von -Hermine-
Die Gänge wurden dunkler und langsam auch kühler. Feuerfackeln spendeten Licht und Andie fühlte sich alles andere als wohl. Der Gedanke, dass sie zum Schulleiter gehen könnte und um einen Wechsel bitten könnte, ging ihr durch den Kopf. Bis sie jedoch nur in die Nähe seines Büros kam, würde es womöglich schon morgen sein.
Andie liess sich gegen eine Mauer senken und zog den Umhang enger. Bisher war der grössere Junge der einzige, der sie hier gesehen hatte. Kein Wunder – wer würde schon freiwillig durch diese Gänge wandern.
Gerade als sie die Augen geschlossen hatte, hörte sie Schritte und schaute auf. Die Schritte schallten schnell und eilig von den Mauern nieder und es dauerte nur wenige Sekunden, bis die Gestalt um die Ecke bog und vor ihr Halt machte. Der gehetzte und verbissene Gesichtsausdruck auf seinem Gesicht verschwand bei ihrem Anblick augenblicklich.
„Wenn ich raten darf…du hast dich verlaufen?“, fragte der Junge freundlich von vorhin freundlich.
„Das wäre glaub ich nicht sonderlich überraschend. Ich suche…den Zugang zum Gemeinschaftsraum der Slytherins.“ Sie bemerkte wie ihr Enthusiasmus noch einige Etagen weiter fiel.
Sein Blick huschte kurz über ihren Umhang, worauf Andie seinem Blick folgte. „Oh, das ist nur…nur Tarnung.“
Der Junge zog die Augenbrauen hoch und schien nicht sonderlich überzogen. „Tarnung? Für was?“
„Spionage.“, platzte Andie heraus und zog den Umhang aus. Ein schlauerer Grund kam ihr nicht in den Sinn und in den meisten TV-Serien die sie gesehen hatte, war das ein triftiger, glaubwürdiger Grund. Der Zwischenfall auf der Treppe war ihr schon peinlich genug.
„Das heisst dann also…“, der Junge legte die Stirn in Falten und zeigte mit einem Finger auf das Gryffindorlogo auf ihrem Umhang, den sie jetzt über den Arm legte, „dass du aus diesem Grund nicht in den Gemeinschaftsraum gekommen bist.“
„Ja…das…auch.“
Es vergingen einige Sekunden in denen Andie versuchte nicht rot zu werden oder sich zu verraten.
„Du musstest das Haus wechseln.“
„Ja.“, sagte sie resignierend.
„Weil du…“
Andie schaute in seine dunkeln Augen, die sie musterten. Sie musste in Slytherin irgendwie zurecht kommen. Sie wusste, dass, laut Ron, nur die schlimmsten und wiederwertigsten und hässlichsten Schüler nach Slytherin kamen. Als sie den Jungen jetzt begutachtete, kam ihr dieser Grund ziemlich lächerlich vor. Sie räusperte sich. „Ich denke ich bin…abgrundtief…ich bin alles was…ein Slytherin ausmacht.“
„Hm.“ Der Junge legte seine Stirn wieder in Falten und fing an den Gang hinab zu gehen. Andie folgte ihm. „Das will heissen, du bist intelligent und klug. Du bist gerissen und ehrgeizig. Du bist stolz auf deine Abstammung.“
Andie erinnerte sich an ihren letzten IQ-Test, der der Beweis dafĂĽr war, dass solche Tests nur lĂĽgen konnten. Ihr Ehrgeiz reichte aus um das zu erreichen, was sie wollte. Was sie wirklich wollte und so manche Sachen wollte sie nicht unbedingt.
Sie sah ihre Eltern und ihr Bruder vor ihrem geistigen Auge…ihre Mutter, verpackt in einem Blümchenkleid, welche den Nachbarn lauthals einen schönen Tag wünschte. Ihr Vater, der ohne mit der Wimper zu zucken den fliegenden Omelettes auswich. Und ihr Bruder, der es genoss, die Omeletten zum fliegen zu bringen.
„Absolut. Stolz und…Slytherinisch.“
Der Junge fing an leise zu lachen und schĂĽttelte den Kopf.
„Was?“, fragte Andie alarmiert und sah zu wie er seine Hände in die Hosentaschen schob.
„Ich schätze deinen Willen. Jedoch bist du durchsichtiger als ein Stück Glas. Dafür nicht beschlagen.“
„Beschlagen? Wie darf ich das verstehen?“
„Es soll heissen, dass du nicht auf den Kopf gefallen bist.“
„Oh.“ Andie lachte leise auf, während sie einige Treppenstufen hinunter gingen, „schon mehr als einmal. Meine…meine Durchschnittsrate für Unfälle liegt einigermassen hoch, im Gegensatz zu-“
Andie hatte ihn nur für einen Moment angesehen, als sie eine Stufe übersehen hatte und nach vorne stolperte. Es kam jedoch nicht zum Fall – der Junge hatte sie mit beiden Händen fassen können.
„Im Gegensatz zu anderen?“, vollendete er den Satz und liess sie los, sobald sie wieder stehen konnte.
Andie dankte Gott dass es dunkler war – an der Hitze in ihrem Gesicht zu beurteilen, musste sie dunkelrot angelaufen sein. „Du hast gute Reflexe.“
Er verzog seinen Mund zu einem Lächeln, was sie jedoch nicht sehen konnte. Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her, nur ihre Schritte hallten von den Wänden nieder. Andie schien es unendlich. „Sind wir immer noch in Hogwarts?“
Der Junge lachte und im Flackern einer Fackel konnte sie seinen Gesichtsausdruck erkennen. Er schien ziemlich amüsiert zu sein. „Wir sind bereits schon unterirdisch. Unser Gemeinschaftsraum ist ziemlich gut versteckt.“
„Und wie gross ist die Chance, dass ich ihn wieder finden werde?“
„Relativ gross, wenn ich dich begleite?“ Er sah kurz zu ihr hinunter. Andie lächelte schwach und senkte den Kopf.
„Oder ich zeichne dir den Weg auf.“, meinte er und stiess eine Türe in einen weiteren Gang auf, „die einzige Gefahr besteht nur darin, dass du die Karte verkehrt hältst. Pass auf deinen Kopf auf.“
Andie duckte sich instinktiv um ihren Kopf am tiefen TĂĽrrahmen nicht anzuschlagen. Sie standen in einem Gang, auf dem einige SchĂĽler hin und her liefen.
„Wir sind da. Darf ich bitten?“
Andie biss sich auf die Lippen, und nickte.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel