von Lili Braun
Ich lag im Bett und betrachtete den schmalen Streifen silbrigen Mondlichtes, der durch mein Fenster auf die weiĂźe Zimmerwand viel.
Meine Gedanken kreisten immer wieder um die selben nebelhaften Schemen aus jener Nacht. Den schwarzen See, die steilen Höhlenwände, das beruhigende Geräusch von Wassertropfen, der sanfte Schnee… seine tief schwarzen Augen, seine blasse Haut und diese Lippen… Rot wie Rosen in den schönsten Mittsommernächten……………
Ich erwachte. Nur langsam gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit. Es war dunkler geworden. Finster. Ich drehte mich zur Seite, um auf das Ziffernblatt meines Weckers zu spähen. Er war stehen geblieben. “ Dummes Ding”, stöhnte ich leise, setzte mich auf und erstarrte augenblicklich zu Eis.
Ich nahm mehrere Dinge gleichzeitig war. Zuerst war es wohl die Bewegung der flatternden Gardine im Nachtwind. Das Fenster. Es war offen. Aber das, was mir die Adern gefrieren ließ, befand sich an der Zimmerwand. Eine Gestalt. Hochgewachsen und in schwarze Decken verhüllt. Dort stand Sie… Oder schwebte Sie… Es wurde kalt. Eiskalt.
Die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Bilder rasten mir durch meinen Kopf…
Es klingelt. Ich sitze auf einer Schaukel… verzweifelt versuche Ich diesen kleinen Marienkäfer zu fangen… Aber er will einfach nicht …Immer wieder entwischt mir der kleine Wicht… Mum sitzt auf der Treppe der Veranda und beobachtet mich lachend… Sie ist so schön wie ein Engel… Am Tor erscheint ein Mann… ich nehme Ihn kaum war… Ich sehe Dad, wie er auf der Veranda erscheint hinter Ihr… Aber sein Gesicht… Es ist so anders als sonst… So… Angsterfüllt… Der Mann am Tor… Er hat etwas Schwarzes in der Hand… Dad schreit… Ich falle vor Schreck von meiner Schauckel… Ein Knall… Dad liegt am Boden… Ich denke er schläft… Das macht er oft um mich zu ärgern… Lachend laufe ich auf Ihn zu … Mum schreit “Nella versteck dich renn weg!!!”… Ich bleibe stehen… Ungläubig schaue ich sie an… ich verstehe Es nicht … Ein zweiter Knall…
“Neiiiiiiiiinnnn… EXPECTO PATRONUM!!!”
Ich schreckte hoch. Sofort viel mein Blick auf das Fenster. Es war geschlossen. Mein Zimmer war leer. Der Wecker zeigte halb sechs morgens an. Ich musste einen schrecklichen Albtraum gehabt haben… Aber es war alles so wirklich gewesen… Diese schwarze Gestalt…
Diese Kälte… Ich zitterte…
Nur langsam kam ich an diesen Morgen aus dem Bett… Ich schlürfte lustlos ins kleine Bad im Dachgeschoss, nahm im Vorbeigehen Großmutters dicken Wollschall von der Ankleide und wickelte Ihn mir eng um den Hals. Meine Großeltern mussten noch am Schlafen sein was eher ungewöhnlich war aber auch Ihnen machte die Kälte zu schaffen. Ich drückte die Klinke des Bads herunter und schob den Schieber des kleinen Holzofens in der Ecke herauf. Ein lustiges Feuerchen sprang augenblicklich aus seinen Tiefen empor und langsam verströmte es prickelnde Wärme im Raum. Erschöpft von der Nacht lehnte Ich mich gegen die geflieste Wand und vergrub meine Füße in dem grob gestrickten Teppich auf dem Boden. Erst jetzt erinnerte ich mich an das Ende meines Albtraums. Tom war erschienen. Aus dem Nichts. Obwohl ich sein Gesicht durch die Finsternis nicht erkennen konnte hatte Ich gespürt das er unglaublich zornig gewesen sein musste. Ohne Furcht war er auf das schreckliche schwarze Wesen zugeschritten, hatte seinen Körper wie einen Schutzwall zwischen mich und den schwarzen Mann gestellt.
Schon im nächsten Moment war eine silberne Schlange, glänzend und anmutig aus dem Nichts erschienen und hatte sich fauchend auf die verhüllte Gestalt gestürzt. Dann hörte der Traum auf… Und doch war er so wirklich gewesen. So… realistisch… Im Untergeschoss war ein Poltern zu hören. Großmutter musste aufgestanden sein. Seit dem schrecklichen Unfall vor zwei Monaten wohnte ich bei Ihnen… Hier im kleinen Wixbury. Es war noch immer Krieg und er forderte mehr denn je die Söhne und Töchter vieler Mütter… So hatte es der Premierminister von England ausgedrückt. Obwohl Wixbury ein winziges Dorf war inmitten der schottischen Halbwälder mit ihren Tannen und Fichten war es doch nicht sehr langweilig. Viele Familien hatten Ihre Söhne und Töchter auf das Land geschickt da meistens die Städte von den Deutschen bombardiert wurden. So hatte ich auch Ihn kennen gelernt. Tom. Tom Riddle. Noch nie in meinem Leben kannte ich einen Menschen so kurz und so wenig. Und noch nie war ich so unsterblich verliebt gewesen. Noch nie.
“Nella? Bist du da drin?” fragte plötzlich eine heisere Stimme vor der Holztür zum Bad. Ich schmunzelte… Natürlich war die Ursache des Polterns meine Großmutter gewesen. Bisher war es noch nie vorgekommen, dass Sie mich morgens zur Schule gehen ließ ohne vorher Aufsicht über mein Haferschleim Frühstück zu führen. Ich grinste.
“Ja Moma Ich beeil mich ja schon”, entgegnete Ich hastig mit Blick auf meine kleine silberne Uhr am Handgelenk. Sie hatte Mum gehört.
“Nun eigentlich hast du noch etwas Zeit aber der junge Mann in unserer Küche besteht darauf dich persönlich zur Schule zu bringen auf Grund des Schneegestöbers… mir persönlich wäre es ja lieber Großvater würde…”, wollte Sie gerade den Satz mit leicht ärgerlichem Unterton vollenden als ich Sie unterbrach. Mein Herz klopfte plötzlich so laut, dass Ich fast die Befürchtung hatte ganz Schottland würde es hören. “Moma welcher… Junge…?” stotterte Ich darauf los obwohl ich die Antwort wusste, mein Herz danach gierte und leise danach schrie diese zwei Worte zu hören. “Tom Riddle Schatz. Ich werde ihm sagen das du auch lieber mit Großvater fahren…” “Neiiiiiin Granma ich bin gleich unten !” , schrie ich leicht hysterisch und etwas zu laut. Hoffentlich hatte er es nicht gehört. “Nun gut… Aber beeil dich jetzt hast du wahrlich nicht mehr viel Zeit.” ,murmelte sie resignierend und stapfte die Treppe wieder hinunter.
Augenblicklich war ich hell wach. Ohne das ich es gemerkt hätte war ich aufgesprungen, stand vor dem kleinen, rissigen Badezimmerspiegel.
Ich erblickte mein Spiegelbild und erschrak. “Ohh je” nuschelte ich halb wahnsinnig vor mich hin. Mein orangenes, fast rotes sonst so welliges, feines Haar war zerzaust wie ein Vogelnest. Unter meinen grünen Augen bildeten sich tief schwarze Ränder auf meiner schneeweißen Haut ab. Unwirsch versuchte ich mit aller Gewalt Herrin über selbiges zu werden, gab es schließlich auf und band es mir zu einem strengen Knoten am Hinterkopf zusammen. Schnell schlüpfte ich in meine Jeans und den bequemen schwarzen Strickpulli.
Wieder betrachtete ich mich streng im Spiegel. Es war hoffnungslos. Ich sah so weiß und zerbrechlich aus als sei ich aus Glas. Seufzend riss ich die Badezimmertür auf und huschte so geräuschlos wie möglich die Treppe hinunter.
“Tom Sie müssen doch etwas essen schauen Sie doch wie blass Sie aussehen”, sagte Großmutter entrüstet. “ Vielen Dank Mam aber Ich habe bereits gefrühstückt. Trotzdem weiß ich ihr Angebot zu schätzen Vielen Dank.” Dort saß er in seinem grauen, zerschlissenen Anzug am Tisch vor einer unberührten Schüssel Haferschleim. Und trotzdem sah er aus wie ein junger Gott. Sein lockiges, Haselnuss-braunes Haar fiel ihm verwegen über die perlmutweiße Stirn während seine tiefschwarzen Augen scheinbar belustigend die Schüssel vor Ihm musterten. Er musste lange wach gewesen sein denn auch unter seinen Liedern erstreckten sich tiefschwarze Ränder. Aber es machte Ihn bloß noch hübscher.
Obwohl es draußen schneite und bittere Kälte vorherrschen musste hatte er die obersten zwei Knöpfe seines Hemds geöffnet.
“Guten Morgen Nella” erklang seine heisere Stimme. Ich schreckte abrupt aus meinen Träumereien auf… und merkte wie meine Wangenknochen ohne das ich es verhindern konnte rot anliefen… und das vor Großmutter… Mir versagte die Stimme… “Ohhh nein wie peinlich”, keuchte ich lautlos. Mein diszipliniertes Ich wurde wieder kampflos von meinem anderen, das sich nur auf Tom fixierte, besiegt. Einfach so.“ Wollen wir ? Ich denke nicht das die Schule heute auf uns wartet… Wir werden einige Zeit brauchen durch diesen dichten Schnee…”, sagte er, scheinbar leicht amüsiert… “Sicher”, würgte ich drauf los, hatte schon unter den empörten Blicken von Großmutter meinen Parker übergeworfen und war zur Haustüre geeilt. “ Antornella Graf was ist mit deinem Haferschleim du musst doch etwas ess…” sagte sie streng doch ich kam ihr zuvor, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und bevor Sie etwas erwidert hatte war ich durch die Haustür geschlüpft.
Es schneite wirklich. Der Vorhang aus weißen Flocken hing so dicht in der schneidenden Luft, das Ich nicht einmal zum Gartentor fand. Tollpatschig stolperte ich und lag zwei Sekunden später pitsch nass mit dem Gesicht im Schnee. Wie peinlich. Hoffentlich hatte er es nicht gesehen. “Nella du dummer Tollpatsch mach einmal etwas richtig du blamierst dich vor Ihm”, flüsterte mein diszipliniertes Ich. Mühsam raffte ich mich auf und fand schließlich das Gartentor im Schneegestöber. Plötzlich legte sich eine Hand sanft um meine Hüfte.
Dieser wohlbekannte rauchig, süße Duft kroch in meine Nase… So musste ein Kessel voller Wunschpunsch duften. “Nella du bist ja schon pitsch naß” , sagte er besorgt. Ich drehte mich um. Augenblicklich war ich im Bann dieser schwarzen Augen. Ich musste einfach. Ich musste diese Lippen berühren. Ich versuchte nicht wie ein Nilpferd zu wirken und doch kam es mir so vor als meine rauen Lippen auf scheinbar roten Samt trafen. Es war bitter kalt. Es war mir egal. Solange ich nur bei ihm war. Er unterbrach den Kuss und mein Herz schrie vorwurfsvoll in meiner Brust auf. “Nella wir müssen uns beeilen. Schnell.”
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