von Lilienblüte
Hausarbeit - heute nicht ganz unfallfrei
„Wer kam eigentlich auf die Idee, mein Haus zum Hauptquartier zu machen?“, donnerte Sirius, nachdem fast alle Ordensmitglieder die Küche verlassen hatten. „Schaut euch nur dieses Durcheinander an!“
Das Chaos in der Küche hatte wirklich dramatische Ausmaße angenommen, das musste selbst Nymphadora Tonks, die chaotische Verhältnisse aus ihrer eigenen Wohnung zur Genüge kannte, zugeben. Wenn über dreißig erwachsene Personen einen ganzen Abend lang zusammen verbringen, kommt schon eine ordentliche Menge an schmutzigem Geschirr und Müll zusammen.
„Wir könnten ja zusammen aufräumen“, schlug das jüngste Ordensmitglied vor und hatte schon voller Elan die Ärmel hochgekrempelt. Noch nie hatte man Nymphadora Tonks so begeistert erlebt, wenn es ums Aufräumen ging. Derzeit nutzte sie jede Ausrede, um noch länger in diesem Haus zu verweilen.
„Tonks, bist du krank?“, erkundigte sich Sirius auch gleich erstaunt und wollte ihre Stirn befühlen.
„Mir geht es bestens. Nur weil mir gerade danach ist, meinem Lieblingscousin helfend unter die Arme zu greifen, bin ich doch nicht gleich krank.“
„Du räumst freiwillig auf, Tonks.“ Sirius schüttelte grinsend den Kopf, warf dann einen vielsagenden Blick zu Remus und sagte: „ Und interessanterweise kenne ich sogar den Grund, warum du so unbedingt noch aufzuräumen willst.“
Nymphadoras Haare färbten sich bei seinem Seitenblick auf Remus rot und sie war bemüht, Remus nicht anzuschauen. Natürlich hatte ihr Cousin Recht. Der wahre Grund, warum sie so heiß aufs Aufräumen war – und darauf weitere Zeit in diesem Haus und mit seinen Bewohnern verbringen zu dürfen – war tatsächlich Remus. Er lebte seit einigen Monaten in diesem alten Haus zusammen mit Sirius. Zeit im Grimmauld Place bedeutete für Nymphadora also automatisch Zeit mit Remus.
Seit fast drei Monaten war sie nun Mitglied im Phönixorden und kämpfte gemeinsam mit gleichgesinnten Hexen und Zauberern auf der Seite von Albus Dumbledore gegen Voldemort.
Hier hatte sie ihren Großcousin Sirius und dessen guten Freund Remus kennen gelernt. Sirius und sie waren einander von der ersten Minute an sympathisch gewesen. Die beiden waren einfach auf einer Wellenlänge.
Anders war es mit Remus gewesen. Auf den ersten Blick hatten der ernste Remus und das verrückte Punkgirl recht wenig gemeinsam. Und trotzdem hatte die beiden vom ersten Tag an eine ganz besondere Beziehung verbunden. Seit sie sich zum ersten Mal gesehen hatten, fühlten sie sich zueinander hingezogen. Durch einige gemeinsame Dienste hatten sie sich schließlich besser kennen gelernt. Wenn man eine lange Nacht vor der Tür der Mysteriumsabteilung Wache schob und nichts passierte, hatte man jede Menge Zeit zum Reden. Bei solchen Wachdiensten hatten sich die beiden besser kennen gelernt und gemerkt, dass sie nicht so verschieden waren, wie es zunächst den Anschein gehabt hatte. Wie viele gemeinsame Ideale verbanden die beiden, wie viele gleiche Wertevorstellungen und Lebenseinstellungen. Remus war überrascht, wie gut die leicht verrückte junge Frau zuhören konnte und sie war ihrerseits angetan davon, von einem viel älteren Mann so ernst genommen zu werden, dass er mit ihr über seine Probleme sprach und Wert auf ihre Ratschläge legte.
„Es gab Zeiten, da sind die Mädchen noch wegen mir hergekommen“, seufzte Sirius. „Und nicht wegen meinem streberhaften Freund, der auch noch ein haariges Problem hat und … .“
„Sirius“, fiel ihm Remus ins Wort und errötete. Dafür hatte er gleich zwei Gründe. Einmal weil er der jungen Aurorin noch nicht gestanden hatte, dass er ein Werwolf war und keinesfalls wusste, wie sie damit umgehen würde. Außerdem waren ihm diese Anspielungen seines Freundes, dass mehr zwischen ihm und Nymphadora mehr war, als sie zugaben, ziemlich peinlich. Natürlich gestand er sich selbst gegenüber ein, dass er die außergewöhnliche junge Frau mehr als nur interessant fand, aber ihm war dabei immer bewusst, dass ihm als Werwolf Gefühle nicht erlaubt waren. Er würde es verhindern müssen, dass Tonks und er sich verliebten und solche Kommentare wie der von Sirius machten ihm dies nicht gerade einfacher.
Auch Nymphadora hatte seine Verlegenheit bemerkt. Wenn sie nur wüsste, ob er in solchen Situationen errötete, weil er genauso für sie empfand wie sie für ihn oder einfach nur, weil es ihm unangenehm war, von Sirius geärgert zu werden.
„Remus, es muss dir doch nicht peinlich sein, dass du mit fünfunddreißig Jahren deine erste Verehrerin hast“, stichelte Sirius weiter. Remus schoss in diesem Moment noch mehr Blut in die Wangen. Mit seinen Worten hatte Sirius zwar nicht ganz unrecht - Frauen hatten in dem Leben des Werwolfs bisher niemals eine Rolle gespielt - aber aus einem ihm noch unbekannten Grund wollte Remus nicht, dass Tonks dies erfuhr.
Nymphadora wollte Remus über seine Verlegenheit hinweg helfen und lenkte vom Thema ab. Sie krempelte die Ärmel hoch und begann schon damit die Küche aufzuräumen – oder startete doch zumindest den Versuch.
„Perluo!“
Ein lautes Klirren, als dreißig Teller und Tassen auf dem Küchenboden in tausende von Stücken zersprangen, war das nächste Geräusch, was zu hören war.
„Vielen Dank für deine Hilfe, Tonks!“, sagte Sirius sarkastisch. „Nun habe ich sehr viel weniger Arbeit!“
„Finde ich auch! Tatsache ist, dass du nun kein Geschirr mehr hast, was du spülen musst! , nahm es Nymphadora mit Humor.
Misslungene Zauber waren bei dem jungen Mädchen an der Tagesordnung. Zwar war sie eine äußerst talentierte Hexe und wenn sie sich auf einen Spruch in ihren besten Fächern konzentrierte war es wirklich schwer, sie zu übertreffen. Aber sie war auch äußerst tollpatschig und bei mangelnder Konzentration und Ablenkung gingen Zaubersprüche schon mal schief. Besonders, wenn sie so wie jetzt bei Remus, versuchte jemandem zu imponieren, konnte die tollpatschige Hexe davon ausgehen, dass sie sich gründlich blamieren würde.
Aber man konnte es sehen wie man wollte – aufgeräumt hatte sie zwar nicht, aber zumindest waren Sirius‘ Gedanken nun meilenweit von den Gefühlen zwischen Remus und ihr entfernt. Das Ablenkungsmanöver war also in jedem Fall geglückt, wenn auch etwas anders als ursprünglich geplant.
„Ich hätte aber gerne mein Geschirr wieder!“, bemerkte Sirius. Er hatte nicht annähernd so gute Laune wie Tonks.
„Zum Glück haben wir alle Zauberkräfte und solche kleinen Missgeschicke lassen sich schnell wieder beseitigen!“, meinte sie aufmunternd und richtete ihren Zauberstab auf das zerbrochene Geschirr.
„Reparo!“
Zwar schaffte sie es mit diesem Zauber das Geschirr wieder herzustellen allerdings erschienen auch die Essensreste wieder, sobald sich die Teller zusammengesetzt hatten.
„Perluo!“, probierte sie erneut den Spruch zum Geschirrabspülen, den ihre Mutter jeden Tag benutzte.
Aber bei ihr hatte er auch beim zweiten Gebrauch nicht die gewünschte Wirkung. Zwar schaffte das Geschirr dieses Mal den Weg zur Spüle, ohne dabei auf dem Boden zu zerspringen, doch kaum war es dort angekommen, brach erneut das größte Chaos in der Küche aus: Der Spüllappen wischte etwas zu schwungvoll die Teller ab und den drei Ordensmitgliedern in der Küche flogen nun die Reste von Soße, Gemüse und Fleisch um die Ohren und das Spülwasser spritze durch die gesamte Küche. Sirius sprang sofort beiseite, um sich vor den nun umherfliegenden Essensresten in Sicherheit zu bringen. Nymphadora und Remus waren ein wenig langsamer, beide waren zu überrascht von der Wirkung des Zaubers. Erst als Nymphadora ein Stückchen Gemüse haarscharf am Ohr vorbei raste und Remus Spülwasser ins Auge bekam, reagierten die beiden und sprangen unter den Tisch.
„Bei meiner Mum funktioniert das immer!“, verteidigte Nymphadora sich. Diese Sprüche hatte ihre Mutter schon versucht ihr im Alter von sieben Jahren beizubringen. Und am heutigen Abend bereute Nymphadora es, dass sie immer genervt abgelehnt hatte, wenn ihre Mum wieder nützliche Haushaltszauber mit ihr hatte üben wollen. Auf Remus musste sie am heutigen Abend schließlich einen gewaltig schlechten Eindruck gemacht haben. Er schien Nymphadora noch so altmodisch. Bestimmt wollte er eine Frau, die jene Haushaltszauber, die sie total daneben setzte, perfekt beherrschte.
„Bei deiner Mum, Tonks! Sie ist auch die Haushaltshexe schlechthin! Schon vor ihrem ersten Schuljahr in Hogwarts beherrschte sie jeden dieser Zauber nahezu perfekt. Sie hat sogar einige Sprüche selbst erfunden!“, rief ihr Sirius von seinem Versteck hinter der Tür zu. „Ich hoffe, du beseitigst nun das erneute Chaos in meiner Küche!“
„Wenn ich nur wüsste, wie man diesen Zauber stoppt!“
Remus erwies sich als Retter in der Not. Klar wusste Nymphadora von ihm, dass er ein ziemlich intelligenter Zauberer war und eine Menge Sprüche kannte. In den Jahren der Einsamkeit, in denen er weder Arbeit noch Freunde noch Familie noch eine andere Aufgabe gehabt hatte, schien er genügend Langeweile gehabt zu haben, selbst für dumme Haushaltszauber die Gegensprüche zu lernen.
Kaum hatte er den Gegenfluch gemurmelt, als das Geschirr auch schon ins Spülbecken zurück fiel und sich nicht mehr rührte.
Einen Moment lang sagte keiner etwas, dann brach Sirius in schallendes Gelächter aus und die anderen beiden fielen schließlich mit ein.
„Cousinchen, dass mich Geschirr in meiner eigenen Küche angreift, schaffst auch nur du!“, lachte er bellend.
Es dauerte eine Weile, bis wir uns wieder beruhigt hatten, dann sah sich Sirius in der Küche um und meinte: „Wieso habe ich das Gefühl, es würde mir mehr bringen, wenn ich dich nun nach Hause schicke und alleine mit Remus aufräume?“
„Hey, das Durcheinander, was ich angerichtet habe, mache ich auch wieder weg“, versprach Nymphadora.
„Bitte nicht! Sonst fliegt mir heute Nacht noch meine Küche in die Luft!“, befürchtete Sirius. Sein zwischenzeitlicher Anflug von guter Laune schien bereits wieder dahin. Momentan litt er wirklich unter Gefühlsschwankungen – in dem einem Moment trieb er noch fröhliche Späße und im nächsten Moment vergrub er sich in seiner Trauer oder seiner Wut, hier eingesperrt zu sein und wollte mit niemandem mehr ein Wort reden.
„Um das Geschirr kümmere ich mich später. Ich befürchte, da muss ich erst einmal noch einen neuen Zauber nachschlagen. Aber was deine Küche nun am dringendsten braucht ist ohnehin etwas anderes. Accio Besen!“
Die Küche sah nun noch deutlich schlimmer aus als vor Nymphadoras ersten Aufräumversuchen. Zum dem riesigen Berg von dreckigem Geschirr in und auf der Spüle waren nun noch die Essensreste gekommen, die im ganzen Zimmer verteilt lagen. Es würde der Küche sicherlich gut tun, wenn Nymphadora den Müll auffegte.
In diesem Moment kam ein Besen angeschwirrt – bei Nymphadoras Glück mit den Zaubersprüchen am heutigen Abend natürlich nicht irgendein Besen, mit dem man eine Küche fegte, sondern ihr Komet Zwei-Sechzig, mit dem sie in Hogwarts ihre Quidditchwettbewerbe geflogen war.
„Will mich heute irgendjemand ärgern?“, fragte sie genervt.
„Du hast dich ungenau ausgedrückt“, klärte sie Remus auf, obwohl sie das natürlich auch selbst wusste.
„Mit dem hier werde ich aber ganz sicher nicht die Küche säubern“, murmelte das junge Mädchen.
„Du könntest stattdessen Remus‘ Sauberwisch eins nehmen, der ist zu nichts anderes mehr nütze“, schlug Sirius vor, der sich eine Anspielung auf Remus‘ alten Besen einfach nicht verkneifen konnte.
Nymphadora grinste: „Das kann ich nicht machen, der Sauberwisch eins hat schon wieder Antiquitätenwert.“ Sie überlegte einen Moment und ergänzte dann „Oder er fällt beim Fegen auseinander.“
„Ich bin mit meinem Sauberwisch eins noch sehr zufrieden, ihr beiden“, merkte Remus nun an, der bei seinen bescheidenen Flugkünsten wahrlich keinen Grund sah, sich einen neuen Besen anzuschaffen.
Mit einem Aufrufzauber rief er nun einen Besen herbei und innerhalb weniger Sekunden hielt er einen küchentauglichen Besen in der Hand, den er Nymphadora zum Fegen überreichte.
„Bitte sehr!“
„Wenn ich mich nun an den Spruch erinnern könnte, den meine Mum immer benutzt, damit unsere Besen die Wohnung selbst fegen“, murmelte Tonks.
„Ich hab oben eine Menge Zauberbücher, bestimmt ist auch einer mit Haushaltszaubern dabei“, warf Sirius hastig ein, bevor seine Cousine erneut einen Zauber falsch anwendete.
„Ich hab’s schon wieder!“, sagte Nymphadora erleichtert. Erst am heutigen Morgen hatte ihre Mum den Spruch verwendet, um nach dem Frühstück das Esszimmer von Krümeln zu befreien. Die junge Hexe gab sich die größte Mühe, den Spruch so zu betonen, wie sie es bei ihrer Mum über viele Jahre gehört hatte. „Reverrus!“
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, rief Remus schon laut: „Nein!“ Doch es war zu spät. Der Besen hatte bereits seine Arbeit begonnen und wirbelte nun den ganzen Dreck in der Küche des Grimmauld Place auseinander. Sirius war schon nach Nymphadoras Aufrufzauber wieder hinter Tür in Deckung gegangen – wahrscheinlich hatte er mit nichts anderem als einem erneuten Fehler seiner kleinen Cousine gerechnet. Remus und Nymphadora jedoch waren längst von ihrem Platz unter dem Tisch hervorgekrochen und bekamen nun die volle Ladung Staub und Dreck ab. Nachdem er sich eine Menge Staub aus dem Gesicht gewischt hatte, brachte Remus den Besen mit einer Bewegung seines Zauberstabes zum Stillstand und alle atmeten erleichtert auf.
„Ich weiß gar nicht, was ich jetzt schon wieder falsch gemacht habe“, beschwerte sich Nymphadora, der nun langsam ihre misslungenen Zauber gründlich peinlich waren. Inzwischen musste Remus ja denken, dass sie als Hexe eine richtige Versagerin war. Bestimmt fragte er sich schon längst, was sie im Orden des Phönix zu suchen hatte.
„Tonks, es heißt „Verrerus“ und nicht „Reverrus“ “, machte Remus sie auf ihren Fehler aufmerksam. Seine Gedanken waren denen von Tonks nicht ganz unähnlich. Auch er fragte sich, was die junge Frau wohl nun von ihm dachte. Sie hielt ihn sicher für einen ausgesprochen merkwürdigen Mann. Was sonst sollte eine Frau, die offenkundig wenig Interesse an Haushaltszaubern von einem Mann halten, der sich mit eben diesen auskannte?
„Oh. Dann habe ich das wohl verwechselt. Reverrus sagtest du?“
„Vielleicht lässt du es lieber, Cousine.“ Sirius trat eilig hinter der Tür hervor. „Ich habe es mir anders überlegt, ich denke, es wird doch nicht allzu schlimm sein, wenn Remus und ich die Küche morgen früh alleine aufräumen müssen.“
„Das ist doch Unsinn, Sirius. Ich bin schuld daran, dass deine Küche noch viel chaotischer ist als die anderen sie heute Abend verlassen haben. Das werde ich wieder in Ordnung bringen.“ Sie hob den Zauberstab und richtete ihn auf den Tisch. Die beiden Männer waren in größter Sorge, was nun passieren würde.
„Ratzeputz!“, sprach Tonks, langsam und mit der Betonung auf jeder einzelnen Silbe.
Die drei Menschen in der Küche des Grimmauld Place starrten auf den Tisch – aber es schien nichts zu passieren.
„Ein Blindgänger, Tonks. Ich kann mir nicht helfen, meine liebste Cousine, aber ich gewinne am heutigen Abend den Eindruck, dass du deiner Mutter ein bisschen besser zuhören solltest.“
„Das war kein Blindgänger“, nahm Remus das tollpatschige Mädchen in Schutz. „Es ist eine leere Bierflasche vom Tisch verschwunden und der hintere Teil des Tisches scheint mir ein bisschen geputzt zu sein.“
„Wow, ein wahrer Erfolgsspruch“, war Sirius’ einziger Kommentar.
„Dieser Spruch wirkt bei von Natur aus ordentlichen Menschen ziemlich gut. Bei chaotischen Menschen jedoch …“ er warf einen entschuldigenden Blick zu Nymphadora hinüber. „… wird seine Wirkung etwas abgeschwächt!“
„Zum Glück gibt es ja noch andere Sprüche zum Putzen!“, meinte Nymphadora, die nun langsam wütend wurde, weil all ihre Sprüche nicht funktionieren wollten.
„Disportaro!“, rief sie wütend und deutete mit ihrem Zauberstab mehrfach Richtung Tisch. Einen Moment lang geschah nichts, dann trennten sich die Tischbeine von der Tischplatte ab und sie fiel mit allem, was noch darauf war, auf den Küchenboden. Die leeren Bierflaschen zersprangen, die vom Abendbrot übrig gebliebenen Reste auf den Essensplatten beschmutzen den Küchenboden noch weiter.
Fassungslos starrte Nymphadora auf das Durcheinander, was sie angerichtet hatte.
„Es reicht jetzt!“, sagte Sirius sauer. „Dora, du gehst nun nach Hause und morgen werde ich mit Remus dein Riesenchaos hier beseitigen müssen! Deine Hilfe war wirklich ganz große Klasse, bitte nimm es mir nicht übel, wenn ich in Zukunft lieber darauf verzichte!“
„Sirius, es tut mir Leid“, entschuldigte sich seine Cousine. Sie bemerkte natürlich, dass Sirius ihre missglückten Zauber nun nicht mehr so amüsant fand wie ganz am Anfang. Und ganz ehrlich – wenn sie sich in der Küche umschaute, konnte sie ihm das nicht einmal verübeln. Es sah aus, als hätte jemand einen „Bombada Maxima“ auf den Raum losgelassen.
„Kein Problem, Tonks. Ich darf ja sowieso nicht kämpfen. Von daher habe ich gar nichts Besseres zu tun, als Aufzuräumen“, sagte Sirius bitter.
Nymphadora schlug die Augen nieder. So hatte sie sich das Ende des Abends nicht vorgestellt. Dass sie mit ihren missglückten Zaubern Sirius wieder in seine immer wieder kehrende verbitterte Phase geholt hatte, tat ihr ehrlich Leid.
„Ich bringe es bis morgen früh wieder in Ordnung, versprochen. Ich … Wenn du aufwachst, wirst du nichts mehr von dem Chaos sehen.“
„Nein, danke, Tonks. Wenn du hier weiter erfolglos versuchst, aufzuräumen, habe ich morgen früh vermutlich gar keine Küche mehr.“ Mit diesen Worten verließ Sirius die Küche.
„Das wollte ich nicht“, sagte Nymphadora leise, mehr zu sich selbst als zu Remus, aber er antwortete trotzdem.
„Sirius ist derzeit häufig von Bitterkeit erfüllt, da kannst du nichts für, Tonks. Ein falsches Wort von einem von uns – und er sieht wieder in nichts mehr einen Sinn. So hart für mich auch die vergangenen vierzehn Jahre waren – es war nichts im Vergleich zu dem, was Sirius durchgemacht hat.“
„Askaban muss schrecklich sein“, sagte Nymphadora leise.
Er schaute sie traurig an und nickte dann: „Was Askaban und der Tod von James und Lily aus dem einst so lebenslustigen Jungen gemacht haben, ist wirklich traurig.“ Er schwieg einen Moment und auch Nymphadora wusste nichts zu sagen. Dann wandte Remus den Blick von ihr ab und sah sich im Raum um. „Muntern wir Sirius wenigstens ein bisschen auf, in dem wir ihn morgen früh in eine aufgeräumte Küche kommen lassen, oder? Da du nicht die Beste in den Haushaltszaubern zu sein scheinst, wäre es vielleicht eine gute Idee, die Küche auf Muggelart zu säubern.“
„Auf Muggelart? Aber dann brauche ich ja noch länger!“
„Die Muggel schaffen das auch irgendwie. Und ich bin der Meinung, auch unsereins würde es nicht schaden, wenn wir uns hin und wieder vor Augen halten, dass Zauberei keine Selbstverständlichkeit ist. Ich helfe dir auch.“
Ein paar weitere Stunden mit Remus beim Putzen? Nymphadora Tonks war nicht als Putzteufel bekannt, trotzdem lockte sie die Aussicht einige Stunden mit Remus alleine zu verbringen. Und nur durch ihre ehrliche Zuneigung zu dem viel älteren Mann war es zu erklären, dass die junge, flippige Frau nicht Reißaus nahm, sondern strahlend seinem Vorschlag zustimmte.
Als der letzte Teller gespült war, die Küche gefegt und geputzt war und alles in einem ungewohnten Glanz strahlte, lehnte sich Tonks völlig erschöpft an die Küchentheke.
„Jetzt ist Sirius‘ Küche sauberer als je zuvor!“, meinte sie und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
„Auf diese Weise wird einem erst einmal bewusst, wie viel Muggel in einem Haushalt leisten“, meinte Remus und sie stimmte ihm nickend zu.
„Mein Respekt vor meiner Oma ist durch den heutigen Tag um einiges größer geworden! Hausarbeit ist doch nicht so einfach!“
„Ich führe meinen Haushalt ohne Zauberei, seitdem ich von zu Hause ausgezogen bin“, erzählte Remus. „Ich finde es nicht fair, dass sich Muggel damit herum kämpfen müssen und wir durch ein paar kleine Zauber das schlimmste Chaos beseitigen können.“
„Oder das größte Chaos anrichten können“, ergänzte Nymphadora und beide lachten über die Erinnerung an die missglückten Zauber des vergangenen Abends.
Als die beiden sich wieder ein wenig beruhigt hatten, wurde Remus ernst. Die letzten Stunden waren für den Werwolf einige der schönsten Stunden seines Lebens gewesen. Zeit mit Nymphadora war für ihn sehr wertvoll. Noch nie hatte er mit einem anderen Menschen als seinen drei Rumtreiberfreunden so ehrlich und offen sprechen können. Er konnte mit ihr über die Einsamkeit reden, in der er in den vergangenen Jahren gelebt hatte, über den schlimmen Verdacht, den er nach dem Tod von Lily und James gehegt hatte und über die Trauer, die er noch immer empfand, wenn er an den Verrat von Peter dachte. Selbst über seine toten Freunde hatte er mit Nymphadora sprechen können – über Lily und James hatte er zuvor mit noch niemand anderem geredet. Die junge Aurorin interessierte sich für alles, was mit den beiden zu tun hatte, drängte jedoch auch nicht, wenn sie spürte, dass er an eine Stelle kam, an der er lieber nicht weiter erzählen wollte. Nymphadora war ein wirklich guter Gesprächspartner: Sie konnte still zuhören, wenn es nötig war, gab hin und wieder einen Kommentar von sich, wenn er nicht mehr weiter wusste und war die ganze Zeit voller Verständnis.
Und das war noch lange nicht alles, was ihm an Nymphadora so gut gefiel. Am meisten schätze er es, dass er mit dem jungen Mädchen wieder so lachen konnte, wie er es vor vielen Jahren mit seinen besten Freunden getan hatte. Sobald er mit ihr zusammen war, konnte er seine schlimmen Erfahrungen vergessen und war in der Lage, ganz unbeschwert zu lachen.
Nur über eines hatte Remus den ganzen Abend belastet. Noch immer wusste sie nichts von seiner Identität als Werwolf. Die meisten Ordensmitglieder waren auch schon im ersten Krieg mit dabei gewesen und wussten, welches Geheimnis er hatte. Aber Nymphadora war neu im Orden. Er konnte jetzt sagen, bisher hatte sich keine Gelegenheit gefunden, ihr die Wahrheit zu sagen, aber dies wäre eine Lüge. In Wirklichkeit hatte er es absichtlich noch ein wenig hinausgezögert. Zu sehr gefiel es ihm, mit dem jungen Mädchen zu reden, zu sehr schon hatte er sich an ihre Freundlichkeit gewöhnt. Mit seinem Geständnis ein Werwolf zu sein, setzte er all das aufs Spiel, das wusste er. Er konnte nicht von ihr verlangen, sich mit einem wie ihm weiterhin abzugeben. Trotzdem hatte er das Gefühl, wenn er es jetzt nicht sagte, würde diese Lüge eines Tages zwischen ihnen stehen.
So trat Remus zu ihr und sagte: „Tonks, ich habe dir noch etwas zu gestehen.“
Von seiner ernsten Stimme erstaunt, blickte sie ihn fragend an: „Ja? Was für ein dunkles Geheimnis hast du, Remus? Hast du eine schreckliche Ehefrau und drei süße, aber anstrengende Kinder oder bist du in Wirklichkeit ein als Ordensmitglied getarnter Todesser?“ Sie grinste und Remus schüttelte den Kopf über die junge Hexe. Sie schaffte es, dass er sich selbst in den schlimmsten Situationen ein Stückchen besser fühlte.
Davon ermutigt, räusperte sich Remus, um ihr die Wahrheit zu gestehen. Nymphadora Tonks war mit Abstand der außergewöhnlichste Mensch, der ihm in seinem ganzen Leben je begegnet war – und das hieß einiges, schließlich war er über Jahre mit James und Sirius befreundet gewesen. Vielleicht würde sie ihn auch mit der Reaktion überraschen, wenn sie erfuhr, dass er in Wirklichkeit ein Monster war. Natürlich durfte er sich nicht zu viel Hoffnung machen, zu oft schon war er enttäuscht worden. Aber diesen kleinen Hoffnungsschimmer, den durfte er doch behalten: Sie war schließlich nicht wie andere Menschen – vielleicht würde sich auch ihre Reaktion von allen anderen unterscheiden?
Er holte noch einmal tief Luft, dann sprach er die Worte aus, von denen er Angst hatte, dass sie ihn von diesem wunderbaren jungen Mädchen trennten: „Ich bin ein Werwolf, Tonks.“
Das Mädchen schaute überrascht auf. Egal, was sie erwartet hatte, dies war es definitiv nicht gewesen. Dann legte sie den Kopf schief, wie sie es manchmal tat und musterte ihn mit diesem Blick, bei dem Remus das Gefühl hatte, sie würde in das Innerste seiner Seele schauen.
„Gut, dann weiß ich Bescheid. Ich werde mich in den Vollmondnächten von dir fern halten“, sagte sie und lächelte ihn an.
Remus starrte Nymphadora Tonks verblüfft an. Das konnte nicht ihre ehrliche Reaktion sein. Wo blieben ihr Entsetzen und ihre Angst? Dies war der Zeitpunkt, an dem Remus für gewöhnlich nicht einmal mehr eine Antwort bekam. Die meisten Menschen hatten sich von ihm abgewandt und kein Wort mehr gesagt, wenn er ihnen gestanden hatte, was er wirklich war. Selbst James und Sirius hatten erschrockener reagiert, als sie es vor vielen Jahren herausgefunden hatten.
„Wie bitte?“
„Bist du echt ein Werwolf?“, fragte sie sicherheitshalber noch mal nach. „Nicht, dass Sirius und du mir einen blöden Streich spielt und ich am Ende die Dumme bin, die drauf reingefallen ist.“
„Ich wünschte, es wäre so“, sagte Remus traurig. Wie viel hätte ihm das erspart!
Sie sah ihn einen Moment lang zögernd an – dann streckte sie ihre Hand aus und strich ihm liebevoll über die Wange.
„Wer auch immer dir wegen diesem kleinen haarigen Problem das Leben schwer gemacht hat, wird es von jetzt an mit mir zu tun bekommen“, versprach sie ihm. Ihre Augen blitzen dabei so angriffslustig, dass Remus schon wieder lachen konnte.
„Das glaube ich dir aufs Wort“, sagte er leise.
Mit diesem Blick in ihre Augen, die ihn weiterhin so voller Zuneigung und Wärme anschauten, wurde ihm bewusst, wie grundlos seine Angst gewesen war, sie könnte sich nach seinem Geständnis von ihm abwenden. Nymphadora Tonks war nicht wie viele der anderen Personen da draußen in der Zaubererwelt. Sie sah in die Seele eines jeden Menschen. Und sie gab ihm mit allem, was sie in seiner Gegenwart sagte oder tat, mit der Art, wie sie ihn anschaute und wie sie mit ihm sprach, zum ersten Mal in seinem Leben das Gefühl ein ganz besonderer Mensch zu sein.
So sehr er sich geschworen hatte, sich als Werwolf niemals zu verlieben, seitdem Tonks dieses Haus betreten hatte, war er seinem Vorsatz mehr und mehr untreu geworden.
Seine Gefühle für das junge Mädchen waren mit jedem Tag stärker geworden als seine Vernunft. Und seit dem heutigen Abend, seit ihrer Reaktion auf sein Geständnis, ein Werwolf zu sein, war es endgültig zu spät für einen Rückzieher. Seine Gefühle für diese außergewöhnliche junge Frau waren viel zu stark, als dass er sie noch länger hätte ignorieren können.
Seinem Gefühl folgend beugte er sich zu ihr hinunter und küsste sie sanft. Als ihre Lippen sich berührten, hatten sie das Gefühl, es wäre alles gesagt. Dieser Kuss war Liebeserklärung genug, all die aufgestauten Gefühle der vergangenen Wochen brachen nun aus den beiden heraus.
Und während Remus und Nymphadora sich in der Küche leidenschaftlich küssten, verfärbte sich der Himmel draußen rot.
„Es wird Tag“, flüsterte Remus, als er für einen Moment seine Lippen von Nymphadoras löste.
Nymphadora machte eine wegwerfende Handbewegung. Wen interessierte das jetzt?
Auch Remus hätte sich nichts lieber gewünscht, als dass diese Nacht noch ewig angedauert hätte. Aber seine Angst, von Sirius in einem solchen wunderbaren, aber für den Werwolf auch peinlichen Moment, überrascht zu werden, ließ ihm keine Ruhe.
„Sirius wird bald aufstehen“, murmelte er und warf einen kurzen Blick zur Tür. Nymphadora, die zuvor schon bemerkt hatte, wie peinlich berührt Remus auf jede Anspielung, die sein Liebesleben betraf, reagierte, bemerkte seine Angst und handelte.
„Colloportus!“, versuchte Nymphadora die Tür zu versiegeln. Leider schwebte sie noch zu sehr im siebten Himmel, war in Gedanken noch zu sehr bei diesem Kuss mit Remus, als dass sie sich auf diesen Spruch richtig konzentrieren konnte: Die massive Küchentür im Grimmauld Place wurde aus ihren Angeln gehoben, kaum dass Nymphadora den falsch betonten Zauber ausgesprochen hatte und krachte in den Flur.
„Du bist der tollpatschigste und chaotischste Mensch, den ich je in meinem Leben getroffen habe“, lächelte Remus.
Das junge Mädchen mit den rosafarbenen Haaren schmiegte sich an ihn und seufzte: „Daran wirst du dich gewöhnen müssen.“
Remus Lupin fand, dass von ihm im Gegensatz zu ihr sehr wenig gefordert wurde. Wenn sie mit seinem „haarigen Problem“ klar kam, dürfte es für ihn ein Leichtes sein, sich an ihre Tollpatschigkeit und das Chaos, das sie beständig verursachte, zu gewöhnen.
„Nun werden wir es ihm wohl erzählen müssen“, sagte Nymphadora leise, als Sirius‘ polternde Schritte auf der Treppe zu hören waren. Von dem lauten Geräusch der fallenden Tür wäre sicherlich auch jemand aufgewacht, der einen festeren Schlaf als Sirius hatte.
Remus nickte. Die Aussicht, seinem guten Freund zu gestehen, dass er zum ersten Mal verliebt war und das ausgerechnet in Sirius‘ Cousine, die nicht nur viel zu außergewöhnlich für einen Langweiler wie ihn war, sondern zudem noch viel zu jung, entzückte ihn nicht gerade. Aber der liebevolle Ausdruck in ihren Augen gab ihm den nötigen Mut. Nymphadora erwiderte seine Gefühle und würde auch vor Sirius zu ihm stehen.
Hand in Hand warteten die beiden auf das Eintreten ihres gemeinsamen Freundes. Bevor Sirius in die Küche trat, tauschten die beiden Verliebten noch einen kurzen Blick. Und ein Lächeln, so liebevoll, dass keine Worte mehr nötig waren.
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