergangenheitsform, Mr. Riddle. Sind Ihre Eltern denn nicht mehr?“, fragte Mutter behutsam. Mr. Riddle blickte zu Boden.
„Leider nein. Sie sind beide kurz nach meiner Geburt gestorben. Ein tragischer Unfall…“ Es schien, als könnte er nicht weiter sprechen. Ein kurzes Schweigen breitete sich im Raum aus. „Ich bin dann bei Verwandten aufgewachsen. Sie haben sich sehr gut um mich gekümmert.“ Mutter, Silvana und mir kamen tatsächlich die Tränen. In diesem Moment tat er mir sogar Leid. Silvana sah ihn an, als würde sie mit ihm leiden. Vermutlich tat sie dies auch.
„Mein aufrichtiges Beileid, Mr. Riddle. Umso beeindruckender ist es, dass Sie trotz dieser Vorgeschichte erfolgreich in der Schule waren“, erwiderte Vater.
Ein längeres Schweigen breitete sich im Raum aus, weil niemand etwas Falsches sagen wollte. Da es ohnehin schon spät war, würde sich unsere kleine Gesellschaft bald auflösen. So schlug Henry vor:
„Philip, Mr. Riddle, was halten Sie davon, wenn wir uns noch ein wenig ins Herrenzimmer zurückziehen? Ich bin sicher, die Damen werden auch noch gerne ein Pläuschchen unter sich halten wollen.“ Die Aussicht, Vater noch besser kennen zu lernen, schien Mr. Riddle zu erfreuen. Vater allerdings schüttelte leicht den Kopf.
„Ein hervorragender Vorschlag, Henry, aber es wird für einen alten Mann wie mich Zeit, mein Schlafzimmer aufzusuchen. Ich habe morgen früh einige wichtige Besprechung mit dem Minister. Aber die Herren können sich trotzdem noch einen schönen Abend machen.“
Henry sah Mr. Riddle erwartungsvoll an. Dieser schaute ihn ebenfalls an, allerdings konnte ich nicht erkennen, wie.
„Ich glaube, ich muss mein Angebot doch zurückziehen. Mir ist es beinahe entfallen, dass meine Eltern mich morgen früh erwarten. Deshalb ziehe ich mich jetzt ebenfalls zurück. Entschuldigen Sie mich bitte, meine Damen und Herren.“ Er verließ den Salon mit gemäßigtem Schritt und ließ einige verwirrte Gesichter zurück. So überstürzt war er noch niemals gegangen. Ich machte mir Sorgen.
„Ich denke, ich werde mich auch in meine Zimmer zurückziehen. Mutter, Vater, Silvana.“ Dabei nickte ich ihnen kurz zu. „Eine gute Nacht. Und Mr. Riddle, schön, dass Sie hier waren. Kommen Sie gut nach Hause.“ Ich lächelte noch einmal und drehte mich dann um. Ohne ein Lächeln.
Oben angekommen klopfte ich kurz leise an Henrys TĂĽr. Ich trat ein, ohne ein Antwort abzuwarten. Er stand am Fenster, ein Glas mit Brandy in der Hand, ohne sein Jackett. Unachtsam hatte er es auf unser Bett geworfen.
„Was war das denn eben?“, fragte ich. Ungewollt klang ich vorwurfsvoll. Ich ging auf ihn zu und erschrak bei seinem Gesichtsausdruck. Mein sonst so fröhlicher Henry sah mich resigniert an.
„Hättest du seinen Gesichtsausdruck gesehen, hättest du das Angebot ebenfalls zurückgezogen.“ Fragend schaute ich ihn an.
„Das war Hass. Purer Hass in seinem Gesicht. Als wäre ich das Böse in Person.“ Er nahm noch einen Schluck von seinem Brandy. Dieser hätte mir bestimmt auch gut getan.
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