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Fanfiction

Severus Snape - Das letzte Jahr in seinem Leben - Das Tagebuch des Christopher Morgan

von LunaYazz

Christopher Morgans Tagebuch glitt aus Severus´ zitternden Händen, fiel mit einem dumpfen Knall zu Boden. Dort lag es nun aufgeschlagen und Morgans tintene Worte schimmerten im mittäglichen Sonnenlicht… Worte der Weisheit und der Magie, Worte voll Gefühl, aufgeregte Worte… Worte, deren immense Bedeutung Severus einfach nicht begreifen konnte, denn sie stellten alles in ihm auf den Kopf.

Wie versteinert hob Severus das Büchlein auf und las sich den Beitrag über den Spiegel Nerhegeb abermals durch, mit laut pochendem Herzen, halb darauf hoffend, halb befürchtend, dass er doch irgendetwas falsch verstanden hatte. Aber es sah nicht danach aus, ganz und gar nicht.

01.09.1970, dieses Datum stand neben der Überschrift.
Und darunter war geschrieben:

Manche Dinge, die in meinem Leben geschehen sind, würde ich partout nicht glauben, wenn mir jemand anderes sie erzählt hätte.
Zweifellos gehört das, was ich in den letzten Tagen und Wochen erlebt habe, dazu…
Alles begann damit, dass mich früh morgens eine Eule weckte, die an meinem Schlafzimmerfenster klopfte. Sie brachte einen Brief mit einem neuen Auftrag für mich.
Ich bin seit vielen Jahren freier Archäologe und Altertumsforscher der magischen Geschichte, und war zuvor Lehrer auf Hogwarts für Verteidigung gegen die Dunklen Künste.
Also war diese Aufgabe wie für mich geschaffen: Man hatte eine bislang unentdeckte Pyramide in der ägyptischen Wüste Habr Umm Khushayb ausgegraben. Richtig, ausgegraben. In der Tat war sie wohl Jahrtausende lang verborgen gewesen in einer gewaltigen Sanddüne, merkwürdigerweise die einzige Erhebung weit und breit in einer flachen Ebene. Da liegt die Vermutung sehr nahe, dass diese Düne wohl nicht etwa natürlich entstanden ist –zumal jedes Sandkorn schwer wie ein Backstein schien und vom Wind nicht einen Millimeter bewegt wurde. Es hatten sicher keine Muggel dieses Monument erbaut.
Ich sollte nun die Pyramide auf eventuelle Zauberbanne und Flüche untersuchen und, falls vorhanden, versuchen, diese zu brechen, so dass man ins Innere vordringen konnte.
Da ich momentan keine weiteren Aufträge hatte, apparierte ich gleich an den im Brief beschriebenen Ort und fand dort ein Team aus Archäologen und Forschern vor, das bereits eifrig arbeitete.
Sie hatten die Pyramide inzwischen vollständig freigelegt –ein eindrucksvolles Bauwerk, wie sie da aus der endlosen Sandwüste in den blauen Himmel ragte.
Ich gab dem Teamleiter Bescheid, ich hätte seinen Brief erhalten und würde nun mit meiner Arbeit beginnen. Der meinte allerdings vage, er wäre im Moment knapp bei Kasse und als Bezahlung solle ich mir etwas von den wertvollen Artefakten, die sicher in der Grabkammer zu finden sein würden, nehmen. Dieses Angebot klang nicht unbedingt vertrauenswürdig – falls es keine Schätze geben sollte, würde ich leer ausgehen – aber ich sagte dennoch zu, vielleicht hauptsächlich aus archäologischer Neugier.
Es war bereits die steinerne Tür zur Pyramide verhext; per Alohamora war sie nicht zu öffnen, mit meinen magischen Messer gelang es mir aber schließlich.
Innerhalb der Pyramide hieß mich sofort ein hochgefährliches Dämonsfeuer willkommen, das ich nur dank dem magischen Wall gegen Feuer, den ich bereits vor Jahren erfunden habe, abblocken konnte.
Während ich immer weiter in die Dunkelheit vordrang, war ich äußerst wachsam und musste einige magische Banne und Barrieren brechen. Mehrmals entging ich nur knapp einem Fluch.
Schließlich stieß ich auf ein wirklich kompliziertes Labyrinth aus schmalen Gängen; den Weg dort durch wiesen mir einzig und allein die äußerst rätselhaften Worte einer uralten Sphinx, die träge in einer Ecke ruhte. Mir war bewusst, jeder falsche Schritt, jede falsche Richtung, die ich einschlug, könnte in eine tödliche Falle führen, doch am Ende fand ich –ziemlich schweißgebadet – den Weg hinaus aus dem Labyrinth. Ich stand vor einer hohen Tür aus massivem Gold, die von selbst aufschwang. Dahinter lag die Grabkammer und ich trat hinein.
Es war ein fantastischer Anblick; die Wände schienen wie die Tür aus purem Gold und dieser juwelenbesetzte, verschnörkelte Sarkophag in der Mitte des Raums erst! Allerlei Gold und Silber, Schmuck und Geschmeide waren um den Sarg aufgereiht, der Boden war nicht mehr zu sehen vor Diamanten und Edelsteinen.
Meine Arbeit war hiermit erledigt und ich holte das übrige Team in die nun sichere Pyramide.
Während sie vorsichtig den Sarkophag heraus trugen und die wertvollen Artefakte sicherten, suchte ich mir meinen Lohn aus. Ich entschied mich am Ende für einen hohen, klauenfüßigen Spiegel, der an der Wand stand und mit einem seidenen Tuch verhangen war; der Rahmen bestand nicht nur unverkennbar aus ebenso hochkarätigem Gold wie Tür und Wände der Grabkammer, ich weiß auch um die oftmals verblüffenden magischen Eigenschaften von Spiegeln, meine Neugier war geweckt. Es erschien mir wie eine gute Bezahlung für meinen kurzen, doch gefährlichen Job.
Eigentlich hätte ich den anderen noch gerne bei ihrer Arbeit zugeschaut, doch irgendwie interessierten mich die möglichen Eigenschaften dieses Spiegels weitaus brennender (ich konnte mir nicht vorstellen, dass dies ein ganz gewöhnlicher Spiegel war), und so apparierte ich mit meinem Fundstück eiligst zurück zu meinem Haus in London.

Es war Vorsicht geboten; die meisten magischen Spiegel zeigten dem Gegenüber irgendetwas, eine Illusion oder gar die Zukunft, aber es gab durchaus auch solche, die mit einem Fluch belegt waren, einen einsogen und in sich gefangen hielten, das Aussehen des Betrachters deformierten…
Ich versuchte als Erstes, die seltsame Inschrift im Rahmen des Spiegels zu deuten –„ NERHEGEB Z REH NIE DREBAZ TILT NANIEDTH CIN“ – und kam darauf, dass man sie rückwärts lesen musste. Tatsächlich, so ergab es: „Nicht dein Antlitz aber dein Herz begehren“. Es verwirrte mich ziemlich, dass diese Inschrift auf Englisch verfasst war und nicht etwa in altägyptischen Hieroglyphen, aber für mich war das eine Entwarnung, der Spiegel schien also vermutlich bloß etwas zu zeigen, ein Begehren.
Gerade, als ich den Spiegel Nerhegeb, wie ich ihn spontan und wirklich äußerst kreativ getauft habe, nun ausprobieren wollte, klingelte jemand an der Tür. Es waren…


Severus überschlug die nächsten Seiten, auf denen beschrieben wurde, wie eine ganze Gruppe von Freunden überraschend auf einen kurzen Besuch bei Christopher Morgan vorbeigekommen ist und sie alle in den Spiegel Nerhegeb blicken wollten. Ein jedem wurde seine eigene Illusion gezeigt, so sah Morgans Kollege Dan Doyle beispielsweise sich selbst, wie er einen gewaltigen, prächtigen aztekischen Tempel voll unvorstellbarer Schätze entdeckt hatte und damit als Archäologe zu großer Berühmtheit gelangt war. Seine Freundin Jaqueline aber, die keine Kinder bekommen konnte und darunter immer gelitten hatte, sagte, sie sehe sich mit einem neugeborenen Baby auf dem Arm.
Für Severus war all dies eher uninteressant, unbedeutend und er las erst weiter an der Stelle, die ihn beim ersten Lesen wirklich hatte aufhorchen lassen:

Nachdem sie schließlich alle wieder gegangen waren, konnte ich nun endlich selbst mein Fundstück verwenden.
Ich glaubte jetzt zu wissen, was der Spiegel zeigte; den größten Wunsch des Betrachters, eben das „Begehren deines Herzens“. Ich glaubte auch zu wissen, was er mir zeigen würde, und tatsächlich:

Im Spiegel sah ich niemand anderen als Patricia neben mir stehen. Patricia, meine geliebte Frau; vor drei Jahren war sie an plötzlichem Herzversagen gestorben und ich vermisste sie fortan jeden Tag.
Sie trug ein schneeweißes Kleid, legte einen Arm um mich und lächelte mich glücklich an.
Allein das war schon wundervoll; aber ich war wirklich überrascht, als sie aus ihrer rosa Handtasche (genau die Tasche, die sie im Leben stets bei sich getragen hat) eine Art Notizblock und einen Stift hervorzog und begann, etwas zu schreiben. Sie hielt das Geschriebene an die Spiegelscheibe und ich konnte lesen: „Chris! Oh, Chris! Ich bin so unglaublich froh, dich wieder zu sehen… Ich könnte vor Freude weinen, wirklich!!“
Dazu lächelte sie breit und wischte sich tatsächlich ein paar Tränen aus den Augen. Ich war auf einen Schlag zu glücklich, um mich über diese völlig unerwartete Reaktion des Spiegels auch nur zu wundern. Ich stammelte irgendetwas Unverständliches (ich glaube, es war „Patricia, es geht mir genauso, Patricia…“ oder so etwas in der Richtung) und ihr Spiegelbild umarmte meines fest und ich…


Morgans weitere überschwängliche Beschreibungen von seiner Zeit mit der Spiegel-Patricia überschlug Severus ebenfalls hastig. Das war exakt das, was auch er mit dem Spiegel erlebt hatte. Er wollte es nicht nochmal lesen; nicht noch einmal so schmerzlich an das erinnert werden, was er verloren hatte. Er begann, weiter zu lesen, als Morgans Worte ernster wurden und ein wenig bedrückt, kurz vor der Offenbarung des Geheimnisses von Nerhegeb:

…Meine Freunde sagten mir alle, ich hätte den Verstand verloren. Der Spiegel Nerhegeb hätte mich verrückt gemacht. Sie machten sich große Sorgen um mich.
Ich würde mich ununterbrochen mit dem Spiegel einschließen, meinten sie aufgebracht. Seit Wochen hätte ich nicht mehr am normalen Leben teilgenommen, sondern wäre bloß noch dieser Illusion verfallen. Sie dachten, ich sei besessen.
Doch ich war glücklicher als ich es die letzten Jahre je gewesen war. Mir war bewusst, dass Patricia nicht real war, aber es war mir gleichgültig. Ich hatte es immer bereut, zu ihren Lebzeiten nie ein magisches Portrait von meiner Frau in Auftrag gegeben zu haben; ein nach dem Tod einer Person gefertigtes Gemälde konnte einfach nicht den Charakter dieses Menschen einfangen; dazu musste der Geist, die Erinnerungen der Person, auf das Bild übertragen werden.
Aber dieser Spiegel war noch weitaus wundervoller als jedes verzauberte Portrait. Es schien so, als sei Patricia tatsächlich bei mir, als stünde sie tatsächlich neben mir. Fast war es so, als ob Patricia wirklich zurückgekehrt wäre. Und das würde ich mir von niemandem nehmen lassen.
Nur eine Sache erschien mir ziemlich merkwürdig, beunruhigte mich ein wenig:
Niemand außer mir war in der Lage, mit jemandem im Spiegel zu kommunizieren. Auch Sara, eine gute Bekannte von mir, sah jemand Verstorbenen im Spiegel Nerhegeb, und zwar ihre Tochter, die als kleines Kind von einem betrunkenen Muggel überfahren wurde. Doch was sie sah, glich ihren Beschreibungen nach eher einem Standbild; ähnlich einem verzauberten Foto, das wieder und wieder das Gleiche tat. Nur ich konnte mit meiner Patricia wirklich reden.

Eines Morgens, an dem ich wieder darüber nachgrübelte, entschied ich mich spontan, einfach einmal Patricia zu fragen, ob sie womöglich wisse –ja, warum sie so real wirkte. Warum alle anderen Betrachter nicht so eine vollkommene Illusion im Spiegel gezeigt bekamen.
Es überraschte mich, dass sie auf diese Frage hin plötzlich verunsichert wirkte und schrieb, sie wüsste nicht, ob sie mir das tatsächlich sagen sollte. Ich erwiderte leicht aufgebracht, wenn sie den Grund kannte, müsse ich ihn wissen.
Nach langem, langem, geradezu gequältem Zögern schrieb sie daraufhin eine weitere Nachricht in ihren Notizblock. Im Ungefähren lautete sie so:
„Chris, ich denke, es ist an der Zeit, es dir zu sagen. Ich möchte es dir schon sagen seit dem ersten Moment, an dem wir uns wiedergesehen haben, unbedingt. Ich hielt es zwischendurch kaum noch aus, es für mich zu behalten. Ich wusste nur nicht, ob die Wahrheit dich nicht vollkommen überfordern würde. Aber vielleicht macht sie dich auch einfach nur glücklich. Ich kann deinen Schmerz um mich ohnehin nicht mehr ertragen, denn er ist nicht nötig. Die Antwort auf deine Frage liegt im Rahmen des Spiegels und Jahrtausende zurück, Chris. Benutze am besten dein magisches Messer, um sie zu finden. Ja, ich denke, das müsste gehen. Okay, Christopher, ich komme bald wieder…“
Und mit diesen rätselhaften Worten löste sie sich in Nichts auf...

So ließ sie mich völlig perplex stehen, und nach einigem Zögern begann ich nun, mir den Rahmen des Spiegels Nerhegeb näher zu besehen. Ich konnte zunächst nichts Ungewöhnliches entdecken, bis ich auf der Unterseite des Spiegels, zwischen den beiden Klauenfüßen, eine Art Rille ertastete. Ich drehte den Spiegel also herum und entdeckte eine kleine, quadratische …ja, es schaute aus wie eine Klappe. Ich erinnerte mich an Patricias Worte und steckte mein magisches Messer hinein, stemmte mich dagegen und der Deckel dieses kleinen Geheimfachs verschwand einfach.
Darin war eine vergilbte Papyrusrolle, auf der etwas in altägyptischen Hieroglyphen geschrieben war. Es sah aus wie ein Brief, der wohl vor mehreren tausend Jahren verfasst wurde...
Ich machte mich daran, ihn zu übersetzen und das nahm meinen gesamten restlichen Tag in Anspruch. Was ich dabei schließlich herausfand, war einfach nur unglaublich. Ja, es schien mir eigentlich unmöglich, wenn es dort nicht Schwarz auf Weiß gestanden hätte.
Den übersetzten Brief (beziehungsweise eine sinngemäße Übersetzung, eine wortwörtliche Übersetzung der Hieroglyphen wäre allzu holprig) habe ich hier noch einmal niedergeschrieben:


Mein hochverehrter König Sokhleis,

Ich bedaure so sehr, dass Ihr von uns gegangen seid, aber ich weiß, Ihr werdet dort, wo Ihr nun seid, glücklich sein. Seit ich denken kann, habe ich Euch angebetet, und ich hoffe, dass die Toten tatsächlich so allwissend sind, wie ich es in den letzten Monaten mitbekommen und verstanden habe, und Ihr dies, was ich nun schreibe, auch empfängt. Es sollte eigentlich so sein, denn ich richte es allein an Euch.
Ich opfere Euch mit dem Spiegel der Begehren das Wertvollste, was ich besitze, und ich möchte, dass dieses goldene Stück Eure Ruhestätte erstrahlen lässt.
Zugleich ist es so, dass der Spiegel ebenfalls das Gefährlichste ist, was ich besitze, ja, das Gefährlichste, was ich kenne.
Ich vertraue darauf, dass die steinernen Mauern, die mächtigen Zauber und Euer noch mächtigerer Geist den Spiegel der Begehren bewachen werden und er niemals mehr jemandem schaden wird.
Ich denke, Ihr solltet um seine magischen Eigenschaften wissen und über das, was vorgefallen ist. Immerhin wird dieser Spiegel nun über Euer Grab, über Euren Körper wachen bis in alle Ewigkeit.
Niemand versteht mich wirklich, kann meine Trauer nachfühlen. Vielleicht hilft es mir, heilt es die tiefen Wunden in meiner Seele ein wenig, dies niederzuschreiben. Euch zu schreiben, o gütiger Pharao.
Mein Zwillingsbruder, Shukran Emam, hat den Spiegel der Begehren erschaffen. Habt Ihr zu Lebzeiten von ihm gehört? Er war mit Sicherheit einer Eurer berühmtesten Untertanen. Die Magie, die in ihm wohnte, war unglaublich stark. Manche dachten, er sei in direkter Verbindung mit den Geistern unserer Vorfahren. Sie hatten nicht einmal Unrecht, wie sich später herausstellte.
So hat er eines Tages einen Spiegel erschaffen, in den er all seine Zauberkraft steckte. Er sollte dem, der hineinsieht, den tiefsten Wunsch seines Herzens offenbaren. Also war es nicht nur das Äußere des Spiegels, das sich stets veränderte – die erste erstaunliche Eigenschaft des Spiegels der Begehren ist nämlich die Inschrift in seinem Rahmen. Ich konnte in spiegelverkehrten Hieroglyphen lesen „Nicht das Begehren deines Gesichtes, aber das deines Herzens“. Mein Bruder erklärte mir jedoch, dass beispielsweise ein Mesopotamier diese Inschrift in Sumerisch erkennen konnte, ein jeder las die Sprache, die er verstand.
Nein, es war nun auch so, dass jeder ein anderes Spiegelbild erblickte. Ich etwa sah mich - der gemeinsam mit meinem Bruder einst ausgesetzt wurde und bei einer fremden Familie aufgewachsen war – Arm in Arm mit zwei Menschen, die ganz so aussahen wie meine wahren Eltern. Der arme Amrar vom Ende des Dorfs erblickte sich inmitten von Gold und Reichtümern.
Als jedoch Shukran selbst in seinen Spiegel sah, erlebte er eine Überraschung. Dass er in ihm seine verstorbene Frau sah, war an sich nicht ungewöhnlich, denn was wünschte er sich mehr, als sie wieder zu sehen? Doch sie schien, in ihrem weißen Gewand strahlend hell wie ein Engel, weitaus lebendiger als die Illusionen, welche alle anderen im Spiegel der Begehren sahen, war ebenfalls vollkommen gerührt, Shukran zu sehen und war gar in der Lage, mit ihrem Mann zu reden, indem sie ein Pergament beschrieb.
Auch wenn meinen Bruder diese Begegnung sehr erfreute, kam es ihm dennoch befremdlich vor; dass der Spiegel so wirkt, wie es sonst nur magische Gemälde tun, hatte er nicht beabsichtigt.
Dazu kamen sehr seltsame Träume. Seit er den Spiegel erschaffen hatte, hörte er jede Nacht Stimmen, die ihm leise zuflüsterten. Sie sagten immer etwas wie: „Du hast die Grenzen zwischen den Dimensionen geöffnet“ oder „Das Siegel zum Tod ist zerbrochen“, eindringlich und scharf. Was er im Traum sah, war nicht minder seltsam als das, was er hörte; seine Nächte waren in goldene Farben und dichten Nebel getaucht, durch den hin und wieder ein violetter Sternenhimmel aufblitzte. Er träumte nichts mehr anderes.
Das machte mir noch größere Sorgen als die Tatsache, dass Shukran seine Tage bloß noch vor dem Spiegel verbrachte.
Ich schlug ihm schließlich vor, er solle doch seiner Frau im Spiegel der Begehren von den Träumen erzählen, vielleicht wisse sie eine Antwort darauf. Immerhin hatte er die Träume nie gehabt, bevor er den Spiegel erschaffen hatte. Er entgegnete: „Ich denke nicht, dass Amany es weiß, sie ist leider doch nur eine Illusion“. Aber er tat es.
Und zu seinem großen Erstaunen schrieb Amany, sie wisse die Antwort. Es sei nun wohl auch die Zeit gekommen, es zu sagen. Die Hieroglyphen, die sie auf ihr Pergament schrieb, erzählte mir mein Bruder danach unter Freudentränen, und wie könnte ich sie vergessen?
„Shukran“ hatte seine Frau geschrieben, „Du weißt, dass du ein außergewöhnlich talentierter und mächtiger Zauberer bist. Aber deine Macht ist noch weitaus, weitaus größer, als du denkst.
Als du all deine Kräfte verwendetest, um diesen Spiegel zu erschaffen, da öffnetest du, ja, ohne es zu merken, ein Tor. Nur so kann ich es mir erklären. Dir ist das Unvorstellbare gelungen, das, was keinem zuvor je gelungen ist, obwohl viele vor dir es ihr Leben lang verzweifelt versucht haben. Du ließt die Grenze zwischen den Dimensionen verschwimmen. Ich spürte es, spürte deine Anwesenheit so ungewohnt nah und wollte zu dir kommen, konnte zu dir kommen.
Das ist der Grund, warum ich dir so real vorkomme, Shukran. Weil ich es bin; ich bin keine Illusion. Ich spreche direkt aus der Welt, in die ich nach meinem Tod eingetreten bin, zu dir.
Verstehst du, was ich dir sage? Durch diesen Spiegel kannst du Kontakt in die jenseitige Welt aufnehmen. Das heißt, viel eher, die Seelen dort können Kontakt zu dir aufnehmen.
Die anderen, die in den Spiegel geschaut haben, haben keinen geliebten Menschen verloren, deshalb sehen sie nichts außer ihren eigenen Wunschvorstellungen; der Zweck, für den du den Spiegel eigentlich geschaffen hast. Oder, vielleicht haben sie gar jemanden verloren, aber diese Person möchte sich nicht zeigen.
Doch ich wollte mich dir um jeden Preis zeigen, mein Geliebter, und ich bin so unglaublich glücklich, dich endlich wieder zu sehen. Diese Träume, Shukran, jetzt weißt du es, oder? Du hast in deinen Träumen die jenseitige Welt gesehen, die wispernden Stimmen der Verstorbenen gehört…“
…Die Macht meines Bruders, das, was er geschaffen hatte, ich konnte es einfach nicht fassen.
Mein Bruder war ebenfalls überwältigt, wenn auch viel mehr davon, dass er endlich seine geliebte Frau zurück hatte als von seiner eigenen unvorstellbaren Macht.
Er erzählte niemandem außer mir von seiner Verbindung zur Geisterwelt und ließ niemand anderen mehr in den Spiegel schauen, hütete ihn wie das Heiligtum, das er war. Er tat eigentlich nichts mehr. Er saß nur noch in dem Haus, das wir wie auch so viel Gold und Geschmeide von unserem vermögenden Stiefonkel geerbt haben und gemeinsam bewohnten, vor dem Spiegel der Begehren – dem Tor zur jenseitigen Welt – und las das, was Amany ihm schrieb. Seine Antworten ließen mich wissen, dass sie ihm sehr viel von dem Totenreich erzählte. Allerdings durfte er wohl auch keinem anderen Lebenden sagen, was er darüber erfuhr, doch es schien ein erstaunlich schöner Ort zu sein.
Monate verstrichen und ich machte mir immer größere Sorgen. Shukran schien nicht länger in einer glücklichen Euphorie, sondern geradezu besessen.
Als ich eines Abends von einem Freund nach Hause kam und nach meinem Bruder rief, folgte nicht einmal eine Antwort. Ich ging aufgebracht in Shukrans Schlafraum, wo der Spiegel der Begehren stand, um ihn von dort fortzureißen und ihm zu sagen, dass es so nicht weitergeht…
Und da lag er, ausgestreckt auf dem Boden, vor dem Spiegel. Tot.
Neben ihm sein Zauberstab und eine dünne Rolle Pergament. Das war sein Abschiedsbrief an mich. Er schrieb, er habe es nicht ausgehalten, durch dieses gläserne Tor von Amany getrennt zu sein und hätte sich getötet, um endlich ganz bei ihr zu sein.
Mein Bruder war vollkommen unverletzt, hatte sich wohl mit einem Todesfluch umgebracht.
Es war schrecklich. Nun musste ich meinen geliebten Zwillingsbruder begraben; seine eigene Macht war sein Todesurteil gewesen. Sie war zu gefährlich, dieser Spiegel ist zu gefährlich.
Dennoch habe ich verzweifelt versucht, durch ihn Kontakt zu Shukran aufzunehmen, aber er zeigte sich mir nicht, egal wie laut ich ihn auch rief. Ich vermute, er bereut seine Entscheidung, wenn auch nur wegen mir, und möchte mich so vor den Gefahren des Spiegels schützen.
Ich hoffe nur, vertraue darauf, dass er nun mit seiner Frau glücklich ist, an demselben Ort, wo Ihr auch seid, o großer Pharao.
Ihr seht also, es ist die richtige Entscheidung, Euch diesen Spiegel zu opfern und ihn somit zugleich vor der Welt zu verbergen. Die Welt ist noch nicht bereit für einen so mächtigen Gegenstand und wird es vielleicht auch nie sein. Ich werde den Spiegel der Begehren nun jenen übergeben, die Eure Ruhestätte erbauen.
Und vielleicht könnt Ihr dann bald all die prächtigen Reichtümer, die Eure Grabkammer schmücken werden, durch den Spiegel hindurch überblicken und Euch daran erfreuen.

In Liebe und Ehrfurcht,
Maged Emam


Wie schon erwähnt, ich konnte kaum glauben, was ich dort las. Mein engstirniger Verstand brauchte mal wieder Beweise.
Ich dachte darüber nach und schließlich fiel mir etwas ein, was ohne Zweifel als Beweis genügen würde.
Nach dem Tod Patricias habe ich lange ihr Tagebuch gesucht, im ganzen Haus, es aber nie gefunden. Wenn die Spiegel-Patricia nun wusste, wo es war… dann konnte sie nicht bloß eine Illusion sein. Ich rannte zum Spiegel Nerhegeb, rief nach meiner Frau und schon erschien sie. Ich fragte sie nach dem Tagebuch und sie antwortete ohne zu zögern, ich solle schauen, es sei in ihrem Nachtschrank versteckt, im Zwischenraum zwischen Schrank und Schublade. Und tatsächlich, da war es.
Ich war so glücklich, Patricia wieder zuhaben, dass ich erst einmal anfing, zu weinen. Und sie weinte mit mir.

Eine Frage nur noch lag mir auf dem Herzen: Warum hatte Saras verstorbene Tochter sich ihr nicht im Spiegel gezeigt, warum durfte Sara nur die Illusion ihrer Tochter, ihre Wunschvorstellung, sehen – sie würde ihre Mutter doch bestimmt unglaublich gerne wiedersehen?
„Nun“ antwortete mir Patricia leicht reumütig lächelnd, „Man könnte sagen, sie ist nicht so egoistisch wie ich. Sie will, dass Sara ihr eigenes Leben weiter lebt, nicht bloß dem Spiegel nachhängt… etwas Neues beginnt… Ich hätte auch so handeln können, aber meine Sehnsucht nach dir war übermächtig. Verzeihe mir…“

Ich hätte besorgt sein können wegen Shukran Emams Schicksal. Aber nein, ich war nicht so wie er. Mir bedeutete mein Leben zu viel, als dass ich es aufgeben würde (geschweige denn beenden), ich würde meine Tage nicht bloß noch vor dem Spiegel Nerhegeb verbringen. Nun, es war in den letzten Wochen durchaus so gewesen, aber diese Geschichte wirkte einfach zu abschreckend. Zu ihren Lebzeiten hatte ich auch nicht vierundzwanzig Stunden des Tages mit Patricia verbracht – warum sollte es nun so sein, sagte ich mir selbst. Auch wenn die Wiedersehensfreude erst einmal gewaltig war, das Leben würde normal weitergehen.
Patricia ist wieder bei mir, das ist unfassbar und wunderbar; und irgendwann werden wir uns im Jenseits treffen, werden nicht mehr durch eine Spiegelscheibe getrennt sein, aber bis dahin vergeht hoffentlich noch viel Zeit.
Ich könnte mit der Entdeckung des Spiegels und seinem Geheimnis berühmt werden, weltberühmt, das ist mir bewusst. Aber die Welt ist wahrscheinlich noch immer nicht bereit dafür, also bleibt es mein Geheimnis.
Meine Familie und engsten Freunde haben jedoch natürlich schon davon erfahren, sie sind jetzt doch alle mehr als nur beeindruckt. Meiner Tochter habe ich auch schon ein Wiedersehen mit ihrer Mutter arrangiert.
Und ich weiß, wer den Spiegel Nerhegeb, wenn ich irgendwann tot bin, erben wird: Albus Dumbledore, denn er ist, meiner Meinung nach, der größte Zauberer, den es gibt, und ich vertraue ihm, dass er mit dem Spiegel umgehen kann und ihn nicht missbrauchen wird. Selbst wenn er tatsächlich auch die wahre, wichtigere Funktion des Spiegels erkennen würde, die ihn wohl zum mächtigsten magischen Gegenstand aller Zeiten macht.


…Mit diesem Satz war der Bericht zu Ende, und auf der nächsten, leicht vergilbten Seite begann ein anderer, späterer Tagebucheintrag Morgans, irgendetwas über Verhalten und Individualität von magisch erschaffenen Tieren.
Severus´ Hände zitterten noch immer, als er das Tagebuch auf seinem Schreibtisch ablegte und langsamen Schrittes hinüber zu dem Schrank ging, in dem er einst den Spiegel Nerhegeb entdeckt hatte. Er öffnete die Schublade unter dem hohen Schrankfach und holte eine mattgraue, glanzlose Scherbe des zerstörten Spiegels hervor, die einzige, die er behalten hatte, von der er sich aus irgendeinem Grund nicht hatte trennen können.
Er strich bedauernd mit den Fingern über das kalte Glas und er wusste, die Illusion, der Wunsch des Herzens, den ihm Nerhegeb in diesem Moment zeigen würde, wäre nichts als der Spiegel selbst.
Severus schloss die Augen, atmete langsam und tief durch, um sich ein wenig zu beruhigen, versuchte, seine wirbelnden Gedanken klarer zu strukturieren.
Der Spiegel Nerhegeb ist in Wahrheit ein Tor zum Reich der Toten.
Ich habe durch ihn mit einer Toten gesprochen.
Mit Lily, der echten Lily.
Noch vor wenigen Monaten…

Sein kreisrundes Büro schien Severus in dem Moment zu eng für all das, was er gerade eben erfahren hatte, für all seine Gedanken, den Sturm der Gefühle, der in ihm tobte. Er sah hinaus aus dem Fenster in den weiten, sonnengetränkten Winterhimmel und zückte in einem plötzlichen Impuls seinen Zauberstab. Im nächsten Augenblick verschlang ihn ein kreisender Wirbel allumfassender Finsternis, als er disapparierte. Die Schwärze gab ihn in einer schmalen Straße wieder frei, die von heimelig anmutenden, steinernen Altbauten mit kleinen, gepflegten Vorgärten gesäumt wurde. Den Neuschnee auf den rotbraunen Ziegeldächern hatten die warmen Sonnenstrahlen schon fast wieder geschmolzen.
Severus wollte nicht, dass er hier in Godric´s Hollow von irgendjemanden gesehen wurde. Er tippte sich mit dem Zauberstab auf den Kopf und der Desillusionierungszauber ergoss sich wie ein Schwall kaltes Wasser über ihn. Nun ein unsichtbarer, stummer Schatten, setzte er seinen Weg fort.
Er ging ein Stück geradeaus, schlich sich an Muggeln und vielleicht auch Zauberern vorbei, deren Köpfe voll waren von nichtigen, alltäglichen Dingen, die nichts um die unvorstellbare, zerstörte Macht des Spiegels Nerhegeb wussten. Schon bald war er am Friedhof angelangt, ein kleinen grüner Fleck in dem Jahrtausende altem Dorf. Er kannte den Weg zu ihrem Grab und er ging schnellen Schrittes dorthin.
Da lag es im Schatten eines uralten, knorrigen Baumes. Ein marmorner Grabstein wachte über Lily und James Potters Doppelgrab, Raureif überzog die gefrorene Erde. Mühsam und vereinzelt brachen sich ein paar Krokusse und Schneeglöckchen durch den Frost. Der Winter ließ das Grab sehr karg anmuten.
Severus richtete seinen Zauberstab auf Lilys Seite des Grabs und einen Herzschlag später sprossen überall winzige Pflanzen aus dem Boden, die innerhalb weniger Sekunden, wie in Zeitraffer, zu prächtigen Lilien heranwuchsen und Lilys Grab in Perlweiß und Grasgrün erstrahlen ließen.
Severus blickte gen Himmel, der sich langsam wieder zuzog, und ein Windstoß wehte durch sein Haar.
Er hatte mit der Lily im Spiegel Nerhegeb geredet, sie gesehen, sich an ihrem bezaubernden Lächeln erfreut, sie beruhigt, ihr ein Versprechen abgenommen… Es war nicht allzu lange her. Wenn er damals schon gewusst hätte, dass dies die wahre und wirkliche Lily war –es schien ihm immer noch absolut unglaublich– …er hätte doch jeden Moment mit ihr, jedes ihrer Worte in sich aufgesogen wie sein Lebenselixier. Und nun blickte er daran zurück und stellte mit Erschrecken fest, dass seine Erinnerung an die Spiegellily bereits langsam verblasste. Doch es gab kein Zurück, Voldemort hatte ihm den Spiegel ebenso genommen, wie er ihm einst alles genommen hatte.

Ein Schwarm Raben flog kreischend über den Friedhof hinweg. Severus sah gedankenverloren auf Lilys Grab herab, um es doch nicht wirklich anzusehen. Er hatte sich oft Gedanken über den Tod gemacht, wenn auch kaum über seinen eigenen. Wo war Lily nun, da sie nicht mehr in seiner Welt war? Existierte sie noch als die Lily, die er kannte? Ging es ihr dort, wo sie war, gut? Wusste sie, was er ihr angetan hatte, hasste sie ihn dafür?
Nun schien er die Antworten auf diese Fragen zu kennen und er stellte fest, dass sie den alten und vertrauten Schmerz in seinem Herzen auf einen Schlag um einiges linderten.
Bedauerlich, dass Maged Emam nicht näher darauf eingegangen war, aber er hatte die jenseitige Welt einen erstaunlich schönen Ort genannt. Als sein Bruder von ihr geträumt hatte, träumte er von einem goldenen Licht.
Und Lily… irgendwo gab es sie immer noch, so, wie Severus sie kannte, die, die er sein Leben lang geliebt hatte… An irgendeinem fernen Ort lebte sie weiter, und sie schien tatsächlich glücklich zu sein.
Severus erinnerte sich an ihr herzliches Lachen, ihr strahlendes Lächeln, das aufgeweckte Funkeln in ihren smaragdgrünen Augen… Sie schien im Tod beinahe noch frohsinniger als in ihrem Leben... Das war kaum vorstellbar, Lily, die so schrecklich früh gestorben war, ihren geliebten Sohn zurücklassen musste… Doch es war unbestreitbar. Und Severus wusste nichts, was ihn auf dieser verrückten Welt mehr trösten könnte als das, ihn mehr von innen heraus wärmen und stärken könnte.
Was Severus am unverständlichsten schien und so wundervoll zugleich, war Lilys Reaktion auf ihn. Er hatte keinen Funken Hass in ihr spüren können, viel mehr hatte sie sich sogar richtig gefreut, ihn zu sehen, hatte so liebevoll und unglaublich dankbar gewirkt, als Severus auf der Verfolgungsjagd der sieben Potters ihren Sohn gerettet hatte. Sie hatte sich ihm gezeigt, war zu ihm gekommen. Oder hatte sie es nur getan, um ihn nochmal eindringlich zu bitten, gut auf ihren Sohn aufzupassen, um sicher zu gehen? Hatte sie sich bloß nach Kontakt zur Welt der Lebenden gesehnt und Severus dafür eben in Kauf genommen? Er wusste es nicht. Aber es sah, wie man es drehte und wendete, wirklich nicht danach aus, als würde sie ihn abgrundtief hassen und verabscheuen, so wie er bisher mit einem stechenden Schmerz in der Brust gedacht hatte. Ihre Dankbarkeit dafür, dass er Harry Potter schützte, schien aufrichtig und ehrlich. Es war schwer verständlich nach dem, was Severus ihr angetan hatte. Aber als ihm das klar wurde, war es so, als hätten sich einige fest verknotete Fäden des Korsetts der Verzweiflung, das ihn seit vielen Jahren einschnürte und gefangen hielt, endlich gelöst.

Es war windig und kalt geworden und begann wieder, zu schneien. Die dicken Schneeflocken, die vom Himmel herab rieselten, blieben in Severus´ Haar und auf seinem Umhang hängen, würden die Lilien auf Lilys Grab bald erfrieren.
Severus dachte nicht daran, von diesem Ort fort zu gehen. Er fühlte sich im Augenblick Lily so nah wie noch nie nach ihrem Tod. Niemand war in der Nähe, er war von jeglichen Blicken verborgen und ihm schien Lily fast greifbar, auch ohne den Spiegel Nerhegeb.
Sah sie ihm zu in diesem Moment?
Maged Emam hatte die Allwissenheit der Toten erwähnt, und hatte Lily nicht von Harry Potters Schicksal und Severus´ Eingriff in die Verfolgungsjagd gewusst, ganz ohne fragen zu müssen?
Nach kurzem Zögern sah Severus hinab auf Lilys Grab und sagte dann leise:
„Lily? Kannst du mich hören? Ich hoffe, du kannst mich hören. Ich vertraue darauf.
Es ist nur schade, dass der Spiegel Nerhegeb zerbrochen ist, so kannst du mir nicht antworten…
Ich habe dir so viel zu sagen, aber ich denke, du weißt das alles bereits… Was ich für dich empfinde, wie ich es …bereue. Ich bereue alles so sehr, es tut mir so unvorstellbar leid, was ich dir… –deiner Familie– angetan habe. Ich hätte überhaupt nie ein Todesser werden sollen, Lily, vor allem mit so einer wunderbaren muggelstämmigen Freundin wie dir… Wie konnte ich mich da von einer Ideologie, die Muggelgeborene für wertlos hält, mitreißen lassen?
Es war so falsch von mir, ich würde alles, wirklich alles tun, um diese Entscheidung wieder rückgängig zu machen, verstehst du… Nur geht es nicht. Es geht nicht, es ist geschehen.
Und ich weiß, ich kann meine Verbrechen an dir damit nicht annähernd wieder gut machen, aber ich verspreche, ich verspreche, deinen Sohn so gut wie es nur irgend möglich ist auf seiner Mission zu unterstützen und zu beschützen. Auch wenn er am Ende sterben muss…
Lily, wirst du ihn dann wiedersehen? Werden wir uns irgendwann wiedersehen? Ich weiß auf all dies keine Antworten.
Bist du glücklich, da, wo du bist? Es scheint mir eigentlich so. Ich hoffe es. Wo bist du, Lily?
…Ich liebe dich.“

In der Ferne sah Severus ein älteres Paar umher schlendern, durch den Vorhang aus Schnee direkt auf ihn zu. Er war nicht länger alleine hier und nun beschloss er, es sei an der Zeit, zu gehen. Er löste sich von Lilys Grab und bog schnellen Schrittes in einen anderen Weg ein, um außer Hörweite des Pärchens zu disapparieren.
Severus trocknete sich die tränenfeuchten Augen, während er unter den kahlen Ästen von Trauerweiden hindurch über den sturmgepeitschten Friedhof ging. Der Wind brannte ihm auf der Haut, doch er fragte sich, ob er später noch das Grab seiner Eltern besuchen sollte.
Gedankenverloren sah er hinauf in den Schneesturm, der mit eiskalten Fingern sein Gesicht streichelte. Doch die eisige, finstere Einsamkeit, die sein Herz gefangen hielt, schien ein wenig geschmolzen bei dem Gedanken daran, dass gerade in diesem Atemzug Lily Evans ihn vielleicht von irgendwoher beobachtete.


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