Den Brief mit der Liste der benötigten Sachen in der Handtasche stand Mina vor dem schmuddeligen Pub und begutachtete ihn so misstrauisch, als ob er jeden Moment wie ein Kartenhaus zusammenklappen könnte.
„Was ist das?“ fragte sie spitz.
„Das ist der „Tropfende Kessel“. Den Pub kennt jeder.“
„Ja, im Bereich der Drogendealer.“
„Nein, unter den Zauberern und Hexen. Er ist von London aus der direkte Zugang zur Winkelgasse.“
„Na super. Das heißt ich muss … da rein?“
Ihr Vater nickte und nahm sie beide an der Hand. Dann stieß er die Tür auf.
„Das ist berühmt?“ fragte Mina pikiert.
Schön, das er berühmt war, dieser Pub, aber dafür war es ja drinnen noch grauenvoller als draußen!
Es war dunkel und schäbig. Der ganze Raum wurde scheinbar von einer einzigen Kerze beleuchtet und es war unglaublich stickig! Der kahlköpfige Barmann, der erstaunliche Ähnlichkeit mit einer gezuckerten Walnuss hatte wie Mina auffiel, lächelte sie an.
„Ralph! Lange nicht gesehen! Willst du das Übliche?“
„Heute nicht, Tom. Wir müssen einkaufen. Unsere junge Lady hat es endlich geschafft!“
„Ah. Dann will ich Euch nicht länger aufhalten.“
„Danke Tom. Man sieht sich.“
„Sicher, Ralph.“
Ihr Vater führte Mina und ihre Mutter in einen kleinen von Unkraut bewucherten Hof, in dem einige Mülltonnen standen. Der erste Gedanke der Mina kam, war der, das hier mal jemand Unkraut jäten solle, dann sah sie enttäuscht zu ihrem Vater auf.
„Das hier ist die Winkelgasse?“
„Nein. Es ist das Tor zu Winkelgasse.“
„Ich seh‘ kein Tor.“
„Dann schau jetzt genau hin.“
Er griff in die Innentasche seiner Jacke und zückte seinen Zauberstab. Dann ging er auf die Mülltonne zu und begann die Steine darüber abzuzählen.
„Drei nach oben … zwei zur Seite …“ murmelte er leise und bedeutete ihnen dann zurückzugehen. Mit dem Zauberstab stieß er drei mal gegen die Mauer und trat dann zurück.
Fasziniert bemerkte Mina, wie der angestoßene Stein erzitterte wackelte und einen Spalt entstehen ließ, der stetig größer wurde. Einige Sekunden später standen sie vor einem Torbogen und sahen hinaus auf die Winkelgasse.
Mina stand der Mund offen, als sie aus dem Schatten traten. Überall waren Schilder zu den verschiedenen Läden, die sich auf magische Weise bewegten und allerlei Ware anpriesen. Während sie an der Hand ihrer Mutter und ihres Vaters auf ein windschiefes marmornes Gebäude zuging wusste sie überhaupt nicht wo sie hingucken sollte, ohne irgendwo anders etwas zu verpassen.
Eine Viertelstunde später traten sie aus der Zaubererbank heraus, die Portemonnaies voll mit Zauberergeld. Mina war erstaunt, wie viel Geld ihr Vater, sie selber auf dieser Bank hatte.
„Und jetzt?“ fragte sie aufgeregt.
Ihr Vater schob sie an der Schulter zu einem Laden hin an dem ein Schild hing auf dem stand: Madam Malkins Anzüge für alle Gelegenheiten.
„Du holst deine Uniform, und deine Mutter und ich holen dich dann ab. Wir besorgen vorher noch etwas.“
„Ist gut.“
Sie verabschiedeten sich und Mina betrat ein wenig nervös den Laden.
Sofort kam eine stämmige, lächelnde, malvenfarben gekleidete Hexe auf sie zu.
„Hogwarts? Meine Liebe?“ Mina nickte. „Komm, komm. Ich habe die Sachen hinten. Mit dir sind auch noch zwei junge Männer da, die gerade ausgestattet werden.“
Mina nickte wieder freundlich. Was erwiderte man auch auf solch eine Aussage?
Hinten auf einem Schemel stand ein blasser Junge mit spitzem Gesicht, der von einer Hexe gerade den Umhang abgesteckt bekam und sich ziemlich gelangweilt mit dem verstrubbelten, schwarzhaarigen, schlaksigem Junge auf dem zweiten Schemel unterhielt, der aber zu allem nur „Hm.“, und „Mmm.“, sagen konnte. Sie lächelte beiden zu, stellte sich auf den Schemel und beschloss die beiden Jungs zu ignorieren, bis sie mit ihrer Bestellung fertig war.
Die schnarrende, gelangweilte Stimme des wasserstoffblonden Jungen drang an ihr Ohr: „Und du? In welches Haus willst du?“
„Ich … weiß nicht …“ erwiderte sie unsicher.
„Oh. Wer bist du denn? Ich bin Malfoy. Draco Malfoy.“
„Mina.Mina Circeni,“ erwiderte sie ebenso kalt.
„Ich bin …!“ begann der andere.
„Ich weiß wer du bist. Du warst im Tagespropheten. Jeder kennt dich … Nach elf Jahren, bist du immer noch das Gesprächsthema!“ erwiderte Mina und sah aus dem Fenster.
Sie erkannte ihre Eltern in dem Gewühl und sah, wie sie langsam auf das Geschäft zu kamen. Zum Glück meinte die Hexe die ihre Schuluniform gemacht hatte in dem Moment, sie wäre jetzt fertig, sonst wäre Mina einfach so vom Schemel gesprungen. Sie dankte der Hexe, bezahlte, nahm ihre eingepackten Uniformen und verließ den Laden. Sie eilte ihren Eltern entgegen und blieb dann abrupt stehen, als sie sah, was ihr Vater da in der Hand hielt.
Es war ein großer Käfig, in dem ein riesiger Uhu sie aus großen orangenen Augen ansah.
„Ist der … ist der … für mich?“ stammelte sie.
Ihr Vater grinste: „Natürlich. Wir dachten, wir besorgen dir das Haustier. So als Geschenk. Und eine Eule oder ein Uhu ist nun mal am praktischsten.“
Sie fiel ihrem Vater und ihrer Mutter um den Hals: „Danke, Dad. Danke Mum!“
„Ach das war doch gar nichts. Wohin willst du als nächstes?“
„Meine Bücher kaufen!“
„Die kriegst du bei Flourish & Blotts. Dort hinten!“ er deutete in eine Richtung und sie folgte dem Finger. Sie nickte und sie gingen auf den Laden zu.
Der Laden war klein und mit großen Augen musste Mina feststellen, das die Regale bis zur Decke reichten und mit Unmengen von Büchern vollgestopft waren. Einige waren in Leder gebunden und so groß wie Gehwegplatten, andere hatten die Größe einer Briefmarke, wieder andere waren in Seide gebunden und es gab auch einige, die nichts als leere Seiten besaßen.
„Das ist ja … ein Traum!“ rief Mina fast aus.
Ihr Vater strich ihr durch das Haar: „Warte ab, bis du die Bibliothek von Hogwarts siehst. Ich würde zu gerne dein Gesicht sehen, wenn du all die Räume und Geheimnisse der Schule entdeckst.“
„Ich versuch ein Foto zu kriegen,“ sagte sie ruhig und strich über die Buchrücken.
Manche fühlten sich ganz alt an. Wie die Haut einer alten Frau. Weich und doch von Falten geprägt. Es dauerte nicht lange, bis sie alle Bücher schön ordentlich eingepackt in den Armen hatten und sich daran machten das restliche Zubehör zu kaufen. Mina erstand einen schönen Zinnkessel, eine kleine Waage, auf der sie die Zutaten für Zaubertränke abwiegen konnte und ein zusammenschiebbares, mit Intarsien von verschiedenen Universen geschmücktes Teleskop, sowie ein Sortiment an glitzernden Kristallfläschchen. Doch das schönste, was sie sich ihrer Meinung nach, kaufte, war ein Set von verschiedenen Federkielen und vier verschieden Tinten, unter anderem eine die beim Schreiben die Farbe veränderte und eine, die sich nach einiger Zeit unsichtbar machte. Dann betraten sie die Apotheke, deren Geruch einer Mischung nach verrottetem Kohl und verfaulten Eiern der Mina zwar einerseits den Magen umdrehte, andererseits, fand sie jedoch auch die vielen Dinge die es hier gab so interessant, das sie den Geruch schnell vergas. Da gab es Fässer die mit etwas schleimartigen gefüllt waren, Regale die mit Gläsern voller interessanter Inhalte gefüllt waren, Kräuter verschiedenster Art, manche davon kannte sie als Küchenkräuter, was sie äußerst erstaunte, getrocknete Wurzeln, hellfarbige Pulver. Von der Decke hingen Federbüschel, an Schnüren aufgezogene Reißzähne und Krallenbündel. Während ihr Vater die Zaubertrankzutaten für das erste Schuljahr erstand, untersuchte sie mit ihrer Mutter interessiert die silbernen Einhorn-Hörner für einundzwanzig Galleonen und ein Fass voller kleiner, schwarzer, glänzender Käferaugen, die pro Schöpflöffel fünf Knuts kosteten.
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