von Jennifer Snape
Draußen war es stürmisch und es goss wie aus Eimern, was eigentlich typisch war für englische Herbsttage, aber eigentlich hatten wir jetzt noch Sommer, auch wenn schon der 1. Septermber war. Wir waren erst vor drei Jahren hierher gezogen, aber vorher hatten wir nur in Deutschland gelebt, also war ich so schlechtes Wetter gewöhnt. Allerdings musste ich zugeben, dass das Wetter in Deutschland doch meistens ein wenig besser war.
Obwohl es erst vier Uhr morgens war, stand ich gut gelaunt auf und lief nach unten, wohl wissend, dass aus meiner Familie außer mir noch keiner wach war. Schließlich hatte keiner von den anderen einen Grund, so aufgeregt zu sein wie ich, denn heute war mein erster Tag in Hogwarts, einer Schule für Hexerei und Zauberei. Als ich den Brief bekommen habe, war ich total geschockt. Niemand in meiner Familie war eine Hexe oder ein Zauberer und ich hatte auch nie daran geglaubt, dass es so etwas wirklich gab, aber damit erklärten sich auch einige merkwürdige Dinge, die mir in den letzten Monaten und Jahren passiert waren, oder die mit meiner Umgebung passiert waren. Immer wenn ich wütend war, geschahen Dinge, für die ich absolut nichts konnte, aber für die ich doch meistens verantwortlich gemacht wurde.
Ich hatte mich jetzt schon die ganzen Ferien darauf gefreut nach Hogwarts zu kommen und heute war es endlich so weit. Endlich würde ich von hier wegkommen, in ein Internat und vielleicht würde ich da mehr Glück haben, Freunde zu finden, denn ich habe mich immer sehr schwer getan, mich anderen Kindern anzuschließen, vor allem, da ich erst niemanden brauchte. Ich hatte meine Mutter, Marie und die war jeden Tag für mich da, sodass ich nie das Gefühl hatte, dass mir so etwas wie Freunde fehlen würden.
Aber jetzt war meine Mutter schon seit zwei Jahren nicht mehr am leben.
Trotzdem hatte ich mir in der Zeit auch keine Mühe gegeben, mich mit irgendwelchen Kindern anzufreunden. Zu Hause hatte ich immerhin noch meinen Bruder Luca. Der war zwar schon 17, aber trotzdem störte es ihn nicht, mit mir zu spielen, wenn mir langweilig war, was eigentlich auch nur selten vorkam. Meistens war ich am lernen, vor allem für Geschichte, weil mein Vater Geschichtslehrer war und ich eine totale Niete in dem Fach. Und es interessierte mich auch nicht, aber das war meinem Vater ziemlich egal, also musste ich lernen.
Meine Brüder fanden Geschichte alle total interessant, weshalb sie auch deswegen nie Streit mit unserem Vater hatten. Früher hatte Mutter mich immer verteidigt, wenn er mir endlose Vorträge über irgendwelche Könige oder sonstwas gehalten hat, um mich schon vor meinem eigentlichen Geschichtsunterricht für das Fach zu begeistern, was allerdings vollkommen schiefgelaufen ist. Aber jetzt, wo ich auch in der Schule Unterricht in diesem überflüssigen Fach hatte, war Marie nicht mehr da um mich zu verteidigen.
Vor zwei Jahren war sie bei einem Autounfall gestorben und danach habe ich erst ein halbes Jahr alleine mit meinem Vater Hermann und meinen 5 älteren Brüdern, den Zwillingen Nick und Timo, den Zwillingen Bastian und Johannes und mit Luca gelebt und dann kam eines Tages auf einmal eine Frau mit meinem Vater nach Hause. Ich dachte erst, dass sie vielleicht eine Arbeitskollegin ist, was mir schon komisch vorkam, da mein Vater nie jemanden von der Arbeit mitgebracht hatte, aber dann habe ich gesehen, wie sie Händchen hielten. Das war der mega totale Schock.
Natürlich war sie keine Arbeitskollegin, sondern seine Freundin Chelsey. Er sagte, dass sie schon seit einem halben Jahr zusammen wären und dass es jetzt Zeit sei, dass sie uns kennenlernen und bei uns einziehen würde.
Da wurde mir so manches klar. Vater hatte nie viel um Mutter geweint, aber er hatte gleich nach ihrer Beerdigung angefangen viele Überstunden zu machen. Ich hatte gedacht, dass er diesen schmerzlichen Verlust besser verkraften würde, wenn er sich in die Arbeit stürzt, aber jetzt wusste ich es besser. Er hatte die ganze Zeit, in der wir dachten, dass er arbeitet, mit seiner Freundin verbracht.
„Ja klar, Überstunden“, war das einzige gewesen, was ich damals noch gesagt hatte, bevor ich in mein Zimmer gerannt war. Mein Vater hatte noch versucht mich zurückzuholen, aber ich wollte nicht mehr runterkommen und auch nicht mehr mit ihm sprechen. Ein halbes Jahr hatte er uns alle belogen, aber meinen Brüdern schien das nichts auszumachen. Alle waren froh, dass Vater seine Freundin mitgebracht hatte, und dass er sie bei uns wohne ließ: alle außer Luca und mir.
Luca ist mein ältester Bruder und mit ihm verstehe ich mich am besten. Seit Mutter tot ist, ist er der einzige, dem ich vertraue. Er versteht mich und er kann mich wunderbar trösten. Und ohne ihn wäre ich in dieser Familie auch schon eingegangen, weil ich mich mit meinem Vater und meinen anderen Brüdern nie wirklich gut verstanden hatte.
Wir beide haben, im Gegensatz zu unseren Brüdern, auch fast einem Monat gebraucht, bevor wir unserem Vater wenigstens etwas verziehen hatten. Da haben wir auch erst mit Vaters Freundin geredet und begonnen sie etwas zu akzeptieren, schließlci hist uns auch nichts anderes übrig geblieben.
Als dann vor 6 Wochen zu Beginn der Ferien ein Brief aus Hogwarts kam, war ich überglücklich. Ich werde nie Chelsey´s entsetztes Gesicht vergessen, als eine Eule mit einem Brief auf unserer Fensterbank saß. Sie hat geschrieen und ist sofort ins Badezimmer ( der einzige Raum in unserem Haus, der keine Fenster hat) gerannt und hat sich dort eingeschlossen. Vater hat verzweifelt versucht sie zu beruhigen, aber auch als er ihr erzählt hatte, was in dem Brief gestanden hatte, und das die Eule schon wieder weg war, kam sie nicht wieder raus. Erst am Abend, als die Eule schon seit Stunden wieder weg war, kam sie ängstlich und total schreckhaft wieder raus. Vater nahm sie in den Arm und versuchte noch sie weiter zu beruhigen.
Ich fand, dass sie sich total anstellte, aber da ich sie sowieso bald nicht mehr sehen würde, wollte ich sie noch einmal verarschen. Ich konnte schon immer gut den Ruf einer Eule nachmachen und so tat ich das auch diesmal. Chelsey rannte schreiend zurück ins Badezimmer, aber Vater ließ sich nicht so leicht beirren. Er hatte sofort gemerkt, dass ich das war. Er hatte mich angeschrieen, was mir denn einfallen würde Chelsey so zu erschrecken und es hat lange gedauert, bis er sich wieder etwas beruhigt hatte. Ich saß die ganze Zeit still auf dem Sofa und blickte starr auf den Fußboden. Für Vater muss es so ausgesehen haben, dass es mir sehr leid täte, aber in Wirklichkeit war ich nur bemüht mir das Lachen zu verkneifen. Seine Predigt endete damit, dass ich für den Rest der Woche Hausarrest hatte und mich bei Chelsey entschuldigen sollte. Mir war das eigentlich relativ egal, da ich in 6 Wochen wegfahren und frühestens zu Weihnachten wiederkommen würde.
Natürlich ist es nicht so einfach seine Familie so lange nicht mehr zu sehen. Aber seit Mutter tot ist, wollte ich die ganze Zeit auf ein Internat wechseln, aber ich wollte Vater nicht sofort danach fragen, weil ich das ziemlich unhöflich fand. Als Chelsey dann bei uns eingezogen war, fragte ich Vater danach, aber sie redete ihm ein, dass es besser für mich wäre zu Hause zu bleiben. Ich war deswegen ziemlich sauer auf sie gewesen, aber so kam dieser Brief gerade richtig. Meine Brüder waren alle erst genauso überrascht wie ich, aber Vater hat das eigentlich ziemlich gelassen genommen.
Vor drei Wochen war ich dann endlich in der Winkelgasse, einer Einkaufsstraße nur mit Zaubererläden, um alles einzukaufen, was ich benötigte. Es war einfach wundervoll da und ich wollte unbedingt eine Eule haben, da das mitbringen eines Haustieres auch erlaubt ist, aber Vater war strikt dagegen. Nachdem wir alles eingekauft hatten und wieder nach Hause gegangen sind, habe ich meine Sachen sofort eingepackt. Ich konnte es gar nicht mehr erwarten endlich loszufahren und so habe ich die Sachen immer wieder ausgepackt, die Bücher durchgeblättert, allerdings ohne darin zu lesen, und alles wieder weggelegt.
Nur in einem Buch über neuere Geschichte der Zauberei, dass mein Vater mir als Ersatz für eine Eule gekauft hatte, habe ich ein wenig gelesen. Aber auch nur die interessanten Sachen über Schwarze Magie, von denen aber nicht allzu viel drinstand.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch von draußen, das mich aus meinen Gedanken riss. Unser Nachbar war mit seinem Traktor losgefahren, um halb fünf morgens.Obwohl wir jetzt schon drei Jahre hier wohnten, hatte ich mich immer noch nicht wirklich daran gewöhnt, vor allem, weil wir in Deutschland in einer größeren Stadt gewohnt haben. Aber jetzt, seit mein Vater vor drei Jahren ein Jobangebot in England bekommen hatte, wohnten wir hier draußen auf dem Land. Und hier war es echt einsam. Es war zwar sehr schön hier, also die ganze Natur und so, aber hier war einfach nichts los und bis zur nächsten Stadt waren es 15 km und das fast nur bergauf.
Aber jetzt würde ich endlich in ein Internat kommen und dazu noch in eins nur für Hexen und Zauberer!
Da es aber noch so früh war, beschloss ich, die paar Stunden, die ich noch hatte, für ein kleine Tour mit meinem Fahrrad zu nutzen, um mich von allem zu verabschieden.
Hier war es einfach wunderschön. Wenn man auf den Felsen saß, konnte man direkt ins Meer sehen. Hier war ich früher sehr oft mit Mutter gewesen, in dem einen Jahr, in dem sie hier mit uns gelebt hatte. Aber an dieser Stelle hatte ich sie verloren. Hier war meine Mutter mit dem Auto von der Straße abgekommen und ins Meer auf die felsen gefallen. Sie war sofort tot. Ich konnte ich nicht mal noch einmal sagen, wie sehr ich sie geliebt hatte, aber Luca hat immer gesagt, dass sie das auch so wüsste.
In den letzten 2 Jahren war ich öfter hierher gefahren, als auf den Friedhof. Hier konnte ich mit Mutter reden und über alles nachdenken. Der Friedhof war einfach nur der Ort, wo Mum jetzt lag, aber hier war der Ort, wo sie am liebsten gewesen war und hier fühlte ich mich ihr am nahsten. Vater hatte mir zwar verboten, jemals wieder hierhin zu fahren, weil er Angst hatte, dass ich von den Felsen stürzen konnte, aber ich war in den letzten Jahren öfter hier gewesen als sonst.
Ich weiß nicht, wie lange ich so dagesessen und auf die Felsen gesehen habe, aber plötzlich hörte ich jemanden von hinten näher kommen. Ich drehte mich ruckartig um und er stand schon direkt hinter mir.
„Luca, was machst du denn hier?“, rief ich überrascht, aber auch erleichtert, das er es war.
„Ich hab dich gesucht Sophie. Du warst nicht mehr zu Hause und da habe ich mir schon gedacht, dass du hier bist.“ Erleichterung schwang in seiner Stimme mit.
„Ich wollte mich noch von Mutter verabschieden, wenn ich jetzt so lange nicht mehr komme.“, antwortete ich. Da zog Luca seine Jacke aus und legte sie mir um die Schultern.
„Das kann ich ja verstehen, aber du hättest dich wenigstens vorher anziehen können.“
Da bemerkte ich erst, dass ich immer noch meinen Morgenmantel trug. Es goss noch immer in Strömen und ich merkte auf einmal, dass ich am ganzen Körper zitterte. Ich konnte nur hoffen jetzt nicht krank zu werden.
„Wie spät ist es denn?“, fragte ich.
„Es ist gleich 6 Uhr und wenn Vater aufsteht, solltest du zu Hause und trocken sein.“ Luca wirkte besorgt, aber kein bisschen verärgert, obwohl er mittlerweile auch schon durchnässt war.
„Danke“, war das einzige was ich noch sagte, bevor wir zusammen nach Hause fuhren.
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