von Lady_Selena
Ohne, dass Tom es bemerkt hatte, war Abend geworden. Er war gerade in ein Buch vertieft, welches Geheimnisse bereithielt, die er sich nie zu erträumen gewagt hatte.
Dieses Buch, dessen schwarzer Ledereinband bereits verblichen war, hieß „Geheimnisse der dunkelsten Kunst“. Strenggenommen enthielt es die Informationen, die Tom für seine Ausarbeitung brauchte, doch nachdem er diese überflogen hatte, zog ein anderer Abschnitt ihn in seinen Bann.
Auf den brüchigen Pergamentseiten erfuhr er etwas, das er nie für möglich gehalten hatte. Diese Seiten beschrieben eine Möglichkeit der Unsterblichkeit nahe zu kommen. Einen Teil seiner Seele außerhalb des eigenen, menschlichen, verwundbaren Körpers zu lagern, der somit nicht verletzt werden konnte. Einen Horkrux. Sofort hatte er eine Idee, wo er sein Horkrux verstecken würde, ein Versteck, mit magischen Bannen belegt, die niemand durchdringen könnte, so, wie es das Buch beschrieb. Doch bevor er weiter kam, als das zur Herstellung eines solchen Gegenstandes ein Mord vonnöten war, kam er nicht, da Madam Pince ihn jäh unterbrach
„Die Bibliothek schließt jetzt. Stell die Bücher wieder dorthin, wo Du sie hergenommen hast. Es ist verboten Bände aus dieser Abteilung mit in die Schlafsäle zu nehmen. Bitte beeil Dich.“
„Natürlich, Ma’am.“, flüsterte Tom leise, zu aufgewühlt, um etwas zu sagen. Einerseits war er froh, dass sie nicht bemerkt hat, was er da las und andererseits bedauerte er, die Lektüre jetzt schon unterbrechen zu müssen. Er schlug das Buch vorsichtig zu, nachdem er sich die Seitenzahl eingeprägt hatte. Sorgsam stellte er es zurück auf das Regal, nicht bestrebt die Bibliothekarin zu verärgern die einen solchen Schatz bereithielt.
Freundlich lächelnd verabschiedete er sich und ging hinaus in den Korridor.
Seine Runde begann er für gewöhnlich im obersten Stockwerk, um Slytherins zu suchen, die es versäumt hatten in ihre Schlafgemächer zurückzukehren. Die Nachtruhe war zu beachten und ihm, als Vertrauensschüler, oblag es dafür zu sorgen, dass sie eingehalten wurde.
Bedächtig schlenderte er durch den Korridor im siebten Stockwerk und schaute nach Mitschülern. Wie üblich traf er keinen an.
Er arbeite sich langsam, Treppe für Treppe hinab und ließ die bekannten Abkürzungen auch nicht außer acht, bis er schließlich wieder vor dem Badezimmer im zweiten Stockwerk ankam. Er hielt inne, sah sich nach allen Seiten um und öffnete dann leise die Tür.
Kein Laut war zu hören. Er bückte sich, um unter den Türen hindurchzusehen, um sich zu vergewissern, dass er wirklich allein war. Er bemerkte keine Füße und trat vor das Waschbecken mit der Schlange am Wasserhahn, der nie funktionierte. Warum war das eigentlich noch nie jemandem aufgefallen, wunderte er sich kurz.
Im angelaufen Spiegel sah er sich zufrieden lächeln und das verräterische rote Aufblitzen seiner Augen, welches ihn in emotionalen Augenblicken überfiel.
„Öffne Dich“ befahl er erneut dem Wasserhahn und die Becken glitten auseinander.
Ohne zu zögern stieg er in die Kammer des Schreckens hinab. Diesmal mit weniger Angst und Neugierde, da er wusste, was ihn erwartete. Hinter sich spürte er, wie sich das Tor wieder schloss und, nun in völlige Dunkelheit getaucht, erleuchtete er die Spitze seines Zauberstabs.
In der steinernen Halle angekommen, entdeckte er keine Spur vom Basilisken.
„Ich rufe Dich, Basilisk! Dein Meister kehrt zurück.“
Die auf Parsel gesprochenen Worte klangen wie Musik in seinen Ohren. Er würde ein Meister sein, ein Meister schwarzer Magie. Der Meister. Der Größte. Der, den alle fürchten werden!
Es dauerte nicht lange, bis ein Grollen durch die Halle ging und die riesige, tödliche Schlange ankündigte.
„Guten Abend, Meisssssster. Ich habe Euch erwartet.“, hörte er sie schon, bevor er sie sah. Sie schlüpfte hinter Tom aus einem der Seitentunnel und baute sich rings um ihn herum auf. Die Augen hatte sie geschlossen und den Kopf hielt sie in demütiger Haltung gesenkt. Trotz der Tatsache, dass sie Tom mit Leichtigkeit hätte zerquetschen können, war sie seine Dienerin.
„Wo kommst Du her?“, fragte Tom neugierig.
„Hier hinab verirrt sssich nicht genug Getier, um meinen Hunger zzzu sstillen. Ich musss jagen, in den Mauern dess Sschlossssesssss.“
„Wie kannst Du im Schloss umher kriechen, ohne, dass Dich jemand bemerkt, Schlange?“
„Ich bewege mich geschmeidig durch Rohre. Dort finde ich Ratten und Mäusse, auch grössssseres Getier von Zzzeit zzzu Zzzeit.“
Rohre? Toms Gesichtszüge hellten sich auf. Er konnte die Schlange also überall hin befehlen, wo er wollte. Doch im ersten Moment blieb er ruhig.
„Ihr müssst mir allerdingsssss einen Diensssssst erweisssen, Meisssster.“
„Und der wäre?“, knurrte Tom kalt und unhöflich. Er verabscheute es, anderen Wünsche zu erfüllen.
„Tötet diessssesss krähende Ungezzziefer im Schlossspark!“
In diesem Moment bereute Tom, dass er nichts über Basilisken nachgelesen hatte, doch dann fiel ihm ein, dass er immer noch seine Schultasche bei sich hatte. Mit ein bisschen Glück, hatte er das passende Buch sogar bei sich. Doch, da er immer peinlich darauf bedacht war, nicht mehr mit sich herumzutragen, als er musste, befand sich das Buch wohl oder übel noch in seinem Schlafsaal.
Tom dachte einen Augenblick nach und sah auf den kahlen Steinboden. Ohne seinen Kopf zu heben, blickte er von unten zu der Kreatur und zischte seine Antwort.
„Wenn ich dieses Ungeziefer, wie Du es nennst, Basilisk, beseitige, so folgst Du jedem meiner Befehle? Bist mein ergebener Diener, egal wie der Auftrag lautet?“
Ohne zu zögern meinte der Basilisk
„Ja, Meissssssster. Allesss, wasss ihr wünscht.“
Ein schelmisches Grinsen legte sich auf seine Züge.
„Beweise es!“
Die Schlange, so es denn möglich war, schaute irritiert drein. Tom fühlte sich sicher, angelegentlich spielte er mit seinem Zauberstab.
Der Basilisk setzte sich plötzlich und ruckartig in Bewegung. In vielen Windungen umkreiste sie Tom, welcher nur in der Mitte stand und das Schauspiel beobachtete.
Immer enger wurden die Kreise und Tom sah sich bald gezwungen, an einer Mauer schuppiger Schlangenhaut emporzuschauen und kurze Zeit später, drohte der massige Körper ihn zu zerquetschen
Plötzlich wurde es dunkel um ihn herum und er schaute empor, direkt in das weitaufgerissene Maul des Basilisken.
Mühsam versuchte Tom die aufsteigende Panik aus seiner Stimme herauszuhalten, als er mit soviel Selbstbeherrschung, wie er aufbringen konnte und so laut es ging, befahl
„LASS MICH FREI!“
Der Basilisk hielt inne.
Tom spürte den Herzschlag des Reptils durch die Haut, die ihn an seinem Körper umschloss.
Langsam, ganz langsam wurde es wieder heller, der Kopf wich zurück. Noch langsamer löste die Kreatur sich von ihm und entfernte sich ein paar Meter, den Kopf gesenkt, wie ein geprügelter Hund.
Offensichtlich mochte der Basilisk es nicht, wenn zu laut gesprochen wurde.
Ein boshaftes Grinsen breitete sich auf Toms Lippen aus, da ihn diese Tatsache bewusst wurde.
Zufrieden schlenderte er nun auf seine Untergebene zu und tätschelte der Schlange den Kopf.
Sie hielt die Augen geschlossen und ließ sich die Liebkosungen gefallen. Sacht fuhren seine langen, bleichen Finger über die Augenlider, die Schnauze mit den verborgenen Reißzähnen. Von Zeit zu Zeit schnellte ihre Zunge hervor und schmeckte die Luft. Tom sprang nicht zur Seite, als der lange rosa Muskel seine Schuluniform berührte.
„So ist es brav.“, sagte er leise. „Ich werde jetzt gehen und sehen, was sich machen lässt.“
„Ich warte auf Euch, Meisssster.“
Ohne ein weiteres Wort verließ er die Kammer des Schreckens, wenngleich das Monster darin nicht vermochte, ihm wirklich Schrecken einzujagen.
‚Krähendes Ungeziefer’ hatte der Basilisk gemeint. Tom konnte sich im ersten Moment keinen Reim darauf machen und beschloss vorerst in die Kerker zurückzukehren, um in seinem Schulbuch nachzuschlagen.
Leise schlich er sich in den Schlafraum, den er sich mit vier anderen Slytherinjungen im gleichen Alter teilte und zog die Vorhänge seines Himmelbetts zu. Dann wühlte er, nur mit dem Licht seines Zauberstabs, in seinem großen Koffer, bis er schließlich das richtige Buch fand.
Einer seiner Zimmergenossen bewegte sich murmelnd im Schlaf und Tom löschte schnell das Licht. Bewegungslos hielt er inne, doch nach wenigen Augenblicken waren die Atemgeräusche wieder ruhig und gleichmäßig.
Beinahe lautlos schob er den schweren, smaragdgrünen Vorhang zur Seite und schlüpfte dahinter. Gegen die Wand am Kopfteil seines Bettes gelehnt erleuchtete er wieder die Spitze seines Zauberstabs. Im trüben Licht desselben blätterte er unruhig durch Newt Scamander’s Fantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind.
Schnell hatte er die Seite über Basilisken gefunden. Hektisch huschten seine zu Schlitzen verengten Augen über die Zeilen.
Plötzlich ließ er das Buch sinken, lehnte sich entspannt zurück und starrte nach oben.
Es war ihm ein Graus diese wichtige Information vergessen zu haben. Er mühte sich schließlich jedes Buch höchstens einmal zu lesen und alle wesentlichen Erkenntnisse in sich aufzunehmen und sie sich einzuprägen.
Hähne.
Gewöhnliche männliche Hühner konnten seinem verbündeten gefährlich werden. Einmal mehr bewunderte Tom seinen Vorfahren Salazar Slytherin. Er hatte sehr vorausschauend gehandelt, die Kammer mit seinem gefährlichen Bewohner weit unter der Schule zu bauen. Somit gab es keine Chance, dass der Basilisk den tödlichen Schrei eines krähenden Hahnes hörte, was sein Überleben sicherte.
Doch Tom hatte andere Pläne.
Es war für ihn essentiell, dass der Basilisk sich gefahrlos durch die Schule bewegen konnte und somit gab es für ihn nur noch eines zu tun: Die Hähne vernichten.
Sacht, als hätte er einen Gesprächspartner, dem diese Geste galt, schüttelte er den Kopf.
Nicht mehr heute Nacht. Ihm blieben nur noch wenige Stunden Schlaf, ehe er zum Unterricht erscheinen musste.
Es musste warten.
Doch Tom hatte Zeit. Viel Zeit.
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