von Blue
Ja, ich weiß. Ich lasse mir hier besonders viel Zeit. Sorry. Das alles wird wieder etwas flüssiger mit der Zeit, keine Bange. :))
@sweetdark: Ich dank dir. Deine Anmerkungen sind wirklich süß und bauen mich auf, denn ich hatte irgendwie das Gefühl, als hätte ich furchtbar wirres Zeug zusammen geschrieben! ^^ Danke dir, du bist ein Schatz :**
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Der Unterricht fiel Emily in der folgenden Woche sichtlich schwer. Um sich nicht dauernd zu verhaspeln, ließ sie ihre Schützlinge schriftliche Arbeiten machen, die langweilig und ermüdend waren. Eigentlich hasste sie solche Lehrer, sie hatte nie so eine eintönige, typische Professorin werden wollen. Sie saß an ihrem Schreibtisch, korrigierte Hausaufgaben der Fünftklässler, während vor ihr 23 kleine Zweitklässler eine Doppelseite ihres Buches bearbeiteten. Ab und zu stöhnten sie genervt auf und auch Emily beherrschte sich sehr, um nicht zu seufzen. Sie stützte ihren Kopf auf ihre Hand und erinnerte sich schwermütig an ihren Anfang hier vor knapp einem Jahr. Da war sie noch fröhlich, zufrieden in ihrer Beziehung und voller Tatendrang gewesen. Und jetzt? Was war davon noch übrig? Ihr inneres Licht, ihr Glanz, ihre Energie waren verschwunden. Zum ersten Mal in ihrem Leben spürte sie, dass sie alt wurde, fühlte sich müde, ausgelaugt und schlapp. Was war bloß mit ihr passiert? Was hatte sie so verändert, sie dermaßen gelähmt? Oder eher, wer? Die Antwort auf diese Frage kannte sie bereits und die warf wiederum eine andere, hoch interessante Frage auf:
Die Frage nach der Liebe. Aber die 42-jährige Hexe hatte sich bisher noch nie getraut, sich diese Frage zu stellen. Sie hatte einfach zu viel Angst vor der Antwort. Allein, dass sie es in Betracht zog, war schon schrecklich. Nicht, dass sie ihn nicht gemocht hätte. Aber konnte sie das? Hatte sie wirklich die Kraft, eine Beziehung zu beenden und gleich darauf eine neue zu beginnen. Dabei ging es um zwei völlig unterschiedliche Männer. Der eine war leuchtend hell, der andere dunkel wie die Nacht. Der eine war ein Vampir und würde auf ewig jünger sein als sie. Der andere war ihr seit ihrer Kindheit bekannt und doch war er ihr merkwürdig fremd. Aber etwas hatten die beiden doch gemeinsam. Beide, der Tränkemeister von Hogwarts und der blonde Anwalt aus dem Ministerium, liebten sie. Jeder von ihnen auf seine eigene Art und Weise. Aber was war mit ihr? Was war mit ihren Gefühlen? Patrick brachte sie zum Lachen, er war sensibel, zuverlässig, charmant, verständnisvoll, hatte immer ein Lächeln auf den Lippen und sah umwerfend gut aus. Und wenn sie mit ihm zusammen war fühlte sie sich aufgehoben, sicher und stolz, er tat ihrem Selbstwertgefühl gut. Doch bei alledem, bei all der Perfektion, die in dieser Beziehung steckte, fehlte ihr doch etwas. Seit Severus und sie sich wieder einander angenähert hatten merkte sie, dass sie es genoss. Ihr fehlte das Streiten mit ihm, die Diskussionen, das auf-ihn-wütend-sein. Severus Snape forderte ihre gesamte Aufmerksamkeit, ihre Stärke und sie vollkommen selbst. Irgendwie hielt es sie auf Trapp. War sie etwa nur gelangweilt? Wollte sie etwas ganz anderes? Wollte sie mehr, als das, was sie all die Jahre zufrieden gemacht hatte? –Sie wusste es nicht. Doch bei diesen Gedanken, die ihr den Kopf rauchen und ihre Schläfen pochen ließenfiel ihr eins auf: Sie dachte in Bezug auf Patrick immer nur an das Wort „zufrieden“. Aber reichte das? Reichte es, wenn man im Leben bloß zufrieden war? In diesem Augenblick hallte der Klang des Gongs durch das Schulgebäude und riss sie aus ihrer ausweglosen Situation. „Beendet eure Arbeit bitte als Hausaufgabe“, rief sie noch rasch in den Raum und ihre Schüler verdrehten die Augen, bevor sie mit hängenden Schultern zur Tür schlappten. Emily stockte. Hatte sie heute noch Unterricht? Wie spät war es überhaupt? Völlig verwirrt zog sie ihre silberne Taschenuhr aus der Hosentasche und ließ sie aufspringen. Fünf vor halb eins. Bei Merlin, schon so spät? Hatte sie jetzt noch Unterricht? Sie wusste es nicht. Wieso nicht? Emily kannte ihren Stundenplan in- und auswendig. Warum wusste sie nicht, wie lange sie heute zu arbeiten hatte? Welcher Tag war heute überhaupt? Ihr Kurzzeitgedächtnis, scheinbar etwas durcheinander geraten, schaffte es dann doch noch, ihr den heutigen Tag mitzuteilen: Donnerstag. Sie schüttelte den Kopf, um wieder klar denken zu können und schlug ihr Notizbuch auf, wo auch ihr Stundenplan eingetragen war. Und tatsächlich: Sie hatte den Rest des Tages frei. Wie? Und jetzt? Einen Moment lang saß sie stumm und bewegungslos da. Was sollte sie denn den gesamten Nachmittag machen? Offenbar mit der Situation überfordert, raffte sie ihren Krempel zusammen, stopfte ihn in ihre Umhängetasche, warf sich diese über die Schulter und machte sich auf den Weg. Sie hatte sie Türe gerade hinter sich geschlossen, als ihr ein Gedanke durch den Kopf schoss: Die Hausaufgaben der Fünfer! „Verdammt!“, fluchte sie und ging noch einmal zurück.
„Und dass Sie mir ja nicht unter die Augen kommen, ohne mindestens fünf Seiten geschrieben zu haben!“, bellte Severus seinen Schülern nach. Er hatte die vergangene Stunde dafür genutzt, um die Drittklässler einer gnadenlosen Abfrage zu den letzten sieben Stunden auszusetzen. Vor allem die von ihm verhassten Gryffindors hatte er besonders hart rangenommen. Aber, was hatte er erwartet? Es war ihm von Anfang an klar gewesen, dass diese gold-roten Idioten ohnehin nichts auf die Reihe bekommen würden. Aber auch mit den Slytherins war er dieses Mal nicht nachsichtig gewesen. Zum ersten Mal hatte er seine Hausschüler mindestens genauso ungerecht aber nützlich behandelt, wie alle anderen Schüler auch. Außerdem machten ihn seine Zöglinge in letzter Zeit ganz einfach krank! Diese dummen, überflüssigen, unüberlegten Kommentare, diese unwissenden, dämlich guckenden Gesichter! Sogar Minerva war er diese Woche ausgesprochen ungehalten angegangen. Die Schulleiterin hatte ihn lediglich mit Beschwerden seiner Schüler konfrontiert, worauf er pampig erwidert hatte, dass das schon immer so gewesen wäre und auch immer so sein würde. Minerva war sichtlich überrascht von seiner Reaktion gewesen und hatte gefragt: „Ist alles in Ordnung, Severus?“ Da war ihm der Kragen endgültig geplatzt. „Verflucht noch eins!“, hatte er wütend ausgerufen, „Warum ist hier jeder der Ansicht, mich in gottverdammte Watte packen zu müssen?! Kann man mich nicht einmal im Leben zufrieden lassen, nur ein einziges Mal?!!“ Daraufhin hatte er nicht auf Minervas Reaktion gewartet, sondern hatte sie stehen gelassen und war mit wehendem Umhang den Gang davon gerauscht. Die Hand voll Schüler, die sich auf dem Gang befanden, drückten sich alle augenblicklich gegen die Wände, senkten den Blick und hatten sich in jenem Moment wahrscheinlich gewünscht, unsichtbar zu sein. Einige hatten gemurmelt: „Snape is ja noch mieser als vorher schon.“ Es war ihm egal. Er hatte seine Rolle an dieser Schule. Er war das unausstehliche, ungerechte Ekel. Lavender Brown war die leicht kindische, übertrieben albern grinsende, nicht ernstzunehmende Prinzessin. Minerva McGonagall war DIE Autoritätsperson schlechthin, aber dabei immer fair. Sibyll Trelawny war eine wesentliche Spinnerin. Emily Summers war…nicht in ihn verliebt und…. Er brach den Gedanken sofort ab und stand auf. Für die nächste Stunde musste er zuerst noch in die Bibliothek. Nein, nein, nein. Er dachte nicht an sie, ganz und gar nicht! Ihr Verhalten war ganz eindeutig gewesen und so sollte seines nun auch sein. Es nutzte nichts, immer weiter zu kämpfen. Irgendwann musste sich jeder eingestehen, dass er verloren hatte. So auch er. Man musste es akzeptieren, wenn nichts mehr an der Situation zu ändern war. Es war Zeit, loszulassen. Da er es ja bekanntlich nicht so mit dem loslassen hatte, war es umso wichtiger, dass er früh genug damit anfing, um nicht wieder einmal in einer endlosen Trauer zu versinken. Nein, das würde ihm ganz sicher nicht noch mal passieren. Über Lily war er weitgehend hinweg. Jedes Mal, wenn er an sie dachte, was mittlerweile verhältnismäßig selten vorkam, dann nicht mit Trauer sondern mit einem Lächeln. Tja, und wem hast du das zu verdanken, du Feigling? Die nervige Stimme war er jedoch noch immer nicht losgeworden. Er versuchte sein Bestes, sie ganz einfach zu ignorieren. Genauso wie den Liebeskummer und den Schmerz. Eigentlich tat es ja nur noch weh, wenn er atmete. Es war also schon besser geworden. Ja, es würde besser werden. Irgendwann.
Emily hielt die Hausaufgaben in Form von über zwanzig Pergamenten auf dem Arm und versuchte irgendwie sich zu sortieren. Gleichzeitig rutschte ihre Tasche immer wieder von ihrer Schulter, was die ganze Aktion natürlich nicht gerade leichter machte. Sie ging gerade am Innenhof vorbei, als plötzlich ein kräftiger Windstoß von der Seite kam und ihr die Blätter aus der Hand riss. Vereinzelt flogen sie durch die Luft und wurden in den Innenhof gesogen. Emily stöhnte genervt. „Bei Merlin, das kann doch wohl nicht wahr sein!“ Gleichgültig ließ sie ihre Tasche auf den Boden fallen, zog ihren Zauberstab und lief den Pergamenten nach.
Severus beschloss gerade kurzerhand, eine Abkürzung durch den Innenhof zu nehmen, als ihm plötzlich ein Stück Pergament gegen das Gesicht flog. Sichtlich genervt grabschte er nach dem Papier und stellte fest, dass es beschriftet war. Einige Schüler kicherten, doch ein böser Blick von ihm genügte, um sie zum Schweigen zu bringen. Er blickte auf und sah Emily, die mittels ihres Zauberstabes langsam mehrere Pergamente zu sich auf den Arm schweben ließ. Severus wunderte sich über ihren Gesichtsausruck. Ihre Lippen waren aufeinander gepresst, ihr Unterkiefer angespannt und ihre Augenbrauen zogen sich leicht zusammen. Sie wirkte merkwürdig anders. Sie schien ebenfalls genervt zu sein. In ihrem Gesicht stand schlechte Laune. Und Emily hatte niemals schlechte Laune. Aber er hatte schlechte Laune, jetzt und immer. Also ging er auf sie zu und blaffte sie vor einigen Schülern, die sich ebenfalls im Innenhof aufhielten, an: „Könnten Sie zur Abwechslung mal aufpassen, dass Ihnen Ihre Sachen nicht abhanden kommen, Professor Summers?!“ Und demonstrativ hielt er ihr das Stück Pergament hin, das eben noch in sein Gesicht geflogen war. Emily, die mittlerweile weitgehend alle Stücke wieder in der Hand hielt, riss zunächst entsetzt die Augen auf, dann kam sie bis auf einen Schritt auf ihn zu und keifte unerwartet zurück: „Könnten Sie! Zur Abwechslung! Mal aufpassen, dass ihr Gesicht gewaschen ist, Professor Snape?!“ Einige Schüler kicherten und beobachteten die Szene gebannt. Severus sah sie zunächst leicht verwundert, dann zornig an, fuhr sich mit der Hand jedoch prüfend übers Gesicht. Als er auf seine Finger sah, hatte sich schwarze Tinte darauf gebildet. Das Pergament. Es war beschrieben gewesen. Er gab sich größte Mühe, sich seine Scham nicht anmerken zu lassen und konterte stattdessen: „Im Gegensatz zu Ihnen schaffe ich es, mein Leben zu organisieren! Und ich dachte, dass Sibyll schlampig herumlaufen würde!“
Das reichte! Emily wusste, dass ihre Haare schon weitaus bessere Zeiten gesehen hatten, aber sie mit Sibylls Löwenmähne zu vergleichen und sie gleichzeitig als schlampig aussehend hinzustellen war eindeutig zu viel! Ohne zu zögern hob sie ihren Zauberstab und rief: „Oppugno carta!“ Im nächsten Moment flogen sämtliche Pergamentstücke von ihrem Arm auf ihn zu und hafteten sich überall an ihm fest. Er sah nichts mehr, wurde komplett von Papier zugedeckt und versuchte, sich mit Schlägen zu wehren. Innerhalb von ein paar Sekunden sah Severus Snape aus wie ein schwarzes Brett. Die Schüler im Innenhof konnten sich nun nicht länger zurückhalten und brachen in ein schallendes, schadenfrohes Gelächter aus. Während Emily sich betont gleichgültig abwandte und zurück zum Korridor ging, schaffte es Severus endlich seinen Zauberstab zu greifen. Im Nu war er papierfrei, jagte die Pergamentstücke gen Himmel und entzündete sie wütend zu einem relativ kleinen Feuerball, der blitzschnell ausbrannte und einen widerlichen Gestank nach Verbranntem verursachte. Das Gelächter der Schüler verwandelte sich augenblicklich zu einem angeekelten Husten. Als wäre das eine Aufforderung gewesen, fuhr Emily herum und kam forschen Schrittes zurück in den Innenhof.
Die Asche regnete vom Himmel, die Schüler retteten sich in die Gänge und beobachteten die beiden Lehrer weiterhin, die sich mit wutverzerrten Gesichtern gegenüber standen. Als wäre es wichtig für sie, giftete Emily bitterböse: „Bist du verrückt?! Das waren Hausaufgaben der Fünftklässler! Die waren zur Benotung bestimmt!“ Auch wenn ihr die Hausaufgaben im Grunde egal waren, sie musste schließlich etwas haben, das sie ihm vorwerfen konnte. Der Professor für Zaubertränke war offensichtlich nun noch wütender, wegen dieser absurden Behauptung. „Ach, tatsächlich? So wichtig waren sie dir, dass du sie mir auf den Hals gehetzt hast?!“ Noch bevor seine Gegenüber etwas erwidern konnte, wurden sie von einer äußerst wütenden und zugleich verblüfften Stimme unterbrochen. „Was, bei Merlins Bart geht hier vor?!“, rief Minerva McGonagall und kam auf die beiden zu. Die Schulleiterin blickte abwechselnd von Severus zu Emily und von Emily zu Severus. Sie schien leicht schockiert zu sein, denn die beiden sahen geradezu gemeingefährlich aus: Emily mit ihren zerzausten, aufgebauschten Haaren, in denen sich mittlerweile Ascheflocken abgesetzt hatten. Severus mit schwarzer Tinte im Gesicht und Papierresten an seinen schwarzen Roben. Die alte Hexe drehte sich um und befahl den Schülern in einem strengen, aber nicht harschen Ton, unverzüglich ihre Klassen aufzusuchen. Die Schüler konnten sich zwar nur schwer losreißen von dem kostenlosen Theater, leisteten den Anweisungen der Schulleiterin jedoch Folge und gingen ab. Es waren mittlerweile so viele Schüler, dass man vermutet hätte, dass die halbe Schule diesen peinlichen Disput mit angesehen hatte. Minerva wandte sich nun wieder an die beiden Professoren, die sich vernichtende Blicke zuwarfen. Emilys blaue Augen waren eisig und Severus' Augen schienen noch dunkler zu sein, als sonst. „Und Sie beide, in mein Büro! Augenblicklich!“ Sie wies mit dem Finger in Richtung Osten. Ohne etwas zu erwidern, fügten sich beide und gingen voran. Emily ließ ihren Blick gesenkt, während Severus stur geradeaus starrte. Minerva beschlossdie beiden nicht eine Minute aus den Augen zu lassen und ging hinter ihnen her. Sie verstand nicht, was die beiden bloß immer miteinander hatten. Warum nur, mussten sie sich andauernd anfeinden? Hassten sie sich denn so sehr? An der Treppe angekommen, ging die Schulleiterin an ihnen vorbei, vor ihnen her. Severus blieb bereits auf der Treppe etwas zurück, damit sich vor der Tür des Büros nicht die Frage nach dem Ersteintritt stellte. So öffnete Minerva die Tür, ging die Stufen hinauf zum Schreibtisch, und wandte sich zu den beiden um, als Severus die Tür hinter sich schloss. Leicht überfordert lehnte sich Hogwarts' Schulleiterin gegen den Tisch und verschränkte die Arme. Die beiden sahen aus, als wären sie gerade aus dem Krieg zurückgekehrt. „Was ist nur in euch gefahren?“, fragte sie und schüttelte missbilligend den Kopf. „Ihr bekriegt euch nicht nur ständig, ihr macht auch noch vor allen Schülern eine Szene! Und Severus, dass Sie Sibyll da mit reinziehen, hätte ich wirklich nicht erwartet!“ Ungeduldig tippte sie mit dem Fuß auf und ab und wollte ganz klar eine Antwort. Von jedem der beiden. Emily war die erste, die das Wort ergriff. „Es tut mir leid, Minerva. Das war unnötig und unüberlegt, aber er macht mich ganz einfach krank!“ Ihr Gesicht war schon wieder entstellt vor Wut. Severus sprang sofort darauf an. „Sehen Sie, was Summers hier tut? Ihretwegen versäume ich meine Unterrichtstunde!“ Wütend drehte sich Emily zu ihm und spuckte Gift und Galle. „Sie sind wirklich das Letzte, Snape! Schließlich war ich nicht diejenige….“ Er stieg munter darauf ein: „Wenn Sie ihren Kram besser im Griff hätten………!“ Die beiden keiften wild durcheinander und schienen völlig vergessen zu haben, wo sie waren. Das reichte Minerva. Wütend kam sie die Stufen herunter und rief: „HALTET DEN RAND! ALLE BEIDE!! VERSTANDEN?!“
Severus und Emily verstummten augenblicklich und starrten die Schulleiterin völlig perplex an. Hatte Minerva McGonagall gerade wirklich gesagt, was sie gehört hatten? Solche Wortlaute benutzte sie niemals! Diese fuhr nun wieder in Normallautstärke fort: „Ihr seid ja schlimmer, als die Schüler! Klärt das hier und jetzt! Und wehe euch, ihr kommt mir hier raus, ohne euch ausgesprochen zu haben!“ Damit ließ sie die beiden Professoren stehen und verließ das Büro. Einige Sekunden später hörten sie das Schlüsselloch knacken. Minerva hatte sie tatsächlich in ihrem Büro eingesperrt! Severus war der erste, der zur Tür stürzte und laut dagegen hämmerte. „Minerva! Öffne diese verdammte Tür!“ Doch es kam keine Antwort. Die alte Hexe ließ sich draußen auf die Holzbank sinken und stellte sich darauf ein, die folgenden Stunden noch mehr ohrenbetäubendes Geschrei und Gezeter hören zu müssen.
Emily verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust und lehnte sich gegen einen der Glasschränke. Ihren Zauberstab hielt sie noch immer fest in ihrer Hand und starrte ins Leere. „Sie haben sie doch gehört“, sagte sie zu ihm, der noch immer an der Tür stand und benutzte ganz bewusst die Höflichkeitsform. Das schuf eine gewisse, nötige Distanz zwischen ihnen. „Minerva wird uns hier nicht eher rauslassen, bis die Sache geklärt ist. Und ich bin mir sicher, dass das dauern wird!“ „Die Sache“, schnaubte Severus, stieß sich von der Tür ab und tigerte auf der gegenüberliegenden Seite auf und ab, scheinbar bemüht, sich zu beruhigen. Sie beobachtete ihn und musste sich auf die Zunge beißen, um ihn nicht ohne Unterbrechung zu beleidigen, so wütend war sie. Nach einer Weile bedrückender Stille hielt sie es nicht länger aus, ihn anzusehen und drehte sich zu dem Schrank um. Sie erschrak. In dem Glas konnte sie ihr Spiegelbild sehen. Ihre Haare standen wild und buschig von ihrem Kopf ab, sie sah aus, als wäre gerade ein Zaubertrank genau vor ihr in die Luft geflogen. Verzweifelt versuchte sie, ihre Wellen irgendwie glatt zu streichen, was ziemlich ziepte. Sie machte sich daran, die Ascheflocken herauszufummeln und konnte nicht verhindern, dass ihre Fingerspitzen schwarz wurden. Das sie jetzt so aussah, war seine Schuld. Dass sie sich seit Tagen furchtbar fühlte, war seine Schuld. Sie strich sich die Haare hinter die Ohren und drehte sich zu ihm um. „Das haben Sie toll hingekriegt! Meine Haare sehen jetzt wirklich aus, wie die von Sybill. Danke!“, meinte sie spitz. Severus blieb stehen und starrte sie an. „Das mit Ihren Haaren haben Sie vollkommen allein zu verantworten, Summers. Ich dagegen kann mich bei Ihnen bedanken, dass ich aussehe, als hätte ich die Pest!“ Emily verlor wieder die Fassung, ließ ihre Arme fallen und kam ein Stück näher bis in die Mitte des Raumes. „Die Pergamente wurden mir vom Wind weggepustet und ich kann ja wohl nichts dafür, dass eines davon ausgerechnet in Ihrem Gesicht landet! Außerdem kann ich keinen allzu großen Unterschied zu vorher sehen.“ Ihre Stimme klang beim letzten Satz sehr unterkühlt, fast schon grausam. Nun kam auch er auf sie zu, bis er dicht vor ihr stand und mit vernichtendem Blick auf sie herab sah. „Wie bitte?“, fragte er gepresst. Emily zog arrogant die Augenbrauen hoch und verschränkte wieder die Arme. „Sie haben mich genau verstanden“, antwortete sie trocken. Er sog scharf die Luft ein und verspannte sich vollkommen. Seine Schläfen pulsierten und seine Wangenknochen traten deutlich hervor. Er sah gefährlich aus. „Sie sind armselig, Summers. Offensichtlich haben Sie Stimmungsschwankungen. Entweder sind Sie also krank, oder Ihr schmieriger Vampir hat Ihnen gute Hoffung beschert.“ Nur eine Sekunde später flog er durch die Luft und krachte mit dem Rücken gegen die steinerne Wand. Emily hatte ihn geschockt! Schon wieder! Er sackte auf dem Boden zusammen und sie kam forschen Schrittes auf ihn zu. „Du mieses Arschloch!“, rief sie aufgebracht. Severus rappelte sich wieder auf und richtete ihren Zauberstab auf sie, doch sie war schneller und schlug ihn ihm mit der bloßen Hand weg.
„Was wird es denn?“, fragte er herausfordernd. „Ein Vampir? Saugt es dich dann von innen aus?“ Emily holte aus und gab ihm eine saftige Backpfeife. „Du bist ein perverser Mistkerl, weißt du das?!“, rief sie und spürte, dass ihre Kräfte wichen. Das hier war anstrengender, als ein Marathonlauf.
Severus hatte ihre Hand nicht kommen sehen. Was zum Teufel war nur mit seiner Reaktion los? Wurde er wirklich alt und langsam? Er zeigte sich sichtlich unbeeindruckt und blies sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Er zögerte kurz, um sie zu verunsichern. Ihr Gesicht war puterrot vor Zorn, ihre Haare glichen einem Busch und sie fletschte beinahe schon die Zähne. In ihren Augen stand in diesem Moment Abscheu, Hass. Wenn es das war, was sie für ihn empfand, konnte er auch gleich kündigen. Es tat ihm unsagbar weh, solche Worte von ihr zu hören, sie solche Dinge tun zu sehen. Aber natürlich zeigte er das nicht. Er durfte nicht! Es war Zeit, über sie hinweg zu kommen. Hier und jetzt! Plötzlich packte er sie an den Armen, entwand ihr den Zauberstab und schmiss ihn in irgendeine Ecke. Emily war zu überrascht, um zu reagieren, und doch fing sie wieder an, mit ihm zu rangeln. Dabei versuchte sie, irgendwie an sein Gesicht heranzukommen. Es schien, als hätte sie ihm in diesem Moment am Liebsten die Augen ausgekratzt. „Die Löwin zeigt ihre Krallen“, meinte er spöttisch, obwohl er Mühe hatte, sie sich vom Gesicht zu halten. „Was findest du bloß an Warner?“, fragte er plötzlich. Emily hielt inne und schaute ihn verdutzt an. Doch sie hatte schnell eine Antwort parat, befreite sich aus seinem Griff und trat zwei Schritte zurück. „Er kann seine Gefühle zeigen, denn ganz im Gegensatz zu dir HAT er welche!“ Severus blieb zunächst stehen, doch dann kam er ihr nach, schritt wieder auf sie zu. „Oh, großartig. Und nebenbei finanziert er dir ein Luxusleben, nicht wahr?“ Sie lachte humorlos auf und sagte: „Patrick liebt mich, das ist mir genug!“ Er schloss den Mund und biss die Zähne zusammen. „Er liebt dich“, presste er hervor. „Ach so.“ Und viel sagend machte er die Augen groß.
Emily war klar, dass er auf sein Geständnis anspielte. Aber aus irgendeinem blöden Grund wollte sie es nicht glauben. Sie verleugnete es. Wollte es ganz einfach nicht sehen, nicht wahrhaben. Sie drehte den Kopf weg und ihr Unterkiefer arbeitete. Warum tat er ihr das nur an? „Ich kann es ganz einfach nicht glauben, wenn du mich so behandelst, wie jetzt im Moment“, brachte sie betroffen hervor. Im Ernst, er wollte sie lieben, behandelte sie aber wie den letzten Dreck? Ja, klar. Und Voldemort war in Harry Potter verliebt gewesen und hatte deshalb auch die ganze Zeit versucht, ihn zu töten. „Und das aus deinem Mund!“, schnaubte er. „Du legst es ja auch immer darauf an!“ In diesem Moment erleuchtete ein gleißend heller Blitz den Raum und gleich darauf folgte ein laut polternder Donnerschlag und Emily zuckte überrascht zusammen. Einen Moment lang herrschte Stille zwischen ihnen, als wäre der Blitz zwischen sie gefahren. „Du machst mich noch wahnsinnig“, murmelte er schließlich.
Er holte mehrmals laut Luft, als wollte er etwas sagen, brach aber jedes Mal wieder ab. Dann hob er verzweifelt die Hände und drehte sich von ihr weg. „Ich…würde dich hassen, wenn ich könnte, aber….“ Er brach erneut ab. Es ging nicht. Er ertrug weder ihre Anwesenheit, noch ihre Abwesenheit. Er ertrug es nicht, sie mit Warner zu sehen, zu wissen, dass er es war, der ihre Hand hielt. Zu wissen, dass es seine Lippen auf ihrer Haut waren. Zu wissen, dass der Blutsauger dort stand, wo er stehen sollte. „Schön“, zischte Emily plötzlich hinter ihm und er sah sie fragend an. „Schön, dass du das alles auf einen Zwang schiebst! Weißt du, du bist nicht der Einzige, der wahnsinnig wird!“, schrie sie und er hörte, dass sie die Tränen unterdrückte. „Ich kriege nichts mehr hin! Ich schaffe es nicht, mich zu konzentrieren. Ich vergesse alles und ich stelle mein ganzes Leben in Frage! Das ist deine Schuld! Warum machst du das, warum musst du immer alles und jeden kaputt reden?!“ Ihre Stimme zitterte und ihr Atem ging stockend. Ihr Gesicht war inzwischen leichenblass. Severus war ratlos. Was sollte er nur mit ihr anfangen? Sie war ganz offensichtlich fertig mit den Nerven und auch fertig mit ihm. Aber er musste es wissen! Er musste! „Du könntest einfach Nein sagen und das Thema wäre erledigt! Aber gib mir endlich eine Antwort! Gib mir eine Antwort!“
Emily ächzte weinerlich auf, schon in der nächsten Sekunde kamen ihr die Tränen und sie drehte sich weg von ihm. „Ich…kann nicht!“ jammerte sie. „Ich kann das einfach nicht mehr!“ Völlig am Boden zerstört ließ sie sich auf eine der Steinstufen zum Schreibtisch sinken und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
Sie hatte sich wirklich angestrengt, nicht zu weinen, hatte es sich fest vorgenommen, nicht zu weinen. Und jetzt weinte sie doch. Sie war am Ende. Am Ende ihrer Kraft. Sie stand am äußersten Rand. Sie fühlte sich furchtbar ausgelaugt und völlig platt. Es war ihr schrecklich unangenehm, aber es ging einfach nicht mehr. Warum war das alles so kompliziert. Sie atmete hektisch, wie ein angeschossenes Tier und wischte sich fortwährend die Tränen weg. Nach einer Weile, in der wieder bedrückende Stille herrschte, die nur ab und zu von einem Donnerschlag erfüllt wurde, hörte sie auf zu weinen und starrte ins Leere. „Ich habe keine Antwort“, sagte sie plötzlich leise. „Es gibt nur ja oder nein, Emily“, antwortete er kalt, kam zur Treppe und stellte sich vor sie. „Also?“ Emily wollte zuerst ihre Aussage wiederholen, doch dann wurde sie wieder wütend und stand auf. „Wie kannst du nur eine solche Entscheidung von mir verlangen?“ Irritiert und zugleich zornig zog er die Augenbrauen zusammen und sah zu ihr auf. „Weißt du, was das für mich bedeutet? Glaubst du, du kannst dich einfach so vor mich stellen und mein Leben umkrempeln?! Du weißt doch überhaupt nichts von mir!“ Emily bemerkte, dass sie die irrsinnigsten Ausflüchte suchte, aber sie musste das tun, hoffte sie doch inständig, er möge seine Forderung vergessen oder noch besser zurückziehen. Der Regen prasste gegen die Fenster, ein erneuter Donnerschlag krachte und im selben Augenblick zuckten gleich mehrere Blitze vom Himmel. Severus trat auf die Stufen, kam höher zu ihr bis er nur noch eine Stufe unter ihr stand. „Du hast doch bloß Angst“, knurrte er. „Angst, dass ich dir wichtig sein könnte.“ Emily holte Luft, sagte aber nichts. In ihrer Brust kämpften gerade zwei Wölfe gegeneinander. Der eine hieß Hass und der andere…Liebe. Severus sah sie durchdringend an. Und wieder ein Donnerschlag und ein Blitz.
„Du hast doch nur Angst, ich könn..“ Weiter kam er nicht, denn sie hatte ihm den Zeigefinger auf die Lippen gelegt.
Er erschauderte und starrte sie ungläubig an. Ihr Blick war nicht zu deuten. Sie sprach auch nicht. Sah ihn einfach nur an löste Gänsehautschauer bei ihm aus. Da konnte er nicht mehr anders, griff ihre Hand und küsste die Innenfläche. Sie zuckte kurz, entzog sie ihm aber nicht. Severus schloss kurz die Augen, bevor er den Blick hob und sie mit großen Augen ansah. Er keuchte. Er liebte sie. Er liebte sie. Liebte sie.
In diesem Moment öffnete sich die Tür mit einem lauten Knarren und die Schulleiterin trat ein. „Ich wollte nur sehen, ob ihr beiden euch mittlerweile umgebracht habt. Es war verräterisch still.“ Emily starrte ungläubig auf die Tür, riss sich los und lief an den beiden vorbei zur offenen Tür hinaus. „Emily?!“, rief Minerva ihr nach, doch sie war längst verschwunden. Severus drehte sich nun zu ihr um. „Nun?“, fragte sie. „Habt ihr euch nun endlich geeinigt?“ Er sah sie ungläubig an. Dann ging er gleichgültig und ohne ein Wort an ihr vorbei und verschwand ebenfalls die Treppe hinunter.
Zurück blieb eine äußerst verstörte Minerva McGonagall. Was, bei Merlin, war das gewesen? Zuerst konnten die beiden nichts anderes, als sich gegenseitig anzukeifen, dann gingen sie aufeinander los und jetzt schwiegen beide wie Gräber? Sie griff sich an den Kopf und seufzte überfordert. Sie hatte keine Ahnung, was sie mit den beiden noch machen sollte. Zur Not musste einer von beiden Hogwarts verlassen. Aber wer? Zum ersten Mal in ihrem Leben war die Schulleiterin vollkommen ratlos.
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KOMMIS BITTE!! ^^
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