„Was willst du?“
„Ich will nicht fliegen.“
„Aber warum denn nicht?“ Die Enttäuschung in Daphnes Stimme war nicht zu überhören, als sie über das Gelände auf den Platz vor dem Verbotenem Wald zugingen, wo Fliegen gelehrt werden sollte.
Blaise legte den beiden Mädchen einen Arm um die Schulter und sah Daphne gespielt vorwurfsvoll an: „Hast du denn schon wieder vergessen?
„Was vergessen?“
„Mina hat Höhenangst, Schätzchen.“
Daphne hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund: „Oh. Oh, Mina entschuldige, ich hab das total vergessen, ich … ich …“
„Ist schon gut, Daphne.“ Sie seufzte. „Ich werde mich vor allen zum Idioten machen.“
Blaise winkte ab: „Ach was. Wir haben Longbottom. Der stellt bestimmt wieder was total dämliches an.“ Er kicherte leise und böse.
Es war ein klarer Tag mit wenig Wind und das Gras wellte sich unter ihren FĂĽĂźen.
„Sagt mal, warum sind hier eigentlich nur Gryffindors um uns rum.“
Blaise gähnte: „Weil wir später losgegangen sind. Immerhin hatten die Anderen kein süßes, panisches Anhängsel mit Höhenangst.“
„Das ist nicht lustig,“ fauchte Mina.
„Ich hab ja auch gar nichts Negatives gesagt.“ Abwehrend hob er die Hände, dann erhellte er sich seine Miene. Er griff in die Hosentasche und eine Sekunde später, hatte jedes der Mädchen einen Riegel Schokolade im Mund.
„Wenn das so weitergeht, bin ich am Ende des Jahres fett,“ murmelte Mina.
Blaise kniff ihr in die Hüfte: „Wirklich? Ich weiß nicht. Wenn ich euch beide so sehe, bin ich der Meinung, ich sollte euch noch mehr Schokolade andrehen.“
„Lieber nicht“, erwiderte die etwas mollige Daphne.
Blaise grinste: „Warum nicht? Ich mag mollige Mädchen.“
Daphne lief daraufhin nur rot an und sagte gar nichts mehr, während Mina grinsen musste.
Sie erreichten die anderen Slytherins und nun standen sie sich gegenĂĽber, Gryffindor und Slytherin. Kurz darauf erschien Madam Hooch, ihre Lehrerin. Sie hatte kurzes, graues Haar und ihre Augen waren so gelb wie die eines Falken.
„Nun worauf warten Sie noch?“ blaffte sie ihre Schüler an. „Jeder stellt sich neben einem Besen auf. Na los, Beeilung.“
Mina sah hinunter auf den Besen. Er sah ziemlich lädiert aus und das Reisig stand nach allen Seiten ab. Dem Ding sollte sie vertrauen?
„Streckt die rechte Hand über euren Besen aus“, rief Madam Hooch, die sich vor ihnen aufgestellt hatte, „und sagt >HOCH!<.“
Potters Besen sprang ihm sofort in die Hand. Ein Jauchzen rechts und links machte ihr klar, dass auch Daphne und Blaise das Ziel erreicht hatten. Sie sah sich um. Sie war nicht die einzige, bei der sich nichts tat. Mit Genugtuung betrachtete sie Grangers Besen, der sich einmal auf dem Boden umgedreht hatte. Longbottoms hatte sich ebenso wie ihrer nicht gerĂĽhrt.
Es dauerte eine Weile, bis auch die Letzten (Mina und Neville) ihren Besen in der Hand hielten. Mina fĂĽhlte sich mit jeder Minute unwohler.
Madam Hooch zeigte ihnen nun, wie sie die Besenstiele besteigen konnten, ohne hinten herunterzurutschen, und ging die Reihen entlang, um ihre Griffe zu ĂĽberprĂĽfen.
Blaise hatte dabei nur ein: „Oh nein, was, wenn ich hinterher Splitter im Hintern habe?“ gemurmelt.
Das hatte Mina den Anflug eines Lächelns auf das Gesicht gezaubert, der ebenso schnell verschwand, wie er erschienen war.
„Passt jetzt auf. Wenn ich pfeife, stoßt ihr euch vom Boden ab. Und zwar mit aller Kraft. Haltet eure Besenstiele gerade, steigt einige Meter hoch und kommt dann gleich wieder runter, indem ihr euch leicht nach vorn neigt. Auf meinen Pfiff – drei …“
Mina hob ihre zitternde Hand: „Professor? Wie hoch denn?“
„Drei Meter ungefähr.“
Das war zu viel, Mina krächzte, lies den Besen fallen und landete in Blaise Armen, der offensichtlich einen Ohnmachtsanfall vorausgesehen hatte.
Madam Hooch verdrehte die Augen.
„Bring sie in den Hospitalflügel.“
„Klar, Ma’am,“ antwortete Blaise zackig, salutierte, was den Slytherins ein fieses Grinsen auf das Gesicht zauberte und raste, mit Mina auf dem Arm, davon.
„Ich soll was?“
Sie waren beim Abendessen. Mina war nach einigen Minuten aus dem KrankenflĂĽgel entlassen worden und hatte dann den Rest der eigentlichen Flugstunde damit verbracht, den anderen beim Fliegen zuzusehen.
„Mit freundlichen Grüßen von Madam Hooch. Du sollst deine Angst in den Griff kriegen oder du wirst nie fliegen können.“
„Ich wusste überhaupt nicht, dass man fliegen können muss, um eine vollwertige Hexe zu sein. Und da ich nicht Quidditch spielen will, erledigt sich die Sache von selbst.“
„Madam Hooch meinte, du müsstest fliegen.“
„Das ist schön für Madam Hooch,“ erwiderte Mina kühl.
„Warum?“ fragte Daphne.
„Weil ich nicht fliegen werde. Ihr seht doch jeden Mittwoch wie ich auf Höhe reagiere. Also warum in aller Welt soll ich dann fliegen?“
„Wir sagen ja gar nicht, dass du es tun sollst … Madam Hooch meinte, du musst!“ Blaise betonte den Namen der Lehrerin mit Absicht.
„Und ich werde nicht tun, was diese Falkin sagt. Wenn ich sage, ich fliege nicht, fliege ich nicht. Und damit ist die Sache gegessen!“, fauchte Mina, erstach ihre Nudeln und versteckte ihr Gesicht hinter dem Zaubertrankbuch.
SchlieĂźlich stand sie auf.
„Wohin so plötzlich?“ fragte Blaise erschrocken.
„Ich werde jetzt einen Brief schreiben, wenn keiner ein Problem damit hat. Danke.“
Und damit verzog sie sich.
Sie nahm sich Pergament und Tinte und ging in die Eulerei.
Hi Mum.
Es tut mir leid, dass ich erst jetzt schreibe, obwohl du schon lange einen Brief geschrieben hast. Mir geht es gut und ich hoffe, euch ebenfalls.
Hogwarts ist super und ich habe hier zwei beste Freunde gefunden. Auch die Lehrer sind, bis auf einige Ausnahmen, klasse. Ich bin nach Slytherin gekommen, wie ich es mir gewĂĽnscht hatte.
Ich liebe Zaubertränke und bin sogar die Beste. Professor Snape lobt mich jede Stunde. Ich denke, er sieht in mir ein gewisses Talent.
Verwandlungen mag ich gar nicht, aber vielleicht liegt das auch an der Lehrerin. Professor McGonagall ist eine schreckliche Frau. Sie erinnert mich an unsere alte, verbissene Nachbarin, die einem gar nichts erlaubt. Sie ist fürchterlich! Aber ich habe wohl auch kein richtiges Talent für Verwandlungen. Ich gehöre zu den wenigen, bei denen nie was passiert.
In Astronomie hat Blaise (das ist einer meiner besten Freunde) mir verboten, etwas zu machen. Ich muss still an die Wand gelehnt da sitzen und gucken oder aufschreiben. Aber ich darf nicht stehen, weil ich beim ersten Mal fast runtergefallen bin, so schwindelig war mir.
Dank meiner Höhenangst kann ich auch nicht fliegen, weshalb Madam Hooch mich wohl nicht leiden kann. Zum Glück ist nächstes Jahr kein Flugunterricht mehr.
Ebenfalls Fächer die ich sehr gerne mag, sind Zauberkunst und Kräuterkunde, Kräuterkunde besonders deshalb, weil es mein Wissen für Zaubertränke noch einmal aufbessert, auch Verteidigung gegen die dunklen Künste ist interessant, allerdings glaube ich, dass unser Lehrer Angst vor uns Schülern hat. Er ist immer so nervös und stottert so viel.
Geschichte der Zauberei möchte ich dir lieber ersparen, da unser Lehrer (ein Geist) einen sehr langweiligen Unterricht hält. Wir essen bei ihm und manche schlafen auch, so langweilig ist es.
Ach, ich würde dir gerne noch so viel erzählen, von Blaise und Daphne und Professor Snape und all den anderen, aber ich muss morgen früh, sehr früh raus und da muss ich natürlich ausgeschlafen sein.
Viele liebe GrĂĽĂźe an Dad. Gib ihm einen langen Kuss von mir.
Ich liebe euch.
Mina
Dann rollte sie das Pergament zusammen, verschloss das Tintenglas und ging zu Eion. Der Uhu sah sie an und heulte leise. Sanft strich sie ihm ĂĽber das Gefieder. Der Uhu kniff die Augen zusammen.
„Bringst du das weg? Zu meinen Eltern?“
Wieder heulte er leise.
„Danke Eion. Danke.“ Sie trug ihn auf dem Arm raus aus dem Turm und ließ ihn in die Luft steigen. Sie sah ihm so lange nach, bis sie ihn wirklich nicht mehr sehen konnte. Fröstelnd zog sie den Schal um ihren Hals enger, seit sie den Schal am Fußende ihres Bettes gefunden hatte, trug sie ihn immer, er war so etwas, wie ihr Erkennungsmerkmal geworden, und ging die Treppe nach unten.
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