von Blue
"Emily? Emily, hörst du mir zu?" Die fragende Stimme der Schulleiterin riss Emily aus ihren Gedanken. Sie blinzelte. "Ähm, entschuldige bitte Minerva. Was hast du gesagt?" Die alte Hexe sah sie verständnislos an, doch dann wiederholte sie: " Lavender Brown wird in einer Woche als Lehrerin für Zaubereigeschichte hier nach Hogwarts kommen. Willst du garnichts dazu sagen?" Einen Moment brauchte Emily , um wieder in die Realität zurück zu finden. In ihrem Kopf schwirrten gerade tausende Fragen herum, wie ein Schwarm kleiner Schnatze. Lavender Brown. Diese junge Hexe hatte sie ein Jahr auf Beauxbaton unterrichtet. Sie hatte dieses Mädchen als sehr anhänglich, äußerst lebhaft und ziemlich ete-pitete in Erinnerung. Doch das war schon lange her. Mittlerweile müsste Miss Brown mindestens 24 sein. Fragend blickte sie Minerva an. "Hat sie denn ihren Professor schon abgeschlossen?"
"Ja, natürlich." Die Schulleiterin lächelte. "Hogwarts wird Professor Browns erste Schule sein, auf der sie unterrichten wird." Freudestrahlend verabschiedete Minerva McGonegal sich kurzerhand und schwebte eine der Treppen hinunter.
ProfessorBrown. Na, das kann ja heiter werden.
Diese Woche würde Emily dazu nutzen, die mehr oder weniger vorhandene Stille hier im Schloss zu genießen. Mit Miss Brown, oh, richtig . PROFESSOR Brown ! würde es hier noch um einiges lauter und schriller zugehen als sonzt.
Die folgende Woche verging wie im Flug und ohne größere Ereignisse. Man konnte spüren, dass der Sommer sich seinem Ende zuneigte. Es wurde kühler und die Bäume begannen langsam damit, ihre grünen Kronen rot, gelb oder orange zu färben. Der ganze Wald zeigte sich von einer ganz anderen Seite. Auch bei Severus Snape veränderte sich gerade einiges. Seit einer Woche hatte er wieder ordentlich und ohne Alpträume schlafen können. Das hatte zufolge, dass er am Tag ausgeglichener und ruhiger war. Am Mittwoch war er sogar ruhig geblieben, als ein tollpatschiger Erstklässler in seinem Unterricht seinen Kessel mit seinem , nennen wir es ruhig mal Trank, umgestoßen hatte. Severus war nur auf ihn zugegeangen und hatte ihm im Normaltonfall dazu geraten, nach dem Unterricht den gesamten Klassenraum zu säubern.
Als er so im Nachhinein darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er vor kurzem noch vollkommen darüber ausgerastet wäre. Er hätte den Schüler angeschrien, ihn vor der gesamten Klasse gedemütigt und danach noch 10 Punkte vom jeweiligen Haus abgezogen. Aber in diesem Moment hatte er garnicht daran gedacht, etwas dergleichen zu tun.
Was war nur los mit ihm? Wurde er womöglich alt? Waren das die ersten Anzeichen dafür, dass er zu einem alten, schwachen, senilen Mann wurde? Während er so hin und her überlegte, tigerte er in seinem Büro in den Kerkern auf und ab. Er würde sich doch nicht zu einem netten, älteren Herrn entwickeln! Wer würde ihn dann noch Ernst nehmen? Wann hatte das angefangen? Es hatte........
Der Schmerz! Er war verschwunden! Lag es daran? So, wie er sich gefühlt hatte, hatte er auch seine Schüler behandelt - mies! Aber nun? Er wusste nichtmal, was er gerade fühlte. Da war die Wut auf sich selbst, die Enttäuschung über seine Schwäche und die Verwunderung über sein plötzliches Wohlbehagen, seit.., er stutze,....seit jenem Abend im Raum der Wünsche, mit Emily an seiner Seite. Emily! Emily. In Gedanken sprach er ihren Namen in den unterschiedlichsten Tonlagen aus. Just in diesem Moment klopfte es an der Tür, was den Tränkemeister aus seinen Gedanken riss. Was denn nun schon wieder?! Er setzte sich an seinen Schreibtisch und begann irgendwelche Formeln für Tränke auf ein neues Blatt Pergament zu schreiben. "Herein." Nichts geschah. "Herein!" wiederholte er nocheinmal lauter. Immer noch nichts. Genervt stand Severus auf und ging selbst zur Tür. Mit einem Ruck öffnete er sie. Doch er konnte niemanden sehen. "Severus?" vernahm er plötzlich. "Ja?" fragte er in die Leere hinein und blickte sich um. Da meldete sich die Stimme: "Hier unten!" Severus senkte den Blick und sah in das leicht verärgerte Gesicht von Professor Flitwick. Der Kleinwüchsige hatte die Arme vor der Brust verschränkt und tippte ungeduldig mit dem Fuß auf und ab.
"Ich hätte die Türe ja selbst geöffnet, werter Kollege," begann er "doch ihre Klinke liegt nuneinmal ausserhalb meiner Reichweite." Jetzt lächelte er beschämt. Severus trat zur Seite und deutete ihm mit der Hand, dass er eintreten solle. Flitwick nickte und wackelte in Richtung des Schreibtisches. Nachdem Severus die Tür geschlossen hatte kam auch er zum Schreibtisch und bot seinem Kollegen einen Stuhl an. Mit viel Übung kletterte dieser darauf und Snape setzte sich ihm gegenüber. "Was gibt es?"
"Nun, ja. Wie Sie bestimmt wissen wird sich uns morgen die junge Professor Brown im Kollegium anschliessen."
"Professor wer, bitte?" fragte Severus verwundert.
Flitwick sah ihn einen Moment lang verwundert an.
"Professor Lavender Brown. Sie müssten sich doch noch an sie erinnern. Sie war ihre Schülerin. Sie kam ein Jahr vor dem Krieg hierher, eine ehemalige Beauxbaton-Schülerin." Richtig! Miss Brown. Das frischgeföhnte Fräulein, das sich in seinem sechsten Schuljahr auf Mr. Weasly eingeschossen hatte! Severus hatte ihr Verhalten damals einfach nur als erbärmlich angesehen. In Gegenwart von Potters bestem Freund verhielt sich das Mädchen äußerst kindisch und albern. Mit einer Geste deutete Severus seinem Kollegen, dass er sich erinnerte. Flitwick nickte und fuhr fort: " Nun, sie wird zunächst einmal nur im Fach Zaubereigeschichte unterrichten, doch ich.........", er macht eine Pause. ".....ich sah das als eine gute Möglichkeit für mich, in den Ruhestand zu gehen und so ging ich zu unserer hochgeschätzten Schulleiterin und weihte sie in mein Vorhaben ein." Severus begriff nicht ganz. Was hatte er damit zu tun?
"Doch Professor McGonegall war der Auffassung, dass dann jemand die Rolle des Vertrauenslehrers übernehmen sollte....." er blickte Severus bedeutungsvoll an.
".....und dabei habe ich an Sie gedacht, werter Herr Kollege." Severus' verständnisvoller Blick wich dem Ausdruck der Fassungslosigkeit. Er? Vertrauenslehrer? Ausgerechnet er? Das von allen Schülern gehasste und zugleich gefürchtete Ekel?! Es dauerte einen Augenblick, bis er die Sprache wiederfand. "Welcher Schüler sollte sich mir freiwillig anvertrauen wollen?" fragte er in einem ausdruckslosen Tonfall. Flitwick lächelte. Er wusste, dass er es geschafft hatte. Er hatte Severus Snape überrascht! Und zwar ziemlich stark. Aber er beruhigte ihn. "Keine Sorge, Sie würden diese Aufgabe ja nicht alleine übernehmen. Sie würden eine Kollegin an ihrer Seite haben. Sie würde mit den Schülern reden und Sie würden das alles später zu Protokoll bringen. Sie würden garnicht in die Nähe eines Schülers kommen." Hat dieser Stinkstiefel wirklich gedacht, Professor McGonegall würde ihn auf die Schüler loslassen? Flitwick grinste in sich hinein. Severus atmete innerlich auf. "Wer wäre diese Kollegin?" fragte er.
"Man würde Ihnen Professor Summers zur Seite stellen."
Severus sog scharf die Luft ein und blickte blickte an Flitwick vorbei ins Leere. Er dachte nach.
Sollte er zusagen? Warum sollte er soetwas freiwillig tun wollen? Die Sorgen seiner Schüler interessierten ihn nun wirklich nicht. Schüler, die zu einem Vertrauenslehrer gingen waren doch nur sentimentale, oberemotionale Heulsusen, die das Leben nicht ertrugen. Allein auf Anhieb fielen ihm bestimmt 20 viel wichtigere Sachen ein. Wesshalb überlegte er dann noch?
Na, los! Sag nein!
"In Ordnung." sagte er.
Warte! Was, bei Merlin?!
"Ich meine, ich werde darüber nachdenken." versuchte er seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Doch Flitwick hatte verstanden. Er grinste.
Am nächsten Abend war es soweit. Am Lehrertisch sahs sie. Professor Lavender Brown. Und wie es das Schicksal wollte, sahs sie direkt neben ihr. Als Minerva sie den Schülern offiziell vorstellte, kicherte sie nur als Antwort. Allerdings war es nichtmal ein normales Kichern gewesen. Von der Höhe der Oktaven erinnerte Lavenders Lache ein wenig an die von Doloris Ambridge. Genervt verdrehte Emily die Augen. Es würde wahrlich noch viel schlimmer werden, als sie befürchtet hatte.
Das Universum liebt es, mich eines Besseren zu belehren!
Wenn sie nicht die knallroten Pumps gewesen wären, hätte man sie für eine Schülerin halten können. Ihre blonden Haare hingen ihr in Korkenzieherlocken bis zur Hüfte. Auf ihrem Kopf trug sie eine große rosafarbene Schleife, die farblich mit dem Rest ihres Outfits fürchterlich biss: Eine knallgrüne Bluse und eine blaue Jeans. Herrlich!
Vom Äußeren hatte sich diese junge Frau überhaupt nicht verändert. Solch auffällige, schreiende Kleidung hatte sie bereits an den Wochenenden auf Beauxbaton getragen. Gerade als Emily ihr Glas zum Trinken ansetzte, sprach Lavender sie an. "Hi, Professor S ! Wie lange ist das jetzt her, dass wir uns zum letzten Mal gesehen haben?" Die junge Frau quietschte förmlich.
"Sie können sich garnicht vorstellen, wie furchtbar aufgeregt ich bin!"
Emily stellte ihr Glas ab und sah ihrer Nachbarin ins Gesicht. Es hatte eine sehr rundliche Form. Ihre kleine Stupsnase sah aus, als hätte man sie ihr daraufgeklebt und ihre Augen erinnerten an die eines Rehs.
"Doch,kann ich." antwortete sie trocken.
"Ich hatte nämlich auch meinen ersten Arbeitstag. Und bitte nennen sie mich nicht "Professor S", wir Lehrer nennen uns untereinander alle beim Vornamen."
Damit reichte sie ihrer neuen Kollegin die Hand.
"Ich bin Emily", sagte sie und lächelte leicht.
Lavender strahlte über ihr rundes Mondgesicht. Freudig ergriff sie Emilys Hand und schüttelte sie kräftig.
"Ich bin Lavender, aber sie können mich auch Lavi nennen."
Den Teufel werde ich tun.
Das Essen in Professor Browns Gesellschaft gestaltete sich für Emily ziemlich schwierig. Ihre neue Kollegin redete ununterbrochen, ohne Punkt und Komma. Jedesmal wenn sie etwas in den Mund nehmen wollte, kam sie sich arrogant vor und blickte Lavender stattdessen an.
Sie war viel zu höflich, um Barbie einfach zu ignorieren.
Das führte dazu, dass ihr nach Lavenders 17. Erwähnung von ihrem Gerberagarten der Appetit verging.
"......und ich dachte schon, dass diese widerlichen Ameisen meine schönen Gerbera zerstören würden, aber sie interessierten sich nur für mein Honigbrötchen, das mir runtergefallen war." Sie kicherte.
Das tat sie nach jedem Satz. Und manchmal verfiel sie in einen schrillen, quiekenden Tonfall, der Emily jedesmal aufs Neue zusammen zucken ließ.
Na, das konnten ja ein wundervolles Jahr werden!
Zum ersten Mal, seit sie hier war, sah er, dass sie genervt war. Sie war gezwungen ihrer neuen gemeinsamen Kollegin Lavender Brown zuzuhören. Ganz offensichtlich lagen zwischen den beiden Frauen, die drei Plätze weiter rechts von ihm sahsen, Welten. Emily Summers war eine freundliche und doch ernstzunehmende, selbstbewusste Lehrerin mit Erfahrung.
Lavender Brown dagegen,....Ha! Die kleine puppenähnliche Frau war gerade frisch aus der Uni. Sie wirkte, als sei sie besser mitten im Speisesaal zwischen den Schülern aufgehoben. Aber,.... irgendwie war es doch auch erfrischend, mal etwas anderes am Lehrertisch zu haben.
Severus beeugte die beiden Frauen nachdenklich. Lavender redete unglaublich viel mit ihren Armen und Händen. Sie fuchtelte wild herum, zeichnete Bilder in die Luft vor Emily, die vorsichtshalber ein paar Mal zurückwich. Zudem redete sie so laut, dass er jedes ihrer Worte verstehen konnte. Miss Brown war wohl wirklich sehr aufgeregt. Ständig schüttelte sie ihre hüftlangen, blonden Locken hin und her. Während es auf eine merkwürdige Art und Weise belustigend war, Lavender Browns Bewegungsabläufen zu folgen, war es doch umso beruhigender Emily zu beobachten. Sie hatte ihre Hände auf dem Tisch vor sich gefaltet und beugte sich leicht vor. Sie blickte Lavender geradewegs an und nickte zwischendurch ein paar Male. Und die ganze Zeit über lächelte sie. Es war ein freundliches, warmes Lächeln. Ein Lächeln, das Verständnis und doch zugleich Überlegenheit ausstrahlte. Severus kam es vor, als würde Emily wirklich strahlen. Es war, als würde die Sonne von hinten auf sie scheinen. Aber das lag wahrscheinlich an den schwebenden Kerzen überall im Raum.
Meine Güte! Reiss dich zusammen, sie sieht nicht anders aus, als in den letzten Wochen auch!
In Severus' Kopf schienen sich gleich mehrere Stimmen zu melden.
Stimmt. Sie sieht aus, wie in den letzten Wochen auch. Einfach wunderschön!
In diesem Augenblick blickte Emily an Lavender vorbei, in seine Richtung. Sah sie Flitwick, neben ihm an? Blickte sie ihn an?
Ja, tatsächlich! Sie schaute ihn an, denn sie lächelte und deutete mit einem leicht genervten Blick auf ihre Nachbarin, die offenbar so in ihre eigene Stimme vertieft war, dass sie es nicht bemerkte.
Er wollte lächeln. Er versuchte es wirklich, aber es funktionierte natürlich nicht. Wie immer! Schnell blickte er auf seinen bereits leeren Teller.
Bei Merlin, nochmal! Das kann doch alles nicht wahr sein!
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