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Fanfiction

Severus Snape - Das letzte Jahr in seinem Leben - Ein überraschendes Wiedersehen

von LunaYazz

Auf der verzauberten Decke erstreckte sich wie ein stürmisches, eisgraues Meer der triste Februarhimmel und tauchte die Große Halle von Hogwarts in gedämpftes, winterliches Licht. Ein unerbittlicher Schneesturm tobte und die Flocken wirbelten nur so umher, hilflos dem Wind ausgeliefert, ohne sich dessen überwältigender Macht widersetzen zu können, ohne ihrem Schicksal entfliehen zu können.
Severus fühlte sich nicht anders als sie, als er die Halle steifen Schrittes durchquerte, sein Blick starr auf seinen Platz am Lehrertisch gerichtet, den kaiserlichen Thron des Schulleiters. Die unzähligen feindseligen Blicke der Schüler, die ihn von allen Seiten wie rasiermesserscharfe Dolche durchbohrten, ignorierte er geflissentlich. Er setzte sich ohne ein Wort nieder, zwischen Amycus und Alecto Carrow. Seine Stellvertreter wünschten ihm mechanisch einen guten Morgen, ehe sie sich wieder ihrem Essen zuwandten. Severus tat so, als hätte er es nicht bemerkt, wie Professor McGonagall und Professor Sprout hastig ihr Gespräch beendeten und verstummten, als sie ihn bemerkten. Wie Professor Flitwick Professor Trelawney gehässig etwas ins Ohr flüsterte, ihn dabei scharf, voller Hass anfunkelte. Alle hielten Severus für einen Verräter, einen feigen, erbärmlichen, grausamen Verräter. Und das Schlimmste war, er selbst dachte mittlerweile auch nicht mehr besser von sich.
Hogwarts wurde von Tag zu Tag schrecklicherer, brutalerer Ort, und er sah es mit an und tat nichts dagegen. Er konnte nichts tun.
Er hatte auf ganzer Linie versagt. Dumbledore hatte ihm vertraut, auf ihn gezählt, als er einst versprochen hatte, Hogwarts und seine Schüler so gut wie es nur irgend möglich war vor den Todessern zu schützen. Und nun? Von dem alten Hogwarts, wie es seit Jahrtausenden existierte, ein Ort der Träume, der Weisheit und der Magie, war längst nichts mehr übrig. Die Mauern von Hogwarts ragten wie eine unzerstörbare, unheilvolle Festung über dem Schwarzen See empor, aber der Geist der Schule lag in Trümmern. Sie war nur noch ein Stützpunkt der Todesser, ein Ausbildungsort für Schwarze Magie. Eine Folterkammer für die Schüler, für die Gewalt und Angst inzwischen zur Tagesordnung gehörte. Severus stach ein zierliches, aschblondes Mädchen am Tisch der Hufflepuffs ins Auge, über dessen linke Wange sich eine böse, klaffende Narbe zog. Die nicht so aussah, als sei sie in einem Unfall entstanden. Er konnte einfach nichts tun, nicht, ohne sich zu verraten. Es wäre bloß Selbstmord, nicht mehr und nicht weniger. Es würde Hogwarts nichts nützen. Severus war der Schulleiter, aber nicht er konnte die Entscheidungen treffen. In Wahrheit sollte er nur den Carrows die grausamen Aufträge geben, die Voldemort ihm befohlen hatte.
Und solange Voldemort lebte, dachte Severus finster, während er einen Schluck Butterbier nahm, würde sich nichts zum Besseren wenden. Im Gegenteil. Innerhalb und außerhalb der Mauern von Hogwarts lag die Zaubererwelt im blanken Terror, in Angst und Verzweiflung, wegen ihm und seiner Gefolgschaft. Es verschwanden Menschen, jeden Tag aufs Neue. Und man wusste doch, was mit ihnen geschehen war. Sie hatten sich gegen ihn aufgelehnt, sich ihm widersetzt, was sonst? Das überlebte niemand. Es stand ein Krieg bevor, ganz sicher. Severus konnte das Knistern der sich aufstauenden Gewalt, das die Luft erfüllte, förmlich spüren. Hören, sehen, schmecken. Voldemort musste endlich gestürzt werden, getötet. So schnell wie möglich. Jeder Tag seiner grausamen Herrschaft war einer zuviel. Aber Severus blieb nichts, außer zu warten. Darauf zu warten, dass Voldemort seine Schlange nicht mehr ausschickte, Nagini vor der Außenwelt verbarg. Dann wäre es soweit, Potter alles zu sagen; welches Opfer er eingehen musste, damit der Dunkle Lord besiegt werden konnte. Schlussendlich, schlussendlich musste Severus es vielleicht selbst in die Hand nehmen. Sich in einen Kampf mit dem mächtigsten Schwarzmagier aller Zeiten stürzen. Es war mehr als gefährlich, wahrscheinlich aussichtslos, sein Blut gefror ihm bei dem Gedanken daran zu Eis. Aber Severus würde es tun, wenn es nötig wäre. Versuchen, Voldemort zu besiegen, auf die Gefahr hin, dabei selbst zu sterben. Nur dieses Warten und Warten konnte er nicht ertragen. Und der Wind pfiff laut und klagend gegen die Fenster, wie als wütende Bestätigung von Severus´ grimmigen Gedanken.

Nachdem Severus in kurzer Zeit zu Ende gefrühstückt hatte –wie meistens hatte er an diesem Tag wieder kaum Appetit gehabt– machte er sich auf zu seinem Büro im zweiten Stock des hoch in den stürmischen Himmel aufragenden Schlossturmes. Er musste die neuen Unterrichtspläne für Zaubertränke und Dunkle Künste noch alle durchsehen, bevor das neue Quartal begann. Severus erklomm die steinerne Treppe, die zum Schulleiterbüro führte, wie ausgestorben war sie in den frühen Morgenstunden und im fahlen Licht des verschneiten Winterhimmels. Severus hatte fast die letzte Stufe erreicht –da hielt er irritiert inne. Mit lautlosem Flügelschlag war plötzlich eine zierliche, blassgraue Schleiereule direkt vor seinen Füßen gelandet. Sie sah mit einem seltsamen, überglücklichen, geradezu unbändig erleichterten Funkeln in den großen, leuchtend gelben Augen zu ihm hoch, starrte ihn an. Da war etwas an dem geschmeidigen Raubvogel, das Severus stutzen ließ. War es sein Blick? Er war viel zu …menschlich für eine gewöhnliche Eule. Aber das war nicht alles. Es schien Severus so, als hätte er schon einmal in diese Augen gesehen. Etwas in seiner Erinnerung regte sich, klopfte leise an die Wände seines Bewusstseins, ohne dass er wirklich bestimmen konnte, was.
Da glomm der Vogel in gleißend hellem Licht auf, schien wie flüssiges Silber zu zerfließen, seine Form blitzschnell zu verändern. Einen Herzschlag später kauerte da nicht länger eine Eule zu Severus´ Füßen, sondern ein pechschwarzer Rabe sah ihm eindringlich in die Augen, zwinkerte ihm verschwörerisch zu. Und er verstand.
„Lucy …Lucy Morgan!“ wisperte er überrascht. „Lucy, hast du deinen Verstand verloren?! Möchtest du umgebracht werden? Möchtest du, dass ich auffliege? Wenn das die Carrows gesehen hätten, die denken schließlich, du seist tot, ich hätte dich getötet! Was tust du überhaupt hier? Nein, NEIN, verwandel dich bloß nicht in einen Menschen, du musst mir jetzt nicht antworten! Transformiere sofort wieder in die Eule, verstanden, und dann kommst du mit in mein Büro!“
Die Gestaltenwandlerin wirkte den Bruchteil einer Sekunde lang etwas eingeschüchtert, doch dann gehorchte sie stillschweigend. Im nächsten Moment war sie wieder die anmutige Schleiereule.
„Gut, und jetzt folge mir. Schnell. Und möglichst unauffällig, falls wir jemandem begegnen.“
Lucy breitete ihre Schwingen aus, erhob sich mit einem Ruck in die Luft und tat wie geheißen, als Severus schnellen Schrittes das hell erleuchtete Treppenhaus hinter sich ließ und in einen schattigen Korridor einbog. Nach wenigen Metern blieb er vor einem grimmig ins Leere starrenden Wasserspeier mit weit ausgebreiteten, steinernen Fledermausflügeln stehen.
„Dumbledore“, murmelte er das Passwort zu seinem Büro und der Wasserspeier, urplötzlich zum Leben erweckt, sprang mit einem lauten Aufprall, der den Boden erzittern ließ, zur Seite. Die Wand hinter ihm teilte sich und gab eine gewundene, marmorne Wendeltreppe frei, die sich langsam spiralförmig nach oben bewegte, von selbst, wie eine Rolltreppe der Muggel. Severus betrat die erste Stufe und Lucy landete einen Augenblick darauf neben ihm. Die Treppe setzte die Beiden vor einer schweren Eichentür ab, die ein mächtiger Türklopfer in Form eines Greifs zierte. Severus öffnete die Tür zu seinem Büro und trat ein in den vertrauten, kreisrunden Raum. Mit einem Schlenker seines Zauberstabs ließ er die schattengrauen Vorhänge vor die Fenster gleiten, durch die man die weitläufigen Ländereien von Hogwarts, die von Raureif glitzernden Wiesen, auf denen vereinzelt ein paar Schüler umher schlenderten und den tiefen Schwarzen See überblicken konnte. Schließlich drehte er sich zu Lucy um und musterte die Eule, deren Federkleid die Farben des Himmels draußen besaß:
„Jetzt kannst du dich verwandeln. Und mir sagen, weshalb du hier bist, nehme ich an.“

In einem blendend hellen, silbrigen Schein löste sich die Gestaltenwandlerin auf, um eine Millisekunde später ihre vertraute Menschengestalt anzunehmen: Das schlanke Mädchen mit den ozeanblauen Katzenaugen, die von bernsteingolden schimmernden, feinen Linien durchzogen wurden und dem spröden, dicken, weißblonden Haar, so unnatürlich blass. Ihre Fingernägel durchscheinend blaugrau, spitz zulaufend, fast schon krallenartig. Sie trug einen samtenen, silbernen Umhang, wallend und knöchellang.
„Guten Tag, erstmal“ meinte sie leise lächelnd, mit zitternden Lippen, und im nächsten Moment tat sie etwas, das Severus vollkommen unerwartet traf und wie ein Steinschlag überrollte.
Sie umarmte ihn fest und begann plötzlich, heftig zu schluchzen.
„Es tut mir Leid“ stieß Lucy hervor, „Ich bin damals einfach geflohen, habe Sie im Stich gelassen, Mr. Snape… Es war nicht richtig, wo Sie Nellie und mir doch das Leben gerettet haben. Es war wirklich nicht richtig…“ Sie schluchzte abermals hysterisch und brachte dann mit belegter Stimme heraus: „Und… und… ich danke Ihnen so sehr, das müssen Sie wissen. Wenn Sie n-nicht so … so m-mutig gewesen wären, uns zu helfen, dann - dann wären wir schon t-tot… W-wirklich… Oh, ich habe mir die ganzen M-Monate solche S-Sorgen um Sie gemacht… deshalb bin ich jetzt auch h-hier, i-ich musste doch endlich w-wissen, ob Sie noch… ob Sie noch l-leben… Gott sei Dank, Gott sei Dank… Ich – ich hätte es mir nie v-verzeihen können, wenn…“
Sie brach ab und schnappte geräuschvoll nach Luft. Einmal, noch einmal, ein drittes Mal. Ihr Atem ging stoßweise, ihr Gesicht war tränenüberströmt, als sie sich langsam von Severus löste und mühsam um Fassung ringend, die großen Augen geschlossen, hinzufügte:
„Ich k-kann all das nie wieder gut machen. Ich weiß, ich kann das nie wieder gut machen. Ich werde Ihnen wirklich immer dankbar sein. Ihnen verdanke ich mein Leben. Nellie… Nellie auch, das müssen Sie wissen, auch sie ist Ihnen sehr dankbar. Auch sie sorgt sich u-um Sie. Nur… nur… Ich wäre auch schon früher gekommen, wenn es gegangen wäre, aber sie w-wollten es nicht. Nellie, meine Eltern; sie meinen, es wäre doch zu gefährlich hierher zu kommen, wegen den T-Todessern und so. Ich bin nun heimlich hier her gekommen. Sie müssen das v-verstehen. Wir mussten uns doch auch noch darum kümmern, wo wir wohnen können, w-wo wir nicht entdeckt werden… Sie waren mir nicht egal, ganz und gar nicht egal, im Gegenteil!“
„Ich verstehe es, wirklich“ erwiderte Severus steif, ziemlich perplex. Lucy Morgans übermäßig emotionaler Gefühlsüberschwang begann langsam, an seinen Nerven zu zehren. Zumal er für die Gestaltenwandlerin nicht mehr empfand und nie mehr empfunden hatte, als dass er damals nicht zulassen konnte, dass sie nur wegen ihrer Herkunft ermordet wurde. Er hatte es einfach als seine Pflicht angesehen, diese Mädchen zu retten, sofern es ihm möglich gewesen war. Ihre Dankbarkeit und Sorge befremdete Severus. Wie lange war es her, dass ihn jemand umarmt hatte? Er konnte sich nicht entsinnen. Und er wusste nicht, wie lange es zurück lag, dass sich jemand solche Gedanken um ihn gemacht hatte.
Oder ob …ob das überhaupt schon einmal jemand getan hatte.

…Und Lucy als Halbmensch hatte sich in eine von Todessern kontrollierte Schule geschlichen, nur, um zu wissen, ob es ihm gut geht!
Als Severus bemerkte, wie unverständlich, unglaublich, irreal ihm das schien, wurde ihm seine Einsamkeit einmal mehr wie ein bleischwerer Granitstein im Magen bewusst und auf einen Schlag konnte er nicht mehr sagen, dass ihn Lucy nervte. Und das verwunderte ihn noch mehr.
Er war einsam, schon immer gewesen. Weil er so war, wie er war. Sich so verhielt, dass es nicht anders möglich war. Und er wollte auch nichts anderes als allein sein. Wozu brauchte er andere Menschen? Ihn verstand ohnehin niemand. Bloß diese neue, von purem, brennendem Hass, der in Wahrheit ungerecht war, erzeugte Einsamkeit, die lastete auf ihm.
Das Gefühl, dass jetzt jemand etwas anderes als Hass für ihn empfand war …nun, nicht angenehm. Dafür war es schon viel zu fremd.
Anders. Ganz anders.

„Nein, Lucy, hör mir zur“ startete Severus unbeholfen einen zweiten Versuch. „Du hast ehrlich nichts falsch gemacht. Ihr hättet mir nicht helfen können, und ich habe das alles schließlich auch ohne euch bewältigt. Ich lebe noch, oder? Mir gelang es schnell, Bellatrix…. die Todesserin… zu überwältigen und als sie bewusstlos war, habe ich sie mit einem Vergessenszauber belegt. Sie weiß nichts mehr, niemand weiß von dieser Rettungsaktion. Alles ist in Ordnung, wirklich.“
Lucy wischte sich die glänzenden Tränen von der Wange. „Gut“ schniefte sie. „Das ist gut.“
„Aber hier her zu kommen und mich zu suchen, das war viel zu gefährlich.“ fügte Severus noch eindringlich hinzu. „Dass du lebend in meinem Büro angekommen bist, ist nichts als Glück.“
„Ja“ murmelte Lucy und wich seinem Blick aus, sah zu Boden. „Ja, tut mir Leid…“
Severus sog tief Luft ein, gab sich einen weiteren Ruck und meinte:
„Es ist ja nichts passiert, ich wollte es nur gesagt haben. Viel wichtiger die Frage, wo Nellie und du nun untergekommen seid?“
Lucy lächelte schwach, wehmütig. „Also, das kann ich Ihnen beantworten. Wir leben jetzt in Frankreich. Brest. Eine sehr schöne Hafenstadt. Eine kleine, aber gemütliche Wohnung haben wir uns da gemietet. Ich arbeite als Gemüseverkäuferin auf dem Markt und Nellie sortiert die Regale im Supermarkt ein. Muggelberufe, ziemlich langweilig und nicht gerade gut bezahlt, aber was soll man machen? Wir haben andere Namen angenommen, ich bin Marina Fisher und Nellie ist Jaimee Walker. Meine Eltern leben mit uns in Brest, in der Wohnung gleich unter uns. Sie sind in England auch nicht mehr sicher. Wissen Sie, wir haben erfahren, dass jemand genau einen Tag, nachdem sie mit uns geflohen sind, ihr Haus in London abgebrannt hat. Vermutlich diese gestörte Todesserin. Natürlich wären wir alle lieber daheim, aber... In Brest wird uns wenigstens niemand etwas tun…“ Sie seufzte und die brennende Sehnsucht nach ihrem alten Leben überschattete ihren Blick wie eine tiefschwarze Regenwolke, die plötzlich den strahlend blauen Sommerhimmel verdeckt.
„Das stimmt, und das ist momentan das Wichtigste“ pflichtete Severus ihr bei und fügte dann grimmig hinzu: „Vielleicht kannst du nach Hause zurück, Lucy, nicht jetzt, aber irgendwann. Der Dunkle Lord kann nicht ewig so weiter machen. Es wird Zeit, dass er für seine Taten bezahlt. Ich zumindest werde kämpfen, wenn es sein muss.“ Im selben Moment, in dem er sie aussprach, war Severus selbst erstaunt über seine beruhigenden Worte.
Lucys Augen weiteten sich: „Sie wollen… Sie wollen ihn …töten? Ihn, dessen Name nicht genannt werden darf?“
„Nicht nur ich“ erwiderte Severus bitter. „Ein Krieg steht kurz bevor, ich spüre es. Es ist offensichtlich. Aber ich werde mich nicht auf die Seite des Dunklen Lords stellen.“
„Eine mutige Entscheidung“ sagte Lucy bestimmt, doch Severus konnte die Sorge aus ihrer Stimme heraushören. „Aber …passen Sie auf sich auf, in Ordnung?“
„Ich habe eigentlich nicht vor, zu sterben.“
Die Gestaltenwandlerin lachte leicht nervös. „Nun, ich würde auf Ihre Beerdigung kommen.“
„Da wärst du wohl die Einzige.“

Eine peinliche Pause trat ein, die Luft war getränkt von unausgesprochenen Worten, Fragen, dann meinte Lucy zögerlich:
„Ähm… also, ich habe auch was für Sie…“
Severus zog verwundert eine Augenbraue hoch: „Für mich.“
„Ja.“
Sie kramte in der Innentasche ihres Umhangs und zog ein kleines, gebundenes Buch hervor. Der Einband war burgunderrot und die Farbe an vielen Stellen bereits abgeblättert, verwaschenes Papier entblößend. Auf der Vorderseite stand mit magischer, golden fluoreszierender Tinte in verschnörkelter Handschrift geschrieben:

Tagebuch und Notizen
von
Christopher Morgan


„Das ist das Tagebuch meines Großvaters“ erklärte Lucy und ihr gelang es schwer, den aufkeimenden Stolz in ihrer Stimme zu unterdrücken. „Also, mein Opa mütterlicherseits. Er war ein Mensch, natürlich. Er hat in ihm hauptsächlich seine zahlreichen selbst erfundenen Zauber notiert. Alltägliches, doch auch ziemlich Mächtiges. Auch Verteidigungszauber, Flüche und Gegenflüche. Zaubertränke hat er ebenfalls gebraut, und viele Rätsel der Magie erforscht. Ich möchte es Ihnen schenken, vielleicht können Sie es gebrauchen. Es ist nur eine Kleinigkeit im Gegensatz zu dem, was Sie für mich getan haben, ich weiß… Aber ich habe nichts, was ich Ihnen sonst noch geben könnte…“

Severus nahm das Büchlein entgegen, besah es sich noch einmal kurz und legte es schließlich auf seinen Schreibtisch.
Dann nickte er Lucy zu und sagte „Danke“ – etwas steif, aber mit einem zögerlichen Lächeln. Wie ein Krokus, der zaghaft die dicke Schneedecke durchbricht.
Sie lächelte zurück. „Sie müssen sich wirklich nicht dafür bedanken. Sie sollten nur wissen, dass ich immer in Ihrer Schuld stehe. Das wiederhole ich jetzt zum tausendsten Mal, aber es ist wahr.“
„Es war meine Pflicht, euch zu retten.“
Ein Sonnenstrahl brach durch die dichte Wolkendecke, fand seinen Weg durch den Wall der Vorhänge und fiel auf Lucys blasses Gesicht, das im Licht eigentümlich schimmerte, als sie leicht bedauernd sagte: „Ich denke, ich muss nun gehen. Nellie und meine Eltern machen sich sicher schon große Sorgen.“
„Dann tu das, und sei vorsichtig. Für dich und für mich!“
„Bin ich. Ich werde jetzt als Eule aus dem Fenster fliegen und wenn ich weit genug weg bin disapparieren.“
„Außer Sichtweite.“
„Ja, natürlich.“
„Gut. Auf Wiedersehen.“ Nach kurzem Zögern fügte er hinzu: „Pass auf dich auf.“
„Tu ich. Aber Sie auch auf sich!“
Er nickte.
Sie lächelte noch ein letztes Mal, und einen Wimpernschlag später verschwammen Lucys Konturen in einem silbernen Energiefluss. Im nächsten Augenblick hatte sie die Form eines erdbraunen Waldkauzes angenommen. Severus zog hastig die Vorhänge beiseite, öffnete ein Fenster und Lucy stürzte mit angelegten Flügeln hinaus, segelte in Richtung Wald, über das schmiedeeiserne Tor von Hogwarts hinweg, weiter und weiter... Als ihre Silhouette langsam hinter den Wipfeln der Bäume verschwand und nichts mehr außer wirbelnden Schneeflocken am aufgewühlten Himmel zu sehen war, kehrte die kalte Einsamkeit in Severus´ Herz zurück und verschloss es allmählich wieder hinter einer dicken Schicht aus Eis.

Der Himmel hatte sich aufgeklärt und die blassgelben Strahlen der winterlichen Mittagssonne erhellten Severus´ Büro. Über seinen Schreibtisch waren Berge von Pergamenten ausgebreitet, er kam mit dem Überarbeiten der Unterrichtspläne nur schleichend voran. Vor allem musste er darauf achten, die Pläne so gut es ging, zumindest ein wenig zum Wohl der Schule ändern zu können, ohne dadurch aber Misstrauen zu erwecken.
Severus´ Blick fiel abermals auf das kleine, rote Büchlein, das Lucy ihm geschenkt hatte und plötzlich entschied er sich, eine kurze Pause einzulegen und sich die Notizen von Christopher Morgan einmal anzusehen. Er öffnete das Tagebuch und ihm fiel sofort die ordentliche, enge Handschrift Morgans auf, verschnörkelte Buchstaben wie gemalt. Er überflog die Einträge und las Überschriften wie Hochwirksamer Zaubertrank gegen Schmerzen aller Art, Wall gegen Flammen- und Feuerangriffe und Schlamm und Schlick in klares Trinkwasser verwandeln, aber auch private Einträge wie Der Tag, an dem meine Tochter nach Hogwarts kam oder Warum ich dich so unglaublich liebe, Patricia… Morgan schien wirklich nur sehr wichtiges aufgeschrieben zu haben; die Daten der Einträge erstreckten sich von 01.06.1951 bis zu 26.9.1982.
Severus hielt abrupt inne und blätterte ein paar Seiten zurück, als er beim Überblättern bemerkte, dass Morgan an einer Stelle sehr zittrig, wohl äußerst hastig geschrieben hatte, was überhaupt nicht zu seiner sonst so ordentlichen Schrift passte. Als Erstes stach Severus in diesem Eintrag das Wort Nerhegeb ins Auge und er sog überrascht Luft ein, blätterte schnell, mit angehaltenem Atem, zurück zum Anfang des langen Berichts. Tatsächlich, die Überschrift lautete:

Das Geheimnis des Spiegels Nerhegeb… Legende oder Wahrheit? Mein unglaubliches Erlebnis...

Plötzlich brennend interessiert begann Severus zu lesen, und während er las, verwandelten sich seine Neugier, seine Erwartungen über Wehmut und Erstaunen in Ungläubigkeit und eine Mischung aus Entsetzen und einer seltsamen, neuen, unerträglichen Hoffnung. Als er die letzten Seiten des Tagebucheintrags mit zittrigen Händen umblätterte, so zittrig wie Morgans Hände einst beim Schreiben gewesen sein mussten, spürte er heiße Tränen in sich aufsteigen. Er fühlte sich wie zu einem Denkmal seines Selbst erstarrt. Das konnte nicht sein. Severus wurde übel, schwindelig. Die Tränen rannen seine Wangen hinunter und tropften zu Boden wie Bernsteine im Licht der Sonne, Bernsteine der Trauer und Verwirrung. Die Gedanken in seinem Kopf kreisten, wirbelten nur so umher, drehten sich um sich selbst. Konnten das Unmögliche einfach nicht begreifen. Sein Geist schien zersplittert, lag in Scherben wie ein zerbrochener Spiegel.

**************************************
Was hat Severus in Christopher Morgans Tagebuch gelesen, was hat er über den Spiegel Nerhegeb erfahren, das ihn so durcheinander gebracht, schockiert, in einen Sturm der Gefühle gerissen hat?
Ihr erfahrt es im nächsten Kapitel: "Christopher Morgans Tagebuch" :) Coming soon! - Und das meine ich wörtlich, es wird wohl nämlich ein ziemlich kurzes Kapitel sein ;)


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