von Lilienblüte
Eine dicke Schneeschicht bedeckte ganz England und draußen war es bitterkalt. Seit Tagen nun schneite es schon. Längst freute sich niemand mehr über den Schnee, sondern er wurde verflucht und weggewünscht. Zur Rush-Hour brach jeden Tag erneut ein großes Chaos aus und der Schnee behinderte das Alltagsleben.
Mein Blick war verschwommen und ich merkte, wie sich die erste Träne von meinen Wimpern löste und die Wange hinunterlief. Heute wischte ich sie mir nicht fort. Für gewöhnlich mochte ich es nicht, schwach gesehen zu werden, aber heute war außer mir niemand unterwegs. Ich war allein. Niemand ging freiwillig öfter als notwendig in die eisige Kälte, deswegen war heute weit und breit kein Mensch zu sehen.
Nicht einmal der Opa, dessen Frau im benachbarten Grab lag und mit dem ich mich in den vergangenen Jahren längst angefreundet hatte. Heute war es offenbar selbst ihm zu kalt um den ganzen Tag bei seiner Frau zu sitzen.
Seit gestern war wieder eine Menge Neuschnee gefallen und der Strauß Tulpen, den ich gestern hier niedergelegt hatte, war vom Schnee fast bedeckt. Sorgsam hob ich die Blumen vom Vortag auf und legte stattdessen einen frischen Strauß an seinem Grab nieder.
Ausnahmsweise verzichtete ich auf Gespräche mit ihm, dafür war es zu kalt. Halb erfroren machte ich mich nur fünf Minuten später schon wieder auf dem Rückweg. Es hätte mich nicht gewundert, wenn die Tränen auf meinem Gesicht eingefroren wären, so kalt war es heute. Zurück im Schnee blieb ein einsamer Strauß Tulpen. Niemand außer mir brachte ihm Blumen. Ich war die Einzige, die noch an ihn dachte.
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