von ~Cassiopeia~
1. Abschied
Mit einem Seufzen packte sie das letzte Schulbuch in ihren Koffer, nicht, ohne es vorher noch einmal ausgiebig betrachtet zu haben, liebevoll über den Einband gestrichen und durch die Seiten geblättert.
Das war es gewesen, der letzte Schultag war nun zu Ende, morgen würde sie das letzte Mal in den Hogwartsexpress steigen, es würde eine Fahrt ohne Wiederkehr werden.
Melancholisch sah sie sich in ihrem Schlafsaal um, der die letzten sieben Jahre ihr zu Hause gewesen war.
Sie kannte jeden Winkel des Raumes, jede Kante der Himmelbetten, wusste genau, unter welchen Lichteinstrahlungen die Sonne ihr Bett beleuchtete, kannte jede einzelne Bodendiele und wusste, die Knarrenden zu überspringen, um die anderen Mädchen nicht zu wecken, wenn sie sich des nachts aus dem Raum geschlichen hatte.
Sie hielt für einen Moment inne, als ihre Gedanken weiter schweiften.
Zu Ron.
So viele Nächte hatten sie zusammen verbracht, er war ihre erste Liebe gewesen.
Ja - gewesen, denn wenn Freundschaft und Liebe sich überkreuzen, geht das meistens schief. So auch bei ihnen, wie sie schmerzhaft hatte fest stellen müssen.
Doch es war gut gegangen, sie hatten den Weg zurück zur Freundschaft gefunden und wenn man das Trio heute so ansah, konnte man meinen, es sei nie anders gewesen.
Hermine musste grinsen, sie hatte Rons Blicke in Richtung Luna sehr wohl bemerkt und sie freute sich für ihn, wusste, dass die blonde Ravenclaw Ron insgeheim schon lange mochte.
Harry und Ginny hatten sich ebenfalls wieder gefunden, was Hermine ihnen mehr als gönnte. Ginny war völlig fertig gewesen nach der Trennung von Harry, hatte sich abgekapselt, niemanden an sich heran gelassen.
Doch Voldemort wurde besiegt, Harry überlebte - und die beiden hatten sich erneut gefunden.
Mit einem lauten klack war der Koffer zu, wieder ein Seufzen der Gryffindor.
Ja, ihre Freunde hatten ihr Glück gefunden - und sie?
Sie hatte sich hinter Büchern vergraben nach der Trennung von Ron, war nur langsam wieder aufgetaut. Hatte wie eine Besessene für ihre UTZe gebüffelt - und nun? Nun hatte sie den besten Abschluss seit Jahrzehnten und war trotzdem nicht glücklich.
Himmel, was waren das für Gedanken?
Sie ließ sich auf ihr Bett fallen, die Arme unter den Kopf verschränkt und ließ ihren Gedanken freien Lauf.
So viele glückliche Jahre, so viele Momente, die sie mit diesen schützenden Mauern des Schlosses verband, traurige, glückliche, nahe gehende. Es war kaum zu glauben, dass sie einst auf die St. John's Private Primary School gegangen war, kam ihr wie in einem anderen Leben vor.
Sie wusste, ihre Wurzeln waren nun einmal nicht-magisch, doch nun war sie eine fertig ausgebildete Hexe und fragte sich einmal mehr, in welche Welt sie eigentlich gehörte.
Das Öffnen der Tür des Schlafsaales riss sie aus ihren Gedanken, sie war überrascht, Ginny zu sehen.
„Hey, wie komme ich denn zu der Ehre?“, fragte sie verwundert, freute aber dennoch sehr, ihre Freundin zu sehen, in letzter Zeit war das viel zu selten gewesen.
„Ich dachte mir, ich statte meiner besten Freundin mal wieder einen Besuch ab?“, flachste Ginny und setzte sich im Schneidersitz an Hermines Bettende.
„Alles klar bei dir?“
„Schon komisch, das alles hinter mir zu lassen“, sprach Hermine ihre Gedanken laut aus, Ginny sah sie mitfühlend an.
„Das kann ich mir vorstellen, ich bin froh, noch ein Jahr vor mir zu haben, auch, wenn es sehr einsam ohne dich, Ron und Harry wird.“
„Wir werden uns schreiben, ja? Und ich kann mir kaum vor stellen, dass du und Harry es länger als zwei Tage ohne einander aus halten könnt“, grinste sie ihre rothaarige Freundin an, die daraufhin die Gesichtsfarbe einer Tomate annahm.
„Er hat mir seinen Tarnumhang überlassen, wir werden uns so oft es geht in Hogsmeade treffen… aber ich glaube nicht, dass wir den brauchen, denn McGonagall hat ihm jederzeit freien Eintritt ins Schloss zu gesagt und war ganz geknickt, dass er nicht den Lehrerposten für Verteidigung übernehmen wollte.“ Ginny lächelte verliebt, als sie an Harry dachte. „Außerdem würde ich mir ziemlich blöd vorkommen, meinen eigenen, gerade mal ein Jahr älteren Freund, mit >Professor< anreden zu müssen“, prustete sie los, was sogar Hermine zum lachen brachte.
Das schätzte sie so an Ginny, sie schaffte es immer wieder, sie auf andere Gedanken zu bringen, indem sie einfach sie selbst war.
„Haben deine Eltern dir schon geantwortet?“, fragte Hermine und setzte sich auf.
„Oh ja, deswegen bin ich hier.“ Ginny kramte umständlich einen Brief aus ihrer Hosentasche und überreichte ihn Hermine. „Sie sagen, dass du natürlich jederzeit bei uns willkommen bist, Mum war ganz aus dem Häuschen, du wirst es lesen können. Mine, du bist wie eine zweite Tochter für Mum und Dad, natürlich kannst du die Ferien bei uns verbringen!“
Erleichtert schaute Hermine sie an, schüchtern hatte sie Ginny gebeten einen Brief an ihre Eltern zu schreiben, da Hermines Eltern ihre lang geplante Weltreise nun endlich in die Tat umsetzen würden und da Hermine keine Lust hatte, die vier Monate über allein in dem Haus ihrer Eltern zu sein, hatte sie gefragt, ob wie während der Zeit bei den Weasleys unter kommen könnte. War sich nicht sicher, wie Arthur und Molly dazu standen, jetzt, nachdem
sie Hogwarts hinter sich hatten, der Krieg vorbei war und sie alle ins Leben traten.
Beinahe schämte sie sich für den Gedanken, es hätte möglicherweise anders sein können.
„Kommst du mit runter?“, fragte Ginny gut gelaunt. „Gegen so ein nachdenkliches Gesicht wie deines gibt es nur eines: Tiramisu!“
Hermine lachte und ließ sich von Ginny mit ziehen, in Gedanken noch immer bei den letzten sieben Jahren.
oooo
Die Landschaft ratterte an ihnen vorbei, die Achsen quietschten und die drei Freunde saßen sich schweigsam gegenüber. Keiner wusste so recht, wie er das in Worte fassen sollte, was ihm durch den Kopf ging, so hingen sie jeder ihren eigenen Gedanken nach.
Plötzlich ging die Tür auf und ein gut gelaunter Neville ließ sich neben einen erstaunten Harry in den Sitz plumpsen, schnappte sich einen Schokofrosch von Ron und grinste breit in die Runde.
„Na Jungs, Mädels, was geht ab?“, fragte er lässig und hatte mit einem Schlag seine volle Aufmerksamkeit. Wer war das und was hatte er mit Neville Longbottom gemacht?
„Ähm, Nev… ist etwas passiert? Habe ich etwas verpasst?“, fragte Ron leicht irritiert, der den strahlenden Jungen mit großen Augen ansah.
„Jaahhh“, sagte Neville verträumt und fuhr sich ungewohnt lässig durch die Haare.
„Oh mein Gott Harry - Neville hat sich ein Mädchen gekrallt!“, brach es aus Ron heraus, Harrys Blick schoss in die Höhe. Neville grinste nur weiter vor sich hin und Hermine versuchte, sich möglichst nicht an dem ?gekrallt' zu stören, sondern musterte Neville nun ebenfalls aufmerksam.
„Echt, Alter?“, fragte Harry neugierig und Neville wurde rot.
„Wer ist es?“, wollte nun auch Hermine wissen, gespannt wartete sie auf die Antwort, ging alle möglichen Kandidatinnen durch.
Neville strahlte, wenn das überhaupt ging, noch mehr und wurde eine Spur roter, sodass sein Gesicht Rons Haaren ernsthafte Konkurrenz machte.
„Pa… Parvati“, brachte er ein wenig unsicher über die Lippen, die Jungs gröhlten und klatschten Neville auf den Rücken, Hermines Lächeln gefror ein wenig, als ihr bewusst wurde, dass sie nun die einzige ihrer Freunde war, die Single war.
Doch Neville schaffte es, die ganze Runde auf zu heitern, kurz darauf kamen auch Luna, Ginny und Parvati in ihr Abteil, was daraufhin drohte, aus allen Nähten zu platzen. Doch das Gelächter ihrer Freunde war ansteckend und so verließen sie glücklich den Zug, als sie in London ankamen. Sie hatten gemeinsam ihrer letzten sieben Jahre gedacht, dem Krieg, den Opfern, den Streichen (selbst verständlich durften hier die Weasleyzwillinge nicht fehlen!) und dem Ort, der in den letzten Jahren ihr Zuhause geworden war und dessen sie sich immer wieder gerne erinnern würden.
Als sie auf den Bahnsteig hinaus traten, bildete sich sofort eine Gruppe der Siebtklässler, die untereinander vielleicht das erste Mal so verbunden waren wie in keinem Augeblick zuvor.
Doch nach Stunden, so schien er Hermine, lösten sie sich auf, ihr Herz wurde schwer bei dem Gedanken, dass sie einen Großteil der Leute nie wieder sehen würde.
Aber als sie sich umdrehte, kreischte sie vor Vergnügen auf und rannte auf die Personen zu, die dezent und ein wenig verunsichert in der Nähe des magischen Durchganges standen.
„Mum! Dad!“, rief sie freudig und fiel ihnen in die Arme. „Ich dachte… ich dachte, ihr seid schon weg?“, fragte sie verwundert.
„Wir sollten heute morgen fliegen, doch die Piloten streiken, also wurde unser Flug gecancelt. Uns wurde jedoch ein Ersatzflug für morgen zugesichert, in welchem wir dann sitzen werden auf dem Weg nach Spanien“, erklärte Mr. Granger lächelnd.
„Also dachten wir uns, warum nicht unsere erwachsene Tochter vom Bahnsteig abholen, ein letztes Mal?“
„Ach, es tut so gut, euch noch mal zu sehen“, strahlte Hermine und klang gleichzeitig ein wenig traurig.
„Weißt du schon, was du die nächsten vier Monate über machen wirst?“, wollte Mrs. Granger wissen, Hermine warf einen Blick zu den Weasleys und stellte überrascht fest, dass sogar Fred und George unter ihnen waren.
„Ja, ich bleibe wohl die meiste Zeit bei den Weasleys, sie boten mir an, zu ihnen zu kommen“, antwortete sie leise. Dass es eigentlich sie selbst gewesen war, die gefragt hatte, verschwieg sie lieber.
„Das ist aber nett von ihnen“, freute sich ihre Mutter und strahlte Arthur und Molly an.
Sie verabredeten, dass Hermine zum Abendessen im Fuchsbau eintreffen sollte und ihre Eltern wurden gleich mit eingeladen. Das liebte Hermine so an dieser Familie, diese Offenherzigkeit, jeder war willkommen, jederzeit.
Bis es jedoch soweit war, wollte sie noch ein paar Stunden mit ihren Eltern verbringen, die sie so lange nicht gesehen hatte und nun für eine ganze Weile nicht sehen würde und sie fragte sich schon gespannt, in welchem Chaos das Essen wohl dieses Mal enden würde.
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