von Lilienblüte
Re-Kommi:
@LunAndromeda: Langsam wirds ernst, ohja. Auch wenn jetzt erstmal ein Zwischenkapitel kommt zwischen den ganzen Kriegkapitel, die ich dann irgendwann einbauen muss. Aber grad können die Freunde noch erstmal Kraft schöpfen für das, was vor ihnen liegt. Eine Schlacht wirst du dann auch bald bekommen xD
Kapitel 28 - Ein Besuch am Grab
Es war schon merkwürdig, ohne Alice zu den Dearborns zurückzukehren. Caradoc war schon früh am Morgen gegangen, aber ich hatte noch gewartet, bis auch James und Sirius abreisten. Ich hatte die beiden noch zum Bahnhof gebracht und mich dann mit meinen Koffern auf den Weg zum Häuschen der Dearborns gemacht.
„Emmeline!“, Evanna drückte mich in eine Umarmung, kaum, dass ich zur Tür hereingekommen war. „Schön, dass du endlich wieder aus der Schule da bist!“ Ich lächelte. Evanna schaffte es jedes Mal, wenn ich wieder daran zweifelte, ob ich hier willkommen war, mir meine Zweifel durch ihr herzliches Verhalten zu nehmen.
Als sie mein Zeugnis anschaute, seufzte sie. „Was wäre ich froh, wenn sich Caradoc von seinen Schwestern mal eine Scheibe abschneiden würde.“
Ich schaute überrascht auf: „Ist er wieder nicht …?“ Caradoc und ich waren uns in den letzten Monaten zwar immer wieder näher gekommen. Aber über seine Probleme redet er nicht gerne. Mir fiel erst in diesem Moment auf, dass ich gar nicht wusste, wie seine Prüfungen gewesen sind.
„Doch, doch versetzt ist er schon. Aber es ist noch immer kein gutes Zeugnis und ich bezweifle, dass er mit seiner Motivation den UTZ packt. Könnt ihr ihn nicht motivieren?“
Ich lächelte: „Als ob er auf mich hören würde!“
„Auf dich mehr als auf jeden anderen Menschen, Emmeline“, meinte Evanna ernst und ich fragte mich in diesem Moment, wie viel sie von uns beiden wohl wusste. Alice hatte mir versprochen, nichts zu erzählen, denn ich wusste nicht wie die anderen Dearborns es aufnehmen würden. Trotzdem war es nicht unmöglich, dass Evanna alles wusste. Sie war eine aufmerksame Beobachterin.
Trotzdem sah ich mich dreimal um, bevor ich an diesem Abend zu Caradoc ins Zimmer ging. Auch wenn Evanna mehr sah, als mir lieb war, ich wusste nicht, wie viel Evanna gesehen hatte und erfahren musste meine Zweitfamilie von meiner merkwürdigen Beziehung zu Caradoc nun wirklich nichts.
Caradoc saß auf der Fensterbank, hatte das Fenster geöffnet und schaute auf das kleine Dorf.
„Alles in Ordnung bei dir? Oder hattest du schon wieder Streit mit Evanna?“
Caradoc drehte sich langsam um. Sein Gesicht war sehr ernst.
„Ich gehe weg hier, Emmeline.“
„Weg, wohin?“
„Ich muss raus hier. Aus dem Haus meiner Eltern, die ich nie zufrieden gestellt habe. Weg aus diesem kleinen Dorf, wo mir doch die ganze Welt offen steht. Und weg von Hogwarts, wo ich den UTZ nicht schaffen werde.“
„Und wo willst du hin? Wovon willst du leben?“
„Ich habe zwei gesunde Hände. Man wird mir sicher irgendwo brauchen können. Und wo ich hinwill, das weiß ich selber noch nicht so genau. Auf jeden Fall nicht mehr hierbleiben. Ich ersticke in diesem Dorf, Emmeline. Wo jeder jeden kennt. Die Nachbarn, die dich überall beobachten. Meine Eltern, die mich immer unter Druck setzen und mit meiner wunderbaren Schwester vergleichen. “
Ich schaute ihn an und zuckte schließlich mit den Schultern: „Ich verstehe es zwar nicht so ganz … aber wenn du meinst, dass es für dich das Richtige ist… .“
„Wirst du es meiner Mutter sagen?“ Bittend schaute er mich an. „Du bist die Einzige, die auf meiner Seite sein wird. Die Einzige, die ihr erklären kann, dass ich das nicht gemacht habe, weil ich sie verletzen wollte.“
Mit seinen großen grauen Augen sah er mich an. Nie hätte ich ihm einen Wunsch abschlagen können, wenn er mich so anschaute.
„Ich erkläre es ihr“, sagte ich beruhigend.
Er lächelte mich an. Dann kam er zu mir und küsste mich. Wild, leidenschaftlich, besitzergreifend. Ich merkte, wie er mir den Atem raubte.
„Bleibst du heute Nacht ein letztes Mal bei mir?“, fragte er mich. Und natürlich blieb ich! Wer wusste schon, wann ich wieder so eine Gelegenheit kriegen würde?
„Emmeline, schläfst du noch?“ Ich schlug die Augen auf. Geschlafen hatten wir heute Nacht kaum. Irgendwann am Morgen hatten wir versucht zu schlafen. Aber Caradoc hatte nicht schlafen können, weil er aufgeregt war wegen dem, was vor ihm lag. Und ich – nun ich konnte nicht schlafen, denn ich würde ihn furchtbar vermissen. Draußen war es noch dunkel, aber die ersten Lichtstreifen am Horizont kündigten den Morgen an, an dem Caradoc verschwinden würde.
„Ich … ich bin jetzt weg. Ich muss gehen, bevor das Haus hier zum Leben erwacht.“
„Ich werde dich vermissen.“
„Ich weiß.“ Er stieg aus dem Bett und beugte sich dann noch einmal zu mir runter. Einen letzten, langen Kuss gab er mir noch, dann war Caradoc für lange Zeit aus meinem Leben verschwunden.
„Er macht … WAS?“ Evanna starrte mich an und stemmte die Hände in die Hüften. „Er vagabundiert ein bisschen rum, während er seine Schulausbildung verpasst?“
„Deswegen hat er es dir nicht gesagt. Weil er wusste, du würdest es nicht verstehen.“
„Allerdings verstehe ich ihn nicht. Er ist … nein, das werde ich niemals verstehen. Er MUSS doch seinen UTZ machen. Und das von Caradoc, der unser Leben immer so verachtet hat. Glaubt er mit einem unter dem Mittelmaß liegenden ZAG wird er einen besseren Lebensstandard erreichen als wir? Wie stellt er sich das denn vor? Der hat doch keine Sekunde darüber nachgedacht, wie sein Leben werden soll.“
„Ich glaube er hat schon drüber nachgedacht. Er hat einfach keinen anderen Weg gesehen.“
„Emmeline! Glaubst du, es hätte keinen anderen Weg gegeben für ihn? Himmel, man kann doch mit uns reden. Wenn ihm hier irgendetwas nicht gepasst hat, hätte er es doch sagen können. Ich bin doch eine Mutter, zu der man auch mit Problemen kommen kann, oder, Emmeline?“
„Bist du. Aber Caradoc war nie jemand, der mit Problemen zu irgendwem gekommen ist.“
„Warum hast du es uns nicht früher gesagt? Wenn wir ihn noch hätten aufhalten können?“
„Er wollte nicht aufgehalten werden. Und es war sein Wunsch, dass es niemand erfährt, bevor er weg ist.“
„Du verstehst ihn immer, oder?“ Evanna schaute mich mitfühlend an. „Wenn er den größten Mist baut, bist du noch da, um ihn zu verteidigen. Wenn mein Sohn seine treue Freundin nur etwas mehr zu schätzen wüsste … .“
Alice, die drei Tage nach Beginn der Sommerferien eintraf und Lily gleich mitbrachte, verstand ihren Bruder genauso wenig wie Evanna.
„Er glaubt, dass er hier mal raus muss? Was denkt er denn, was in der Zeit passiert? Dass wir alle stehen bleiben, bis er sich selbst gefunden hat? Wenn er wieder da ist, kann er die Schule vergessen. Meine Eltern werden sowas von sauer auf ihn sein. Wie kann er es wagen, aus unserem Leben zu verschwinden? Ryan versteht die Welt nicht mehr, da er sich ja parktischerweise auch noch Caradoc als Vorbild ausgesucht hat. Hat er mal eine Minute darüber nachgedacht, dass er hier Verantwortung hat? Wir dürfen Ryan nun erklären, warum er plötzlich ohne Verabschiedung verschwunden ist. Wir dürfen den Laden weiterführen, während er sich selbst sucht. Und was ist mit dir, Emmeline? Er hat dir gegenüber eine Verantwortung.“
„Lass mich aus dem Spiel, Alice.“ Das war nun wirklich das Letzte, was ich wollte. Dass andere Caradoc Vorwürfe machten, weil zwischen uns beiden manchmal mehr war als nur Freundschaft. „Caradoc und ich haben von Anfang an abgemacht, dass wir dem anderen gegenüber keine Verantwortung haben. Wir haben beide keine guten Erfahrungen mit Beziehungen gemacht, Alice.“
Ich vermisste Caradoc. Dass niemand von ihm hörte, machte die Sache für mich nicht gerade einfacher zu ertragen. Ich wurde ziemlich traurig. Mir war nicht bewusst gewesen, wie sehr ich Caradoc brauchte. Und da ich eh schon etwas depressiv war in diesem Sommer, fasste ich einen Entschluss. Es war inzwischen drei Jahre her.. Getrauert hatte ich um Ethan. Aber eines hatte ich nie getan. Ich war noch nie mutig gewesen an sein Grab zu treten. Immer hatte ich es vor mir hergeschoben. Am Anfang hatte ich nach Ausreden gesucht, „zu gefährlich“, „meine Eltern könnten mich entdecken“, aber das war nie der wahre Grund gewesen. Ich wusste nämlich ganz genau, dass die wohl nie an dem Grab meines Bruders gestanden hatten. Dass ihn wahrscheinlich nie jemand besucht hatte. Wo er lag, das hatte Professor McGonagall für mich herausgefunden. Und so apparierte ich an einem sonnigen Tag im Juli zum ersten Mal zu dem Friedhof, an dem mein großer Bruder inzwischen schon drei Jahre vergraben lag. Der Freidhof war riesig und ich hatte keine Ahnung, wo ich suchen sollte. Nachdem ich eine halbe Stunde erfolglos die Grabsteine abgesucht hatte und noch immer über die Hälfte des Friedhofs vor mir hatte, machte ich mich stattdessen lieber auf den Weg zur Friedhofskapelle, wo ich den Freidhofsgärtner antraf.
„Entschuldigen Sie, ich habe eine Frage. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen. Ich suche nach dem Grab von Ethan Vance. Man hat mir gesagt, er liege hier irgendwo. Aber ich war noch nie da – und ich kann ihn nicht finden.“
„Sind Sie eine Angehörige?“
„Ja. Ich bin – seine Schwester.“
„Seine Schwester?“ Er zog die Augenbrauen unwillig hoch. „Sie kommen aber reichlich spät. Zufälligerweise kenne ich das Grab, obwohl es nicht bei mir in der Pflege steht. Ich kümmere mich hin und wieder ohne Bezahlung darum. Man konnte es ja kaum ansehen, dass dieser Junge so früh gestorben ist und seine Eltern dann das Grab so verkümmern lassen.“
Ich blickte zu Boden. „Ich … ich habe es nicht früher geschafft …“, erwiderte ich.
Er schaute mich durchdringend an und sagte dann: „Also folgen Sie mir. Ich werde Ihnen das Grab zeigen.“
Blumen blühten auf Ethans Grab. Stiefmütterchen und Veilchen bedeckten den Boden und neben dem Grabstein lehnte ein riesiger Strauß Rosen.
Der Friedhofsgärtner hatte mir das Grab gezeigt und mich dann allein gelassen. Allein bei meinem Bruder und allein bei meiner Trauer. Tränen stiegen mir in die Augen und irgendwann konnte ich nicht mehr anders und musste ihnen freien Lauf lassen. Es war so schrecklich, dass sich fremde Menschen um sein Grab hatten kümmern müssen, weil ich zu feige gewesen war, ihn hier zu besuchen. Von meinen Eltern hatte ich nichts anderes erwartet, ihn hatten sie vergessen, aber ich – ich hätte nicht solange weg bleiben dürfen.
Plötzlich hielt mir jemand ein Taschentuch vors Gesicht und ich sah überrascht auf. Ein älterer Herr stand vor mir und lächelte mich an.
„Hat unser Ethan endlich Besuch bekommen?“
Ich nickte wortlos und nahm sein Taschentuch an. „Es ist schön, dass endlich hier jemand aufgetaucht ist. Ich hätte schon gedacht, dass er gar keine Familie hat, aber am Tag seiner Beerdigung war ich hier und da waren seine Eltern auf jeden Fall anwesend. Er tat mir Leid, so früh gestorben und niemand, der sich um ihn kümmerte. Manchmal, wenn ich meine Lizzie besuche, dann bringe ich Ethan Blumen mit.“ Er nickte zu dem Strauß Rosen neben dem Grabstein hinüber.
Ich nahm sein Taschentuch und sagte dann leise: „Danke. Die sind … wunderschön.“
„Sie sind seine Freundin gewesen?“
„Seine Schwester.“
„Wie war er so?“, fragte mich der Mann.
„Ich … Ethan war wundervoll. Er war so wunderbar. Und er hatte es nicht verdient zu sterben!“ In diesem Moment fließen die Tränen wieder und ich weiß, ich muss hier weg.
„Haben Sie Dank für alles!“ Ich drehe mich um und gehe weg. Aber bevor ich um die Ecke biege, wende ich mich noch einmal zu dem älteren Herrn und sage: „Ab jetzt brauchen Sie sich nicht mehr um ihn kümmern. Ich mache das jetzt wieder selbst.“ Dann laufe ich weg vom Friedhof und die Tränen wollen den ganzen Tag nicht mehr enden.
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