von Roya
10. Nicht alle Veränderungen sind gut
„Was?“
Sie wusste nicht, was sie denken sollte. Nach ein paar Minuten sammelten sich ihre Gedanken wieder und Fragen drängten sich ihr auf.
„Aber… dann musst du doch auch auf Hogwarts sein!“
„War ich auch.“
„Er war sogar in meiner Stufe.“
Charlie drehte sich erstaunt zu ihrem Namensvetter um. Der grinste sie an.
„Ich habe ihn gar nicht erkannt vorhin, so mit all den Verbänden. Aber er hat mich erkannt und sofort, als er die Verbände abhatte, gab er sich zu erkennen.“
Mittlerweile hatten sich auch Andy und Nati auf der anderen Seite des Bettes platziert und sie sahen ihren Kumpel starr an.
„Warum hast du uns das nie erzähl, Mann?“
„Aus dem gleichen Grunde, aus dem Charlie es uns nicht erzählt hat. Keiner von uns beiden wollte euch die Hoffnung geben, dass wir eines Tages mit übermächtigen Fähigkeiten hierher kommen und die Werwölfe platt machen können.“
„Und warum nicht? Ich meine, hast du solche Fähigkeiten?“
Joey sah sie lange schweigend an.
„Ich besitze die Fähigkeit, mich ohne Schusswaffen gegen unsere Feinde zu wehren, ja.“
Er schien sich bedrängt zu fühlen und Charlie konnte es ihm gut nachempfinden. Sie warf Giulio einen flehenden Blick zu und dieser begriff sofort.
„So, Schluss für heute, Jungs. Joey braucht Ruhe.“
Ohne auf ihre Proteste zu hören schob er die ganze Versammlung nach draußen und wieder in den Nebenraum hinein. Dort setzte er sich zu ihnen und gab einer jungen Frau den Auftrag, ihnen etwas zu Essen zu bringen. Sofort ging die Diskussion los. Andy und Nati bombardierten Giulio mit Fragen.
„Warum haben wir nichts erfahren? Mit Zauberei wäre alles einfacher gewesen. Vieles hätte verhindert werden können.“
Giulio hob abwehrend die Hände.
„Wir sind vom Gesetz her verpflichtet, Stillschweigen über die Existenz von Magie zu bewahren. Das war einer der Gründe, warum wir weiterhin als freie Organisation agieren konnten, ohne von den Zauberern beseitigt zu werden. Wir kämpfen schon seit Jahrzehnten gegen die Werwölfe, die versuchen, in die Stadt zu gelangen und das Ministerium hat uns somit einen Platz gegeben, um unseren Job zu machen.
Wenn hier jeder von Magie und Zauberei wissen würde, könnten wir uns nicht sicher sein, dass es so weiter laufen würde wie bisher. Wir haben uns seit jeher mit unseren Waffen verteidigen können und waren somit der gesamten Bevölkerung eine große Hilfe. Und das haben wir ohne Zauberei hinbekommen und wir können stolz darauf sein. Wenn das Ministerium es gewollt hätte, würden sie unsere Erinnerungen löschen und uns damit ins Exil schicken.“
Seine letzten Worte hallten noch in dem Raum nach, als die junge Frau wieder kam mit einer großen Platte belegter Brötchen. Bis sie wieder aus dem Raum verschwunden war, sagte keiner ein Wort. Dann wollten die zwei Männer gerade wieder loslegen, als sie Arthur einmischte.
„Es ist nicht so, als würden wir uns besser verteidigen können gegen Werwölfe. Es gibt genügend Werwölfe, die ebenfalls Zauberer sind und somit den Kampf erschweren. Auch wir haben kein Heilmittel gegen den Biss eines Werwolfes. Wir haben mit den gleichen Probleme zu kämpfen wie ihr.“
Das erstickte die Fragen der beiden Männer erst einmal im Keim und sie waren ruhig.
„Was wird jetzt aus Joey?“
„Wie meinst du das?“
„Trägt er nur die Narben davon und das wars?“
Arthur redete müde weiter.
„Wie ich schon sagte, das kann man jetzt noch nicht genau sagen, aber verwandeln wird er sich nicht.“
Die Zwei nickten. Fred gähnte und sah auf seine Armbanduhr.
„Ach du schande, schon so spät?“
Es war tatsächlich schon halb ein Uhr nachts und jetzt bemerkte auch Charlie ihre Müdigkeit.
Arthur nickte und sah seine Söhne an.
„Ich denke, wir sollten nach Hause gehen. Molly macht sich Sorgen.“
Die drei Jungs nickten und sahen fragend zu Charlie. Die wusste nicht, was sie sagen sollte, war hin und her gerissen. Doch die Entscheidung wurde ihr aus der Hand genommen.
„Kann sie heute Nacht hier bleiben?“
„Ja, komm schon, Giulio, sie ist doch jetzt eh schon hier.“
Andy und Nati sahen den Vollbärtigen bittend an und dieser wandte sich an Arthur.
„Was meinen Sie?“
„Also von mir aus kann Charlotte gerne hier bleiben, wenn sie es will.“
Sie wollte. Also verabschiedete sie sich von den Zwillingen und ihrem Namensvetter. Daraufhin fasste jeder der Erwachsenen einen der Zwillinge am Arm und disapparierten.
„Und was war das jetzt noch gleich?“
Nati sah misstrauisch zu dem Flecken grauen Steins, auf dem gerade noch die vier Zauberer gestanden hatten.
„Apparieren nennt man das. Somit gelangt man schnell von einem Ort zum anderen.“
Andy hob die Augenbraue an.
„Und du kannst das auch, ja?“
Charlie schüttelte den Kopf.
„Nein, die Apparier-Prüfung kann man erst mit siebzehn Jahren abschließen, also wenn man volljährig ist. Guckt nicht so, in der Zaubererwelt ist man mit siebzehn schon volljährig, nicht mit achtzehn.“
Sie fühlte sich unbehaglich, denn ihre zwei Freunde sahen sie weiterhin mit einer Mischung aus Neugier und Misstrauen an.
„Kannst du uns was zeigen? Also kannst du was zaubern?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Nein, minderjährige Zauberer dürfen in den Ferien nicht zaubern.“
Andy schnaubte.
„Na toll. Und wenn du jetzt angegriffen wirst, dann darfst du dich nicht verteidigen?“
„Doch. In Notsituationen dürfen auch Minderjährige Zauber einsetzen.“
Sie löcherten sie noch eine Weile mit Fragen, dann scheuchte Giulio sie ins Bett. Zu Dritt gingen sie einen langen Gang entlang und blieben schließlich vor einer Tür stehen.
„Dein altes Bett ist belegt, wie du dir denken kannst.“
„Macht nichts, ich schlafe in Joeys Bett.“
Sie nickten und betraten einen engen Raum, der außer den vier Doppelbetten noch drei kleine Schränke beinhaltete. Alle Betten waren leer. Andy kletterte auf eines der Hochbetten und Nati schmiss sich direkt darunter ins Bett. Charlie setzte sich auf das Nebenbett, ebenfalls nach unten. Sie hatte logischerweise keinen Schlafanzug dabei, also ließ sie ihre Klamotten an, zog lediglich ihre Schuhe aus. Die Bettedecke war kalt und dünn, aber glücklicherweise war es in dem Raum warm. Müdigkeit kroch nun ihren gesamten Körper entlang. Was für ein Tag! Sie konnte es immer noch nicht fassen. Sie war in Ellebrooke, Joey würde es bald schon wieder besser gehen und er war ein Zauberer. Das einzige, was sie irritierte und vor allem schockierte, war das Verhalten von Nati und Andy. Sie waren seltsam, so… gemein und grausam. Anders konnte Charlie es nicht ausdrücken. Wieso hatten sie sich so verändert? Sie waren kalt geworden…
„In ein paar Tagen ist Vollmond.“
Es war Andys Stimme, die durch den Raum wehte. Charlie wollte nicht antworten, also hörte sie still zu, wie Nati redete.
„Ja, da können wir es den Bastarden heimzahlen, dass sie beinahe unseren Freund auf ihre Seite gezogen haben.“
Auf ihre Seite ziehen? Charlie war verwirrt. Meinten sie etwa…
„Wenn herausgekommen wäre, dass er infiziert worden wäre, was meinst du, wer ihn dann hätte umbringen müssen?“
Ihr Magen zog sich zusammen, als sie dem Gespräch der zwei jungen Männer lauschte, die sie eigentlich zu kennen glaubte.
„Weiß nicht. Vielleicht einer von uns.“
„Was passiert ist, ist passiert. Wenn Joey einer von diesen Bastarden geworden wäre, hätte er eh nicht mehr lange zu leben gehabt. Dafür hätten wir schon gesorgt.“
Ihr Herz hämmerte gegen ihre Brust. Angst kroch in ihr hoch, was redeten die zwei da? Hätten sie wirklich ihren Freund ermordet?
„Ich weiß ja nicht, diese Sache mit der Zauberei.“
„Hmm.“
„Pennt Charlie schon? Charlie?“
Sie antwortete nicht, sondern biss sich auf die Unterlippe. Geknarre von nebenan und ein kleines Licht im Dunkeln warnten sie davor, dass Nati nach ihr gucken kam und sie schloss schnell die Augen.
„Ja, sie pennt.“
„Gut. Was hältst du von der Sache?“
Stille. Charlie lauschte angespannt und mit geschlossenen Lidern. Dann antwortete Nati.
„Ich weiß nicht, hört sich alles etwas seltsam an. Und dann dieses Auftauchen und Verschwinden. Was denkst du?“
„Ich kann es nicht fassen, dass es uns niemand erzählt hat, immerhin sind Charlie und Joey unsere besten Freunde. Hielt man uns nicht für vertrauenswürdig?“
„Keine Ahnung, Mann. Vertraust du diesem Kerl mit den roten Haaren? Dem Typen, der Joey untersucht hat? Was ist, wenn er falsch liegt?“
„Was meinst du? Dass Joey sich vielleicht doch verwandelt?“
„Ja, genau.“
„Zuzutrauen wäre ihm das schon, immerhin kennen wir ihn gar nicht und die anderen auch nicht. Scheint ja irgendwo ein Nest von denen zu geben, alle mit roten Haaren.“
„Denkst du, sie stecken mit den Biestern unter einer Decke, damit sie einen von ihnen hier einschleusen können?“
„Möglich ist das alles. Wir sollten Joey und diese Fremden scharf im Auge behalten.“
„Und was ist mit Charlie?“
„Die auch. Wer weiß, wie diese Typen sie schon beeinflusst haben. Das sieht man doch schon an ihren neuen Klamotten und dieser Freundlichkeit, die sie zutage legt. Sie hat sogar über diesen dämlichen Witz gelacht, den einer der Zwillinge da gemacht hat.“
„Hast Recht.“
„Lass uns schlafen.“
„Jau. Nacht.“
„Nacht.“
Nach wenigen Minuten hörte man das regelmäßige Schnarchen der zwei Männer, doch eine Person in dem Raum lag immer noch wach. Charlie starrte an die dunkle Decke und versuchte zu verdauen, was sie gerade gehört hatte. Hatten ihre beiden besten Freunde gerade wirklich ihr Misstrauen ihr gegenüber geäußert und gegenüber Joey und den Weasleys? Sie konnte es einfach nicht fassen. Die zwei hatten sich ganz stark verändert. Charlie schluckte. Angst kroch ihr den Nacken empor. Sie flehte zu Merlin oder sonst wem, dass Joey wirklich nicht infiziert worden war. Erst in den frühen Morgenstunden fiel das junge Mädchen in einen unruhigen Schlaf.
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