von minimuff
Langsamen Schrittes gehe ich auf das kleine Haus am Ende der Straße zu. Es ist ein warmer Sommertag, aber mein Körper zittert. Je näher ich komme, desto größer wird der Lärm. Da vorn unterhalten sich Menschen, lachen und plaudern ausgelassen. Meine Miene verfinstert sich. Wie kommt es, dass scheinbar immer alle glücklich sind, nur ich nicht?
Ich gehe an dem Häuschen vorbei. Ein großes goldenes Schild sagt mir, dass die Hochzeit im Freien stattfindet. Über einen schmalen Kiesweg mache ich mich auf den Weg in den Garten. Ich werde nervös. Ob die Trauung schon vorbei ist? Einerseits wäre es wohl besser für mich, wenn ich das nicht miterleben müsste. Es würde mir eine Menge Schmerzen ersparen. Trotzdem will ich es sehen, will ich sie sehen. Das ist ein großer Tag für sie, und ich möchte an ihrem Glück teilhaben. Obwohl es wahrscheinlich eine Qual sein wird, Potter an genau der Stelle zu sehen, an der ich so verdammt gern selber stehen würde: An Lilys Seite.
Ich schlucke und betrete den Garten. Viele Gäste sind nicht da. Die meisten sind aus dem Orden. Ich vermute, die beiden haben sich eine kleine Feier gewünscht; es wäre ihnen ein Leichtes gewesen, Hunderte von Gästen aufzutreiben. James und Lily sind so unglaublich beliebt. Wer würde schon kommen, wenn ich heiraten würde? Der Dunkle Lord wahrscheinlich, denke ich sarkastisch und stelle mich ein wenig abseits von zwei Personen, die sich bei nährerem Hinblicken als Dumbledore und Lupin entpuppen. Der Schulleiter trägt einen violetten Smoking, seine hellblauen Augen blitzen. Lupins Anzug ist wie üblich abgetragen und geflickt, trotzdem sieht er glücklich aus. Er nippt an einem Sektglas und zwinkert Black, der ein paar Meter weiter mit seiner neuen Freundin steht, vergnügt zu.
Suchend blicke ich mich um und sehe, dass die Trauung bereits in vollem Gange ist. Vorne auf einer kleinen Holzbühne steht ein schmalgesichtiger Pfarrer, der selig grinsende Potter- und natürlich Lily.
Lily. Kaum habe ich sie entdeckt, nehme ich nichts anderes mehr wahr. Sie sieht einfach unglaublich aus. Sie trägt ein weißes trägerloses Kleid, und ihre dunkelroten Locken fallen über ihre nackten Schultern. Auch auf ihrem Gesicht liegt ein Lächeln, während sie dem Pfarrer aufmerksam zuhört. Eine heftige Sehnsucht packt mich, und ich schüttele resigniert den Kopf. Verliebt in die Braut. Perfekt.
"Ja, ich will!", bringt Lily vorne heraus. Ihre Augen schwimmen in Tränen, soweit ich das von hier aus sehen kann.Stopp, Lily, du heiratest den Falschen!, denke ich verzweifelt. Vorne spricht der Pfarrer weiter, wärend ich hier hinten mit aller Macht um Contenance kämpfe.
"Dann dürft ihr euch nun küssen!", verkündet der Pfarrer freudestrahlend, und meine Knie werden wacklig. Ich stütze mich an einem Baum ab und sehe zu, wie James Lilys Gesicht in beide Hände nimmt, sie noch einmal liebevoll ansieht und dann schließlich küsst. Die Gäste klatschen, Black pfeift laut. Es klingt albern, aber ich bin kurz davor, in Tränen auszubrechen. Jetzt ist meine Chance, Lily doch noch irgendwie für mich zu gewinnen, endgültig verloren.
Als der Kuss endlich vorbei ist, strömen die Gäste alle auf einmal auf das frische Ehepaar zu und überhäufen sie mit Umarmungen und Glückwünschen. Ich fühle mich etwas fehl am Platze. Lily zu gratulieren, das schaffe ich nicht. Unruhig trete ich von einem Fuß auf den anderen und überlege, einfach still und leise wieder abzuhauen, da ertönt hinter mir eine Stimme: "Sev!"
Kaum habe ich mich umgedreht, fällt mir jemand um den Hals. Ich brauche keine Sekunde, um zu erkennen, dass es Lily ist. Sofort spielen meine Gefühle verrückt. Ich drücke sie fest an mich und vergrabe für einen Moment meine Nase in ihrem duftenden Haar. Viel zu schnell lässt sie mich wieder los. Ihre Augen leuchten. Ich schüttele einmal kurz und unmerklich den Kopf, um wieder Herr meiner Sinne und vor allem meiner Gefühle zu werden.
"Oh Sev! Dass du gekommen bist!"
"Naja", sage ich, einfallsreich wie immer. "Natürlich komme ich, wenn du heiratest."
Lily wedelt sich mit den Händen Luft zu. "Mein Gott, ich bin total aufgeregt. Jetzt bin ich tatsächlich verheiratet! Ich kann es noch gar nicht richtig glauben..."
Glaub mir, Lily, ich auch nicht, denke ich und sehe zu, wie sie sich mit ihren schlanken Fingern durchs Haar fährt.
"Komm, ich zeig dir unser Haus!", ruft sie fröhlich, nimmt mich bei der Hand und zieht mich mit sich. Mit gemischten Gefühlen folge ich ihr. Das Letzte, was ich jetzt sehen will, ist das Haus, in dem sie zusammen mit James lebt, aber ich will ihre Freude nicht kaputtmachen.
Lily öffnet die Haustür und führt mich nach innen. Im Haus sind viele große Fenster, und überall scheint warmes Sonnenlicht hinein. Ich bin mir sicher, dass Lily dieses Haus eingerichtet hat, denn alles passt perfekt zusammen und wirkt unheimlich gemütlich. Lily zeigt mir nacheinander alle Räume und führt mich schließlich sogar in ihr Schlafzimmer. Es ist eher klein, und ganz hinten im Raum steht das Doppelbett. Ein paar Rosenblätter liegen auf der Decke, und auf dem Nachttisch steht eine Sektflasche.
"Oh, das muss Claire gewesen sein", sagt Lily erfreut. Ich kenne keine Claire. Ich weiß nur, dass dieser Raum mich gleichzeitig anzieht und heftig abstößt. Hier wacht Lily jeden Morgen auf. Hier zieht sie sich um. Hier schläft sie, direkt neben James. Hier berührt er sie, mit seinen schmutzigen Fingern...
"Gehts dir gut, Sev?", fragt Lily besorgt und holt mich zurück in die Realität. "Du guckst so komisch."
Ich winke ab. "Alles klar", bringe ich heraus. Unruhig blicke ich mich um und entdecke ein Foto, das in einem Rahmen über dem Bett hängt. Ist es von Lily? Ich trete näher.
Und halte den Atem an. Dort ist tatsächlich Lily zu sehen. Sie kommt gerade aus dem Badezimmer. Anscheinend hat sie geduscht, denn ihre Haare sind nass. Sie trägt nichts, nur ein knappes Handtuch. Übermütig lachend versucht sie, ihren Körper damit zu bedecken. Das Wasser läuft ihr aus dem langen Haar über ihren nackten Arm. Und das Handtuch ist wirklich verdammt knapp. Mein Atem geht schneller.
"Das ist James' Lieblingsfoto von mir", sagt Lily verlegen. Scheinbar ist es ihr unangenehm, das ich das Bild gesehen habe, denn sie zieht mich wieder aus dem Raum. Die Foto-Lily winkt mir hinterher.
"Lass und wieder rausgehen", schlägt Lily vor. Ich nicke nur und denke, welch himmelschreiendes Glück Potter doch hat. Ich würde alles dafür geben.
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