von GringottsGoblin
Licht. Licht umgab Harry. Von allen Seiten war alles Licht. Er selbst war Licht. Von einem fernen Punkt innerhalb des Lichts fühlte er sich angezogen. Ein Punkt, der unsagbar fern und gleichzeitig zum Greifen nah lag. Dort schien das Licht noch etwas heller, noch etwas freundlicher und noch etwas wärmer. Harry bewegte sich darauf zu. Er hatte keinen Körper, er war einfach nur ein Bewusstsein. Das Licht lockte ihn. Voller Freude darüber bewegte er sich auf das Licht im Licht zu.
Doch dann hielt ihn etwas zurück. Etwas, wie eine Strömung, wenn man versucht, flussaufwärts zu schwimmen. Die Strömung wurde stärker und zog Harry vom Licht weg. Angst stieg in Harry auf. Er wollte zum Licht und nun zog ihn etwas davon weg. Immer stärker wurde die Strömung, immer weiter entfernte er sich vom Licht. Er wollte sich dagegen stemmen, aber er hatte nicht genug Kraft. Er wollte nach dem Licht greifen, doch hatte keine Arme.
Und dann, im nächsten Augenblick, stand Harry mit beiden Füßen wieder in der Rumpelkammer, den Dolch fest in der Hand.
Die Rumpelkammer sah anders aus, als er sie kannte. Kein Tageslicht, sondern allgegenwärtiger blauer Schein ohne erkennbare Quelle erfüllte den Raum. Das zusammengefallene Regal war nicht länger zusammengefallen, sondern in bestem Zustand. Ebenso die Sessel. Aber es fehlte an anderen Gegenständen. Der Ramsch auf den Boden, die Bücher im Schrank, davon war nichts da. Harry erwartete, sich selbst am Boden liegen zu sehen, aber das war nicht der Fall. Vorsichtig sah er sich um.
Es war weder warm noch kalt. Genaugenommen gab es überhaupt keine Temperatur. Aus dem Fenster sah er einen schwarzen Himmel. Es gab keine Wolken, kein Gras in den Castlegrounds.
„Ach du Scheiße. Willkommen in der Geisterwelt.“, sagte Harry zu sich selbst. Seine Hand glitt über die Rückenlehne des Sessels. Der Stoff fühlte sich nicht wie Stoff an, eher wie Stein. Eine seltsame grüne Kugel aus waberndem Licht schwebte in dem Raum umher.
Harry hatte keine Ahnung, wohin er gehen sollte, beschloss aber, zuerst seinen Schlafraum aufzusuchen. Schließlich war Sirius ihm dort erschienen.
Harry wollte die Rumpelkammer verlassen, doch die Türklinke ließ sich keinen Millimeter bewegen. Andere Türen außer dieser einen gab es nicht. Dann fiel ihm auf, dass die Fenster keine Scheiben hatten.
Harry sprang aus dem Fenster auf den grauen Boden, der steinhart war und die Farbe von Staub oder Asche hatte. Seine Sichtweite war durch Nebel in der Ferne begrenzt.
Er ging um das Schloss herum und erreichte das Große Tor. Die Flügel des Tores waren nicht vorhanden, sodass er die Stufen hoch gehen und schließlich die Große Halle erreichen konnte. Die Säulen hier waren verdreht, die Wände zum Teil ausgebeult, so als bestünden sie nicht aus Stein, sondern schmelzendem Wachs. Allerdings bewegte sich nichts. Die Große Halle war vollständig leer. Tische, Bänke, Wandteppiche, sogar die verzauberte Decke, alles fehlte. Dafür gab es genau in der Mitte des Raumes einen Kreis aus weißem Licht, von dessen Mitte aus langsame, weiße Lichtkugeln bis zu Höhe von Harrys Kopf aufstiegen, wieder zu Boden fielen und dann in einer ringförmigen Lichtwelle abklangen.
Die Umgebung bereitete Harry Unbehagen.
„Sirius !“, rief Harry so laut er konnte, doch seine Stimme klang erneut nicht laut, wie auch zuvor in seinem Traum.
„Sirius, wo bist du ? Ich bin es, Harry. Ich bin hier.“
Nichts passierte. Harry durchquerte die Halle, darauf bedacht, dem weißen Lichtkreis nicht zu nahe zu kommen, und fing an, die Große Treppe hinauf zu gehen.
Nach zwei Stockwerken fehlte ein großes Stück der Treppe. Seufzend machte Harry sich daran, einen anderen Weg nach oben zu finden. Das wäre in der echten Welt kein Problem gewesen, immerhin kannte kaum jemand das Schloss so gut wie er. Doch hier gab es Gänge und auch einige Räume, die Harry nie zuvor gesehen hatte. Andere fehlten ebenso. In der Nähe des Waschraumes, wo Mourning Myrtle spukte, war ein Durchgang einfach nicht vorhanden. Stattdessen stand Harry vor einer massiven Wand. Er kehrte um.
Der Weg durch das Schloss war verwirrend und befremdlich. Immer wieder musste Harry umkehren und andere Wege suchen. Einmal begegnete ihm dabei noch eine grüne Lichtkugel, wie er sie schon in der Rumpelkammer gesehen hatte, die langsam an ihm vorbei und eine Treppe hinunter schwebte.
Harry hatte das fünfte Stockwerk erreicht, als er auf einmal Schritte hörte. Erschrocken blieb er stehen und nahm in eine Hand seinen Zauberstab, in die andere den Dolch. Vor ihm, aus einem abzweigenden Gang, kam ein Monster. Es sah aus, wie ein schwarzer Wolf, mit einer kurzen Schnauze, wie ein Bullterrier, und der Schulterhöhe einer Kuh.
Nach dem ersten Schreckmoment wäre Harry davon gelaufen, hätte das Monster nicht angefangen sich zu verändern. Es schrumpfte ein wenig, die Schnauze und das Fell verschwanden, dann erkannte Harry einen Menschen, der sich für ein paar Schritte auf allen Vieren fortbewegte, und sich dann aufrichtete. Sirius Black.
Vollständig verwandelt blieb Sirius ein paar Meter vor Harry stehen. Er trug einen noblen Abendanzug, hatte den üblichen Drei-Tage-Bart und lockige, schwarze Haare. Allerdings erschien er Harry etwas größer, als er ihn in Erinnerung hatte. Harry steckte seine Waffen wieder ein.
„Harry ! Bei Merlin, du hast es geschafft ! Du bist hier !“, freute sich Sirius. Beide liefen aufeinander zu und fielen sich kurz in die Arme. Es tat gut, Sirius wiederzusehen.
„Es war nicht einfach. Ich habe jede Menge fragen.“, antwortete Harry. Er wusste gar nicht, womit er anfangen sollte.
„Ich werde dir alles beantworten, was ich kann. Aber lass uns zuerst hoch gehen.“, bat Sirius und ging voran.
„Sind meine Eltern hier ? Wohin gehen wir ?“, fragte Harry. Mit einem Mal fühlte er sich hier in der Geisterwelt sehr viel wohler. Sirius lebte. Harry war nicht für seinen Tod verantwortlich.
„Nein, sie sind nicht hier. Wir gehen zu Albus. Er…“
Die letzten Worte blieben Sirius in der Kehle stecken, als er sich wieder in den Wolf verwandelte.
Harry hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten, als der Wolf durch die Gänge eilte und Treppen hinauf sprang. Er schien sich sehr gut auszukennen, während Harry sich pausenlos über die Unterschiede zur echten Welt wunderte.
Der Gargoyle, der die geheime Treppe zu Dumbledores Büro bewachte, war hier nicht vorhanden. Ein offener Zugang führte zur Wendeltreppe, die in die entgegengesetzte Richtung zur echten Welt gedreht war und ohne eine Tür direkt in Dumbledores Büro endete. Sirius verwandelte sich auf den letzten Stufen zurück.
Das Büro war genauso trostlos, wie der Rest, den Harry bisher vom Schloss gesehen hatte. Es gab keinen Teppich oder Bilder an den Wänden. Nur der Schreibtisch, ein Sessel dahinter und leere Regale füllten den Raum.
In der Mitte des Raumes saß Dumbledore auf dem Boden und schien zu meditieren.
„Albus, er ist hier.“, sagte Sirius, gerade als er sich wieder aufrecht hinstellte. Langsam öffnete Dumbledore die Augen und sah Harry an. Er sah bei Weitem nicht so alt aus, wie Harry ihn in Erinnerung hatte. Sein Haar war braun, nicht grau, ebenso sein Bart, der sehr viel kürzer als sonst war.
Ein Lächeln breitete sich auf Dumbledores Gesicht aus.
„Harry, es ist schön dich zu sehen.“, sagte er. Sirius setzte sich auch auf den Boden, gegenüber von Dumbledore und Harry tat es ihm gleich. Offenbar bestand keine unmittelbare Gefahr, aus der Harry die beiden retten musste.
„Ich freue mich ja auch, aber was habt ihr euch dabei gedacht, mich mit so wenigen Informationen allein zu lassen ?“, beschwerte sich Harry, als er saß. Ein weicher Teppichboden wäre ihm wirklich willkommen gewesen. Alles in der Geisterwelt schien steinhart zu sein.
„Es tut mir Leid Harry, aber Albus konnte die Similarität zwischen Traum und Geisterwelt nicht länger aufrecht erhalten. Er wäre beinahe gestorben.“, erklärte Sirius. Dumbledore lächelte und sah zu Boden. „Er übertreibt.“, sagte er leise.
„Keinesfalls. Die überdehnten Ley-Linien hätten ihn fast zerrissen. Und mich dabei gleich mit.“, fuhr Sirius ernst vor. „Aber ich wusste, dass du herausfinden würdest, was zu tun ist, und den Mut dazu haben würdest.“
Dumbledore blickte wieder auf und sah Harry in die Augen.
„Ich bin sicher, du möchtest einiges wissen.“, stellte der alte Mann fest. Da hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen.
„Oh ja. Was ist das hier für ein Ort ? Wieso ist das ganze Schloss anders ? Wo sind meine Eltern ? Warum sind Sie jünger als vorher ? Und was soll ich überhaupt hier ?“, sprudelten die Fragen aus Harry heraus.
„Eines nach dem anderen.“, antwortete Dumbledore und hob lächelnd eine Hand. Die Hand war noch genauso vertrocknet, beinah verwest, wie Harry es im letzten Schuljahr gesehen hatte.
„Ich werde dir alles erklären. Dieser Ort, vielmehr die ganze Welt, in der wir uns hier befinden, wird das Zwielicht genannt, von einigen umgangssprachlich auch die Geisterwelt, was aber nicht ganz zutrifft. Diese Welt ist eine Zwischenwelt zwischen der Welt, wie du sie kennst, und dem Jenseits. Geister im eigentlichen Sinne gibt es hier aber nicht. Einige Seelen bleiben hier hängen, anstatt weitergehen zu können. So wie diese dort.“
Dumbledore zeigte auf die Tür hinter Harry. Dort kam gerade eine der wabernden, grünen Kugeln herein geschwebt, die Harry auch schon beim seinem Weg durch das Schloss gesehen hatte. Offenbar ziellos schwebte die Seele durch den Raum und gemächlich durch das scheibenlose Fenster nach draußen.
„Alles was du hier siehst, sind Reflektionen aus der echten Welt. Schatten, wenn du so willst. Dabei kann es vorkommen, dass die Essenz eines Gegenstandes eine andere ist, als man auf der anderen Seite erkennt. Dann erscheinen Dinge hier anders. Wasser zum Beispiel ist hier kaum mehr als stoffloser Nebel. Glas ist nicht einmal das. Wir selbst können unsere Reflektion hier in begrenzter Weise beeinflussen. Deshalb stimmt mein Erscheinungsbild nicht mit dem überein, an das du dich erinnerst. Ich wäre gern etwas jünger, als ich es war, Sirius etwas größer. Deshalb sehen wir anders aus. Wenn du mehr über das Zwielicht wissen willst, empfehle ich dir das Buch Die Welt im Zwielicht. Leider habe ich selbst nie weiter als bis zum zweiten Kapitel gelesen. Schade, es hätte mir jetzt bestimmt sehr geholfen.“
Harry winkte ab. „Danke, das reicht mir schon. Aber warum sind wir keine grünen Kugeln ?“,“ Als er seine Hände und Unterarme ansah, meinte Harry, dass seine Hände ein klein wenig größer und seine Unterarme etwas kräftiger waren, als er es kannte.
„Dafür gibt es für jeden von uns einen anderen Grund.“, erklärte Dumbledore. „Du bist durch die Magie des Dolches hergekommen. Er bewahrt deine Reflektion im Zwielicht. So ähnlich ist es bei Sirius. Der Vorhang ermöglicht es dem, der hindurchgeht, seine körperliche Reflektion beizubehalten. Und was mich angeht, nun, vergiss nicht, wer ich bin.“
Leise fügte Dumbledore hinzu „Oder wer ich war.“
Harry fand das alles sehr befremdlich. „Und was hat es mit diesem Dolch auf sich ?“, erkundigte sich Harry und legte die Klinge vor sich auf den Boden. Es war kein Blut daran.
„Das ist das Mat Kyn-Sar.“, erklärte Sirius. „Albus hat es mich auf einer geheimen Mission aus Irland beschaffen lassen, weil er glaubte, dass es für den Orden nützlich sein konnte. Die Geschichte des Mat-Kyn Sar beginnt vor ungefähr zweitausenddreihundert Jahren. Die keltischen Priester haben es benutzt um das Zwielicht zu betreten. Der Geschichte nach stammte die Klinge ursprünglich aus Südamerika. Allerdings hatte ich etwas andere Ansichten als Albus.“
Die beiden Männer tauschten einen Blick aus.
„Ich sah in dem Moment, als ich es bekommen hatte, keinen praktischen Nutzen darin. Und anders als Albus habe ich Snape, diesem dreckigen Verräter, nie getraut. Und das ja wohl zu Recht. Ich hielt es also für besser, das Mat-Kyn Sar erst einmal sicher aufzubewahren, falls es irgendwann doch nützlich sein konnte. Haley war mir noch einen Gefallen schuldig, so kam eins zum anderen. Wie sich gezeigt hat, war das eine gute Entscheidung. Ich habe Albus erzählt, dass ich es nicht habe finden können.“ Mit einem Grinsen im Gesicht endete Sirius.
„Haley sagte mir, er wusste nicht, wer ihm den Dolch gegeben hat.“, erinnerte sich Harry.
Sirius nickte verständnisvoll. „Er würde niemals jemanden verraten. Außer wenn man ihn großzügig dafür bezahlt.“
Das würde Harry sich merken. Dass die Goblins allesamt bestechlich waren, munkelte man ja ohnehin vielerorts.
Die Seele von vorhin kam wieder durch das Fenster rein geschwebt und blieb knapp unterhalb der Decke, wo sie unregelmäßige Kreise zog.
„Kann es sein, dass meine Eltern auch solche grünen Kugeln sind ?“, wollte Harry wissen.
Dumbledore schüttelte den Kopf. „Was deine Eltern angeht, so bin ich sicher, dass sie den Weg weitergegangen sind und nicht als verirrte Seelen im Zwielicht umherwandern. Dieser Ort ist auch wahrlich nicht einladend. Nur sehr wenige Verstorbene bleiben überhaupt hier.“
„Was ist mit euch ? Und mit mir ? Sind wir tot ?“, fragte Harry und sah auch Sirius dabei an. Sirius antwortete ihm. „Tja, Harry, diese Frage habe ich mir auch oft gestellt.“
Sirius stand auf und ging ans Fenster und sah hinaus, obwohl es dort nichts zu sehen gab.
„Weißt du Harry, ich habe schon sehr, sehr viel Zeit in dieser Geisterwelt verbracht und viel über das Leben und den Tod nachgedacht. Außer Nachdenken gibt es hier nicht allzu viel zu tun. Wenn tot sein bedeutet, dass dein Körper zerstört ist, ja, dann bin ich tot, seitdem ich durch den vermaledeiten Vorhang im Ministerium gefallen bin. Eine hauchdünne Grenze im Vorhang zwischen echter Welt und Geisterwelt löst alles auf, was damit in Berührung kommt.
Wenn tot sein bedeutet, weder Hunger, Durst noch Müdigkeit zu fühlen, dann bin ich tot. Wenn tot sein bedeutet, die Menschen nicht mehr zu sehen, die man liebt, ja dann bin ich auch tot. Wenn tot sein aber bedeutet, dass man seine Ideale verliert, seine Hoffnungen aufgibt und vergisst, was einem wichtig ist, dass man seinen Kampf nicht weiterführt, dann bin ich lebendiger, als ich es jemals vorher war. Und genau da kommst du ins Spiel.“
Sirius drehte sich wieder um und sah zu Harry. Lässig setzte Sirius sich auf das Fensterbrett.
„Ich ?“, fragte Harry. „Wozu braucht ihr mich ?“
„Lass es mich dir erklären.“, begann Dumbledore. „Es geht, wie du vielleicht schon erraten hast, um Voldemort. Er ist ein Wanderer zwischen den Welten, also zwischen der echten Welt und dem Zwielicht. Er kommt regelmäßig her und schafft es auch, seine Diener zu sich zu rufen. Ich würde alles dafür geben, um zu verstehen, wie ihm das gelingt. Ich bin mir nicht sicher, warum er hierher kommt. Vielleicht schafft er es, die Magie des Zwielichts in irgendeiner Form aufzunehmen. Und er trifft sich hier mit seinen Dienern um seine Pläne zu schmieden und sich berichten zu lassen. Immerhin ist es mir gelungen, mich bei seiner letzten Versammlung einzuschleichen.“ Dumbledore schob den Ärmel seiner Robe am rechten Arm hoch. Nicht nur die Hand, sondern der ganze Unterarm war vertrocknet. Für eine Sekunde leuchtete eine gewundene grüne Schlange auf der vertrockneten Haut auf. Dumbledore lächelte triumphierend. „Voldemort fühlt sich hier sicher, und genau das wird sein Verhängnis sein.“
Harry verstand nicht, was der alte Mann damit meinte. „Wie weit bist du mit den Horcruxen, Harry ?“, fragte Dumbledore. Harry schluckt. Sollte er Dumbledore sagen, dass der, den die beiden vor den Sommerferien gefunden hatten, eine Fälschung war ? „Hm, naja… keinen Schritt weiter.“, gab Harry zu. Dumbledore nickte. „Das habe ich mir gedacht. Es ist wohl unmöglich, alle Horcruxe zu finden und zu zerstören. Sie könnten überall sein, auf der ganzen Welt. Deshalb werden wir ihn hier schlagen. Das Zwielicht ist praktisch vollständig von der echten Welt abgeschnitten. Hier helfen Voldemort seine Horcruxe nicht. Wenn wir ihn hier töten können, dann ist es für immer.“
Langsam verstand Harry. Es ging nicht darum, jemanden zu retten oder Gefahr abzuwenden. Es ging um einen Angriff, eine kaltblütig geplante Tötung des Feindes.
„Wie genau soll das vor sich gehen ?“, wollte Harry wissen.
Dumbledore fuhr fort. „Voldemort trifft sich immer bei Neumond mit seinem Rat. Bei Neumond ist die Grenze zum Zwielicht ein winziges Bisschen durchlässiger. Deshalb sind wir auch bei Neumond auf dich zugekommen, Harry. Beim übernächsten Neumond findet ein besonders wichtiges Treffen statt. Alle seine Befehlshaber werden dabei sein. Dann schlagen wir zu. Du musst kurz vor Mitternacht wieder ins Zwielicht kommen.“
„Wie, wieder kommen ?“, fragte Harry. „Kann ich zurück ?“
Dumbledore nickte. „Ja, das kannst und das musst du sogar. Es ist überliefert, dass das Mat-Kyn Sar deinen Körper in der echten Welt nur eine begrenzte Zeit erhalten kann. Wir können kein Risiko eingehen und herausfinden, was dann passiert oder ob diese Überlieferung stimmt. Außerdem streifen zuweilen Sluaghs durch das Zwielicht. Soweit wir wissen, sind das die einzigen Wesen, die hier leben. Sie ernähren sich von den Seelen. Du bist der Schlüssel zum Sieg, Harry. Du darfst dich auf keinen Fall in Gefahr bringen. Kommt.“
Dumbledore stand auf und verließ das Büro. Sirius und Harry folgten ihm.
„Wohin gehen wir ?“, fragte Harry.
„Zum Portal.“, antwortete Sirius. „Wenn du noch Fragen hast, stelle sie besser jetzt.“
Auf die Schnelle fiel Harry nichts mehr ein.
Was Sluaghs waren, wollte er gar nicht genauer wissen.
„Was sind das für Seelen, die hier im Zwielicht bleiben ?“, fragte Harry nach einigen Treppen, mehr um das Schweigen zu brechen, als aus echtem Interesse. Dumbledore antwortete, da Sirius sich wieder in den Wolf verwandelt hatte und neben Harry her trottete.
„Alle möglichen Leute, die mit ihrem Tod nicht zurecht kommen. Mit etwas Mühe und Übung kann man mit den Seelen sprechen. Die meisten reden aber nur wirres Zeug und jammern unentwegt. Das sind meistens sehr anstrengende Gespräche.“ Dumbleodre lachte leise.
Auf dem gleichen, verwirrenden Weg durch das Schloss gingen die drei weiter nach unten, bis sie schließlich die Große Halle erreicht hatten.
„Das Licht da ist ein Portal. Es wird deine Seele in die echte Welt zurückbringen.“, erklärte Dumbledore und deutete auf den Kreis aus Licht, der immer noch langsame Lichtkugeln ausspie. „Soll ich irgendwem etwas ausrichten ? Den Ordensmitgliedern oder so ?“, fragte Harry. Vorsichtig stellte er sich genau in den Lichtkreis. Er fühlte nichts. Die Lichtkugeln stiegen nach wie vor ruhig auf, um genauso ruhig wieder zu Boden zu fallen.
Es sah aus, als wollte Sirius antworten, der gerade wieder seine Menschenform angenommen hatte, aber Dumbledore kam ihm zuvor.
„Nein, Harry. Niemand darf etwas von uns, der Geisterwelt oder dem Plan wissen.“ Eindringlich sah Dumbledore Harry an. Harry nickte. „Also gut. Was muss ich tun ?“
Das Portal brachte ihn anscheinend nicht von selbst zurück. Und sich noch einmal selbst zu töten, wollte Harry wenn möglich vermeiden.
Dumbledore kam einen Schritt näher und legte Harry die gesunde Hand auf die Stirn. „Ein kleiner, arkaner Stuppser sollte ausreichen.“, sagte er.
Wenn Du Lob, Anmerkungen, Kritik etc. über dieses Kapitel loswerden möchtest, kannst Du einen Kommentar verfassen.
Zurück zur Übersicht - Weiter zum nächsten Kapitel